Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Landtag debattiert heute in abschließender Beratung das Erste Gesetz zur Änderung des Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetzes. Der Gesetzentwurf dreht sich um die Umsetzung der Wohnsitzverpflichtung, eine Neuregelung der Kostenerstattungspauschale an die sächsischen Kommunen und einen längeren Aufenthalt von Asylbewerbern mit geringer Bleibeperspektive in den Erstaufnahmeeinrichtungen.
Aus Sicht der SPD-Fraktion – das möchte ich vorwegnehmen – sind die Änderungen notwendig, um die Aufnahme und in der Folge die Integration von Geflüchteten und Asylbewerbern im Freistaat Sachsen besser zu steuern. Das mag der Fraktion DIE LINKE egal sein, Frau Nagel, aber wenn man sich die gesellschaftliche Entwicklung auch und gerade im Freistaat Sachsen vor Augen führt, macht das doch deutlich, wie dringend wir eine viel klarere Steuerung der Migrationsprozesse in unserem Land benötigen, gerade, um eine bessere Integration derer zu ermöglichen, die eine Bleibeperspektive haben. Ich finde, Sie als LINKE gefährden mit Ihrer Maximalposition die Integrationserfolge, die wir zum Glück auch schon vorzuweisen haben, Frau Nagel.
Wie ordnet sich das Gesetz in die Gesamtthematik Migration und Integration ein? Dazu müssen wir einen kurzen Exkurs einerseits über die weltweite Entwicklung und andererseits über die politische Entwicklung in Deutschland vornehmen.
Meine Damen und Herren! Auch wenn längst nicht so viele Geflüchtete und Asylbewerber in Deutschland ankommen wie noch 2015, ist der Migrationsdruck nach Europa nach wie vor sehr groß. Angesichts der Krisenherde auf dieser Welt und der zu erwartenden Fluchtbewegungen aufgrund von Klima- und Umweltveränderungen werden Europa, Deutschland, ja, und auch der Freistaat Sachsen mit seinen Kommunen in der Zukunft weiter mit Zuwanderung, Flucht, Asyl und Migration umgehen müssen. Es ist eine Binsenweisheit, dass längst nicht jeder Mensch hier bleiben kann, der Asyl oder einen anderen Bleiberechtsstatus beantragt. Das ist so. Für diese Entscheidungen gibt es das Asyl- oder Aufnahmeverfahren, welches vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geführt wird – übrigens mit besserer Qualität, als noch vor Wochen auch in diesem Haus geunkt wurde. Die Verfahrensdauer ist im Durchschnitt gesunken, und das ist auch gut und im Sinne der Betroffenen.
Aber die Entscheidung für das Bleiberecht einzelner Personen fällt je nach Herkunft und individuellen Gesichtspunkten recht unterschiedlich aus. So gibt es Länder, deren Angehörige sehr wahrscheinlich ein Bleiberecht in Deutschland bekommen, beispielsweise Syrien. Und es gibt andere, bei denen die Schutzquote im Ergebnis gering bis sehr gering ist, beispielsweise Georgien. Das ist eine Nationalität, die wir zurzeit häufiger zu verzeichnen haben, Frau Nagel.
Es gibt ein zusätzliches Problem: Zuwanderer, die eigentlich keinen Asylgrund vorweisen können, entscheiden sich für das Asylverfahren. Das führt dazu, dass sehr viele dieser Menschen abgelehnt werden müssen, weil sie keinen Asylgrund und auch sonst keinen Grund vorweisen können, als Flüchtling anerkannt zu werden. Deshalb bin ich sehr froh, dass wir inzwischen auf Bundesebene über das Fachkräftezuwanderungsgesetz sprechen und dass die Bundes-CDU – so offen muss ich hier sein – ihren Widerstand gegen dieses Thema endlich aufgegeben hat. Allerdings mit Blick auf die Abschiebepraxis, gerade auch in Sachsen, muss aus Sicht der SPD zwingend auch der Spurwechsel eingeführt werden, meine Damen und Herren.
Asylbewerber, die eigentlich zuwandern wollen und bereits in Schul- oder Ausbildung sind oder sogar schon arbeiten, sollen nicht abgeschoben werden.
Es versteht kein vernünftiger Mensch, warum gut integrierte Personen, die sich nichts zuschulden kommen lassen haben, die eine Arbeit haben und damit in unserer Gesellschaft ihren Beitrag leisten, abgeschoben werden. Diese Menschen verdienen eine Chance. Sie sollen die
Möglichkeit bekommen, von der Spur Asylverfahren in die Spur Fachkräftezuwanderung zu wechseln. Das gilt übrigens auch für Migrantinnen und Migranten, die für ein Studium nach Deutschland gekommen sind und nach dessen erfolgreichem Abschluss zum Arbeiten hierbleiben wollen.
Dann können wir uns bei der Abschiebung endlich auf diejenigen konzentrieren, die sich beharrlich nicht integrieren wollen, allen voran die Mehrfach- und Intensivstraftäter.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen die Zuwanderung in allen unterschiedlichen Wegen besser steuern. Dazu brauchen wir verschiedene Instrumente, wie die Wohnsitzauflage und im Gegenstück dazu die Aufnahmeverpflichtung der Kommunen. Wir müssen aber auch die Personen mit einer guten Bleibeperspektive frühzeitig in Integrationsmaßnahmen bekommen. Je schneller ein Aufnahmeverfahren erfolgreich beendet ist, desto eher können die Betroffenen gut integriert werden.
Es gibt auf der anderen Seite Menschen mit einer geringeren Bleibeperspektive, auch nach einer gerichtlicher Endentscheidung. Im Übrigen haben diese Menschen auch nach diesem Gesetz eine geringere Bleibeperspektive. Das ergibt sich nun einmal aus der geringeren Schutzquote. Die Koalition hat sich für diese Gruppe mit der Möglichkeit des § 47 Asylgesetz damit beschäftigt – wir haben es gehört –, die Aufenthaltsdauer in der Erstaufnahmeeinrichtung auf maximal zwei Jahre verlängern zu können. Sie dürfen uns glauben, dass wir als SPD uns mit diesem sehr sensiblen Thema sehr intensiv beschäftigt haben.
Es gibt mehrere Gründe, warum wir dem Gesetzentwurf heute zustimmen können. Auf der einen Seite sind die Verhältnisse für die Betroffenen somit klarer: Ich komme aus einem Land, wo weniger als 20 % Menschen einen Schutzstatus bekommen. Damit ist es okay, dass ich erst der Kommune zugeteilt werde, wenn mein Asyl- oder Aufnahmeverfahren erfolgreich beendet ist. Damit erreichen wir, dass wir keine falschen Hoffnungen bei diesen Menschen wecken, und wir erleichtern so die Integration für diejenigen, die bereits ein Bleiberecht haben.
Auf der anderen Seite muss das Leben in einer solchen Einrichtung – erst recht, wenn die Aufenthaltszeit verlängert wird – so menschenwürdig wie möglich sein. Frau Nagel, es hat mitnichten etwas mit Einsperren zu tun. Die Menschen müssen dort wohnen, ja, aber sie dürfen selbstverständlich diese Einrichtung verlassen, wenn sie es wünschen. Niemand möchte diese Menschen dort einsperren. Insofern würde ich Sie bitte, von solchen irreführenden Äußerungen Abstand zu nehmen.
Dies gilt umso mehr für besonders schutzbedürftige Menschen, allen voran Kinder und Jugendliche. Deshalb haben wir Sozialdemokraten uns ausbedungen, dass diese Verlängerungsmöglichkeiten, die sich aus diesem Gesetz
ergeben, keinesfalls für Familien mit minderjährigen Kindern gelten dürfen, sondern nur für erwachsene Personen.
Gleichzeitig haben wir in den letzten Jahren viel dafür getan, um die Bedingungen in den Erstaufnahmeeinrichtungen zu verbessern. Ich erinnere beispielhaft an die Erstorientierungskurse mit Sprachunterricht. Mit Blick auf die in den EAE untergebrachten Kinder und Jugendlichen setzen wir als SPD uns weiterhin für eine Verbesserung ein.
Es ist eine Aufgabe für die nahe Zukunft, dafür zu sorgen, dass Kinder und Jugendliche in Erstaufnahmeeinrichtungen einen besseren Zugang zu Bildungsangeboten bekommen.
Die aktuelle Situation ist auch für uns nicht befriedigend. Es ist wichtig, sozialpädagogische Betreuungsangebote – in der Erstaufnahmeeinrichtung Chemnitz wurde das ausprobiert – zeitnah in allen Erstaufnahmen einzuführen und dauerhaft einzurichten. Gleichzeitig wollen wir für Kinder und Jugendliche, bei denen der Aufenthalt in der EAE nicht nach wenigen Wochen beendet ist, den Zugang zu Regelschulen ermöglichen. Diese fachliche Frage wird uns als SPD in den kommenden Wochen und Monaten weiterhin beschäftigen.
Meine Damen und Herren! Das ändert nichts an dem Gesetz, das wir heute beschließen wollen. Die Steuerung von Zuwanderung sowie die Fragen zu Bleiberecht und Ausreisepflicht sind weiß Gott keine angenehmen Themen, gerade weil wir über die Zukunft der Menschen entscheiden. Ich finde, das Innenministerium bekommt mit dem neuen Flüchtlingsaufnahmegesetz und der Verordnungsermächtigung eine Möglichkeit, der eine sehr, sehr hohe Verantwortung für die betroffenen Menschen innewohnt. Deshalb darf diese Möglichkeit nur mit genauem Augenmaß angewandt werden. Sie dürfen sicher sein, dass wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten die Anwendung jederzeit sehr genau begleiten werden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Wir sprechen über den Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetzes. Ich nehme es vorweg: Wir werden uns enthalten.
Gestatten Sie mir zu Beginn einen kleinen Exkurs nach Marrakesch in Marokko. Dort ist gestern der unsägliche UN-Migrationspakt per Akklamation angenommen
Daran sind Sie alle beteiligt, und Sie haben es alle gewollt, so wie Sie hier sitzen. Wir haben Sie in einer der letzten Sitzungen dazu aufgefordert, ganz klar Farbe zu bekennen. Sie haben es getan, und Sie wollen diesen Migrationspakt.
Das bedeutet auch – das müssen Sie sich klarmachen –, dass die Unterscheidung zwischen illegaler und legaler Migration perspektivisch nicht mehr stattfinden soll, denn es soll ja alles vereinheitlicht werden.
(Dr. Stephan Meyer, CDU: Eben nicht! Lesen Sie doch mal den Pakt! Frechheit, so etwas zu behaupten!)
Das bedeutet aber auch, dass die Unterscheidung zum Zweck der Abschiebung von sich hier illegal aufhaltenden Personen total auf Sand gebaut ist. Warten Sie noch einmal zehn Jahre ab, dann wird von Ihrem Flüchtlingsaufnahmegesetz nicht mehr viel übrig sein. Aber Sie haben es so gewollt.
Herr Parlamentarischer Geschäftsführer der CDUFraktion, Sie haben mich eben Feigling genannt, weil ich keine Zwischenfrage zugelassen habe?
Gut, das ist der Umgang in diesem Haus. Das ist die CDU, wenn Sie nicht mehr weiter weiß. Vielen Dank!
Meine Damen und Herren! Die AfD-Fraktion hatte einen ähnlichen Gesetzentwurf eingebracht. Zu dieser Sachverständigenanhörung haben Sie, die Altparteien, auch wieder niemanden eingeladen; denn Sie wollen sich inhaltlich nicht mit einem Gesetzentwurf der AfDFraktion auseinandersetzen.
Was haben wir damals beantragt? Wir wollten, dass eine Spitzabrechnung zwischen dem Land und den Kommunen stattfindet und dass 100 % der Kosten erstattet werden sollen. Damals hieß es vonseiten des Landkreistages und des Städte-und Gemeindetages, das sei nicht möglich. Jetzt ist es aber auf kaltem Wege plötzlich doch möglich, eine Art Spitzabrechnung vorzunehmen; denn es muss am
Ende eines Jahres ein Durchschnitt ermittelt werden, aus dem heraus dann die 90 % ermittelt werden, die den Gemeinden pro Asylbewerber zugewiesen werden.