Die letzten Beihilferechtsmodernisierungen der EU waren durchaus weitreichend, auch was die AGVO betrifft. So sind nach diesen Vorschriften derzeit rund 95 % der staatlichen Beihilfen in den EU-Staaten von einer Vorabgenehmigung freigestellt. Sie haben es in der Begründung Ihres Antrages quasi selbst festgehalten, dass – ich zitiere – „... die AGVO grundsätzlich ein sinnvolles Instrument ist, um Rechtssicherheit zu schaffen und bürokratischen Aufwand zu senken.“
Natürlich gibt es weiteren Reformbedarf des europäischen Beihilferechtes, auch was die AGVO betrifft. Auch darauf wurde eine Antwort sowohl vom SMWA als auch von der Bundesregierung bereits gegeben, die sich für weitere Freistellungstatbestände der Verordnung einsetzt, die natürlich auch im sächsischen Interesse liegen. Zu nennen sind hierbei unter anderem Tourismuseinrichtungen, lokale Dienstleistungen und Gemeinschaftseinrichtungen, Initiativen für die Erhaltung des natürlichen Erbes und sogar Ladeinfrastruktur für Strom und Wasser.
Die Sächsische Staatsregierung setzt sich außerdem für eine Vereinfachung und Entlastung kleiner Kommunen im EU-Beihilferecht ein. Die Staatsregierung wird darauf sicherlich noch eingehen.
Sie sehen, dass wir bei dem Thema keineswegs untätig sind. Auch die EU hat einen weiteren Reformbedarf des EU-Beihilferegimes erkannt und wird dementsprechend handeln. Der Antrag der AfD-Fraktion ist deshalb aus unserer Sicht überflüssig. Wir lehnen den Antrag inklusive des Änderungsantrages ab, da er uns in der Sache nicht weiterbringt.
Amt. Präsident Thomas Colditz: Ich bitte nun um die Stellungnahme von Herrn Dr. Lippold für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach einer Reihe von Anträgen zu bundespolitischen Themen will die AfDFraktion – dabei reibt man sich schon die Augen – nun von der Elbe aus Politik im Kernbereich des Multilateralismus und eines einheitlichen Binnenmarktes auf EUEbene machen. Ausgerechnet die AfD-Fraktion möchte jetzt Novellierungen in einen Brüsseler Politikbetrieb einbringen, den sie regelmäßig für überflüssig erklärt.
genau genommen um Ausnahmen von Verbot von ansonsten als wettbewerbsverfälschend angesehenen staatlichen Beihilfen. Wer damit kollidiert, der muss Beihilfen gegebenenfalls zurückzahlen. Das wollte die AfDFraktion im Vorfeld ihrer Initiative genau wissen. Sie hat eine Antwort bekommen: 2 994,84 Euro musste der Freistaat in 2017 an die EU zurückzahlen und seit 2006 insgesamt 3,7 Millionen Euro und damit 0,13 % des Geldes, das Sachsen in der laufenden Strukturfondsperiode aus der EU erhalten hat. Das ist nicht wirklich ein großes Thema.
Welchen Nektar gedenkt die AfD dann im Bereich der europäischen Finanz- und Förderpolitik zu saugen? Dazu ein Zitat des Herrn Kollegen Barth: „Die finanzielle Umverteilung deutscher Steuergelder ins Ausland muss endlich aufhören. Wenn die EU Deutschland derartig benachteiligt, sollten die Zahlungen an Brüssel eingestellt werden. Mit den eingesparten Milliarden wird Sachsen dann noch stärker gefördert als bisher.“ – Das sind genau die Töne, meine Damen und Herren, mit denen die Öffentlichkeit in Großbritannien vor der Brexit
Auf dem AfD-Parteitag in Riesa übertrafen sich die Redner regelrecht mit ihren EU-Ausstiegsfantasien. Es war vom „Dexit“ die Rede, von der Abschaffung des Europaparlaments und von der geordneten Auflösung der Europäischen Union, sodass die Granden Ihrer Partei dann zurückrudern mussten, um die Lücke zum rechten Rand der CDU nicht zu weit aufzureißen.
Meine Damen und Herren, ich fasse einmal zusammen, was zu diesem Antrag zu sagen ist: Die Informationen, die Sie im Berichtsteil anfordern, hätten Sie mit zwei Kleinen Anfragen gewinnen können. Dann hätten Sie auch gewusst, dass in Ihrem Prüfungsteil die dort gestellten
Prüfungsaufträge bereits weitgehend umgesetzt sind; denn das hat ja zu einer von allen Bundesländern unterstützten und somit auch mit sächsischer Beteiligung entstandenen Stellungnahme Deutschlands zur Reform der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung vom 21. November 2016 geführt, was einen großen Teil der Forderungen in Ihrem Antrag einfach obsolet macht.
Wenn Sie im Vorfeld der Antragseinreichung gründlich gearbeitet hätten, dann hätten Sie das auch ohne Kleine Anfragen festgestellt. Anstatt Ihren in großen Teilen offenbar bereits erledigten Antrag einfach zu beerdigen, haben Sie Ziffer 2 mit Ihrem gestrigen Änderungsantrag neu gefasst und damit die Katze wirklich aus dem Sack gelassen; denn Sie packen das, was Sie eigentlich wollen, nun nicht mehr in Prüfaufträge, sondern malen einfach ganz direkt das Bild eines bürokratischen und viel zu komplizierten EU-Rechts und einer Kommission, auf die man aus Sachsen permanent Druck ausüben müsse.
Auch wenn das natürlich gegenüber den Forderungen aus Ihrer Partei, sich einfach gar nicht mehr daran zu halten, indem man die EU verlässt oder diese auflöst, ein deutlich zahmerer Ansatz ist,
erscheint trotzdem dasselbe Bild: der europäische Multilateralismus als gefräßiges Bürokratiemonster, dem man sich entgegenstellen müsse.
Meine Damen und Herren von der AfD, Ihre Informationen haben Sie bekommen. Die Forderungen an die Staatsregierung haben sich erledigt, und mit Ihrem Änderungsantrag schrumpft Ihr ansonsten erledigter Antrag zu einem der üblichen Anträge aus Ihrer Feder, mit denen Sie hier regelmäßig das rechtsnationale Weltbild
und rechtspopulistische Stereotype in Ihrer Anhängerschaft füttern. Deshalb sehen wir wirklich nichts Zustimmungsfähiges in Ihrem Änderungsantrag.
Amt. Präsident Thomas Colditz: Meine Damen und Herren, gibt es aus den Reihen der Abgeordneten weiteren Gesprächsbedarf? – Das ist nicht der Fall. Möchte sich die Staatsregierung äußern? – Herr Staatsminister Gemkow, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Herr Kollege Dulig ist im Vermittlungsausschuss in Berlin; er hat mich gebeten, seinen Redebeitrag zu übernehmen.
Das europäische Beihilferecht verfolgt im Kern – bei allem, was man sich im Detail anders wünscht – richtige
und wichtige Ziele. Es soll durch die Kontrolle von staatlichen Beihilfen, also Subventionen, den fairen Wettbewerb im Binnenmarkt schützen und verhindert insbesondere einen Subventionswettlauf zwischen den Regionen und die Ansiedlung von Unternehmen.
Wie wird das gewährleistet? Im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) wird der Europäischen Kommission die Aufgabe übertragen, die EUVorschriften über staatliche Beihilfen durchzusetzen. Die Mitgliedsstaaten müssen geplante staatliche Beihilfen grundsätzlich vorab bei der Kommission anmelden und dürfen sie erst nach Genehmigung der Kommission durchführen.
Mit der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) werden aber bestimmte Gruppen von staatlichen Beihilfen für mit der AEUV vereinbar erklärt, sofern sich klar definierte Voraussetzungen erfüllen. Diese Gruppen sind von der Pflicht zur vorherigen Anmeldung und Genehmigung freigestellt. Dadurch erhalten die Mitgliedsstaaten Rechtssicherheit und können staatliche Beihilfen ohne vorherige Kontrolle durch die Kommission durchführen. Die Kommission geht davon aus, dass mittlerweile über 95 % der durch die Mitgliedsstaaten realisierten Beihilfemaßnahmen nicht mehr einzeln genehmigt werden müssen.
Unabhängig davon halte ich es für wichtig, dass das Beihilferecht auch auf Veränderungen flexibel reagieren kann, und ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen: In der täglichen Arbeit mit den Kommunen des Freistaates Sachsen muss die Sächsische Staatsregierung immer wieder feststellen, dass die Anwendung des Beihilferechts für einige zu aufwendig und kompliziert ist und somit insbesondere für kleinere Kommunen eine Herausforderung darstellt. Da diese Sachlage aber auch in anderen Bundesländern besteht, wurde auf Initiative der Sächsischen Staatsregierung im April 2016 eine Unterarbeitsgruppe „Kleine Kommunen“ der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „EU-Beihilferecht“ einberufen. Ziel der Unterarbeitsgruppe war es, Vorschläge zur Vereinfachung und Entlastung gerade kleiner Zuwendungsgeber zu entwickeln. Anfang 2017 hatte diese Gruppe ein entsprechendes Strategiepapier fertiggestellt. Es enthält Ansätze für mögliche Vereinfachungen in der AGVO, im Bereich der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem
Alle Vorschläge des Freistaates Sachsen sind darin enthalten, insbesondere der zentrale Vorschlag zur Schaffung eines neuen Freistellungstatbestandes in der AGVO für kleine Kommunen. Diese geht von der Regelvermutung aus, dass bei einem Aufeinandertreffen von kleinen Zuwendungsgebern und kleinen Zuwendungsempfängern eine Vereinbarkeit mit dem Beihilferecht besteht. Das BMWi hat das zwischen Bund und Ländern abgestimmte Strategiepapier als Entwurf am 31. März 2017 der Kommission übergeben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt also bereits ein Konzept, wie das Beihilferecht spürbar vereinfacht und entbürokratisiert werden kann. Es gilt nun, dieses Konzept durchzusetzen. Allerdings liegt die Erarbeitung der Vereinbarungshilfelinien, wie anfangs erwähnt, im Ermessen der Kommission. Die Kommission ist nicht verpflichtet, Änderungsvorschläge der Mitgliedsstaaten zu übernehmen. Schnelle Erfolge sind bei so weitreichenden Forderungen nicht zu erwarten. Selbstverständlich wird sich aber die Sächsische Staatsregierung auch im Rahmen einer möglichen Novellierung der Vorschriften zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse und bei anderen Gelegenheiten dafür einsetzen, dass die Regelungen anwendungsfreundlicher ausgestaltet werden.
Die Kommission hat in einer Pressemeldung am 7. Januar 2019 angekündigt, zentrale beihilferechtliche Vorschriften wie etwa die AGVO, die eigentlich Ende 2020 auslaufen, um zwei Jahre zu verlängern. Sie möchte diesen Zeitraum nutzen, um die Regelungen zu überprüfen. In diesen Prozess werden wir uns einbringen und dafür starkmachen, dass erstens vereinfacht wird, zweitens Wertungswidersprüche behoben, drittens
Rechtsbegriffe konkretisiert werden und viertens durch neue Fest- und Freistellungstatbestände die Eigenverantwortung der Mitgliedsstaaten weiter gestärkt wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein erster Schritt in diese wichtige Richtung wurde bereits getan. Mit der Änderung der Ermächtigungsverordnung im November 2018 wurden die Voraussetzungen für die Aufnahme von zwei neuen Freistellungstatbeständen geschaffen. Zum einen wird es Vereinfachungen für Projekte geben, die durch die EU zentral verwaltete Finanzierungsinstrumente ermöglichen und durch Landesmittel kofinanziert werden. Zum anderen wird ein neuer Freistellungstatbestand für Vorhaben, die aus Programmen der Europäischen Territorialen Zusammenarbeit (ETZ) der EU unterstützt werden, aufgenommen.
Diese skizzierte, zeitnah geplante Erweiterung erfolgt unabhängig von der umfangreichen Überprüfung der AGVO.
Amt. Präsident Thomas Colditz: Vielen Dank. Meine Damen und Herren, damit ist die Aussprache zu diesem Antrag beendet und die einbringende Fraktion hat nun die Möglichkeit zum Schlusswort. Herr Beger hat das Wort; bitte sehr.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In den letzten Tagen sind die ohnehin nicht rosigen Wachstumsaussichten für die deutsche Wirtschaft deutlich nach unten korrigiert worden. Nun ist auch Deutschland als das vermeintliche wirtschaftliche
Zugpferd der Eurozone auch nominell beim Stillstand angekommen. Der europäische Wirtschaftsraum, vor allem die Eurozone, gilt bei den Nationalökonomen heute unstrittig als die große Wachstumsbremse im Gefüge der Weltwirtschaft. Viele Länder der Eurozone befinden sich in der Stagnation. Die anderen Länder haben extreme Jugendarbeitslosigkeit und befinden sich wirtschaftlich im freien Fall.
Auch wir in Deutschland haben gar nicht mehr so viele Reserven, wie man uns offiziell glauben machen will. Wir haben nicht die Kraft, verfehlte EU-Politik durch Geldtransfers von deutscher Seite auszugleichen. Wir haben auch nichts mehr zu verschenken. Wir können auch nicht mehr hinnehmen, dass wir durch die aufgezwungene Bürokratie aus Brüssel weiter an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.