Protokoll der Sitzung vom 14.03.2019

Wissen Sie, das ist wie bei anderen Mischvorgängen: Wenn Sie eine Tasse Kaffee vor sich haben und Milch hineingießen, dann haben Sie nicht mehr Kaffee und Milch, sondern Milchkaffee. Sie haben etwas Neues geschaffen. Deshalb ist es ein Mischstrom, und man kann nicht sagen: Weil der eine noch im Netz unterwegs ist, muss der andere, wenn er hineinkommt, diesen vertreiben können. Das alles sind Theorien, die wir alle schon x-mal von den GRÜNEN in Talkshows gehört haben. Wir sind dabei, das Stromsystem umzubauen. Wir werden es auch umbauen, aber wir werden es sicher, verlässlich und nach Möglichkeit auch bezahlbar machen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Eine Kurzintervention, Herr Dr. Lippold?

Ja, danke. Herr Kollege Rohwer, es ist eigentlich völlig egal, ob Sie einfach nur politische Glaubensbekenntnisse äußern oder ob Sie diese noch mit Knotenregeln würzen. Sie werden es nicht – –

Herr Dr. Lippold, ich muss Sie leider unterbrechen. Sie hatten schon zwei Kurzinterventionen.

Oh, Entschuldigung!

Tut mir leid. – Dann kann das Herr Böhme tun. Bitte schön.

(Heiterkeit bei der CDU)

Herr Rohwer, Sie sagten doch gerade, dass nur so viel Energie hineingehen kann, wie auch wieder herauskommen. Genau deshalb muss ja auch weniger Kohle hinein, damit mehr erneuerbare Energien hineinkommen –

(Heiterkeit bei der CDU)

nein, mehr erneuerbare Energien herauskommen können. Das ist das Problem.

(Heiterkeit und vereinzelt Beifall bei der CDU)

Das ist doch die Gleichung, die Sie hätten bringen müssen. Sie haben am Anfang gesagt: Es kann nur so viel Energie hinein, wie auch herauskann, deshalb muss weniger Kohle hinein, damit mehr erneuerbare Energien herauskommen, damit am Ende das Ergebnis gleich bleibt. Also, Ihr komischer Kaffee-Vergleich hinkt einfach und ist totaler Quatsch. Das hat auch niemand hier im Raum behauptet.

(Beifall bei den LINKEN)

Herr Rohwer, bitte.

Sie können das ja „komischen Kaffee-Vergleich“ nennen. Sie können auch andere Mischsituationen nehmen. Sie schaffen, indem Sie mischen, eine neue Form, und das ist dann Mischstrom. Es ist nicht mehr erneuerbarer Strom und auch nicht mehr Kohlestrom, sondern Mischstrom.

(Marco Böhme, DIE LINKE: Das hat doch keiner bezweifelt! – Frank Heidan, CDU: Das kann man ja nicht wissen, wenn man Tagebaue besetzt!)

Deshalb habe ich zu Ihnen gesagt: Hören Sie bitte bis zum Ende zu, was ich vorhin gesagt habe, und beginnen Sie nicht einfach eine Kurzintervention, in der Sie schon wieder versuchen, meine Aussage umzudeuten. Sie müssen auch bis zum Ende zuhören.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, die Redezeiten sind bis auf die der CDU aufgebraucht. Ich sehe keinen weiteren Bedarf, somit bitte ich nun Herrn Staatsminister Dulig, das Wort zu nehmen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es erst einmal richtig gut, dass wir heute über die Energiepolitik diskutieren, habe aber ein Problem mit dem Titel. Denn worum geht es denn jetzt? Geht es um ein neues Energieprogramm für Sachsen? Geht es um die Fortschreibung des existierenden Energie- und Klimaprogramms, oder geht es um das Thema Versorgungssicherheit?

Wir sind uns sicher alle einig, dass es keinen Sinn ergibt, wenn Sachsen sich im Alleingang ein Energieprogramm gibt. Es ist fraglos eine wichtige und dauerhafte Aufgabe, dass der Freistaat seine energie- und klimapolitischen Langfriststrategien überprüft und weiterentwickelt. Das existierende EKP und die Themen darin sind deshalb aber nicht obsolet. Mit Versorgungssicherheit hat das aber erst einmal überhaupt nichts zu tun. Wir wollen keine Ängste schüren, sondern Sachpolitik machen, und dazu lade ich alle herzlich ein. Lassen Sie mich aber auf die beiden wichtigen inhaltlichen Aspekte eingehen: auf die Fortschreibung des bestehenden EKP und auf die Versorgungssicherheit.

Zunächst zum bestehenden EKP: Ja, wir haben uns im Koalitionsausschuss darauf verständigt – anders als vorgesehen –, kein überarbeitetes EKP im Kabinett zu beschließen. Damit bleibt dieser Punkt im Koalitionsvertrag offen, und glauben Sie nicht, dass mich dieser Umstand kaltlässt. Ich hätte mir ein neues, ein besseres EKP gewünscht.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube auch nicht, dass wir bis zum Jahr 2038 warten können, um dann Entscheidungen zu treffen, sondern wir haben die Hausaufgaben jetzt zu machen. Aber ich bin ganz bei dem, was Kollege Vieweg sagte: Ich möchte mir nicht ausmalen, welche Debatte wir hier im Sächsischen Landtag gehabt hätten, wenn wir uns auf einen faulen, dünnen Kompromiss geeinigt hätten. Dann lieber auch Klarheit in den unterschiedlichen Positionen. Das passt auch zu der Diskussion, die wir gestern hatten. Manchmal muss man eben auch die Unterschiede deutlich machen. Wichtig ist aber trotz alledem, dass wir nicht nur das Trennende in diesem Punkt sehen, sondern auch das, was wir insgesamt in dieser Regierung schon auf den Weg gebracht haben.

Ich sage aber auch ganz deutlich: Wir waren von Anfang an Motor in der Energiepolitik, und mein Haus hat seine Hausaufgaben gemacht. Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Wir haben vor allem eines erreicht: die Rückkehr zu einer sachlichen Diskussion. Schauen wir also einmal darauf, was wir inhaltlich erreicht haben:

Erstens – der „Masterplan Energieforschung 2017“. Zu den wichtigsten Themen beim Umbau des Energiesystems gehören die Zukunftstechnologien, und damit sind wir in Sachsen durchaus stark. Denken wir nur an Leichtbau, Speicher- und Batterietechnologien, an Werkstofftechnologien, Digitalisierung und intelligente Systeme. Den Masterplan haben wir als Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit gemeinsam mit dem SMWK und den relevan

ten Akteuren entwickelt, um die sächsische Kompetenz sichtbar zu machen und die bereits sehr guten Bedingungen für die Energietechnologieforschung in Sachsen noch zu verbessern.

Zweitens – die Windpotenzialstudie, ebenfalls ein wichtiger Auftrag aus dem Koalitionsvertrag. Damit war der Freistaat der Erste. Unsere Windpotenzialstudie darf ich mit Fug und Recht als eine der besten bezeichnen. Sie ist nach modernsten wissenschaftlichen Erkenntnissen und Methoden entwickelt worden und seit Oktober 2017 online für jedermann und jede Frau einsehbar. Der für alle Bürgerinnen und Bürger zugängliche Windatlas zeigt ganz genau, wo in Sachsen welche Windverhältnisse herrschen und wo Potenzial besteht, um Wind zur Stromherstellung nutzen zu können.

Drittens – das EKP-Grünbuch zu den erneuerbaren Energien mit den Ausbaupotenzialen für erneuerbare Energien. Die SAENA, die Sächsische Energieagentur, für deren Einsatz und Kompetenz ich an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich danken und die ich hervorheben möchte, hat für uns untersucht, welche Erneuerbare- Energien-Ausbaupotenziale wir in Sachsen überhaupt haben, und wir haben endlich eine fundierte, verlässliche Basis, worüber wir überhaupt sprechen. Damit tragen wir dazu bei, eine teilweise höchst konfrontativ, unsachlich und unseriös geführte Debatte zu versachlichen. Mit dem Konsultationsverfahren und den Bürgerdialogen haben wir offen informiert. Wir haben zugehört und sehr wertvolle Hinweise gegeben. Ein Beteiligungsverfahren als Geldverschwendung umzudeuten ist, finde ich, schon ein starkes Stück, Frau Dr. Pinka.

(Beifall bei der SPD – Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: Sie haben es eingestampft!)

Der Beteiligungsprozess an sich ist ein Wert, denn Menschen werden gefragt. Dies können Sie gern als Geldverschwendung abtun; aber ich finde diesen Prozess einfach nur wertvoll.

(Beifall bei der SPD – Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: Wenn Sie nichts umsetzen, sind die Leute enttäuscht!)

Sehr geehrte Damen und Herren, es bleibt erst einmal beim EKP 2012, und es wird Sie nicht überraschen, dass es meinen Ansprüchen nicht genügt. Umso mehr kommt es jetzt darauf an, diese Ziele umzusetzen. Dabei gibt es eine dringliche Hausaufgabe: Wir brauchen endlich vollziehbares Planungsrecht, um zunächst die Ziele des jetzigen EKP zu erreichen, denn es gilt bis 2022. Die regionalen Planungsverbände sind aber fast zwei Jahre in Verzug. Das kann und darf nicht sein! Wir müssen zügig zu einem Ergebnis kommen und Rechts- und Planungssicherheit schaffen.

Wir wissen – dies hat das SAENA-Gutachten deutlich gemacht –: Die Potenziale für einen substanziellen Ausbau der erneuerbaren Energien in den Sektoren Strom, Wärme und Verkehr in Sachsen sind vorhanden, aber bei Weitem noch nicht ausgeschöpft. An dieser Faktenbasis

kommt niemand vorbei. Diese Potenziale müssen künftig unsere Orientierung sein.

Nun aber zum zweiten Teil Ihres Schwerpunktes, der Versorgungssicherheit. Vorab: Die Sicherheit der Versorgung in Sachsen ist überhaupt nicht in Gefahr. Die Versorgungssicherheit ist eine Ausprägung des energiepolitischen Zieldreiecks. Sie ist genauso wichtig wie die Umweltverträglichkeit und die Bezahlbarkeit. Besonders in der Diskussion um den schrittweisen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung ist die Versorgungssicherheit eines der wichtigsten Argumente.

Lassen Sie mich an dieser Stelle sagen: Das hohe Versorgungssicherheitsniveau in Deutschland verdanken wir derzeit hauptsächlich den konventionellen Energieträgern. Auch wenn Sie es nicht gern hören: Dazu gehört auch die sächsische Braunkohle.

Energiepolitisch erleben wir gerade eine Zeitenwende. Obwohl die Braunkohle noch Jahrzehnte länger zur Verfügung stehen würde, hat die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ einen Braunkohleausstieg bis zum

Jahr 2038 vorgeschlagen. Das akzeptiere ich, und ich hoffe, das tun andere auch.

Die Energiewelt insgesamt – das Braunkohleland Sachsen umso mehr – steht vor einem umfassenden Umbruch. Die Kommission hat einen sehr steilen Ausstiegspfad vorgeschlagen. Schon bis zum Jahr 2023 sollen mehr als 10 Gigawatt an gesicherten Kohlekapazitäten vom Netz gehen. Die momentan bestehende Kraftwerkskapazität von 20 Gigawatt Braunkohle wird demnach bis zum Jahr 2038 auf 0 Gigawatt zurückgeführt sein. Parallel dazu fallen durch den Atomausstieg bis zum Jahr 2022 nochmals 10 Gigawatt weg. Das ist eine Herausforderung für die Versorgungssicherheit.

Im aktuellen Entwurf des Netzentwicklungsplanes bildet sich aber auch ab: Wir werden langfristig auf konventionelle Kraftwerkskapazitäten angewiesen sein, insbesondere in Knappheitssituationen. Das setzt nebenbei bemerkt auch voraus, dass in Deutschland benötigter Strom in genau diesen Knappheitssituationen auch den Weg zu uns findet. Umso wichtiger ist der Netzausbau.

Sachsen ist von den großen Netzausbauprojekten aufgrund seiner geografischen Lage nur wenig betroffen. Doch ganz unabhängig von der regionalen Betroffenheit betrachtet: Es ist grundsätzlich festzustellen, dass sich entlang dieser Trassen – ich möchte sagen, das ist ein Rückgrat der Energiewende – immer mehr und immer lauterer Widerstand regt. Mehr erneuerbare Energien im deutschen Energiesystem bedeuten aber, dass wir die Netze ausbauen und intelligenter machen müssen. Der Widerstand kommt aber nicht selten auch aus den Reihen der GRÜNEN. In Thüringen hat die GRÜNE-Ministerin dafür gesorgt, dass die Trassenplanung ins Stocken geraten ist und der Zeitplan zusätzlich unter Druck geriet.

Nachdem die vor Kurzem vorgestellte aktualisierte Vorzugstrassenplanung für den SuedLink auch über Hessen

läuft, scheint sich das Grundmuster dort unter der Ägide eines ebenfalls GRÜNEN-Ministers zu wiederholen.

Damit sind wir bei einem weiteren zentralen Punkt, nämlich der Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger für die Energiewende. Wir kennen das Phänomen. Fast alle finden die Energiewende gut, aber Windräder, Erdkabel oder Freileitungen will man vor der eigenen Haustür nicht akzeptieren. Das ist aber eine große, wenn nicht die größte Herausforderung für die Energiepolitik.

Es ist hier unser aller Aufgabe, gemeinsam für Akzeptanz, ja Zustimmung für die Energiewende zu werben. Auch hier nehme ich Sie ausdrücklich mit in die Pflicht.

Ich komme zurück zu dem Titel der Debatte. Ja, es gibt derzeit keine aktualisierte EKP. Die Versorgungssicherheit ist dadurch nicht in Gefahr. Besonders jetzt braucht es Energiepolitik mit Augenmaß. Unsere Hausaufgaben haben wir gemacht und damit die Grundlage für die Weiterentwicklung der Energiepolitik in Sachsen gelegt. Wir wollen hier aber nicht stehen bleiben, und wir wollen auch in der Debatte um die Versorgungssicherheit nicht vom Wege abkommen. Eine rückwärtsgewandte Debatte im Schwarz-Weiß-Denken Braunkohle gegen erneuerbare Energien bringt uns nicht weiter. Wir sind ein Energieland und wollen ein modernes Energieland bleiben.

Auch an dieser Stelle sage ich: Ich freue mich besonders über das Interesse der jungen Generation für dieses Thema. Dieses sollten wir erst nehmen. Deshalb werden wir als Staatsregierung am 22. Juni 2019 zu einer KlimaSchüler-Konferenz in Leipzig einladen, um mit ihnen darüber zu reden und sie mit ihren Wünschen, Vorstellungen und Sorgen ernst zu nehmen. Nur so schaffen wir es, dass eine neue Generation Verantwortung übernimmt.