Protokoll der Sitzung vom 30.01.2019

Ich stelle den Entwurf Gesetz zur Änderung des Sächsischen Abfall- und Bodenschutzrechtes, Drucksa

che 6/14477, in seiner in der zweiten Beratung beschlossenen Fassung als Ganzes zur Abstimmung. Wer dem Entwurf des Gesetzes zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Eine ganze Anzahl von Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? – Einige Stimmenthaltungen. Damit ist der Entwurf des Gesetzes beschlossen. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 5

Zweite Beratung des Entwurfs

Gesetz zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Wahlrecht

Drucksache 6/15216, Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 6/16422, Beschlussempfehlung des Ausschusses für

Soziales und Verbraucherschutz, Gleichstellung und Integration

(Es kommt ein Gebärdendolmetscher zum Einsatz.)

Wie Sie bereits festgestellt haben, unterstützt uns bei diesem Thema ein Gebärdendolmetscher, den ich hiermit herzlich begrüße.

Meine Damen und Herren, den Fraktionen wird das Wort zur allgemeinen Aussprache erteilt. Die Reihenfolge in der ersten Runde: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als Einbringerin, CDU, DIE LINKE, SPD, AfD, Staatsregierung, wenn gewünscht.

Ich erteile Herrn Kollegen Zschocke für die einbringende Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Wahlrecht ist ein Menschenrecht. Im Sommer sind in Sachsen Wahlen zum Landtag. Bei der Wahl entscheiden die Menschen, welche Partei unser Land regieren soll und welche Menschen das Land regieren sollen. Meine Partei heißt DIE GRÜNEN. Wir haben neue Regeln für die Wahlen aufgeschrieben. Diese Regeln stehen in einem Gesetz. Das Gesetz heißt „Gesetz zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Wahlrecht“. Die Regeln sollen die Wahl einfacher machen. Es gibt für manche Menschen Hindernisse bei der Wahl. Deshalb gehen sie nicht hin. Wir wollen, dass Menschen ohne Hindernisse wählen können, ohne Hindernisse in den Wahlraum gehen können und Hilfe bekommen, wenn sie diese brauchen. Damit wollen wir verhindern, dass manche Menschen nicht an der Wahl teilnehmen können.

Meine Damen und Herren, es ist schwer, etwas in leichter Sprache zu sagen. Aber für viele Menschen ist die Politikersprache und die Sprache der Gesetzestexte sehr schwer oder manchmal gar nicht zu verstehen. Artikel 29 der UNBehindertenrechtskonvention sieht vor, dass Menschen mit Behinderung ihre politischen Rechte, insbesondere das Wahlrecht, gleichberechtigt mit anderen wahrnehmen können. Dennoch schließen wahlrechtliche Bestimmungen im Freistaat Sachsen viele Menschen mit Behinderung nach wie vor automatisch vom Wahlrecht aus.

In Sachsen sind es reichlich 4 000 Menschen mit Behinderung, denen es gesetzlich versagt ist, zu wählen. Betroffen sind vor allem Menschen, bei denen eine Betreuung in allen Angelegenheiten angeordnet ist. Wir wollen diese Diskriminierung schnellstens noch in dieser Wahlperiode abschaffen und gleichzeitig den Zugang zu Wahlen für alle Wählerinnen und Wähler erleichtern.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Die Beratungen in den Ausschüssen haben gezeigt, dass die Koalition weiter auf Zeit spielt. Sie warten die Beseitigung von Wahlrechtsausschlüssen auf Bundesebene ab. Sie reden sich damit heraus, dass noch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in dieser Frage aussteht. Diese Hinhaltetaktik der Regierungsfraktionen wird dazu führen, dass die betroffenen Personen bei der Europawahl, bei der Kommunalwahl und bei der Landtagswahl in diesem Jahr wieder nicht wählen können. Der Landtag kann aber bereits jetzt verfassungskonforme Änderungen beschließen. Andere Bundesländer machen das vor.

In Brandenburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein sind die Wahlausschlüsse bereits aufgehoben. Auf Bundesebene besteht Einigung, den

Wahlrechtsausschluss von Menschen mit Vollbetreuung zu beenden. Wenn ich mir die aktuelle Diskussion anschaue, bin ich mir bei dem, was ich aus Berlin mitbekomme, nicht mehr so sicher.

Ich möchte einmal deutlich sagen: Es ist an der Zeit, endlich eine gleichberechtigte Teilnahme am Wahlrecht zu ermöglichen. Es kann nicht sein, dass volljährigen Staatsbürgern dieses zentrale Bürgerrecht gerade in einem Wahljahr weiterhin vorenthalten wird. Betreuung bedeutet doch nicht, dass Menschen nicht entscheidungsfähig sind. Betreuung bedeutet viel mehr, dass sie Unterstützung brauchen, um ihre Entscheidung zu treffen.

Unser Gesetzentwurf sieht zudem vor, dass ab dem 1. Januar 2023 alle Wahllokale barrierefrei sein müssen. Bis dahin haben wir eine relativ lange Übergangsfrist vorgesehen, die es den Kommunen erleichtern soll, sich vorzubereiten. Da ist auch schon sehr viel passiert. Dem Gesetz wird in diesem Zeitraum auch dann entsprochen, wenn mindestens ein barrierefreier Wahlraum pro Wahlkreis in zumutbarer Entfernung zu Fuß oder mit Anbindung an den ÖPNV erreichbar ist. Die geforderte bessere Erreichbarkeit und die Barrierefreiheit der Wahlräume kommen am Ende allen Menschen zugute.

Beim Neujahrsdialog des Landesbehindertenbeauftragten wurde von vielen Teilnehmenden darauf hingewiesen, dass ein zentrales Koalitionsversprechen der sächsischen Koalition immer noch nicht umgesetzt ist, und zwar ein Inklusionsgesetz für Sachsen. Vor zwei Jahren hat Herr Pöhler unter breiter Beteiligung von Betroffenen Empfehlungen für ein solches Gesetz formuliert. Doch ein Gesetzentwurf der Koalition liegt bis heute nicht vor.

Nun habe ich in der Zeitung gelesen, dass Ihr Inklusionsgesetz im Juli dieses Jahres noch kommen soll. Entgegen der bisherigen Haltung, erst das BVG-Urteil zu der Wahlanfechtung abzuwarten, wollen Sie die Abschaffung der Wahlrechtsausschlüsse mit dem Gesetz doch noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg bringen. Aber einmal ganz ehrlich: Wenn es Ihnen mit der Beseitigung der Wahlrechtsausschlüsse ernst ist, müssen Sie wirklich heute zustimmen; denn im Juli wird das keinerlei Auswirkungen mehr auf dieses Wahljahr haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb bitte ich Sie eindringlich, geben Sie sich einen Ruck und unterstützen Sie unseren Gesetzentwurf.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Amt. Präsident Thomas Colditz: Vielen Dank, Herr Zschocke. Es schließt sich die CDU-Fraktion mit Herrn Dierks an. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Zschocke, ich hatte gehofft, dass Sie im Laufe Ihrer Rede noch darauf zu sprechen kommen, dass sich die Koalition im Rahmen der letzten Sitzung des Koalitionsausschusses darauf verstän

digt hat, das Inklusionsgesetz noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg zu bringen und dass im Zuge des Beschlusses oder der Erarbeitung des Inklusionsgesetzes genau diese Frage eine zentrale Rolle spielt, nämlich die Beseitigung der Wahlrechtsausschlüsse.

Sie haben bereits angeführt – ich will es nicht wiederholen –, dass laut § 13 des Bundeswahlgesetzes und § 12 des Sächsischen Wahlgesetzes diejenigen von Wahlen ausgeschlossen sind, die ihre Angelegenheiten nicht selbst regeln können und deshalb in allen Bereichen eine Betreuerin oder einen Betreuer zur Seite gestellt bekommen. Es steht in einem gewissen Widerspruch zum ebenfalls erwähnten Artikel 29 der UN-Behindertenrechtskonvention, dass behinderte Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe an Wahlen bzw. an Wahlentscheidungen haben sollen.

Das folgt dem Interesse, das auch wir als CDU-Fraktion, als Staatsregierung, als regierungstragende Fraktionen haben, nämlich dass möglichst alle Menschen im Freistaat Sachsen ein selbstbestimmtes und nach Möglichkeit ein selbstständiges Leben führen und die Gesellschaft aktiv mitgestalten können. Es ist ein Teil dessen, dass wir nach und nach dazu kommen müssen, dass die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für behinderte Menschen kein Gnadenakt, sondern Selbstverständlichkeit ist.

Wir müssen alle gemeinsam dazu beitragen, einerseits das öffentliche Bewusstsein zu schärfen, auch immer wieder Zeichen zu setzen, aber nicht zuletzt das zu tun, wozu Politik da ist, nämlich Gesetze entsprechend anzupacken. Dabei ist das Wahlrecht sicherlich ein wesentlicher Bestandteil, aber nicht der einzige.

Sie haben das Inklusionsgesetz angesprochen. Wir wollen im Rahmen des Inklusionsgesetzes noch eine ganze Reihe anderer Dinge machen. Auch die Geldsumme, die für behinderte Menschen im Freistaat Sachsen ausgegeben wird, wollen wir deutlich erhöhen. Wir wollen den Behindertenbeauftragten stärken, indem er hauptamtlich bei der Staatskanzlei angesiedelt wird, das heißt, dass er bezahlt wird und ausschließlich für diese Aufgabe zur Verfügung steht.

Sie haben auch richtig gesagt, dass sich CDU/CSU und SPD auf Bundesebene geeinigt haben, diese Wahlrechtsausschlüsse auf Bundesebene abzuschaffen. Ich glaube, dass es nur folgerichtig ist, dass wir uns nun auf den Weg machen, das auf Landesebene zu tun, weil ich es für einen etwas schwierigen Umstand hielte, wenn Menschen auf Bundesebene wahlberechtigt sind, es aber bei Landtagswahlen oder Kommunalwahlen nicht wären. Ich glaube, dass wir damit einen wesentlichen Beitrag für die Beteiligung und die gesellschaftliche Teilhabe der etwa 4 000 Menschen in Sachsen leisten, die das betrifft.

Sie haben in Ihrem Gesetzentwurf noch davon gesprochen, diejenigen einzubeziehen, die aufgrund von Schuldunfähigkeit in psychiatrischen Einrichtungen untergebracht sind. Darüber müssten wir meines Erachtens noch einmal reden. Das erschließt sich mir jedenfalls auf den ersten Blick nicht.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Alles in allem ist es uns wichtig, dass sich möglichst alle Menschen in den demokratischen Prozess einbringen können. Wir würden uns wünschen, dass wir in diesem Bereich nach und nach zu bundeseinheitlichen Regelungen kommen. Wir werden im Rahmen der Verhandlungen über das Inklusionsgesetz auch über das Thema Wahlrechtsausschlüsse sprechen, die Wahlrechtsausschlüsse im Freistaat Sachsen – jedenfalls für die Landtags- und Kommunalwahlen – abschaffen und zunächst aber diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen, weil wir es im Rahmen der Verhandlungen innerhalb der Koalition im Rahmen des Inklusionsgesetzes regeln wollen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Amt. Präsident Thomas Colditz: Vielen Dank. Es schließt sich die Fraktion DIE LINKE mit Frau Buddeberg an.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Hier wurde bereits ausgeführt, dass mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zwei wesentliche Defizite im sächsischen Wahlrecht behoben werden sollen. Es handelt sich zum einen um die Abschaffung der pauschalen Wahlrechtsausschlüsse für Menschen, bei denen zur Besorgung aller Angelegenheiten eine gesetzliche Betreuung bestellt ist, sowie für Menschen, die aufgrund einer im Zustand der Schuldunfähigkeit begangenen Straftat in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind.

Außerdem geht es im Gesetzentwurf um das Treffen weiterer, insbesondere verbindlicherer Vorkehrungen, um einer Vielzahl von Menschen, die zwar formal nicht ausgeschlossen sind, aber ihr Wahlrecht zum Beispiel wegen einer Beeinträchtigung dennoch nicht oder nur eingeschränkt wahrnehmen können, die Teilnahme am Wahlgeschehen tatsächlich zu ermöglichen.

Unsere Fraktion hatte die vage Hoffnung – Herr Dierks, Sie haben es schon angesprochen –, dass die oben genannten Defizite durch den von der Staatsregierung seit Längerem angekündigten Gesetzentwurf für ein Inklusionsgesetz aufgegriffen und beseitigt werden würden. Aber bekanntlich liegt dieser immer noch nicht vor. Wir wären, ehrlich gesagt, nicht einmal überrascht, aber durchaus sehr enttäuscht, wenn mit dem Inklusionsgesetz das Gleiche passiert wie mit dem Gleichstellungsgesetz, also dem Ersatz für das alte Frauenfördergesetz. Da wurde nun endgültig offenbar, dass die Vorlage an einer konservativen Regierungsmehrheit scheiterte und der Gesetzentwurf in dieser Wahlperiode trotz Vereinbarung im Koalitionsvertrag dem Landtag nicht mehr vorgelegt wird.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum ersten Schwerpunkt des in Rede stehenden Gesetzentwurfes, das heißt, zur Abschaffung der pauschalen Wahlrechtsausschlüsse. Das Deutsche Institut für Menschen

rechte, das als unabhängige nationale Menschenrechtsinstitution Deutschlands bei den Vereinten Nationen akkreditiert ist, mahnt im Grunde seit Inkrafttreten der UNBehindertenrechtskonvention die Aufhebung der pauschalen Wahlrechtsausschlüsse an. Obwohl diese Forderung nicht nur in diesen, sondern schon in den vorhergehenden Koalitionsvertrag im Bund aufgenommen worden war, ist in Deutschland für Europa- und Bundestagswahlen alles beim Alten geblieben.

Beim Bundesverfassungsgericht ist seit 2014 eine Wahlprüfungsbeschwerde von acht behinderten Menschen anhängig. Sie ist immer noch nicht entschieden, obwohl die Entscheidung für 2018 angekündigt war. Wir als Fraktion DIE LINKE meinen, dass dies weder im Sinne der Verfassung noch des Völkerrechts sein kann.

Diese Auffassung wird offensichtlich in anderen Bundesländern geteilt; denn sie haben ihre hoheitlichen Möglichkeiten zur Änderung der Landesgesetze bezüglich der Kommunal- und Landtagswahlen unabhängig vom Stand der Bundesgesetzgebung genutzt. Für die in Rede stehenden Personenkreise gibt es in Bremen, Hamburg und Nordrhein-Westfalen keine Ausschlüsse vom aktiven und passiven Wahlrecht auf den Ebenen der Kommunen und des Landtags mehr.

Auch in Sachsen kann dies durch diesen Gesetzentwurf so werden. Es entspräche eindeutig dem Sinn der UNBehindertenrechtskonvention, pauschale Wahlrechtsausschlüsse durch Einzelfallentscheidung zu ersetzen. Deshalb unterstützen wir dies.

Ich komme zum zweiten Schwerpunkt des Gesetzentwurfs der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Er enthält, wie schon dargelegt, wesentliche Festlegungen bezüglich der Barrierefreiheit bei Wahlverfahren, Wahlmaterialien, Wahlräumen und zu Unterstützungsbedarfen. Gleich vorweg gesagt: Meine Fraktion unterstützt dies ohne Einschränkung.