Protokoll der Sitzung vom 07.11.2018

(Beifall bei den LINKEN)

Das war der Beitrag in der Aktuellen Debatte. Gibt es aus den Reihen der Fraktionen noch Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Dulig, bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Menschen, die in Sachsen hart arbeiten, haben höhere Löhne verdient. Wir haben in Sachsen zu niedrige Löhne, und das dürfen wir nicht hinnehmen. Wir müssen vielmehr alles dafür tun, um mit den Möglichkeiten, die wir haben, klarzumachen, dass ein Land nur dann erfolgreich ist, wenn es jenen, die diesen Reichtum und Wohlstand erarbeiten, Wertschätzung entgegenbringt. Deshalb darf die Diskussion nicht lauten: Wirtschaft – auch Arbeit? Nein, Wirtschaft und Arbeit. Das sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Eine starke Wirtschaft funktioniert nur mit sozialer Gerechtigkeit und dem Blick auf die Arbeit. Umgekehrt ist es genauso: Gute Arbeit funktioniert natürlich auch nur, wenn die Rahmenbedingungen für unsere Wirtschaft funktionieren. Das heißt, wir müssen den Menschen in den Blick nehmen, und das ist der Punkt, an dem Sie sich die Frage stellen müssen: Worum geht es Ihnen?

Sie waren die Ersten, die den Mindestlohn gefordert haben. Sie können sich das in goldenen Lettern an Ihre Türen hängen. Sie können Debatten beantragen, wie Sie wollen.

(Empörung bei den LINKEN)

Sie können mit uns darüber streiten, wer wann was gemacht hat. Das können wir alles tun. Sie beschäftigen sich lieber mit sich selbst, anstatt sich darum zu kümmern, wie wir die Löhne verbessern können. Wenden wir uns doch endlich den Menschen zu, um die es geht!

(Fortgesetzte Empörung bei den LINKEN)

Sie erzählen hier etwas von Mindestlohn. Handeln Sie! Sie reden, wir handeln. Wir haben in der Koalition ein Bonussystem für die Unternehmen eingeführt, die Tariflöhne zahlen. Sie bekommen von uns einen Bonus bezahlt. Wir handeln, Sie reden. Können wir uns jetzt vielleicht einmal den Menschen zuwenden,

(Nico Brünler, DIE LINKE: Genau!)

um das Ziel zu erreichen, dass Löhne gezahlt werden, von denen man leben kann und die vor allem vor Altersarmut schützen? Das muss das Ziel bleiben.

(Beifall bei der SPD und der CDU – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Aha!)

Genau deshalb bin ich für Tariflöhne. Wir brauchen eine Stärkung der Tarifbindung auch in Sachsen, nur – das wissen Sie auch – entscheiden das nicht wir hier im Parlament; das entscheidet keine Staatsregierung, sondern das ist die Tarifautonomie.

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Natürlich.

Herr Brünler.

Sehr schön. Vielen Dank. Ich möchte nur Ihr Handeln noch einmal entsprechend würdigen. Geben Sie mir recht, dass Sie auf der einen Seite einen Mindestlohn von 12 Euro fordern, aber auf der anderen Seite durch praktisches Regierungshandeln in der Bundesregierung dann nicht einmal 40 Cent Aufschlag beschließen?

(Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Was soll man darauf sagen?)

Was soll man darauf sagen? Okay, ich sage es einmal so:

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Sie reden, wir handeln!)

Ich bin etwas irritiert, dass ich dem arbeitsmarktpolitischen Sprecher der LINKEN erklären muss, wie das Gesetz funktioniert: dass eine Kommission festlegt, wie sich der – –

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Aber erklären können Sie doch super!)

Wenn Sie es besser können, dann erklären Sie es doch mal Ihrem Kollegen; denn Sie suggerieren die ganze Zeit, es sei eine politische Entscheidung. Ich gebe ja zu, dass Sie das gern wollen. Sie wollen gern, dass man jedes Mal politisch über die Höhe des Mindestlohnes streitet und diskutiert, damit es zum Wahlkampfthema wird.

Herr Staatsminister, Sie beantworten noch die Zwischenfrage, ja?

Ja, ja.

Okay.

Aber wir haben ja nun im Gesetz festgeschrieben, wie das Verfahren ist. Dann hätten Sie doch mal in Ihrer Debatte gefordert, das Gesetz zu ändern, oder hätten gesagt, die Evaluationsklausel, die für das Jahr 2020 festgeschrieben wurde, genügt.

(Zurufe der Abg. Enrico Stange und Luise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE)

Was wollen Sie denn eigentlich? Ich verstehe Ihren Vorwurf nicht, den Sie mir machen. Wir haben mit den Instrumenten, die wir in Sachsen in der Hand haben, nämlich den Förderinstrumenten, den Unternehmen einen Bonus gegeben, die nach Tarif bezahlen, weil für die Tarifautonomie andere zuständig sind. Auf die 12 Euro gehe ich gleich noch einmal ein, aber kommen Sie mir bitte nicht mit Ihrem ständigen Wettstreit, wer hier der beste Mindestlöhner ist. Sie können gern Ihre Urkunde haben: 2001 – Sie waren die Ersten. Darum geht es mir überhaupt nicht, sondern darum, wie wir es konkret schaffen, dass sich die Löhne in Sachsen verbessern.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Genau, machen Sie es doch! – Nico Brünler, DIE LINKE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Dafür brauchen wir eine starke Wirtschaft, starke Gewerkschaften und starke Betriebsräte.

(Beifall bei der SPD)

Herr Staatsminister, wollen Sie noch eine Zwischenfrage zulassen?

Jetzt nicht, und zwar deshalb: Ich weiß doch, wovon ich rede. Ich bin seit Monaten unterwegs und gehe mit meinem Projekt „Deine Arbeit, meine Arbeit“ konkret einmal einen ganzen Tag in die Arbeitswelt und arbeite mit, ohne dass es die Leute wissen.

(Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Wenn die Kamera dabei ist!)

Ja, genau, typisch! Für Sie ist das alles nur PR, für mich ist das Entscheidende, mit den Menschen zu sprechen, und zwar im Arbeitsalltag. Das würde Ihnen auch guttun; denn dann hören Sie auch einmal ungefiltert, was vor Ort passiert und wie die Arbeitswelt tatsächlich aussieht.

(Zuruf der Abg. Susanne Schaper, DIE LINKE)

Sie sind ja ganz aufgeregt! – Dann spreche ich mit Leuten, zum Beispiel mit den Kollegen, mit denen ich in der Reinigung gearbeitet habe. Sie haben vor Jahren weniger als den Mindestlohn bekommen und mussten aufstocken. Sie waren dankbar dafür, dass es den Mindestlohn gegeben hat, und sie sind dankbar dafür, dass sich hier etwas entwickelt hat. Aber sie wollen genauso wissen, wie es weitergeht, weil sie interessiert: Bleiben sie ewig auf dem Mindestlohn hängen? Sie stellen sich ganz konkret die Frage: Wie sieht meine Rente in Zukunft aus? Genau aus diesem Grund bin ich dafür, dass wir

einen Mindestlohn haben, der für jemanden, der voll arbeitet, im Monat mindestens 2 000 Euro bringt, weil ein Mindestlohn vor Altersarmut schützen und verhindern muss, dass Menschen noch zum Amt gehen müssen. Das ist ein politischer Anspruch, den wir nicht aufgeben dürfen. Olaf Scholz hat ihn formuliert, und genau dazu stehe ich.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE)

Das ist der Unterschied zwischen uns beiden: Wenn ich auf der einen Seite sage, ich unterstütze die Forderung von 12 Euro, auf der anderen Seite aber als Wirtschaftsminister darauf hinweisen muss – erstens –, dass es eben keine politische Entscheidung ist: nur weil man es will, wird es so umgesetzt, wie Sie es suggerieren, sondern dass es eine gesetzliche Grundlage gibt, wie der Mindestlohn entsteht und sich weiterentwickelt, und wir – zweitens – aber für den Prozess verantwortlich sind, wie wir in Sachsen die Durchsetzung eines notwendigen erhöhten Mindestlohns gewährleisten können, dann ist das auch die Aufgabe eines Wirtschaftsministers; denn ich bin nun einmal beides, und es ist gut so, Wirtschaft und Arbeit zusammenzubringen. Deshalb heißt es für mich auch zu berücksichtigen, wie der Prozess ist. Die Frage „Was heißt langfristig?“ bedeutet eben nicht „auf die lange Bank schieben“, sondern eine klare Perspektive zu haben, wann die 12 Euro Mindestlohn kommen. Denn das politische Ziel ist und bleibt,

(Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Wann denn?)

einen Mindestlohn einzuführen, der verhindert, dass Menschen noch aufstocken müssen oder in die Grundsicherung kommen. Dabei bleibt es für mich.

Wir werden 2020 eine Evaluation des Mindestlohngesetzes haben, und man muss darüber sprechen, inwieweit die Kriterien, die bisher angewandt werden, angepasst werden müssen – oder nicht. Ich bin aber der Meinung, dass wir alle Instrumente stärken müssen, die notwendig sind, damit Menschen so arbeiten können, dass sie nicht in Armut fallen. Deshalb ist – erstens – notwendig: Bildung, Bildung, Bildung. Das bedeutet, auch vorsorgend Sozial- und Arbeitspolitik zu machen, indem wir die Menschen befähigen, mit den unterschiedlichsten Lebens- und Arbeitssituationen umzugehen.

Zweitens können und wollen wir auf kein Talent verzichten. Wir wollen auch weiterhin unsere Arbeitsmarktprogramme stärken, damit Menschen, die es bisher schwer hatten, auf dem Arbeitsmarkt Chancen bekommen. Ich bin stolz darauf, dass es der Sozialdemokrat Hubertus Heil war, der jetzt durchgesetzt hat, dass die Grundlage des neuen Arbeitsmarktprogrammes Tariflöhne sind und nicht Mindestlöhne, um klarzumachen: Das ist die Grundlage für arbeitsmarktpolitisches Handeln. Ich bin stolz darauf, dass es Menschen gibt, die so etwas durchsetzen.

Herr Dulig, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Ja.

Bitte sehr, Frau Schaper.

Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank, Herr Staatsminister Dulig. Gestatten Sie mir die Frage – da Sie sagten, die wichtigste Grundlage dafür, dass die Menschen sehr gut verdienen, sei Bildung, Bildung, Bildung –: Wollen Sie damit ausdrücken, dass im Prinzip nur gebildete Menschen viel Geld verdienen können, weil die akademischen Berufe, gerade an den sächsischen Hochschulen, oder Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter im Freistaat Sachsen so „hervorragend“ bezahlt werden?

Wissen Sie, das finde ich – –

Wollen Sie uns außerdem vorwerfen, dass wir nicht wüssten, wie es im Berufsleben ist, mit Ihrer Einlassung, die Sie vorhin gemacht haben: dass uns guttun würde, was Sie gerade machen: ein Perspektivwechsel, den ja, nebenbei bemerkt, fast alle Politikerinnen und Politiker vornehmen?

Die Frage ist gestellt.