Der zweite Punkt sind die Sanktionen. In Sachsen waren 2017 fast 9 000 Haushalte davon betroffen, darunter über 2 300 Haushalte mit Kindern. Ihnen wurde von dem sowieso schon viel zu niedrigen Budget auch noch das
die diesen Namen auch verdient. Leistungskürzungen gehören abgeschafft, denn sie drücken die Betroffenen unter das Niveau des Lebensnotwendigen.
Mit der Rechtmäßigkeit dieses Sanktionssystems wird sich im Übrigen am 15. Januar das Bundesverfassungsgericht beschäftigen. Es ist durchaus möglich und sehr wünschenswert, dass es in Karlsruhe nicht bestehen wird. Was sagt es eigentlich über diese Regierung aus, wenn das Verfassungsgericht die letzte Hoffnung vieler Menschen ist, ihren Lebensunterhalt zu sichern?
Das führt mich zum dritten Grund. In der SPD gibt es inzwischen Stimmen, die sagen: Mit Anreizen lassen sich Menschen besser motivieren als mit Strafen. Vielleicht entwickeln sich daraus Debatten, die dem Armutsmotor Hartz IV den Kraftstoff entziehen. Es ist höchste Zeit, dass SPD und GRÜNE, die Hartz IV eingeführt haben und von CDU/CSU wie FDP unterstützt wurden, ins Zweifeln kommen.
Sie wissen: Wir als LINKE waren von Beginn an klar gegen Hartz IV, und wir fordern seit vielen Jahren konsequent seine Abschaffung.
Wir wollen nicht, dass Menschen, die Sozialleistungen bekommen, pauschal unterstellt wird, sie würden tricksen und betrügen. Wir wollen nicht, dass mit dem Gang zur Arbeitsagentur eine Bürokratie- und Forderungsflut über jemanden hereinbricht – immer mit Misstrauen im Unterton.
Wir wollen stattdessen, dass Menschen wieder darauf vertrauen können, dass sie ein soziales Netz auffängt. Wir wollen, dass Menschen bei der Jobsuche unterstützt und motiviert und nicht bestraft und kleingehalten werden. Wir wollen, dass alle Menschen in Deutschland, die in eine soziale Notlage geraten, vor Armut geschützt sind und weiter am normalen Leben teilhaben können. Dazu gehört nicht nur, satt zu sein und ein Dach über dem Kopf zu haben. Dazu gehört auch, mal ins Kino oder ins Erlebnisbad zu gehen oder dass die Kinder Klassenfahrten unternehmen oder Freunde zum Geburtstag besuchen können, ohne sich schämen zu müssen. Auch wenn Hartz IV eine Angelegenheit des Bundes ist, sind der Sächsischen Staatsregierung nicht die Hände gebunden. Sie kann und muss in Berlin dafür streiten, dass dieses System endlich überwunden wird, denn es ist eines Sozialstaats unwürdig.
Ich bitte Sie daher um breite Zustimmung zu unserem Antrag. Das wäre zumindest eine kleine Weihnachtsgeste
André Barth AfD: Jawohl, eine Kurzintervention auf den Redebeitrag von Frau Schaper. Hartz IV, Agenda 2010, hat dazu geführt, dass die hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland – neben dem Rückgang der Bevölkerungszahl – gesunken ist. Wir haben in Teilbereichen Probleme mit gesetzlichen Mindestlöhnen.
(Zuruf der Abg. Kerstin Köditz, DIE LINKE – Rico Gebhardt, DIE LINKE: 37 % der Sachsen leben unter dem Mindestlohn!)
Darüber kann man debattieren sowie über die Aussage, dass man mit einem 40-Stunden-Job ordentlich auskommen kann. Das ist alles richtig. Das, was Sie hier aber tun, ist einfach: Wir zerstören Hartz IV. Wir führen de facto ein bedingungsloses Grundeinkommen ein – für wen auch immer.
Was wir brauchen, ist eine ehrliche Debatte darüber: Welche Sanktionen sind heute im Hartz-IV-System noch zeitgemäß? Wir sind eine reiche Gesellschaft. Wir können dafür sorgen, dass Löhne steigen, dass das Lohnabstandsgebot besteht und Hartz-IV-Sätze angehoben werden können.
Meine Damen und Herren von den LINKEN, wir wandern aber in eine Zeit hinein, in der uns Arbeitskräfte in Deutschland eher fehlen werden. Die Problematik von Hartz IV wird also zurückgehen, wenn es uns gelingt, alle Menschen zu aktivieren, wieder in den Arbeitsprozess eintreten zu können.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte ja ehrlicherweise damit gerechnet, dass die Debatte nicht nur mit der Nähe zu dem anstehenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu tun hat, sondern auch eine emotionale Nähe zur Weihnachtszeit hergestellt werden sollte. Ich finde das aber, offen gestanden, etwas schäbig.
Deutschland ist ein weltweit fast beispielhafter Sozialstaat, und DIE LINKE hatte seit ihrem Bestehen nichts
Besseres zu tun, als tagtäglich den Eindruck zu vermitteln, wir seien ein Land, in dem die soziale Kälte ganz besonders stark durch die Straßen weht. Das ist schlicht und ergreifend falsch und in dieser Absolutheit alles andere als angemessen.
Wenn Sie hier einen Antrag zu Hartz IV stellen und Ihren Beitrag damit beginnen, eine typische Arm-ReichDiskussion zu führen, und so tun, als wären wir ein Land, in dem wie im Manchester-Kapitalismus die Armen die Lasten der Reichen tragen und die Reichen auf Kosten der Armen leben würden, dann läuft das aus meiner Sicht der Lebensrealität in Deutschland nicht nur zuwider, sondern ist ein Parallelbild, das nicht ansatzweise der Realität entspricht.
(Beifall bei der CDU, SPD und des Abg. Carsten Hütter, AfD – Susanne Schaper, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)
Wenn Sie sagen, dass das Bundesverfassungsgericht nicht der richtige Ort sei, an dem Menschen ihre Rechte einklagen können und darüber entschieden wird, ob das Einklagen des Anspruchs berechtigt ist oder nicht,
(Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Das hat sie nicht gesagt! – Susanne Schaper, DIE LINKE: Schlimm, wenn man da hingehen muss!)
Unser Sozialstaat folgt der Überzeugung, dass niemand in der Not ins Bodenlose fallen soll, aber er folgt eben auch der Überzeugung, dass jene, die ihn tragen, darauf vertrauen können, dass jeder, der von ihm getragen wird, das Seine dazu tut, ihn in absehbarer Zeit wieder mitzutragen.
Ich denke, dass man immer wieder – auch wenn es selbstverständlich zu sein scheint – auf dieses Wechselverhältnis hinweisen muss: dass ein Sozialstaat für uns inzwischen selbstverständlich geworden ist, jedoch gewissen Wirkmechanismen unterliegt, das heißt, dass er davon lebt, dass wir ihn gemeinsam finanzieren und jene, die von ihm profitieren und ihn schätzen, auch bereit sind, das ihre zu tun, um zu seiner Finanzierung beizutragen.
Wir müssen dabei auch über Sanktionen sprechen – ich komme noch einmal im Detail darauf zurück –; denn wir sind denjenigen, die den Sozialstaat finanzieren, auch Rechenschaft darüber schulden, wofür das Geld ausgegeben wird. Wenn man sich mit Menschen unterhält, die vergleichsweise wenig verdienen, dann sagen sie, es gebe immer mehr Menschen, die sagen: Für das bisschen mehr, das ich bekomme, will ich nicht arbeiten.
Wir dürfen nicht so tun, als wäre Sozialhilfe bzw. Hartz IV so etwas wie ein Grundeinkommen, sondern es ist Hilfe zur Selbsthilfe. Das muss es jedenfalls im Normalfall sein. Dann kann man auch erwarten, dass man sich bemüht, in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu kommen.
Wenn Sie so tun, als würde die Abschaffung von Sanktionen zu Teilhabe führen, dann bin ich der festen Überzeugung, dass es letzten Endes nichts gibt, das zu mehr Teilhabe führt als eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt. Deshalb muss der Fokus unserer Anstrengungen ein anderer sein. Es geht nicht darum, dass wir zuerst darüber diskutieren, wie hoch Hartz IV sein muss, sondern darum: Was tun wir für jene, die trotz einer guten Konjunktur und in den letzten Jahren rapide gesunkener Arbeitslosenzahlen in Arbeit kommen?