Protokoll der Sitzung vom 14.03.2019

ein Geflecht aus Naziszenetreffs hochziehen konnte, die sich in eigener Hand befinden.

Ich denke da nicht nur an die Kamenzer Straße in Leipzig. Ich denke auch an das kleine Staupitz, einen Ortsteil von Torgau, in dem seit mehr als einem Jahrzehnt Rechtsrockkonzerte ganz legal stattfinden können, und zwar zehn Stück jedes Jahr. Staupitz hat kaum mehr als 300 Einwohner, aber für die extreme Rechte ist der Ort so etwas wie eine Eventhochburg.

Ich denke auch an Ostritz. Die Einwohnerinnen und Einwohner müssen erdulden, dass dort regelrechte Festivals für Faschisten ausgerichtet werden. Diese gefährliche Entwicklung hat das Innenministerium ganz einfach verpennt. Es hat kein neues Konzept entwickelt, das auf die heutige Situation passt, und es hat bis heute auch kein Gesamtkonzept in petto, um die extreme Rechte zurückzudrängen – oder wie es jetzt heißt, rechtsextreme Netzwerke zu zerschlagen. Die leider schon über Jahrzehnte gesättigte Erfahrung besagt: Dort, wo man diese Szene nicht zurückdrängt, breitet sie sich immer weiter aus.

Herr Lippmann warb für den Antrag als einen wichtigen Schritt in diesem Zusammenhang. Dem stimmen wir zu.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Für die SPD spricht Herr Abg. Homann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! An sich ist das Signal, was vom Antrag der GRÜNEN ausgeht, richtig, wichtig und gut. Dass in Sachsen nach wie vor in einer wieder wachsenden Anzahl Neonazi-Konzerte stattfinden können, muss für uns ein mahnendes Zeichen sein, dass hier etwas nie weg gewesen ist, dass sich hier etwas auch im Schatten anderer Debatten ausbreiten und regenerieren kann, was wir gern schon lange weiter zurückgedrängt hätten.

Wir müssen an dieser Stelle sagen: Dieses Problem ist über viele Jahre gewachsen. Für die Aufforderung „Wehret den Anfängen“ ist es lange zu spät. Viele Immobilien in Sachsen sind in den Händen von Neonazis. Sie werden nicht aus Versehen vermietet, sondern mit politischer Absicht, um in diesem Land Unfrieden, Rassismus, Menschenfeindlichkeit und Antisemitismus zu organisieren und diesen Menschen, die so etwas tun, Rückzugsräume, Planungsräume, Organisationsräume und am Ende auch Räume für die Planung von kriminellen Machenschaften zur Verfügung zu stellen.

Wir erleben in Sachsen aber auch einen wachsenden Widerstand. Die Aktivitäten, die wir rund um Ostritz erlebt haben, haben gezeigt, dass es möglich ist, dass auch in diesem Freistaat Sachsen ein breites Bündnis mobil macht, ein breites Bündnis Stopp sagt, was in diesem Land nicht möglich sein dürfte. Wir haben in Ostritz auch erlebt, wie es ein breites Bündnis schafft, dass am Ende trotz aller Diskussionen sich eine ganze Gemeinde ge

meinsam gegen die Instrumentalisierung und gegen den Aufmarsch von Hunderten Neonazis wehrt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir lassen diese engagierten Bürgerinnen und Bürger nicht im Stich. Wir haben in den letzten Jahren Beratungsangebote ausgebaut, egal ob über die mobilen Beratungsteams oder die Opferberatung. Wir fördern Initiativen, die sich kritisch mit Rassismus in dieser Gesellschaft über das weltoffene Sachsen auseinandersetzen, mit einer höheren Förderung. Wir haben sogar die politische Bildung bei der Polizei ausgebaut. Deshalb glaube ich, dass wir hier einen Weg beschreiten, der uns wehrhaft macht, der diese Gesellschaft wehrhaft hält und wehrhaft fördert. Dazu gehört im Übrigen auch, dass mehr und mehr Kommunen Beratungen annehmen. An vielen Stellen klappt das. Die Beispiele, die hier nicht genannt wurden, sind auch die, bei denen sich Kommunen erfolgreich dagegen wehren, dass Neonazis in ihren Städten und Gemeinden erfolgreich Immobilien erwerben.

In diesem Antrag gefällt mir nicht, liebe Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass alle Bemühungen, die ich gerade nur ansatzweise aufgezählt habe, in Sachsen überhaupt nicht stattfinden würden. Wir machen eine Menge. Das darf man auch nicht unter den Teppich kehren. Deshalb stelle ich in gebotener Kürze fest: Viele Kommunen haben in den letzten Jahren – nicht nur Kommunen, sondern auch viele Vermieterinnen und Vermieter bis hin zu Verbänden – gelernt, was es heißt, in einer wehrhaften Demokratie Verantwortung zu übernehmen, Nein zu sagen und genau hinzuschauen. Wir erleben auch, dass sich Neonazis subversiv immer neue Strategien überlegen, um diese Abwehrstrategien zu umgehen.

Deshalb ist der Frageteil dieses Antrags, meine sehr geehrten Damen und Herren, aus meiner Sicht mit der Beantwortung der Staatsregierung auf Ihren Antrag mit ihrer Stellungnahme abgearbeitet. Die Vorschläge, die Sie unterbreiten, sind in Sachsen – ich sage nicht, dass man da nicht mehr tun kann – aber im Grundsatz in den Strategien verankert. Ansätze, die Sie in Ihrem Redebeitrag, Herr Lippmann, zum Beispiel im Bereich Verfassungsschutz vorgetragen haben, sind nicht Gegenstand dieses Antrags. Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, lehnen wir als SPD-Fraktion diesen Antrag ab.

(Beifall bei der SPD)

Für die AfD Herr Hütter, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem Antrag fordern die GRÜNEN die Staatsregierung auf, die Rechtsordnung zu brechen. Sie wollen, dass Vermieter von Neonazis gewarnt und aufgeklärt werden. Sie wollen, dass die Vermietung von Immobilien erschwert wird.

Selbstverständlich ist auch die AfD dafür, dass Extremisten – und zwar alle, Herr Lippmann – keine Plattform für kleine und große Veranstaltungen gegeben wird. Wir

finden es grundsätzlich richtig, vor Extremisten zu warnen. Ein solches Vorgehen muss jedoch mit Recht und Gesetz vereinbar sein. Das ist es aber bei Ihnen nicht. Sie sollten das eigentlich wissen. Immerhin sitzen zwei Juristen in Ihren Reihen. In Deutschland gilt schließlich immer noch die Vertragsfreiheit. Jeder kann Mietverträge über Immobilien gleich welcher Art abschließen. Es spielt keine Rolle, wer die Vertragsparteien sind. Grundsätzlich spielt es auch keine Rolle, für welche Zwecke die angemietete Immobilie genutzt werden soll.

Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, für diese Erkenntnis hätte ein Blick in das Gesetz genügt, und ein weiterer Blick auf die Rechtsprechung hätte Ihnen das auch bestätigt. Die Gerichte haben schon oft über Fälle des Erschwerens oder Verhinderns in Bezug auf Mietverträge geurteilt. Die Richter sahen unzählige dieser Aktionen als rechtswidrig an. Für die Fälle, in denen über die Identität der Mieter getäuscht wurde, gibt es eine ebenso einschlägige Rechtsprechung. Wenn Sie dann noch einen Blick in die Stellungnahme der Staatsregierung geworfen hätten, dann hätten Sie den Antrag eigentlich zurückziehen müssen.

Die Staatsregierung hat in ihrer Stellungnahme unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass eine staatliche Einflussnahme auf die Vermietung oder Nutzung von Immobilien im Privateigentum rechtswidrig wäre. Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, wollen oder können Sie das nicht verstehen? Erst kommt Warnen und Erschweren, dann fordern Sie womöglich noch die Enteignungen. Das hatten wir alles schon einmal. Sie erinnern sich bestimmt an diese Folgen.

Um es auf den Punkt zu bringen: Was Sie fordern, ist schlicht verfassungswidrig. Genau das, was Sie anderen so oft vorhalten. Für uns stellt sich damit abschließend nur noch eine Frage: Wer warnt die Bürger vor den GRÜNEN? – Die AfD wird den vorliegenden Antrag selbstverständlich ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Herr Wurlitzer, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ihr Antrag, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, hat sich mit der Stellungnahme der Staatsregierung erledigt. Trotzdem glaube ich, dass der Antrag im Kern sinnvoll ist, aber viel zu kurz greift. Im Gegensatz zu Ihnen belasse ich es aber nicht bei dieser Aussage und lehne den Antrag ideologisch ab, sondern ergänze ihn mit einem Änderungsantrag, der Ihnen bereits vorliegt.

(Zuruf der Abg. Dagmar Neukirch, SPD)

Warum begrenzen Sie Ihren Antrag auf Neonazis? Am 15.03., fast auf den Tag genau vor vier Jahren, habe ich im Plenum zum Thema Linksextremismus gesprochen.

Ich habe versucht, diese Form des Extremismus in das Licht der Öffentlichkeit zu stellen. In den vergangenen Monaten und Jahren wurde dieses Thema immer wieder angesprochen. Vor wenigen Wochen hat auch Ihre Fraktion erklärt, dass sie jede Form von politisch motivierter Gewalt, egal ob von links, rechts oder religiös motiviert, ablehnt. Warum haben Sie dann in Ihrem Antrag Ihr Augenmerk nur auf Neonazis, auf die extrem Rechten gelegt? Ich möchte diese Motivation nicht hinterfragen. Ich möchte auch nicht auf Linksextremismus weiter eingehen, weil dies schon mehrfach gemacht wurde. Man sollte hier noch einen Blick auf den religiös motivierten Extremismus vor dem Hintergrund und im Zusammenhang mit dem Erwerb von Anmietungen von Immobilien in Sachsen werfen. Dem Bürger ist es am Ende völlig egal, ob er Opfer von linken, rechten oder religiös motivierten Extremisten wird. Unsere Aufgabe ist es, unsere Bürger zu schützen.

Der sächsische Verfassungsschutz hat im Juni 2017 einen Bericht mit dem Titel „Legalistischer Islamismus auf Expansionskurs in Sachsen, die sächsische Begegnungsstätte und ihre Verbindung zur muslemischen Brüderschaft“ veröffentlicht. Wenn man diesen Bericht liest, da kann es einem sehr mulmig werden. Ich frage mich ernsthaft, warum wir diese Form des Extremismus untergeordnet behandeln. In diesem Bericht wird unter anderem ausgeführt, dass die sächsische Begegnungsstätte überall in Sachsen Immobilien erwirbt, pachtet oder mietet. Ich möchte ein Beispiel nennen: Wir haben in Dresden und in Leipzig Immobilien als Erbbau, und wir haben in Riesa und Meißen Immobilien zur Miete. In Pirna, Görlitz und Freital haben wir Immobilien, die von dieser Begegnungsstätte gekauft worden sind. In diesen Immobilien wird gepredigt, und es werden Informationsmaterialien, die von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien als jugendgefährdet eingestuft und indiziert wurden, ausgelegt und verteilt. In diesen Schriften wird unter anderem die Tötung von Islamabtrünnigen und die Unterdrückung der Frauen propagiert. Das halte ich für kreuzgefährlich und bin davon überzeugt, dass es nicht mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und unserem Rechtsstaat vereinbar ist.

Ich möchte nicht bewerten, welche Form des Extremismus gefährlicher für unsere Gesellschaft ist. Extremismus kann nur sinnvoll und effektiv bekämpft werden, wenn man alle Formen des Extremismus gleichzeitig und unideologisch bekämpft.

Vielen Dank.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten und der AfD)

Gibt es weiteren Redebedarf vonseiten der Fraktionen? – Das kann ich nicht erkennen. Für Herrn Prof. Wöller spricht jetzt der Staatsminister der Justiz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen

und Herren Abgeordneten! Die Sächsische Staatsregierung hat sich immer klipp und klar gegen jede Form des politischen Extremismus positioniert. Gleichwohl wissen Sie sehr genau, dass wir beim Kampf gegen Extremisten ganzheitlich aktiv sein müssen. Repression kann nur im Zusammenspiel mit starker Prävention gelingen. Darum fördern wir den Kampf für Demokratie und Toleranz vielfältig.

So gehört es seit Jahren zu den Hauptaufgaben der Träger der mobilen Beratungen im Demokratiezentrum Sachsen, Betroffene zu informieren, zu beraten und zu schulen. Insbesondere das Kulturbüro Sachsen bietet seit mehr als 15 Jahren spezielle Angebote an. In enger Zusammenarbeit mit der Landeskoordinierungsstelle des Demokratiezentrums Sachsen und dessen Beratungsnetzwerks findet regelmäßig ein enger Austausch zu aktuellen Beratungsfällen und Handlungsstrategien statt.

Meine Damen und Herren! Dieser präventive Ansatz gilt natürlich auch in den Bereichen, in denen sich Neonazis zum Beispiel durch Immobilienkäufe Rückzugs- und Agitationsräume schaffen. Die große Herausforderung besteht dabei aber in den strengen Regelungen zur Übermittlung personenbezogener Daten im Sächsischen Verfassungsschutzgesetz. Demnach ist es grundsätzlich nicht möglich, Vermieter oder Verkäufer von Immobilien über extremistische Einstellungen potenzieller Kunden zu informieren, geschweige denn Vertragsschlüsse zu verhindern oder bestehende Verträge aufzulösen.

Nichtdestotrotz sieht der Freistaat nicht tatenlos zu, wenn sich Neonazis in der Mitte der Gesellschaft, wenn sich Rechtsextremisten in unseren Städten breitmachen. Gerade unser Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen wirkt darauf hin, dass extremistische Gruppierungen in ihren Handlungsspielräumen eingeschränkt werden.

Regelmäßig berät das LfV gemeinsam mit den Entscheidungsträgern vor Ort über die Nutzung von Immobilien durch Extremisten.

Gleichwohl wissen wir alle: Der Kampf gegen den Extremismus ist vor allem eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Jeder muss Haltung zeigen. Demokratie lebt vom Miteinander der Ideen und dem Wettstreit der Meinungen, und das ist das Gegenteil von dem, was Extremisten wollen. Es ist unsere Pflicht, unsere Demokratie zu schützen, zu fordern und zu fördern; denn spätestens seit dem Ende der Weimarer Republik wissen wir, dass Extremisten dort stark sind, wo Demokraten schwach sind.

Meine Damen und Herren! Fakt ist, die Sächsische Staatsregierung wird nicht nachlassen, über extremistische Gefahren aufzuklären, Präventionskonzepte zu unterstützen und die Bürgerinnen und Bürger darin zu ermutigen, aktiv für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzustehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Das Schlusswort, bitte. – Herr Lippmann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich danke erst einmal für die im Kern sehr konstruktive Debatte, auch wenn ich mir vonseiten der Staatsregierung doch noch ein paar mehr Ausführungen erwartet hätte als ein paar lapidare Gemeinplätze und Halbsätze.

Herr Kollege Fritzsche, das ist eine interessante Herangehensweise. Ich stelle das gern dem Verfassungsschutz zur Verfügung. Mit den datenschutzrechtlichen Aspekten haben wir uns übrigens im Vorfeld auseinandergesetzt, und es ist alles nur aus öffentlich zugänglichen Quellen. Wenn Sie eine Mosaiktheorie bemühen wollen, dann kommen Sie damit nicht weiter.

(Carsten Hütter, AfD: Herr Lippmann!)

Ich kann Ihnen schon sagen, das haben wir vorher prüfen lassen. Aber ich stelle das gern dem Verfassungsschutz zur Verfügung, auch wenn ich das als ein Armutszeugnis finde, dass Kollegin Köditz und ich ihre Informationen dem Verfassungsschutz liefern, anstatt umgekehrt der Verfassungsschutz uns die Informationen liefert.

(Beifall bei den GRÜNEN – Kerstin Köditz, DIE LINKE: Meine Informationen …!)

Frau Köditz, indirekt schon. Sie lesen ja offensichtlich im Internet mit, was wir veröffentlichen.