Protokoll der Sitzung vom 07.11.2018

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Der Pakt will ausdrücklich dem Umstand Rechnung tragen, dass es Migration gibt, die nicht durch Flüchtlingsrecht geschützt ist. Das wird im Text auch an mehreren Stellen wiederholt. Er will die nationale Souveränität anerkennen, die Migrationspolitik selbst zu bestimmen und das Recht, die Migration auf nationaler Ebene in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht selbst zu regeln. Das heißt, die Souveränität der Staaten bleibt in vollem Umfang erhalten.

Frau Nagel, ich kann verstehen, als Sie vorhin sagten, dass Sie das von der anderen Seite kritisieren. Sie sagten, es sei Ihnen zu wenig Verbindlichkeit für Migranten. Ja, das ist richtig. Aber ich glaube, dass der Migrationspakt wahrscheinlich nicht zustande käme, wenn er stärker verbindlich wäre. Wir sehen jetzt schon – danach ist eben schon gefragt worden –, warum bestimmte Staaten wie die USA oder Österreich inzwischen diesem Migrationspakt nicht beitreten wollen, und zwar weil er ihnen zu stark formuliert ist, weil er ihnen zu viel politische Verbindlichkeit mit sich bringt. Ich glaube, das ist die Begründung. Dabei kommt es nicht mehr auf Fakten an und auch nicht mehr auf den guten Willen, der dahinter steht. Es kommt nur noch darauf an, ob Herr Trump mal wieder gegen Migranten hetzen kann, und das tut er dann eben auch. Und die österreichischen Politiker – –

(Jörg Urban, AfD: Und die Polen und die Tschechen! – Zuruf von der AfD)

Die wollen keine Migration. Natürlich hetzen Sie!

(Zurufe von der AfD)

Natürlich hetzen Sie!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Pakt regelt in sehr vernünftiger Art und Weise grundsätzliche Probleme, die bei der Migration entstehen können. Die Erhebung und der Austausch von Daten über Migration, die Minimierung von Faktoren, die Menschen veranlassen, ihre Heimat zu verlassen, die Sicherstellung der Identifikation von Migrantinnen und Migranten, die Sicherung von Wegen der erwünschten Migration, der

Schutz von Frauen und Kindern, die Sicherung einer fairen und ethisch vertretbaren Rekrutierung von Arbeitskräften, die Bekämpfung von Schleusern und Menschenhändlern, ein koordiniertes Grenzmanagement, Rechtssicherheit und Planbarkeit von Verfahren, der Zugang zu Grundleistungen entsprechend den Menschenrechten, Integration und Inklusion, Anerkennung von Qualifikation und Kompetenzen und die sichere und würdevolle Rückkehr in die Heimat – um nur einige Punkte zu nennen, die Sie, Herr Urban, vorhin nicht genannt haben.

Alle diese Punkte zu regeln ist extrem wichtig und vernünftig. Wer sie nicht regeln will, der will kein System errichten, wie internationale Migration möglichst konfliktarm funktionieren kann. Deswegen, meine ich, muss man Ihren Antrag ablehnen.

(André Barth, AfD: Aber?)

Ich möchte noch auf einen anderen Punkt zu sprechen kommen. Das ist das Ziel Nummer 17 in diesem Migrationspakt. Dort steht: „Die Beseitigung aller Formen der Diskriminierung und Förderung eines auf nachweisbaren Fakten beruhenden öffentlichen Diskurses zur Gestaltung der Wahrnehmung zur Integration.“

Wenn man diesen Punkt liest, weiß man, warum sie diesen Migrationspakt nicht wollen; denn seit wann wollen Sie einen Diskurs auf der Basis von Fakten führen?

(Zuruf von der AfD)

Deswegen lehnen Sie diesen Migrationspakt ab, und das kann ich dann auch nachvollziehen. Sie wollen ja gar nicht über Fakten diskutieren.

(Jörg Urban, AfD: Wer hat denn den Antrag heute eingebracht? Sie wollten darüber reden! Sie führen die Debatte wegen unseres Antrages!)

Ich glaube, dass Sie es uns nachsehen werden, wenn wir Ihrem Antrag nicht zustimmen werden.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Als Nächste spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Kollegin Zais.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Im September 2016 wurde als Grundlage des Migrationspaktes von der UNGeneralversammlung die New Yorker Erklärung verabschiedet. Bereits damals hat die Weltpresse die Öffentlichkeit über die angestrebten Inhalte des Migrationspaktes berichtet. Auch in Deutschland konnte man darüber lesen. Getragen werden die Inhalte von der Einsicht, dass kein Land allein Ursachen und Folgen weltweiter Migrationsbewegungen bewältigen kann.

Es folgte dann von April 2017 – die Vorredner sind darauf eingegangen – bis Juli 2018 die Ausarbeitung des Vertrages. Die Unterzeichnung soll am 10. und am 11. Dezember in Marokko stattfinden, und das werden – das wird

wahrscheinlich auch so bleiben, meine Fraktion hofft das sehr, dass Deutschland dazugehören wird – mehr als 190 Länder tun.

Bisher verweigern die USA, Ungarn und nun auch Österreich die Unterschrift unter das Papier. Nach unserer Auffassung ist das ein absolut falsches Signal. Die Politik der Abschottung, des Amerika First, Österreich First oder Ungarn First setzt letztlich darauf, die internationale Zusammenarbeit zu boykottieren und nationale Abschottungsstrategien durchzuführen.

Aber das ist letztlich keine Lösung, denn es geht darum, Migration zu gestalten und Menschenrechte zu sichern. Das ist in der bisherigen Debatte ein bisschen zu kurz bekommen. Denn wenn man sich einmal vergegenwärtigt, dass sich über 250 Millionen Menschen auf der Welt auf Migrationsrouten begeben und in neuen Ländern Arbeit suchen, ganze Wirtschaften auf der Erde von den sogenannten Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeitern

abhängig sind, die in den Ländern keinerlei Rechte genießen, dann ist es wichtig, dass sich die Länder dieser Erde darüber verständigen, wie auch diese Menschen in den Genuss universeller Menschenrechte kommen. Dazu stehen auch wir als GRÜNE.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Jörg Vieweg, SPD)

Das ist vernünftiges politisches und zugleich humanes Handeln. Aber das ist nicht der Politikansatz der AfDFraktion.

(Karin Wilke, AfD, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein. – Mit Ihrem Antrag wollen Sie genau das verhindern. Deshalb machen Sie das, was Sie am besten können: Falschmeldungen verbreiten, Ängste schüren und den Boden dafür bereiten, dass Ihre Saat von Hass, Rassismus und Gewalt aufgeht.

(Zurufe von der AfD)

Sie genieren sich dabei auch nicht, sich der Lüge zu bedienen.

(Zurufe der Abg. André Barth und Karin Wilke, AfD)

All das wird in Ihrem Antrag sehr deutlich. Wir können hoffen, dass die CDU zur ihrer ankündigten positiven Stellungnahme zu diesem Pakt steht und sich nicht von der AfD unter Druck setzen lassen wird.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Jetzt kommt Frau Kollegin Kersten zu Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Agieren

der CDU-geführten Bundesregierung mit dem Migrationspakt, allem voran die diesbezügliche Öffentlichkeitsarbeit oder besser gesagt, die nicht stattgefundene Öffentlichkeitsarbeit, zeugt einmal mehr von dem Versagen der Bundesregierung im Umgang mit dem sensiblem Thema Flüchtlinge und Migration.

In einem Monat soll dieser Pakt auch von Deutschland unterzeichnet werden. Bis vor Kurzem spielte er in der Öffentlichkeit keine Rolle. Er wurde der Bevölkerung weder vorgestellt, geschweige denn mit ihr diskutiert.

Erst als der österreichische Kanzler verlauten lies, dass sein Land diesen Pakt nicht unterzeichnen wird, und die AfD das Thema aufgriff, fand der Migrationspakt der Vereinten Nationen den Weg in die Öffentlichkeit.

Wie dumm muss man eigentlich sein?

Es ist ein Thema, welches seit drei Jahren in unserem Land nicht kontroverser diskutiert werden könnte, es ist ein Thema, welches die AfD groß gemacht hat und zum wiederholten Mal nicht offensiv angegangen wurde. Erst als die Kritiker des Migrationspakts laut werden, sieht man sich auf Bundesebene genötigt, gegen sogenannte Falschmeldungen vorzugehen. Und wie? – Man dürfe Populisten nicht das Feld überlassen. – Klasse! Zuerst lässt man den Acker liegen und dann wundert man sich, dass ihn ein anderer bestellt.

Schon allein dieses Versagen der Bundesregierung im Umgang mit dem Migrationspakt wäre Grund genug, diesen Pakt abzulehnen und dem vorliegenden Antrag zuzustimmen.

Für uns Blaue ist dies allerdings nicht genug, für uns gibt es noch weitere Argumente. Stichworte sind in diesem Zusammenhang die sogenannte Nichtverbindlichkeit des Paktes sowie der Erhalt der nationalen Souveränität. Im Pakt lesen wir, dass es sich um einen nicht bindenden Kooperationsrahmen handelt und dass er die Souveränität der Staaten wahrt.

Haben Sie einmal gezählt, wie oft sich im Migrationspakt die Worte „Verpflichtung“ oder „Wir verpflichten uns“ finden? Ich habe bei 48 Mal aufgehört zu zählen, und ich sage Ihnen, dass ich nicht jeden Satz durchleuchtet habe. Wie viele es waren, haben wir vorhin gehört. Und was, bitte, bedeutet „Verpflichtung“, wenn nicht „bindende Wirkung“? Wenn ich mich zu etwas verpflichte, dann bedeutet das sehr wohl, dass ich dies tun werde. Für die Unterzeichner des Pakts, also auch für Deutschland, wird dasselbe gelten, und in Deutschland wird es Anwälte geben, die aus Verpflichtungen Ansprüche für Migranten ableiten werden und diese dann auch einklagen. Souveränität und die angeblich rechtlich nicht vorhandene Bindung sind damit „Ade!“.

Darüber hinaus wird dem Pakt per se eine Lösungskompetenz für allerlei zugeschrieben. In der Präambel des Globalen Pakts ist zu lesen, dass Migration als eine Quelle des Wohlstands, der Innovation und der nachhaltigen Entwicklung angesehen wird. Das ist wirklichkeitsfremd. Ich bin mir jedenfalls sicher, dass in Deutschland

die Quellen von Wohlstand und Innovation anders definiert werden.

Doch zurück zu den Problemen. Migration löst kein Problem, sondern ist leider selbst nur die Folge von Problemen. Die weltweite Migration hat zugenommen, aber hat sich dadurch die Welt verbessert – trotz milliardenschwerer Entwicklungshilfen, trotz internationaler Erklärungen, Übereinkommen usw. usf.? Nein, ebenso wenig wird die Migration im Sinne des Migrationspaktes, also die gesteuerte Massenmigration, etwas daran ändern. Dies zeigt, dass den hier durch die Vereinten Nationen in Aussicht gestellten Erklärungen zum Global Compact for Migration die Zustimmung zu verweigern ist.

Einen wahrhaften Ansatz für die Zukunft kann lediglich ein Vorhaben bieten, das für alle Nationen verpflichtende Erklärungen enthält, die darauf gerichtet sind, die Ursachen, die zur Massenmigration führen, zu bekämpfen und zu beseitigen. Daran sollte Deutschland aktiv mitarbeiten.

Vielen Dank.