Protokoll der Sitzung vom 08.11.2018

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich von Herausforderungen rede, geht der Blick auch über Sachsen und Deutschland hinaus. Veränderungen in der Welt gehen auch an Sachsen nicht vorbei. Sie bedeuten für uns aber eine Chance. Wir leben hier nicht mehr hinter Mauern und Grenzen, sondern können international kooperieren. Internationalisierung und Offenheit sind unverzichtbar für unseren Erfolg. Sie beginnen nicht erst mit dem Schritt ins Auslandsgeschäft, sondern hier bei uns, hier vor Ort bei uns im eigenen Land. Aktuell engagieren sich in Sachsen erst 8 % der Betriebe im Export.

Dabei schafft Internationalisierung zusätzliche Marktpotenziale und kann besonders für kleine und mittelständische Unternehmen zum Wachstumsmotor und Wettbewerbsfaktor werden. In der neuen sächsischen Außenwirtschaftsstrategie haben wir, die Staatsregierung und unsere Partner in der Außenwirtschaftsinitiative Sachsen, veran

kert, dass die Unternehmen weiterhin bei der Internationalisierung unterstützt werden. Ziel bleibt es, die Exportquote der sächsischen Wirtschaft insgesamt zu erhöhen und zugleich mehr Unternehmen für das Auslandsgeschäft zu gewinnen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Zukunft bedroht der Fachkräftemangel unseren Wohlstand, denn der Arbeitsmarkt hat sich gewandelt. Die Sorge um den Arbeitsplatz war lange Zeit bestimmend für das Lebensgefühl vieler Menschen in Sachsen. Das ändert sich nun, und darüber dürfen wir uns freuen. Sicher, die demografische Entwicklung entlastet den Arbeitsmarkt, aber vor allem die anhaltende positive wirtschaftliche Entwicklung ist ein Erfolg des Aufbaus Ost – made in Saxony – und sorgt für steigende Beschäftigungszahlen. Die Unternehmen stehen zunehmend vor der für sie neuen Herausforderung, geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für offene Stellen zu finden und zu halten. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen bieten, sind hier im Vorteil.

Die Fachkräfteallianz Sachsen engagiert sich unter der Leitung des SMWA für die Deckung des Fachkräftebedarfs in Sachsen. Dazu plant die Regierung bis zum Jahr 2019 unter anderem ein zentrales Fachkräfteportal zur Steigerung der Attraktivität Sachsens als Ort zum Arbeiten, Wohnen und Leben sowie die Weiterentwicklung der Fachkräftestrategie für den Freistaat Sachsen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Menschen in Sachsen können stolz auf das sein, was sie bisher erreicht haben. Als Regierung werden wir weiterhin gemeinsam mit den Sozialpartnern mit Realitätssinn und Zuversicht an der Entwicklung des Freistaates arbeiten. Wir analysieren und passen unsere Instrumente laufend an, seien es unsere Strategien für Fachkräfte, Innovation, Tourismus, Außenwirtschaft oder Digitalisierung oder unsere Richtlinien für den Mittelstand, die Technologieförderung oder die GRW. Wir sind nicht selbstzufrieden, wir sind hellwach.

Ich will, dass alle Menschen am Erfolg teilhaben. Ich will, dass Leistungsgerechtigkeit herrscht, denn es gilt: guter Lohn für gute Arbeit. Sachsen ist nicht mehr Niedriglohnland. Dafür haben wir gesorgt. Stecken wir uns ambitionierte Ziele! Machen wir Sachsen zum Hochlohnland und zur Innovationsschmiede!

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Meine Damen und Herren, damit kommen wir nun zum Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE. Er ist bereits eingebracht. Es haben sich bisher geäußert: die CDU-Fraktion und die AfD-Fraktion. Möchte noch jemand zum Entschließungsantrag sprechen?

Sehr geehrter Herr Präsident! Ich habe es vorhin schon gesagt: Diese Koalition unterstützt die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die

KMU, auf ganz verschiedenen Wegen. Im April hat das Kabinett eine neue Mittelstandsrichtlinie beschlossen, viele Dinge, die schon laufen, die die Staatsregierung und das SMWA ohne diesen Entschließungsantrag auf den Weg gebracht haben. Ich muss sagen, dass einige Aussagen, wie unter Punkt II.5 des Entschließungsantrages, unwahr sind. Die sind schlichtweg falsch. Insofern ist natürlich klar, dass wir den Antrag ablehnen.

(Beifall bei der SPD)

Das war Herr Baum für die SPD-Fraktion. Gibt es weitere Wortmeldungen? – Herr Dr. Lippold für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte sehr.

Danke, Herr Präsident. Meine Damen und Herren, wir werden diesem Entschließungsantrag zustimmen, weil wir mit den LINKEN in fast allen Punkten übereinstimmen. Das eben Angesprochene im Punkt II.5 lässt sich so, wie Sie es geschrieben haben, nicht wirklich zu 100 % aus den aktuellen Befragungen der Start-ups ableiten. Gleichwohl gibt es eine Menge, was man verbessern kann. Aber es ist nicht so, dass es gar nichts gibt. Das ist eher eine Anregung. Es bewirkt aber nicht, dass wir nicht zustimmen könnten.

Zum Pendant unter III.4, bei dem es um öffentliches Risikokapital geht: Öffentliches Risikokapital ist sicherlich nicht das Allheilmittel. Das ist in der Regel für die Start-ups weder besonders günstig noch besonders unbürokratisch. Man sollte sicherlich darüber nachdenken, ob es nicht geeignetere Instrumente der öffentlichen Hand gibt, mit denen man privates Risikokapital heben und hebeln kann. Auch das ist nur ein Hinweis und steht unserer Zustimmung nicht im Weg.

Danke.

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen, meine Damen und Herren. Wer der Drucksache 6/15360 seine Zustimmung geben kann, zeigt das bitte an. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen, bitte? – Vielen Dank. Gibt es Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Bei zahlreichen Dafür-Stimmen und Stimmenthaltungen ist dem Entschließungsantrag dennoch nicht entsprochen worden. Meine Damen und Herren, die Behandlung der Großen Anfrage ist beendet, ebenfalls dieser Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 8

Grenzüberschreitende Zusammenarbeit des

Freistaates Sachsen mit der Tschechischen Republik

Drucksache 6/11824, Antrag der Fraktionen CDU und SPD,

mit Stellungnahme der Staatsregierung

Die Aussprache erfolgt in der Reihenfolge CDU, SPD, DIE LINKE, AfD-Fraktion, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn das Wort gewünscht wird. Für die CDU-Fraktion beginnt Herr Abg. Schiemann. Herr Schiemann, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus aktuellem Anlass haben wir diesen Antrag heute aufgerufen und auf eine spätere Anhörung verzichtet. Ich bitte um Nachsicht bei den Mitgliedern der Fraktionen, dass wir diese Entscheidung, die sehr kurzfristig war, getroffen haben,

(André Barth, AfD: Antrag aus der Konservendose!)

zum einen aufgrund der Erinnerung an historische Ereignisse. Zum anderen sehen wir die Möglichkeit, hier im Landtagsplenum für den weiteren Ausbau und die Vertiefung guter nachbarschaftlicher Beziehungen zwischen dem Freistaat Sachsen und der Tschechischen Republik zu werben und damit einen Beitrag zu leisten, diese guten nachbarschaftlichen Beziehungen zu stärken.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Der geschichtliche Anlass ist mit dem 9. November sehr stark verbunden. Der 9. November in der Geschichte Europas hat vielerlei Gesichter. Er gehört zu den Tagen der Geschichte, die mahnen oder uns erinnern sollen.

Wir haben am Vormittag der Opfer des 9. November 1938 gedacht, als Mahnung an die unvergleichbaren Verbrechen gegen Juden, die Zerstörung der Synagogen und die Vernichtung jüdischen Lebens in Europa und des Krieges Europas gegen Länder weiterer Kontinente, aber auch des Krieges gegen unsere Nachbarländer Polen und Tschechische Republik.

Der 9. November zeigt uns aber auch, wie geschichtliche Veränderungen nach dem Ersten Weltkrieg Veränderungen in ganz Europa gebracht haben. So hat der 9. November als Datum für die sächsische Entwicklung eine besondere Rolle gespielt. Am 9. November 1918 wurde hier in der Landeshauptstadt Dresden die Republik Sachsen ausgerufen. Monate später auf Druck der Reichsregierung nannte sich die Republik Sachsen um, und es wurde der Freistaat Sachsen gegründet.

Aber nicht nur für uns war das Jahr 1918 der Beginn einer neuen Epoche. Am 28. Oktober 1918 wurde die Erste Tschechoslowakische Republik gegründet, für unsere

tschechischen Nachbarn ein bedeutendes Datum, ein souveräner freier Staat geworden zu sein, das Jahr 2018 indes 100 Jahre Staatsgründung für die tschechischen Nachbarn, aber auch für uns ein Jahr der Erinnerung, einen weiteren bedeutenden Termin in einem anderen Sinne zu erinnern. Dieses Jahr gedenken unsere Nachbarn auch, dass seit dem Prager Frühling von 1968 und dessen gewaltsamer Niederschlagung 50 Jahre vergangen sind.

Diese Ereignisse waren für viele Menschen in der ehemaligen DDR so prägend wie für viele Menschen 1968 in Westeuropa. Die im Prager Frühling angesprochenen Gedanken, die Gedanken an Freiheit, an Reformen, Demokratisierung und freie Meinungsäußerung haben ihren Weg auch in die damalige DDR gefunden. Für viele von uns – und das betone ich – weckte der Prager Frühling Hoffnungen auf eine Verbesserung der Lage im eigenen Land. Der Prager Frühling blieb die Inspiration für eine unsichtbare Generation jener Ostdeutschen, die Verantwortung für die Bewegung im Jahr 1989 übernahmen. Damit, meine sehr geehrten Damen und Herren, schließt sich wieder der Kreis zum 9. November, an dem wir auch des Falls der Mauer vor 29 Jahren als eines der wichtigsten Ereignisse auf dem Weg zur deutschen Wiedervereinigung gedenken.

Die friedliche Revolution von 1989 und in ihrer Folge die deutsche Wiedervereinigung ist für mich und sicherlich für viele von uns ohne den Prager Frühling, ohne das Aufbegehren des tschechischen Volkes nicht vorstellbar.

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Daher sollten wir die Gelegenheit nutzen, über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen dem Freistaat Sachsen und der Tschechischen Republik zu sprechen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind sehr froh, dass der Austausch und die Arbeit der tschechischen Regierung mit der Staatsregierung in den letzten Jahren weiter ausgebaut wurden. Die bedeutenden Arbeitstreffen der tschechischen Premierminister mit den sächsischen Ministerpräsidenten stärken genau diese Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Arbeit, Verkehr, die gute Zusammenarbeit im Bereich der Polizei, der inneren Sicherheit, in den Bereichen von Landwirtschaft, Umwelt und Hochwasserschutz, um einige zu benennen, die Koordinierung durch die ständige Konsultation in weiteren Bereichen und die sächsisch-tschechische Arbeitsgruppe. Wir sind froh, dass die Zusammenarbeit von Hochschulen im Freistaat Sachsen weiterentwickelt wurde und dass über 60 Kooperationen für unser Land eine Bedeutung erlangt haben, die wichtig ist, die aber noch ausgebaut werden kann. Wir sehen hier weitere Möglichkeiten des Austausches zwischen tschechischen und sächsischen Studenten als gegeben an.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit keinem anderen Staat unterhält der Freistaat Sachsen heute eine so enge und intensive Zusammenarbeit wie mit der Tschechischen Republik. Der Freistaat Sachsen hat neben

Bayern als einziges deutsches Bundesland seit 2012 eine Landesvertretung, ein Verbindungsbüro in Prag eröffnet. Das war ein ganz wichtiges Signal für unser Land, in das Herz Europas zurückzukehren, Prag, das Herz, das es immer gewesen ist, für ein einiges Europa zwischen Ost und West vereint.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sicher werden das französische Studenten anders sehen. Sie werden sagen, Paris oder Brüssel ist das Herz. Aber wer sich etwas in der Geschichte auskennt, oder weiß: Prag ist das Herz und auch die Seele Europas.

Wir sind sehr dankbar dafür, dass die Tschechische Republik ihrerseits ihr Generalkonsulat in der Landeshauptstadt Dresden mit viel Engagement führt. Dafür danken wir der Tschechischen Republik ganz herzlich, weil das ein wichtiges Signal für unser Land ist.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die wirtschaftliche Zusammenarbeit hat sich in den letzten Jahren in hervorragender Art und Weise entwickelt. Sachsen und die Tschechische Republik sind wichtige Handelspartner. Die Tschechische Republik ist der wichtigste Importeur. Für 5 Milliarden Euro werden von Unternehmen im Freistaat Sachsen Waren aus der Tschechischen Republik gekauft. Kein anderer Staat in der Welt importiert so viele Waren in Höhe von 5 Milliarden Euro in den Freistaat Sachsen. In der Rangliste der sächsischen Exporte liegt die Tschechische Republik auf Platz 5 – immerhin mit 2,2 Milliarden Euro bei einem Gesamtaußenhandelsumsatz, der weltweit für 42 Milliarden Euro steht. Das heißt, wir haben in diesem Jahr einen Gesamtaußenhandelsumsatz von 42 Milliarden Euro und 2,2 Milliarden Euro in der Handelskooperation mit der Tschechischen Republik.

Im Vergleich zu 1989 hat sich die Zahl der grenzüberschreitenden Straßenverbindungen mehr als verdoppelt. Wir haben eine direkte Autobahn nach Prag. Dresden – Prag sind etwa 170 Kilometer, wenn man die weiteste Entfernung aus der Landeshauptstadt nimmt. Wir sind dabei, eine Schnellfahrverbindungseisenbahnstrecke von Dresden nach Prag im Rahmen der transeuropäischen Verkehrsnetze zu entwickeln. Ich glaube, es ist ein wichtiges Signal in einer fairen Partnerschaft zwischen zwei Staaten, diese Verkehrsnetze weiter auszubauen.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Rahmen des Europäischen Förderprogramms zur europäischen territorialen Zusammenarbeit stehen in der laufenden Förderperiode bis 2020 etwa 158 Millionen Euro von der Europäischen Union für grenzüberschreitende Projekte zwischen dem Freistaat Sachsen und der Tschechischen Republik bereit. Diese Summe, meine sehr geehrten Damen und Herren, brauchen wir auch nach dem Jahr 2020. Wir brauchen für die nächste Förderperiode ein klares Signal,

dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit weitergehen kann.

In diesem Zusammenhang gilt mein besonderer Dank den Euroregionen, die sich seit ihrer Gründung über 25 Jahre hart mit Basisarbeit beschäftigen, die versuchen, gute Kontakte zu unseren Nachbarn zu knüpfen, und die eine sehr gute und wichtige Arbeit für unser Land, aber auch für unsere Nachbarn leisten.