Protokoll der Sitzung vom 14.03.2019

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Dazu braucht es zum einen, wie von uns gefordert, zuerst eine intensive Beratung der Kommunen und der Zivilgesellschaft. Es braucht Aufklärung über Strukturen und über die Vernetzung der Szene vor Ort genauso wie konkrete Handlungsempfehlungen an die Kommunen und die örtlich Agierenden: um wirksamer reagieren zu können, um Gegenmaßnahmen ergreifen zu können und vor allem, um im Falle des Falles auch die örtliche Zivilgesellschaft mobilisieren zu können.

Meine Gespräche beispielsweise mit dem Landeskleingartenverband oder auch mit betroffenen Kommunen geben mir recht: Diese wollen größtenteils natürlich nicht, dass Neonazis sich in Kleingartensparten oder in örtlichen Gasthöfen zu „Zeitzeugenvorträgen“ oder Konzerten einmieten. Deshalb sind sie zu Recht stinksauer, dass der Verfassungsschutz zwar regelmäßig über solche Veranstaltungen im Vorfeld Bescheid weiß, dass er aber nichts durchblicken lässt und die Kommunen und Vereine schlicht im Regen stehen lässt. Das darf nicht passieren, das ist nicht hinnehmbar. Deswegen ist es notwendig, dass der Landtag ein entschiedenes Zeichen setzt, dass so etwas ein Ende finden muss.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Ein Geheimdienst ist schlichtweg nicht dafür da, sein Wissen nur geheim zu halten, sondern sollte es dann weitergeben, wenn die Gesellschaft darauf angewiesen ist. Dieses Gebaren muss ein Ende haben; andernfalls muss auch dieser Verfassungsschutz einmal ein Ende finden.

(Heiterkeit bei den LINKEN)

Es braucht aber auch eine konkrete Beratung der kommunalen Behörden im Umgang mit Versammlungsorten der Neonazis.

Die Bauaufsichten brauchen Rüstzeug an die Hand, um unzulässigen Nutzern frühzeitig zu begegnen und um reagieren zu können. Hier ist das Innenministerium in der Pflicht, die Kommunen zu unterstützen, statt diese Herausforderungen weiter zu ignorieren. Wir sollten die Beratung derjenigen verbessern, die Angst vor Tarnanmietungen durch Nazis haben, damit sie im Falle einer Täuschung den Mietvertrag auch wieder auflösen können, denn das ist mitunter nicht so einfach.

Darüber hinaus brauchen wir aber auch eine bessere Schulung der Polizei im Erkennen rechter Symbolik und Codes. Hier gibt es offenkundig Nachholbedarf, wie man vielfältig sieht und wie zuletzt im Zusammenhang mit den Neonazi-Veranstaltungen in Ostritz deutlich geworden ist. Es darf nicht sein, dass die Polizei verfassungsfeindliche Symbole nicht oder viel zu spät erkennt. Wenn man klare Kante gegen Neonazis zeigen will, muss man unmittelbar reagieren, aber nicht abwarten, bis es zu spät ist und die Neonazis sich ins Fäustchen lachen.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen entschieden den Nährboden der rechten Szene in Sachsen austrocknen und dürfen keine Rückzugsräume zulassen. Dazu braucht es eine klare politische Haltung der Staatsregierung und aller Politikerinnen und Politiker gegen die Feinde der Freiheit und der Demokratie.

Wir brauchen aber auch Hilfe im Konkreten: für Kommunen, für Gastwirte, für Kleingartenvereine, um rechte Umtriebe vor Ort zu erkennen und sich ihnen entschieden entgegenstellen zu können. Das wollen wir mit diesem Antrag als ersten Schritt erreichen. Wir wissen, dass dies nicht die einzige Möglichkeit und nicht der heilige Gral ist, um der Anmietung durch Neonazis zu begegnen. Aber es wäre gerade in diesen Zeiten ein Signal, dass sich die Staatsregierung um die Akteure vor Ort kümmert, die es sonst im Zweifel auszubaden haben, wenn Informationen nicht weitergegeben oder Probleme ignoriert werden.

Wer Neonazi-Netzwerke zerschlagen will, muss an der Wurzel beginnen. Diese Wurzel ist die kommunale Verankerung von Neonazis. Deswegen bitte ich um Zustimmung zu diesem Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Für die CDUFraktion spricht Herr Abg. Fritzsche.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der vorliegende Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wendet sich der Problematik der durch extreme Rechte angemieteten oder erworbenen, in jedem Fall aber genutzten Immobilien zu. Er unternimmt den Versuch, aus der von Ihnen in einer Fleißarbeit erarbeiteten interakti

ven Karte zu den Standorten dieser Immobilien eine parlamentarische Debatte zu initiieren.

Die Daten basieren auf Kleinen Anfragen und anscheinend auch auf weiterführenden Recherchen. Ich kann Ihnen an dieser Stelle nur empfehlen, dies auch im Sinne eines Datenabgleichs dem Landesamt für Verfassungsschutz zu einer Relevanzprüfung mit Blick auf die extremen Rechte und eine mögliche Gefährdung unserer Verfassung zur Verfügung zu stellen.

(Lachen bei den GRÜNEN – Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

An dieser Stelle sei mir der Hinweis erlaubt, dass das Kriterium der Verfassungsfeindlichkeit von entscheidender Bedeutung ist. Dabei sollten die Themen Linksextremismus und extremistischer Islamismus ebenfalls Beachtung finden.

(Carsten Hütter, AfD: Danke schön!)

Sofern Ihre Daten valide sind, erscheint mir die Zusammenführung in einer interaktiven Karte als noch vertretbar, auch wenn ich die datenschutzrechtliche Relevanz nicht abschließend bewerten kann.

(Heiterkeit der Abg. Dr. Kirsten Muster, fraktionslos)

Die einzelnen Punkte Ihres Antrages wurden in der Stellungnahme der Staatsregierung bereits umfangreich beantwortet. Daher möchte ich versuchen, mich kurzzufassen, und diesem nur wenige Aspekte hinzufügen.

In Sachsen wird bereits viel unternommen, um den Handlungsspielraum extremistischer Gruppierungen

weiter einzuschränken und die durch die Anmietung durch Extremisten Betroffenen zu beraten und nach Möglichkeit auch zu unterstützen. Die Landesdirektion Sachsen hat beispielsweise zur Zurückdrängung extremistischer Konzerte eine Handreichung mit konkreten Handlungsempfehlungen für die Kommunen herausgegeben.

Durch das Landesamt für Verfassungsschutz werden Präventionsveranstaltungen angeboten. Außerdem finden unter Einbeziehung des Landesamts Beratungen und Abstimmungen zu diesem Thema mit den Entscheidungsträgern vor Ort statt.

Die sächsischen Polizeibeamten werden regelmäßig zur Feststellung möglicher strafrechtlicher Sachverhalte im Zusammenhang mit Extremismus, insbesondere Rechtsextremismus geschult.

(Zuruf von den LINKEN: Bei den Überstunden!)

Seit mehr als 15 Jahren informiert, schult und berät das Kulturbüro Sachsen Betroffene aus Gastronomie, Handel, Hotelgewerbe und andere Vermieter.

Eine besondere Beratung insbesondere mit Blick auf die Bauaufsichtsämter erscheint mir nicht sinnvoll. Die Feststellung, ob eine bauliche Anlage bzw. ein Gebäude die baurechtlichen Anforderungen, welche für die Durchführung einer Veranstaltung erfüllt sein müssen, gewähr

leistet, gehört zu den ureigenen Aufgaben einer unteren Bauaufsichtsbehörde. Diesen Prüfvorgang um eine Gesinnungskomponente anzureichern ist nicht sachgerecht.

Herr Lippmann, Sie werden beim MDR in Ihrer Funktion als Innenpolitischer Sprecher der GRÜNEN in Sachsen wie folgt zitiert: „Ich erwarte von Innenminister Roland Wöller, dass er dieses Übel grundsätzlich anpackt.“ Ich hatte gehofft, dass Sie in Ihrem Redebeitrag konkretisieren, was Sie sich darunter vorstellen, denn Ihr Antrag gibt darüber keine Auskunft, zumindest keine grundsätzliche.

(Zuruf der Abg. Ines Springer, CDU)

Die Staatsregierung hat grundsätzlich keinen Einfluss auf die Eigentums- und Besitzverhältnisse von Immobilien, welche sich in Privatbesitz befinden. Mir scheint geboten, Sie in diesem Zusammenhang an Artikel 14 des Grundgesetzes, die Eigentumsgarantie, oder auch an Artikel 13 Abs. 1, die Unverletzlichkeit der Wohnung, zu erinnern.

Interessant ist in diesem Zusammenhang beispielsweise ein Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Februar 2018. Dabei ging es um die Nutzung einer Stadthalle in Hessen durch die NPD. Das Urteil macht klar, dass unterhalb der Ebene eines Parteiverbots liegende Sanktionen ausgeschlossen sind.

Mit der zum 20. Juli 2017 in Kraft getretenen Änderung des Grundgesetzes ist es heute zwar möglich, Parteien mit festgestellter verfassungsfeindlicher Zielsetzung von der staatlichen Parteifinanzierung auszuschließen. Im Übrigen bleibt es jedoch dabei, dass sie gemäß Artikel 3 Abs. 3 des Grundgesetzes wegen ihrer Auffassungen und Ziele keinen Sanktionen ausgesetzt sein dürfen.

Damit möchte ich verdeutlichen, welch hohen Hürden die von Ihnen angemahnte grundsätzliche Lösung unterliegt.

Interessant erscheint mir in diesem Zusammenhang – daher möchte ich Ihnen das nicht vorenthalten – ein Urteil des Amtsgerichts Göttingen vom 24. Oktober 2017. Darin wird ausgeführt, dass ein potenzieller Mieter gegenüber einem potenziellen Vermieter nicht seine politischen Auffassungen offenbaren muss. Für einen potenziellen Vermieter kann jedoch der Umstand, dass der potenzielle Mieter Anziehungspunkt für linksgerichtete Gewalt ist, ein für den Vermieter bedeutsamer Umstand sein, über den bei Vertragsschluss aufgeklärt werden muss.

Ob diese Betrachtung mit all ihren möglichen Folgen Bestand haben wird, daran kann man zweifeln. Wir werden Ihren Antrag ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die Linksfraktion Frau Abg. Köditz, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Leipziger Stadtteil Schönefeld liegt etwas abseits gelegen die Kamenzer

Straße. Dort befand sich bis April 1945 ein Frauenaußenlager des KZ Buchenwald. Rund 5 000 Frauen und Mädchen waren dort inhaftiert. Die Insassinnen wurden durch die SS bewacht, sie mussten Zwangsarbeit für die Rüstungsindustrie der Nazis verrichten. Für viele, die als „nicht mehr arbeitsfähig“ galten, führte der Weg von Leipzig weiter in die Vernichtungslager. Wer in Leipzig blieb, wurde zum Schluss, als die US-Armee die Stadt erreichte, durch die Nazis auf sogenannte Todesmärsche getrieben.

Heute erinnert vor Ort nur eine kleine Gedenktafel an die traurige Geschichte dieses Ortes. Das Schild wird immer wieder zerstört, aber das ist gar nicht der Punkt. Der Punkt ist vielmehr: Dieses Gelände, auf dem sich das Zwangsarbeitslager der Nazis befand, ist seit mehr als zehn Jahren in der Hand von Neonazis. Seitdem fanden dort wiederholt Feiern der rechten Szene und auch Rechtsrockkonzerte statt. Auf dem Gelände trifft sich ein sogenannter Motorradclub mit besten Verbindungen zur örtlichen Hooligan-Szene. Dort trainieren Nazianhänger ihren Kampfsport. Eine teilweise Nutzungsuntersagung hat den Besitzer, der selbst aus der Szene kommt, offenbar überhaupt nicht beeindruckt.

Die Kamenzer Straße in Leipzig ist ein besonders geschmackloses, widerliches Beispiel. Aber es ist nur ein Beispiel von vielen, wie es Neonazis gelingt, Immobilien zu erwerben und im Kreise ihrer Gesinnungsgenossen zu vermarkten.

Sachsenweit stehen der extremen Rechten mehr als 60 Objekte zur Verfügung. Allein dieser Umstand beantwortet zum Teil bereits die Frage, warum die braune Szene gerade in unserem Bundesland so stark ist. Hier hat sie in ganz erheblichem Umfang und offenbar weitgehend ungestört Infrastruktur geschaffen – mehr als 60 Szenetreffpunkte. Das ist keine neue Erkenntnis, sondern hatte sich bereits aus der Beantwortung der Großen Anfrage der Fraktion DIE LINKE zur Entwicklung der extremen Rechten im Freistaat vor drei Jahren ergeben.

Das Problem ist also bestens bekannt. Eine Besserung ist aber nicht eingetreten. Seitdem gibt es stattdessen immer mehr Veranstaltungen der extremen Rechten, die sich solcher Orte bedienen. Das gilt insbesondere für extrem rechte Konzerte und sogenannte Liederabende. Rund 50 solcher Events gab es im Jahr 2018 in Sachsen, und die Zahl steigt seit etlichen Jahren wieder an.

Wenn sich die Staatsregierung nun damit brüstet, angeblich eine Nulltoleranzstrategie zu fahren, ist zunächst einmal festzustellen, dass sie offensichtlich nicht funktioniert oder vielmehr nicht mehr funktioniert. In der Vergangenheit gab es einen sogenannten Konzerterlass, mit dessen Hilfe gerade solche Veranstaltungen unterbunden werden sollten. Das war ein Konzept der Neunzigerjahre, und es hat leidlich in einer Zeit funktioniert, in der sich die Szene noch unter Vorwänden irgendwo einmieten und konspirativ dorthin mobilisieren musste, um der Polizei nicht aufzufallen. Aber diese Zeit ist lange vorbei, und das liegt auch daran, dass die extreme Rechte in aller Ruhe

ein Geflecht aus Naziszenetreffs hochziehen konnte, die sich in eigener Hand befinden.