Unabhängig vom Stand des Asylanerkennungsverfahrens werden in den Erstorientierungskursen sofort erste grundlegende Kenntnisse der deutschen Sprache und die Grundregeln unseres Zusammenlebens vermittelt. Mit dem praxisnahen Alltagswissen, das die Teilnehmer erhalten, können so manche Konflikte bereits im Entstehen entschärft werden. Das kommt sowohl den Asylsuchenden als auch denjenigen zugute, die mit Asylsuchenden zu tun haben. Sie werden darüber informiert, wie das Zusammenleben in Deutschland funktioniert, wie wichtig beispielsweise die Werte der Gleichberechtigung von Mann und Frau, der Religionsfreiheit und der Gewaltlosigkeit sind, und sie lernen erste wichtige deutsche Worte.
Das sächsische Konzept zeichnet sich aber vor allem dadurch aus, dass neben den Sprachmittlerinnen und Sprachmittlern, die einen niedrigschwelligen Einstig in die deutsche Sprache ermöglichen, auch sogenannte Kulturmittler mit Migrationshintergrund den Teilnehmenden wichtiges Orientierungswissen und grundlegende Werte für ein Zusammenleben in Deutschland in der Herkunftssprache der Asylsuchenden vermitteln.
Ich bedauere daher etwas, dass das Konzept der Kulturmittler keinen Einzug in das Bundesprogramm gefunden hat, sondern nur in unseren Wegweiserkursen so gehandhabt wird. Die Kulturmittler sind wichtige Brückenbauer. Es sind überwiegend Frauen, die die Muttersprache der Asylbewerberinnen und Asylbewerber sprechen und seit längerer Zeit in Deutschland leben.
Unsere Kurse haben einen Umfang von 30 Unterrichtsstunden und werden kompakt für Gruppen von maximal 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in der Woche angeboten. Mit dem Malteser Hilfsdienst, der Dresdener Volkshochschule, den Johannitern und „Arbeit und Leben“ haben wir starke Partner für die Umsetzung dieser Kurse. Aber natürlich läuft in einem Kurs nicht immer alles rund und perfekt. Einigen Kursteilnehmern fällt die sprachliche und kulturelle Umstellung schwer. Natürlich können wir nicht davon ausgehen, dass sich die Menschen in den wenigen Unterrichtseinheiten vollkommen an Deutschland gewöhnen. Aber sie können ein Grundniveau zur Verständigung und Orientierung erreichen.
Bei den meisten sind gerade in der Ankunftszeit in Deutschland die Neugier und die Euphorie sehr groß. Wenn die Menschen dann wissen, dass sie nicht in Deutschland bleiben dürfen, ist die Motivation vielleicht nicht mehr ganz so hoch. Aber auch das ist doch nur menschlich.
Nichtsdestotrotz kann bei den sächsischen Erstorientierungsprojekten von einem Erfolgsprojekt gesprochen werden. Sie geben schnelle Orientierung und vermitteln
unkompliziert wichtige Inhalte für das Zusammenleben in Deutschland. Damit stärken sie auch unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Der Antrag heute soll dazu dienen, dieses sehr gute sächsische Projekt, das inzwischen zum Standard geworden ist, noch einmal in den Blick zu nehmen, Wirkung und Zielrichtung zu evaluieren; denn ich glaube, auch auf guten Projekten sollte man sich nicht ausruhen, sondern sie immer wieder einmal hinterfragen. Dazu dient dieser Antrag, und ich freue mich schon sehr auf die Ausführungen der Ministerin später dazu und werbe hiermit um Unterstützung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sachsen startete mit den sogenannten Wegweiserkursen im Dezember 2015 ein wichtiges und richtiges Angebot, bundesweit einmalig und später – das wurde hier schon hinlänglich ausgeführt – auch bundesweit in abgewandelter Form übernommen und in Sachsen ab 2017 als Regelangebote fortgeführt.
Anhand der Zahlen der Teilnehmenden lässt sich aus Sicht meiner Fraktion nicht viel Kritisches ablesen. Es lässt sich eher ablesen, dass das Projekt erfolgreich ist. Dass nicht alle Asylsuchenden teilnehmen, wie es heute medial nachlesbar war, hat vielfältige Gründe. Das können individuelle Gründe der Menschen sein, die in den Erstaufnahmeeinrichtungen sind, strukturelle und auch finanzielle Gründe.
Der Antwort der Staatsregierung auf den Berichtsteil des Antrages können wir zudem entnehmen, dass es eine fortlaufende Weiterentwicklung des Angebotes gibt, ein Qualitätsmanagement und spezifische Angebote, die für Analphabetinnen und Analphabeten und Zweitschriftlernende entwickelt werden, dass Zusatzmodule entwickelt werden und dass insgesamt bis dato 80 Kulturmittlerinnen und Kulturmittler für den sogenannten Werteteil der Angebote ausgebildet wurden. Es ist absolut begrüßenswert und aus unserer Sicht bei „Arbeit und Leben“ und dem sächsischen Volkshochschulverband, die die Landeskoordination Erstorientierung bilden, sehr gut aufgehoben. Dem Entwurf des Doppelhaushalts – das können wir als Linksfraktion nur begrüßen – ist zudem zu entnehmen, dass es in den nächsten zwei Jahren weitergeht.
Machen wir es noch einmal plastisch und nicht so formal: Eine geflüchtete Person kommt nach einer beschwerlichen Flucht endlich an einen festen Punkt, kann den Asylantrag stellen, bekommt Bett und Nahrung. Von Wohnen möchte ich im Hinblick auf die Massenunterkünfte, die die Erstaufnahmeeinrichtungen in Sachsen sind, nicht sprechen, auch nicht vom Zur-Ruhe-Kommen. Er oder sie unterliegt einer Residenzpflicht, zahlreichen Restriktionen, zum Beispiel der Residenzpflicht, einem
Es beginnt die Phase der Ungewissheit, des Wartens, der monotonen Tagesabläufe, oft in einer sehr stressigen Umgebung. Was passt da besser, als die von ehrenamtlichen Initiativen koordinierten Freizeit- und Interaktionsangebote, Sprachlern- und sonstige ehrenamtlich organisierte Betätigungen? Was passt besser als vom Staat angebotene Kurse, die eine Orientierung sowohl in sprachlicher Hinsicht als auch im Hinblick auf das neue Lebensumfeld bieten?
Frau Köpping und auch beide Fraktionen, wir sind vollkommen bei Ihnen. Die Erstorientierungskurse sind eine gute Sache, und nichts macht die Lernenden zugänglicher, wie das in Sachsen auch praktiziert wird, als die Vermittlung von Inhalten durch Muttersprachlerinnen und Muttersprachler.
Nun liegt uns heute ein Antrag vor, der auf Mai 2018 datiert, zumindest die Antwort darauf, zufälligerweise korrespondierend mit einem Termin der Integrationsministerin in der Erstaufnahmeeinrichtung in Leipzig, die von einer gemeinsamen Pressemitteilung der Landeskoordination Erstorientierung und dem SMGI begleitet wurde. Uns liegt ein Antrag vor, dessen Berichterstattung sechs Monate alt ist. Sorry, aus meiner Sicht ist das eine Art Schaufensterantrag, den wir heute diskutieren. Wir werden dem zustimmen und begrüßen sowohl, dass insbesondere Frauen und Familien zur Teilnahme mittels Gewährleistung von Kinderbetreuung motiviert werden sollen, als auch die Evaluierung.
Es sind eigentlich Selbstverständlichkeiten, die wir hier beschließen sollen, Maßnahmen, die zum operativen Geschäft der Staatsregierung gehören müssten. Darum möchte ich meine Rede nutzen, um zum Ende vielleicht auf die Herausforderungen hinzuweisen, die im Hinblick auf die Erstaufnahmeeinrichtungen aus unserer Sicht pressieren, die wirklich angegangen werden müssten.
Es betrifft erstens die Erkennung und Behandlung der besonderen Schutzbedürftigkeit nach EU-Aufnahmerichtlinie. Das ist in dem Antrag auf die Erstorientierungskurse angetippt. Diese Erkennung und daraus folgende Maßnahmen von Schutzbedürftigkeit finden in Sachsen systematisch nicht statt. Während Kinder, Schwangere oder Menschen mit Behinderungen noch recht einfach identifiziert werden können, ist dies bei Opfern von Menschenhandel, von Folter oder bei Menschen mit psychischen Störungen schon schwieriger. Hier fehlt ein professionelles institutionalisiertes Screening, und es fehlen Folgemaßnahmen für die Betroffenen. Da sind spezifische Erstorientierungskurse, wie von den Antragstellerinnen in dem vorliegenden Antrag ausgedacht und vom SMGI in ihrer Notwendigkeit verneint, wahrscheinlich eher das nachrangigere Problem.
Zweitens. Es braucht eine stabile und unabhängige Verfahrensberatung. Menschen, die vor einem Asylverfahren, vor Anhörungen und gegebenenfalls vor dem Einlegen von Rechtsmitteln gegen falsche Entscheidungen des
BAMF stehen, brauchen Wissen darüber, was auf sie zukommt und mit welchen Rechten und Pflichten sie ausgestattet sind. Eine unabhängige Rechtsberatung hat für alle Seiten Vorteile. Sie wird in Sachsen – so zumindest mein Eindruck – weiter verteufelt und eben nicht finanziert. Erstorientierungskurse können diesen Mangel nicht kompensieren. Sie gehen in eine ganz andere Richtung.
Drittens – und das ist das Wesentliche: Es braucht den Zugang zu Bildung in den Erstaufnahmeeinrichtungen für die dort Untergebrachten. Das Thema Bildungszugang, insbesondere für schulpflichtige Kinder und Jugendliche, hat in den letzten Wochen und Monaten und auch schon länger in Sachsen an Fahrt aufgenommen. Sachsen verstößt – und darauf will ich explizit hinweisen – gegen die EU-Aufnahmerichtlinie, indem jungen Menschen in den Erstaufnahmeeinrichtungen weiterhin der Zugang zu regulärer Bildung auch nach drei Monaten verwehrt bleibt. Im Oktober dieses Jahres lag ihre Zahl bei über 100, und das ist ein Wachstum der Zahlen.
Ich könnte Weiteres aufführen. Es braucht ein wirksames Gewaltschutzkonzept, Partizipationsmöglichkeiten für die Untergebrachten oder das Abwenden des unsäglichen Ankerkonzeptes. Die kommende Novelle des Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetzes greift all diese Notwendigkeiten nicht auf und weist in eine vollkommen falsche Richtung. Das werden wir hier sicher noch diskutieren.
Insofern, um zum Schluss zu kommen: Erstorientierungskurse und deren Weiterentwicklung ja, auf jeden Fall. Es ist auch gut, dass wir das heute diskutieren. Aber richten Sie – und da muss ich mich eher an diese Seite der Regierungsbank wenden – endlich den Blick auf die anderen Schieflagen bei der Erstaufnahme von Geflüchteten in Sachsen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ihr heutiger Antrag, werte CDU und SPD, ist sicherlich kein Highlight, und die Priorität kann ich, ehrlich gesagt, auch nicht erkennen. Ich habe mich tatsächlich gefragt, was Sie mit diesem Antrag heute hier im Plenum bezwecken wollen. Wenn Sie geschrieben hätten, dass die Erstorientierungskurse weiterentwickelt werden müssen, weil beispielsweise die Straftaten in Dresden und Sachsen dazu veranlassen, wäre eine Priorität erkennbar gewesen. Dies haben Sie aber leider versäumt.
Wie meine Kleine Anfrage in der Drucksache 6/14977 zutage förderte, begingen im Zeitraum von Januar bis September 2018 642 Personen, die in der Erstaufnahmeeinrichtung auf der Hamburger Straße hier in Dresden registriert waren oder sind, 1 265 Straftaten. Nimmt man
die Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz heraus, bleiben 901 Straftaten übrig. Das macht, bezogen auf den Zeitraum von Januar bis September 2018, drei Straftaten pro Tag, die – ich betone – nur von Bewohnern der Erstaufnahmeeinrichtung Hamburger Straße begangen worden sind.
Auch wenn die Erstorientierungskurse vermutlich nicht spürbar zu weniger Straftaten führen werden, den einen oder anderen wird der Kurs vielleicht doch sensibilisieren und in der Folge von einer Straftat abhalten. Abhalten aber nur dann, wenn im Rahmen dieser Kurse den Asylbewerbern klipp und klar deutlich gemacht wird, dass mit dem Begehen einer Straftat der Aufenthaltsstatus erlischt und sie in der Folge unverzüglich abgeschoben werden.
Deshalb lassen Sie uns doch grundsätzlich dafür sorgen, dass an diesen Kursen verpflichtend teilgenommen werden muss und erst nach Teilnahme an solch einem Kurs die Aufnahmeeinrichtung verlassen werden darf. Der Orientierungskurs sollte zudem mit Rückkehrgesprächen gekoppelt werden, um eine freiwillige Ausreise zeitnah zu ermöglichen. Das hätten Sie von CDU und SPD doch in Ihren Antrag schreiben können, wenn Sie schon von einer Weiterentwicklung der Erstorientierungskurse sprechen.
Ihr Antrag hat sich mit den Antworten der Staatsregierung größtenteils erledigt. Lediglich der Punkt IV lässt noch minimale Handlungsoptionen erkennen und könnte zur Abstimmung gebracht werden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Wendt, Sie haben wieder einmal alles durcheinandergehauen und verschiedene Rechtsgrundlagen verwechselt. Aber das sind wir gewohnt. Insofern will ich nicht näher darauf eingehen. Ich möchte mich lieber mit dem Antrag befassen.
Meiner Fraktion, das muss ich ehrlich zugeben, war beim erstmaligen Lesen dieses Antrages auch nicht ganz so klar, wohin dieser Antrag eigentlich soll, was also das Ziel dieses Antrages ist. Wir wissen natürlich – das wurde hier auch schon gesagt –, dass es hier im Sächsischen Landtag im Jahr 2015 eine große Übereinstimmung gab, als wir diese Wegweiserkurse bzw. Erstorientierungskurse eingeführt haben.
Diese Kurse richten sich an eine spezielle Zielgruppe. Das muss man klar benennen: Es geht um Asylsuchende, die keinen Zugang zu Integrationskursen haben und eben
Was man aus diesem Antrag und seiner Begründung herausliest, ist das Thema der Unzufriedenheit mit den Teilnehmerzahlen. Wir konnten heute in der „Morgenpost“ in Dresden mittelgroß aufgemacht lesen, dass es diese Unzufriedenheit gibt.
Ich schließe mich Kollegin Nagel an. Mit Blick auf die Zielgruppe muss man bedenken, dass diese Menschen, wenn sie sich in der Erstaufnahmeeinrichtung aufhalten, eigentlich völlig andere Probleme haben. Sie sind zum Teil in einer Situation, in der komplizierte Asylverfahren bevorstehen. Es fehlt an Informationen. Viele von ihnen sind traumatisiert.
Das Thema Kinderbetreuung hat durchaus eine Rolle gespielt. Insofern freuen wir uns, dass es demnächst, wie wir aus der Stellungnahme der Staatsministerin entnehmen konnten, in allen Erstaufnahmeeinrichtungen die entsprechende Kinderbetreuung gibt. Die Frauen spielen eine ganz wichtige Rolle, wenn es um das Ankommen in der Gesellschaft geht. Deshalb ist es wichtig, dass die Frauen an diesen Erstorientierungskursen teilnehmen können.
Das Zweite, was in dem Antrag und vor allem in der Begründung eine Rolle spielt, ist die Frage der Motivation. Wie kann man die Motivation erhöhen, an diesen Kursen teilzunehmen? Dazu muss ich Ihnen ganz klar sagen – das ist auch der Grund für die Enthaltung meiner Fraktion zu diesem Antrag –: Wer hier ein Obligo fordert, also die Pflicht, an diesen Erstorientierungskursen teilzunehmen, verstößt unserer Auffassung nach nicht nur gegen das Gesetz, sondern – das muss ich wirklich sagen – er macht sich dann lächerlich, wenn es ihm nicht gelingt, das Recht auf Bildung, das Kindern entsprechend der UN-Kinderrechtskonvention zusteht, für die Kinder in den Erstaufnahmeeinrichtungen durchzusetzen, er aber gleichzeitig eine De-facto-Schulpflicht für die Erwachsenen fordert. – So viel vielleicht zu diesem Antrag.
Allen, die dazu etwas nachlesen wollen, möchte ich sagen, dass es im Oktober, eingeladen durch das BAMF, ein Vernetzungstreffen gegeben hat. Dort wurde eine sehr positive Bilanz dieser Erstorientierungskurse gezogen.
Zur Frage der Evaluierung: Natürlich kann man immer etwas besser machen. Aber erstens werden die Erstorientierungskurse in Sachsen begleitet. Wir konnten im Anhang der Stellungnahme etwas von ARBEIT UND LEBEN finden. Aber es gibt eben auch eine Evaluierung, die im Auftrag des BAMF durchgeführt wird. Insofern sind wir ganz zufrieden.
Ich sage es noch einmal: Wir enthalten uns, weil diese Obligoforderung nicht aus dem Antrag herausgenommen wurde.