Protokoll der Sitzung vom 31.01.2019

als er damals vor uns stand und allen bundesdeutschen Politikerinnen und Politikern den Terrortot gewünscht hat.

(Sebastian Wippel, AfD: Sie haben nicht zugehört! Schauen Sie mal ins Protokoll!)

Sie radikalisieren diese Gesellschaft, und Ihre Worte wirken als Brandbeschleuniger. Das ist die Wahrheit.

Sie haben ein gespaltenes Verhältnis zu Gewalt und vor allem ein gespaltenes Verhältnis zur Demokratie. Aus Ihren Reihen kommen solche Aussagen wie, man wolle Politiker entsorgen, man wolle Politiker jagen, aus Ihren Reihen kommen solche Worte wie „das Denkmal der Schande“ und „der Fliegenschiss“, aus Ihren Reihen kommen Denunziationsportale, und heute, wie wir hören, gibt es eine Einlassung Ihres sächsischen Bundestagsabgeordneten zum Thema Journalisten, die er als „Zersetzungsagenten“ bezeichnet.

Hier noch ein Beispiel, das nicht so bekannt geworden ist: Der AfD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Münzenmaier wurde am 17. Dezember 2018 in einem Berufungsverfahren vor dem Landgericht Mainz wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung zu einer Geldstrafe in Höhe von 16 200 Euro verurteilt. Er hatte ein Zusammentreffen rivalisierender Hooligan-Gruppen organisiert und offenbar dabei kräftig mitgemischt.

Es ist scheinheilig, was Sie heute versuchen, und wir werden uns dieses Spiel mit Sicherheit von Ihnen nicht aufzwingen lassen.

(Beifall bei den LINKEN)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann Ihnen das Folgende nicht ersparen, wenn wir den von der AfDFraktion eingebrachten Antrag richtig einordnen wollen. Ich möchte Ihnen deshalb ein Zitat aus einem sogenannten Gesprächsbuch mit dem Titel „Nie zweimal in denselben Fluss“ vortragen, in dem Björn Höcke und ein Sebastian Hennig im Jahr 2018 über den Systemwechsel philosophieren.

Sebastian Hennig beschreibt die Schritte so: „Groß angelegtes Remigrationsprojekt, wohltemperierte Grausamkeiten, menschliche Härten und unschöne Szenen werden sich nicht immer vermeiden lassen. Existenzbedrohende Krisen erfordern außergewöhnliches Handeln. Auch würden wir bei dieser Gelegenheit leider einige Teile der germanischen Volksteile verlieren, die zu schwach oder nicht willens sind, sich der fortschreitenden Afrikanisierung, Orientalisierung und Islamisierung zu widersetzen.“

Höcke ergänzt dazu: Mit deutscher Unbedingtheit sei die Sache gründlich und grundsätzlich anzupacken. „Wenn einmal die Wendezeit gekommen ist, dann machen wir Deutsche keinen halben Sachen.“

Sehr geehrte Damen und Herren! In keiner anderen Partei werden Sie vergleichbare Einlassungen von Spitzenpersonal finden. Ausgerechnet Sie von der AfD kommen heute mit diesem Antrag. Das ist nicht Ihr Ernst.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und der Abg. Ines Springer, CDU)

Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über das Thema politisch motivierte Gewalt. Ich habe deutlich gemacht, was von dem Thema der AfD inhaltlich zu halten ist. Sie sind keine Opfer, sie sind Brandstifter.

Ich möchte den Schluss meiner Rede deswegen dazu nutzen, an drei Fälle zu erinnern. Es handelt sich um drei Fälle, die symbolisch stehen für Menschen, die aus rassistischer, menschenverachtender Motivation heraus umgebracht worden sind. Sie stehen symbolisch für mehr als 200 Opfer rechter Gewalt seit 1990. Diese Menschen wurden am 31. Januar, einem Tag wie heute, umgebracht. Am 31. Januar 1992 starb eine dreiköpfige Familie aus Sri Lanka bei einem Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Lampertheim.

(Sebastian Wippel, AfD: Was hat das damit zu tun? – André Barth, AfD: Die AfD ist 2013 gegründet worden!)

Am 31. Januar 1997 wurde Phan Van Toan am Bahnhof von Fredersdorf von einem Mann hochgehoben und mit dem Kopf auf den Betonboden geworfen.

(Sebastian Wippel, AfD: Da war ich 15 Jahre alt! – Carsten Hütter, AfD: Schauen Sie auf Ihre eigenen Truppenteile!)

Er starb drei Monate später in einer Reha-Klinik. Selbst im Prozess äußerten die Täter rassistische Parolen. Bernd Schmidt wurde in seiner Baracke in Weißwasser von zwei 15- und einem 16-jährigen Jugendlichen zu Tote geprügelt. Er starb nach dreitägigen Misshandlungen am 31 Januar 2000 an Hirnblutung und einer Lungenentzündung, die er sich durch das Einatmen seines Blutes zugezogen hatte. Vor Gericht sagte einer der Täter: „Dieser Mensch war menschlicher Schrott.“

(Beifall bei den LINKEN – Zurufe von der AfD)

Amt. Präsident Thomas Colditz: Als Nächster ergreift für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Kliese das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Es fällt mir gar nicht so leicht, jetzt zu sprechen, weil ich die Worte von Herrn Richter sehr eindringlich und sehr bewegend fand. Deswegen auch vielen Dank für diesen Beitrag.

Viele Abgeordnete haben es schon erlebt: Anschläge auf Büros, Hassmails, Farbbeutel und sonstige Attacken. In wenigen, besonders schlimmen Fällen wird dann sogar körperliche Gewalt ausgeübt. Die Verrohung des politischen Diskurses trifft viele Parteien. In Berlin sind, statistisch gesehen, besonders die SPD und DIE LINKE

betroffen, in Chemnitz DIE LINKE, auch die AfD. Doch woher kommt diese schon so oft besprochene Verrohung?

Hier sind Politikerinnen und Politiker in der Pflicht, den Diskurs zu führen. Beim Diskurs kann man schon mit dem gesprochenen Wort abgleiten, Gewalt verharmlosen oder gar dazu aufrufen. Dazu möchte ich Ihnen einige Beispiele aufzählen, die Gewaltverharmlosung oder Gewaltverherrlichung durch Politiker abbilden.

Das eine Zitat ist heute schon zweimal angedeutet worden. Sie erinnern sich sicherlich an AfD-Chef Gauland. Er wollte Merkel jagen. Ich habe danach häufiger gehört, dass das ja metaphorisch gemeint gewesen sein soll oder eben ein ganz übliches sprachliches Bild sei. Da möchte ich Sie mal fragen: Was ist denn das für ein sprachliches Bild? Wofür steht denn diese Metapher?

(Zurufe der Abg. Sebastian Wippel und Carsten Hütter, AfD)

Für einen inhaltlichen Diskurs steht diese Metapher ganz bestimmt nicht. Präzisiert hat dieses Zitat – –

(Carsten Hütter, AfD: Was ist mit „auf die Fresse“?!)

Herr Hütter, Sie können eine Zwischenfrage stellen, aber Sie können nicht so laut hineinrufen, dass ich nicht mehr weiterreden kann.

(Jörg Urban, AfD: Das war fürs Protokoll! – Carsten Hütter, AfD: Das machen Sie doch genauso!)

Nein, das mache ich bei Ihnen überhaupt nicht. Ich kann gar nicht so laut rufen.

(Heiterkeit bei der SPD)

Außerdem interessiert mich das gar nicht besonders.

(Unruhe im Saal)

Das ist meine Redezeit und ich würde sie gern weiter für mich nutzen.

(Glocke des Präsidenten)

Genau, das ist Ihre Redezeit, Frau Kollegin.

Präzisiert hat dieses Zitat – da ist man zunächst nicht zurückgerudert – Herr Fest von der AfD. Er verkündete schließlich für alle, die die Intention dahinter noch nicht verstanden haben, er wolle Frau Merkel nicht jagen, sondern er wolle sie erlegen. Vielleicht ist der Begriff „erlegen“ jetzt auch wieder total freundlich gemeint gewesen, aber im Duden steht dazu „ein Tier töten oder durch einen Schuss niederstrecken“.

(André Barth, AfD: Frau Merkel ist kein Tier, also kann man es nur im übertragenen Sinne meinen!)

AfD-Chef Gauland wollte derweil Aydan Özoğuz, die übrigens aus Hamburg kommt, in Anatolien entsorgen.

„Entsorgen“ ist ein Verb, das wir ausschließlich im Zusammenhang mit Müll und dessen Beseitigung kennen.

Einen ganz offenen Umgang mit Gewalt pflegt indessen Beatrix von Storch. Für den von ihr geäußerten Wunsch, Flüchtlinge, auch Kinder, sollten an der Grenze erschossen werden, kam sie ganz ohne sprachliche Bilder aus.

Neben diesen Einlassungen aus der ersten Reihe lehnt sich auch die Mitarbeiterinnen- und Mitarbeiterfraktion der AfD weit aus dem Fenster. Beliebte Chats aus BadenWürttemberg offenbaren Folgendes: „Ich wünsche mir so sehr einen Bürgerkrieg und Millionen Tote. Frauen, Kinder – mir egal. Hauptsache, es geht los. Es wäre so schön.“

Ebenfalls in Baden-Württemberg äußerte der Mitarbeiter Torben Schwarz

(Sebastian Wippel, AfD: Können wir in Sachsen bleiben?!)

zum Mord des chilenischen Diktators Pinochet an Kommunisten, die aus seinem Helikopter geworfen wurden: „So muss das.“

Von Gewalt betroffen sind viele Parteien, aber eine derartige Anhäufung von Gewalt verherrlichenden und Gewalt verharmlosenden Reden gibt es eben nur bei Ihnen. So etwas gibt es nur in der AfD.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den LINKEN, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Genau deshalb ist die AfD kein Opfer, sondern Teil dessen, was es salonfähig macht, in diesem Land politische Gegner gewaltsam zu bekämpfen. Wenn Sie jetzt ein Problem damit haben, dann muss ich Sie fragen: Warum muss man denn von Jagen und von Erlegen sprechen? Warum macht man denn das? Es ist nicht derjenige, der das thematisiert, ein Hetzer, sondern die Hetze geht doch von Ihren Worten aus.

Es gibt ein Plakat, das den Autovermieter Sixt plagiieren soll. Darauf ist das Konterfei von Angela Merkel zu sehen. Angela Merkel hat darauf ein blau geschlagenes Auge und der Spruch dazu lautet „Kein Bock auf Bahnhof“. Sixt prüft derzeit dagegen rechtliche Schritte. Gepostet hatte dieses Plakat der AfD-Abgeordnete Magnitz.

Ich werde hier keinen Spott und keine Häme über seine Kantholzfantasien ausschütten. Der Mann ist gezielt verletzt worden und das ist schlimm. Schlimm ist aber auch, was Sie daraus gemacht haben, meine Damen und Herren von der AfD. Es zeigt eben, dass es Ihnen nicht um den Gesundheitszustand dieses Abgeordneten ging, sondern um den größtmöglichen Skandal, der sich daraus konstruieren ließ. Noch bevor Sicherheit über Fakten besteht, werden Falschmeldungen wie Lauffeuer verbreitet und in den Köpfen verängstigter Menschen fest verankert. Einholen lässt sich so etwas durch die Wahrheit nur noch schwer, und genau das wollen Sie.