Protokoll der Sitzung vom 31.01.2019

Okay, ich bleibe in Sachsen und setze mich hin.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Wir gehen weiter in der Rednerreihe und jetzt kommt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Kollege Lippmann zu Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es gibt Anträge wie diesen, die schlicht zu erwarten sind. Es war so absehbar wie das Amen in der Kirche, dass Sie von der AfD nach den verachtenswerten und zugleich zutiefst zu verurteilenden Gewalttaten gegen Politiker in den letzten Monaten genau dies in infamer Art und Weise hier und heute zu instrumentalisieren versuchen.

Sie verlangen mit Ihrem Antrag nicht weniger, als dass sich aufrechte Demokratinnen und Demokraten zu einer Selbstverständlichkeit, ja, zu einem konstitutiven Element unserer freiheitlichen Demokratie bekennen, nämlich der Gewaltfreiheit in der politischen Auseinandersetzung.

(Zuruf des Abg. André Barth, AfD)

Gewalt, egal aus welchen Gründen, kann nicht gerechtfertigt werden. Das ist in unserer Staats- und Werteordnung unverrückbar und Konsens unter allen demokratischen Abgeordneten und demokratischen Fraktionen. Eine Fraktion, die einen solchen Antrag stellt, muss sich die Frage nach ihrer Glaubwürdigkeit definitiv gefallen lassen. Daher kommen Sie nicht umhin, sich eben doch einmal Ihrer Verantwortung für die Verrohung des politischen Diskurses in diesem Land und in der Gesellschaft zu stellen.

Wer den Begriff des „Volksverräters“ gesellschaftsfähig gemacht hat, wer politische Konkurrenten – wie Ihr Fraktionsvorsitzender im Bundesrat – jagen will, wer sich auf entwürdigende Art und Weise über politische Mitbewerberinnen und Mitbewerber herablässt und wer zulässt, dass sich auf den Facebook-Seiten der AfD der Hass Bahn bricht, der hat aus Sicht meiner Fraktion die Glaubwürdigkeit verloren,

(Beifall bei den GRÜNEN)

sich hier und heute hinzustellen und sich als moralischer Gralshüter in der politischen Auseinandersetzung zu gerieren.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU, den LINKEN und der SPD – Beifall bei der Staatsregierung)

Gleiches gilt, wenn man zwar regelmäßig in der Öffentlichkeit Lügen verbreitet, schwarze Listen über Journalistinnen und Journalisten führen will und permanent den

öffentlich-rechtlichen Rundfunk angreift, aber ausgerechnet hier und heute beschließen lassen will, dass Respekt vor Andersdenkenden ein unverzichtbares Merkmal der politischen Willensbildung sei.

Werte Kolleginnen und Kollegen, das ist so bigott und schamlos, dass ich mich frage, wie Sie da eigentlich noch in den Spiegel schauen können.

Schon allein die Art und Weise, wie Sie den Antrag formuliert haben, verbietet eine Zustimmung durch die Abgeordneten dieses Hauses, für die das Parlament mehr als ein Abstimmungsorgan ist. Sie können in diesem Landtag Dinge beschließen lassen. Sie können auch feststellen lassen, dass der Landtag Gewalt ablehnt. Sie können es öffentlich von politischen Mitbewerbern einfordern. Aber Sie können nun einmal nicht beschließen, was einzelne Fraktionen in diesem Haus zu tun oder zu lassen haben – genau das wollen Sie aber in Punkt 1.

Ich habe Zweifel, ob der Landtag einen solchen Antrag überhaupt beschließen kann, da er gegen die Freiheit der Fraktionen verstößt, durch Mehrheit zu beschließen, ihnen zu sagen, was sie zu tun haben.

Ich sage Ihnen auch ganz deutlich: Wenn es überdies etwas bringen würde, dann hätten wir als GRÜNE schon längst beantragt, dass die AfD-Fraktion eine weltoffene freiheitliche und demokratische Fraktion werden muss.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN, der SPD und vereinzelt bei der CDU – Beifall bei der Staatsregierung)

Somit bleibt zu konstatieren: Es ergibt sich die begründete Annahme, dass Sie mit diesem Antrag schlicht jüngere Ereignisse, wie so häufig, vor allem aufmerksamkeitsheischend ausschlachten wollen. Mit der schon angekündigten namentlichen Abstimmung verfolgen Sie nämlich nur ein Ziel: anschließend all jene an den Pranger zu stellen und als vermeintliche Befürworter von Gewalt zu brandmarken, die dieser papiergewordenen Absurdität nicht zugestimmt haben.

(Beifall des Abg. Christian Hartmann, CDU)

Damit ist klar: Ihnen geht es hier nicht um die Verurteilung von Gewalt, sondern um das Säen von neuem Hass, indem Sie alle, die nicht über dieses Stöckchen springen, anschließend als Helfershelfer von Gewalt darstellen werden. Das ist infam!

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU, den LINKEN und der SPD – Beifall bei der Staatsregierung)

Werte Kolleginnen und Kollegen, Sie von der AfD blasen mit diesem Antrag mal wieder im Deckmantel der vermeintlich einzig wahren Demokraten zum Sturm gegen den Parlamentarismus. Aber kein aufrechter Demokrat, kein überzeugter Anhänger des Rechtsstaates und vor allem kein aufrechter Parlamentarier muss sich von Ihnen – von den ausgewiesenen Gegnern des freiheitlichen Rechtsstaates –

(Oh-Rufe von der AfD)

zu einem Bekenntnis zur Gewaltfreiheit nötigen lassen; denn es ist klar, dass Gewaltfreiheit der unverbrüchliche Kern der politischen Auseinandersetzung ist. Die Einzigen, für die das nicht klar scheint, sitzen hier auf der rechten Seite in diesem Hohen Hause. Vielmehr sollten Sie, anstatt solche Anträge zu stellen, werte Kolleginnen und Kollegen von der AfD, lieber endlich einmal den permanenten Angriffen auf unseren demokratischen Rechtsstaat abschwören. Alles andere ist mit Blick auf diesen Antrag scheinheilig, und deshalb werden wir diesem aus voller Überzeugung nicht zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, den LINKEN, der SPD und der Staatsregierung)

Als Nächste erhält Frau Kollegin Dr. Petry das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Zielrichtung des AfD-Antrages kann von jedem vernünftigen Menschen bejaht werden. Deshalb werden die Abgeordneten der blauen Partei dem Antrag auch zustimmen. Kein Wunder – die Restfraktion hat heute den Antrag eins zu eins neu aufgelegt; er stammt aus 2015. Gott sei Dank sind Plagiate immer noch gut, wenn die Ursprungsidee gut war.

Richtig ist auch, dass in unserer wie in anderen westlichen Demokratien der gewachsene Wohlstand und die oftmals selbstverständlich gewordene Freiheit leider nicht dazu geführt haben, dass wir deren Prinzipien aus ganzem Herzen verteidigen, sondern dass wir viel zu oft den Konsens vor die unverzichtbare Kontroverse gestellt haben. Schon viel zu lange maßen sich Politiker an, über die Köpfe der Bürger hinweg zu entscheiden, was moralisch geboten oder zu lassen ist, und verfallen quer durch alle Parteien sozialistischen Utopien darüber, wie wir als Bürger zukünftig umzuerziehen seien.

(Unruhe bei den LINKEN)

Sie verfallen dabei symptomatisch in die Kategorien von Wahrheit oder Leugnung dergleichen. Politische Korrektheit, gendergerechte Sprache, die Verachtung des Leistungsprinzips, die Neudefinition von Quoten aller Art, die Negierung der Natur des Menschen und schließlich die menschliche Verächtlichmachung Andersdenkender

münden in einen Zustand, in dem die wichtigste Voraussetzung für das Überleben einer Demokratie zunichte gemacht wird.

Meine Damen und Herren! Sich gegenseitig auszuhalten, sich niemals menschliche Würde abzusprechen, sich über politische Grenzen hinweg auch abseits von Mikrofonen und Kameras auf Augenhöhe zu begegnen, beklatschen wir gern zu Gedenkstunden. Manch einer hält es sogar für einen Ausweis besonderer politischer Eignung, sich manchmal im gleichen Raum wie der politische Gegner

aufzuhalten. Dabei sollte es für jeden Bürger eine Selbstverständlichkeit sein, die Freiheit des Andersdenkenden aktiv zu verteidigen. Doch davon sind wir quer durch die ganze Gesellschaft weit entfernt.

(Zuruf von der LINKEN)

Diese Tugend müssen wir viel nötiger üben und in kontroversen Diskussionen praktizieren, als für vermeintliche Aufklärung über gefährliche Populisten, die nahende Klimaapokalypse oder die widernatürliche Kreation Dutzender sozialer Geschlechter zu sorgen.

(Zuruf der Abg. Juliane Nagel, DIE LINKE)

Nun aber zurück zum Antragsteller: Ich glaube gern, dass viele AfD-Mitglieder genauso wie viele Abgeordnete anderer Parteien politisch motivierter Gewalt die gleiche Absage erteilen, wie das die übergroße Mehrheit der Bürger tut. Viel glaubwürdiger wären Sie mit Ihrem Ansinnen allerdings dann, wenn Sie nicht nur die zweifellos staatszersetzende linksextreme Gewalt anprangerten, sondern in Ihren eigenen Reihen konsequent gegen extremistische Strömungen und Personen vorgingen. Henryk M. Broder hat vor wenigen Tagen vor Ihrer Bundestagsfraktion Folgendes formuliert: „Für politische Parteien gilt das Gleiche wie für guten Wein: Ein Tropfen Buttersäure verdirbt den Geschmack der ganzen Flasche.“ Solch politische Buttersäure findet sich auch in der aktuellen AfD Sachsen mehr als nur in Tropfendosis.

(Zuruf von der AfD: Haha!)

Wenn Richter Maier aus Dresden öffentlich Verständnis für den norwegischen Massenmörder Breivik äußert und ihn als einen von uns bezeichnet, sind sämtliche menschlichen und politischen Dämme gebrochen. Wenn ebenderselbe Maier die NPD als einzige Partei bezeichnet, die je etwas für Deutschland bewegt hat und die restlichen 95 % der deutschen Wähler als Nichtpatrioten abkanzelt, bedarf es keiner weiteren Worte. Den politischen Gegner als Viehzeug und Zecken zu verunglimpfen, die gern in der Kälte verrecken mögen, fällt in die gleiche Kategorie. Diese widerliche Aussage stammt ganz aktuell vom jetzigen Generalsekretär der AfD Sachsen, Jan Zwerg.

Meine Damen und Herren! Gleiches mit Gleichem zu vergelten, funktioniert nicht, auch nicht in der Politik.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Es tut weh zu sehen, was aus einer ehemals konservativ- liberalen Partei geworden ist.

(Zuruf von der AfD)

Gern würde ich diese Fehlentwicklung und die Promotion menschlich und politisch kaum erträglicher Personalien ungeschehen machen. Dabei tröstet es nicht, dass ich, zwar ideologisch anders aufgestellt, Politiker bei GRÜNEN, LINKEN und manchmal auch bei der SPD für ebenso unerträglich halte.

Nun ist die AfD inzwischen genau auf diesem desaströsen Niveau angekommen und lebt zumindest auf kurze Frist

vom Opferbonus gutgläubiger Wähler, die tatsächlich vom traurigen Rest einer guten Politikidee von 2013 die Wiederherstellung und Reparatur unserer Demokratie erwarten. Wenn Sie also tatsächlich etwas für die inhaltliche Zielsetzung unseres ehemals gemeinsamen Antrags tun wollen, dann finden Sie den Mut, sich selbst und ihre kaputte Parteistruktur infrage zu stellen und fangen Sie an, Ihren politischen Gegner trotz aller Ungerechtigkeiten der politischen Welt zu achten.

(Unruhe)

Wir von der blauen Partei werden Sie dabei aufmerksam beobachten.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten – Zuruf von der SPD: Markenrechtsverstoß! – Hanka Kliese, SPD, steht am Mikrofon.)