Die Mehrheit aus GRÜNEN, SPD und der LINKEN hatte damals im Stadtrat erkannt, dass die vorübergehende Nutzung von Hotels oder der Kauf von Wohncontainern, die nicht länger als fünf Jahre nutzbar sind, sehr teure Lösungen und daher zu vermeiden sind. Gleichzeitig stand man aber vor dem Problem, in kurzer Zeit Menschen menschenwürdig unterzubringen und Notquartiere oder Zelte zu vermeiden. Trotz heftiger Debatte setzte sich die Mehrheit durch, und es wurden keine Wohncontainer angeschafft, sondern bestehender und neuer Wohnraum genutzt. Es wurden Anmietungsfristen für Hostels vereinbart, die nicht länger binden sollten als zwei Jahre.
Auch der Rechnungshof betont in seinem Bericht, dass die Unterbringung in Containern am unwirtschaftlichsten ist, und der Freistaat hat hier – auch das bescheinigt der Rechnungshof – nicht die wirtschaftlichste Variante gewählt.
Als zweiten Punkt möchte ich auf die Empfehlung des Rechnungshofs eingehen – genau wie meine Vorrednerin und Vorredner –, unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit weniger und dafür größere Erstaufnahmeeinrichtungen im Freistaat Sachsen zu schaffen, und das lehnen wir GRÜNE ab. Durch noch größere Einrichtungen werden die Probleme vor Ort verschlimmert. Immer wieder wird von Gewalt in Unterkünften berichtet. Hinzu kommen weitere Problematiken, zum Beispiel verdeckte Prostitution.
Die Ursachen liegen auf der Hand: Menschen verschiedenster kultureller Herkunft leben dort auf engstem Raum, einige sind traumatisiert von den Erfahrungen der
Flucht. Sie befinden sich zudem in einer unsicheren Lage, was ihren Aufenthalt betrifft. Das führt zu Konflikten.
Mit dem neuen Gesetzentwurf zum Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetz wird die Lage verschärft, sodass Menschen mit einer vermeintlich schlechten Bleibeperspektive bis zu 24 Monate in einer solchen Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht werden können.
In großen Unterkünften am Rande der Stadt und am Rande der Gesellschaft kann Integration weder starten noch gelingen. Das Geld, das hier vermeintlich eingespart würde, würde an anderer Stelle mehrfach wieder ausgegeben werden müssen. Letztendlich dürfen wir nicht vergessen, dass es um die Unterbringung von Menschen geht – Wirtschaftlichkeit hin oder her.
Ich glaube nicht – auch das hat meine Kollegin Nagel schon gesagt –, dass wir in Zukunft noch flächendeckend große Erstaufnahmeeinrichtungen brauchen werden. Im Zweifel ist zu prüfen, ob die dezentrale Unterbringung infrage kommt.
Zuletzt möchte ich unsere Kritik an dem auch im Bericht angesprochenen Ausreise- und Abschiebegewahrsam äußern. Diese Einrichtung wurde letzte Woche in Dresden in der Hamburger Straße in Betrieb genommen. Wir GRÜNE kritisieren, dass die Zustände in der Abschiebehaft an den Strafvollzug erinnern. Es sind aber keine Straftäter, die dort untergebracht werden.
In seinem Bericht konnte der Sächsische Rechnungshof noch keine Aussage zur Wirtschaftlichkeit treffen, aber wir wissen bereits, die Kosten sind hoch. Der Personalbedarf ist im Vergleich zur Justizvollzugsanstalt etwa zwei- bis dreimal so hoch. Aber hier scheut das Sächsische Staatsministerium keine Kosten, wenn es darum geht, Menschen zu kriminalisieren und abzuschrecken, und dabei spielt das Wahljahr 2019 natürlich auch eine Rolle.
Es gilt immer abzuwägen zwischen Menschlichkeit und Wirtschaftlichkeit. Für beides ist Sachsen im Bereich staatliches Handels im Moment nicht besonders bekannt.
Die Umsetzung geltenden Rechts, zum Beispiel bei der Anwendung der UN-Behindertenrechtskonvention in Bezug auf ausländische Schutzsuchende, ist ein weiterer Punkt, der in die Thematik hineinspielt. Er war nicht Gegenstand der Prüfung des Sächsischen Rechnungshofes. Hier sind sicher auch andere Instanzen gefragt, aber de facto fallen diese Personen – also behinderte Menschen, ausländische Schutzsuchende – von den Kosten her gar nicht in diesen Bereich hinein. Sie fallen unter das Teilhabegesetz und damit in den SGB-IX-Bereich. Vor diesem Hintergrund wäre zu prüfen, ob in den Berechnungen, die auch im Sonderbericht zu finden sind, mögliche Verzerrungen in den Kosten aufgetreten sind.
Abschließend dankt meine Fraktion dem Rechnungshof für die Dienstleistungen der Sonderberichte. Sie basieren auf Zahlen und helfen dem Parlament bei einer sachlichen Meinungsbildung.
Als Nächster spricht Herr Kollege Anton für die CDU-Fraktion. – Herr Barth, Sie sind erst nach Herrn Anton an der Reihe; er hat sich vorher gemeldet – Bitte, Herr Anton.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es wurde bereits gesagt: Der Sächsische Rechnungshof hat den Ressourceneinsatz und die Verfahren im Zusammenhang mit der Bewältigung der Flüchtlingskrise eingehend betrachtet und im Ergebnis den gegenständlichen Sonderbericht vorgelegt. Betrachtet wurden dabei die Haushaltsjahre 2014 bis 2017. Dabei beschreibt der Rechnungshof im Vorwort des Berichts zutreffend die enormen Herausforderungen insbesondere in den Jahren 2015 und 2016. Damals galt es, einer großen Zahl an Menschen möglichst schnell ein Dach über dem Kopf zu verschaffen, und es war nicht absehbar, wie viele noch kommen würden.
Wer sich erinnert: Das BAMF hatte seinerzeit sogar seine Prognosetätigkeit eingestellt. Frau Schubert, da ist es im Nachhinein schon schlau dahergeredet, zum Beispiel Containerlösungen oder Ähnliches zu kritisieren. Unter diesen Bedingungen standen Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen oftmals hintan; alles Brauchbare ging ans Netz. Konkret wurden die Kapazitäten der Erstaufnahmeeinrichtungen von 2 043 Plätzen Anfang Januar 2015 auf 21 481 Plätze Ende Dezember 2015 erhöht. Was das für ein Kraftakt war, mag man sich plastisch vorstellen.
Ich möchte mich deshalb ausdrücklich der Anerkennung anschließen, die der Rechnungshof allen Beteiligten für diese gewaltige Leistung ausspricht. Seither haben sich die Verhältnisse wieder normalisiert. Es ist immer noch ein Flüchtlingszustrom zu verzeichnen, aber bei Weitem nicht mehr in der Größenordnung wie in diesen Jahren. Inzwischen hat die Staatsregierung die Kapazitäten deutlich zurückgefahren und ihr Standortekonzept fortgeschrieben.
Kritisch sehe ich dann schon die Anmerkung von Ihnen, Frau Nagel, hier Fehlleistungen der Verwaltung zu konstatieren. Ich kann mich in dieser Zeit an einen allzu konstruktiven Beitrag zur praktischen Lösung der seinerzeitigen Probleme aus den Reihen der LINKEN nicht erinnern.
Ich will aber noch zwei Punkte ansprechen, bei denen ich die Handlungsempfehlungen des Rechnungshofes nicht unterstütze, nämlich zur Reduzierung der EAE-Plätze und zur Größe der EAEs. Dauerhaft sollen künftig
5 900 Plätze in den Erstaufnahmeeinrichtungen vorgehalten werden – so sieht es das Konzept des SMI jedenfalls vor. Diese Zahl hält der Rechnungshof für zu hoch, verkennt aber dabei die notwendige Vorsorge auch für
Wir haben erst heute im Hohen Hause eine Änderung des Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetzes beschlossen, die für einen Teil der Asylbewerber eine Verlängerung der Wohnverpflichtung auf bis zu 24 Monate vorsieht. Solche Entscheidungen haben natürlich auch Auswirkungen auf den Kapazitätsbedarf. Es gilt auch: Je knapper der Freistaat seine Kapazitäten plant, desto höher sind die Risiken für die kommunale Ebene.
Des Weiteren sind die Aussagen zur optimalen Größe einer Einrichtung aus wirtschaftlicher Sicht nachvollziehbar. Allerdings sind – und da bin ich mit meinen Vorrednern Frau Nagel und Herrn Pallas einig – die örtlichen Gegebenheiten, die Verträglichkeit für das Umfeld, die Handhabbarkeit einer solchen Einrichtung und auch die Rahmenbedingungen für die Bewohner schon Kriterien, die einen Einfluss darauf haben, für welche Größenordnung von Einrichtungen man sich entscheidet.
Alles in allem ist eine wirtschaftliche Betrachtung immer richtig und sinnvoll. Allerdings – ich glaube, darin sind wir uns mit dem Rechnungshof im Grunde einig – ist diese Betrachtung nur ein Kriterium für eine sinnvolle Entscheidung und für sich allein betrachtet nur bedingt geeignet, konkrete Maßnahmen daraus abzuleiten.
Vielleicht noch eine Anmerkung, Frau Schubert, zur Abschiebehaft und zum Ausreisegewahrsam: Hier geht es um die Durchsetzung von Recht und Gesetz, und dabei sind Wirtschaftlichkeitsüberlegungen absolut nachrangig. Das ist uns schon wichtig. Wenn wir anfangen, Wirtschaftlichkeitsüberlegungen anzustellen, dann können wir beim Justizvollzug und allem anderen weitermachen. Recht und Gesetz müssen durchgesetzt werden, und das darf dann auch etwas kosten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Prof. Binus! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der Bericht des Sächsischen Rechnungshofes zur Unterbringung von Flüchtlingen in den Erstaufnahmeeinrichtungen zeigt gravierende Fehler der Staatsregierung bei der Bewältigung der Migrationskrise auf.
Erinnern wir uns kurz an die Krise. Der Migrantenstrom aus dem Nahen Osten über die Balkanroute nach Europa stieg im Jahr 2014 an und nahm im Jahr 2015 gewaltige Ausmaße an. Als die Bundesregierung dann Ende August
das Dublin-Verfahren für syrische Staatsangehörige aussetzte, verbreitete sich diese Nachricht natürlich in Windeseile in Syrien und in den Anrainerstaaten, die Flüchtlingslager unterhalten. Syrer mit Ausweisen oder angebliche Syrer ohne Ausweise wurden dann nicht mehr nach Ungarn, Österreich oder in andere EU-Staaten zurückgeschickt, auch wenn sie dort erstregistriert waren.
Im September 2015 sagte dann Frau Dr. Merkel – ich darf zitieren –: „Das Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte kennt keine Obergrenze. Das gilt auch für Flüchtlinge, die aus der Hölle eines Bürgerkriegs zu uns kommen.“
Dies war eine übertriebene Dramatisierung. Wir leugnen keineswegs die Gräuel eines Bürgerkriegs. Diese Gräuel sind aber nicht im Wortsinn „höllisch“, sondern Ergebnis einer verfehlten Interventions- oder Entwicklungspolitik.
(Ines Springer, CDU: Das ist ja wohl das Allerletzte! Eine Schande! – Valentin Lippmann, GRÜNE: Wollten Sie in Syrien einmarschieren oder was?!)
Am 12. Dezember 2015 beschlossen dann führende deutsche Politiker, am Folgetag wieder Grenzkontrollen einzuführen. In der Nacht beorderte der Innenminister de Maizière Polizisten aus ganz Deutschland an die Grenze. Frau Dr. Merkel pfiff ihn aber zurück. Diese Entscheidung war der Anfang der Kanzlerindämmerung und wahrscheinlich auch des Niedergangs der CDU.
Nicht nur die Polizei, sondern auch die Verwaltungsbehörden wurden von dem Migrantenstrom kalt erwischt. Die Kapazitäten in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Freistaates reichten natürlich bei Weitem nicht aus und mussten daher schnellstmöglich erhöht werden.
Der Rechnungshof stellte fest, dass in dieser Zeit, von September bis November 2015, keine geordnete Registrierung erfolgte. Man verließ sich auf Schätzungen oder zählte die Köpfe der in Massen hereinströmenden Ausländer.
Aufgrund der überhöhten und bis zum Jahresende ansteigenden Zahlen verzehnfachte der Freistaat seine Erstaufnahmekapazitäten von Januar 2015 bis 2016. Weitere Kapazitäten für 3 500 Plätze wurden beauftragt.
Durch den hohen Druck auf die Verwaltung reagierte die Staatsregierung nicht mehr besonnen, sondern panisch. In purem Aktionismus baute sie Kapazitäten auch über den Bedarf aus. Nach Ermittlung des Rechnungshofes wurden sieben Einrichtungen geschaffen, die niemals in Betrieb gingen. In den Jahren 2015 und 2016 setzte die Staatsregierung so 62 Millionen Euro in den Sand.
Als die Migrantenzahlen Anfang 2016 zurückgingen, reduzierte die Staatsregierung die Kapazitäten, und zwar
von 19 400 auf 5 000 Plätze. Der Rechnungshof kam jedoch zu einem anderen Ergebnis, nämlich dass mehr als 8 500 Plätze weiterhin Kosten für Miete und Bewachung verursachen. Diese belaufen sich bis zum Ende aller unterschiedlichen Vertragslaufzeiten auf 26 Millionen Euro.
Insgesamt sind auch aufgrund ungenauer Datenerhebung und Zahlen bei der illegalen Registrierung Kosten in Höhe von 88 Millionen Euro ohne jeden greifbaren oder sichtbaren Nutzen entstanden. Um solche Schäden künftig zu vermeiden, ist unbedingt sicherzustellen, dass die Anzahl der Asylforderer auch tatsächlich immer korrekt erfasst wird.