Protokoll der Sitzung vom 11.03.2015

Ein konsequentes Handeln gegen Übergriffe auf Asylbewerberheime ist selbstverständlich, und diese sind auch nicht tolerierbar – egal, in welcher Form.

Auf der anderen Seite ist es genauso wenig tolerierbar, dass Regel- und Rechtsverstöße begangen werden, insbesondere im Bereich der Organisierten Kriminalität, Drogenkriminalität; dort geht es auch um einen Selbst

schutz. Deswegen ist alles zu beleuchten und zu behandeln.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD, der AfD und der Staatsregierung)

Das war die Reaktion auf eine Kurzintervention. Wir gehen in der Rednerfolge der dritten Runde weiter, so denn Redebedarf aus den Fraktionen besteht. Ich schaue zur SPD-Fraktion – soll das Wort noch einmal ergriffen werden? – Das ist nicht der Fall. Ich gehe weiter zur Fraktion DIE LINKE – auch nicht. AfD? – GRÜNE? – Kein Redebedarf. Möchte die Fraktion der CDU eine vierte Rednerrunde eröffnen? – Auch nicht. Somit hat die Staatsregierung das Wort; es wird von Herrn Staatsminister Ulbig ergriffen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Als Vertreter der Staatsregierung stehe ich gern an diesem Pult; einerseits als Innenminister, aber gleichzeitig – das möchte ich aufgrund der gerade munter geführten Diskussion sehr deutlich sagen – als Vertreter einer Staatsregierung, die dieses Thema für sich als Gesamtaufgabe sieht. Es wird nicht der eine Staatsminister oder die eine Staatsministerin so oder so – positiv oder negativ – gesehen, sondern wir sehen die Herausforderungen, die vor uns stehen, als gemeinsame an,

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der AfD und der Staatsregierung)

auch wenn nun Frau Köpping einerseits und ich als Innenminister andererseits in den letzten Tagen im besonderen Fokus standen. Aber wenn wir andere Probleme anschauen – wenn es um den Spracherwerb geht, wenn es darum geht, wie es gelingt, Menschen in Arbeitsgelegenheiten zu bringen, wenn es um ärztliche Versorgung geht –, weiß jeder bei uns im Kabinett, dass dieses Thema nur zu bewältigen ist, wenn wir als Staatsregierung es als Gesamtaufgabe sehen; und ich kann Ihnen hier gleichermaßen bestätigen, dass das so gesehen wird.

Deshalb aufgrund der aktuellen Diskussion noch ein paar Informationen, um die Entwicklung in den letzten Tagen deutlich zu machen und klarzumachen, dass nicht alles, was kritisch angesprochen worden ist, sozusagen selbst gemacht ist.

Wir hatten im Jahr 2014 schon einmal einen deutlichen Anstieg der Asylbewerberzahlen – was uns dazu veranlasst hat, die Kapazitäten in der Erstaufnahmeeinrichtung von 900 im Jahr 2013 auf 1 800 im Jahr 2014 zu verdoppeln. Später haben wir uns in Nossen dazu verständigt und dachten, auf dieser Grundlage sei so weit alles geordnet; doch die Situation war anders.

Wenn wir die Zahlen Januar und Februar 2014 und 2015 miteinander vergleichen, wird Folgendes deutlich: Im Januar sind 1 600 Asylbewerber nach Sachsen gekommen – das sind 900 mehr als im Jahr zuvor. Im Februar 2015

sind 2 100 Asylbewerber nach Sachsen gekommen – das sind immerhin 1 600 mehr als im gleichen Monat des Vorjahres. Das macht deutlich, dass das insgesamt eine echte Herausforderung gewesen ist. Wir haben die Erstaufnahmekapazitäten in diesen zwei Monaten auf 2 900 erhöht und damit mussten natürlich teilweise kurzfristige Einquartierungen erfolgen und entsprechende Zwischenlösungen geschaffen werden. Dass es dabei Kommunikationsdefizite gegeben hat, ist unbestritten, und dass das keine Dauerlösung sein kann, will ich an dieser Stelle auch klar und deutlich sagen.

Deshalb ist eine Anstrengung, die Standorte in Leipzig und Dresden, über die wir nicht nur reden, sondern mit deren Umsetzung das Finanzministerium intensiv mit befasst ist, tatsächlich ans Netz zu bringen und dauerhafte Lösungen zu finden. Bis dahin brauchen wir jedoch weitere Zwischenlösungen.

Es geht aber nicht nur darum, sondern um soziale Betreuung, Schule, Finanzierung und die Unterbringung auf der kommunalen Ebene. Deshalb ist diese ressortübergreifende Koordination wichtig, und daher, Frau Dr. Muster, sind dieser Lenkungsausschuss und diese Stabsstelle wichtig und notwendig, weil wir damit keine Kompetenzverschiebung und kein Kompetenzgerangel innerhalb der Staatsregierung organisieren, sondern die unterschiedlichen Aufgaben, die jedes Ressort für sich sieht, in diesem Lenkungsausschuss bündeln wollen. Da wir bei dieser volatilen Situation gemerkt haben, dass einmal im Monat auf der Ebene der Staatssekretäre und der Ebene der Verbände zu tagen nicht ausreicht, haben wir uns entschieden, die Stabsstelle darunterzusetzen, wo aus den jeweiligen Ressorts die Kollegen abgeordnet sind, damit die administrative Funktionsfähigkeit über die Woche und damit kontinuierlich gegeben ist. Die erste Sitzung hat deutlich gemacht, dass das der richtige Weg ist und dass die Kolleginnen und Kollegen hoch motiviert an diesem Thema arbeiten.

Im Moment haben wir die Situation, dass wir nach § 44 Asylverfahrensgesetz – das ist im Übrigen die Rechtsgrundlage, die für uns alle gilt – in diesem Jahr mit 15 300 Asylbewerbern zu rechnen haben. Deshalb – ich bin dankbar, dass es schon angesprochen wurde – wird es jetzt die Herausforderung sein, im parlamentarischen Verfahren die Anpassung der Zahlen, die im Regierungsentwurf aufgrund der alten Prognose noch enthalten waren, vorzunehmen, damit die Voraussetzungen für die Finanzierung in diesem Bereich im Haushaltsplan für die nächsten beiden Jahre zu bewältigen sind.

Nun noch einige Fakten zu diesen acht Zielvorgaben, die besprochen worden sind. Ich bin Frau Köpping dankbar, dass die soziale Betreuung gestern im Kabinett besprochen worden ist und der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Eine Woche zuvor haben wir aus dem Innenministerium die ESF-Förderrichtlinie vorgestellt – ergänzend zu den sozialen Betreuungsmöglichkeiten, die jetzt durch die Richtlinie gegeben sind. Jetzt besteht die Möglichkeit, in den Stadtteilen, wo die Menschen hinkommen und wo

man sich eher unmittelbar um die Asylbewerber kümmert, soziale Betreuer im Sinne von Stadtteilkoordinatoren zu finanzieren. Es gibt nicht nur Fragen, die die einzelnen Asylbewerber zu bewältigen haben und die sie umtreiben – das haben Sie gestern vor der Öffentlichkeit dargestellt –, sondern wenn Menschen ins Quartier kommen, gibt es natürlich auch Fragen, die im Quartier gestellt werden. Das zu koordinieren ist das Anliegen dieser Richtlinie und vor diesem Hintergrund bin ich froh, dass wir sie jetzt haben.

Einen dritten Punkt möchte ich ansprechen, der mir wichtig ist: Wir sind derzeit dabei, die Städtebauförderung zu öffnen; die Verbändegespräche dazu laufen. Es geht um das, Herr Gebhardt, was ich vergangenes Jahr schon gesagt habe, weil ich eine solche Entwicklung nicht voraussehen konnte, die ich aber in Zukunft wieder vermeiden möchte. Wenn wir im Lande über 200 000 leer stehende Wohnungen haben, dann muss es uns doch gelingen, diese Wohnungen zu aktivieren und eben nicht auf solche Zwischenlösungen gehen zu müssen, wie sie teilweise notwendig waren. Deswegen sollen die Kommunen zukünftig die Möglichkeit haben, mit der Städtebauförderung Wohnungen zur Verfügung zu stellen, um dieses Konzept der dezentralen Unterbringung voranzubringen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Es geht dann weiter um die Sprachkurse – das ist alles schon angesprochen worden – und darum, dass der kommunalen Ebene auch die Liquiditätshilfe von 10 Millionen Euro, die derzeit vorbereitet wird, zur Verfügung steht.

Noch ein Wort zum Thema BAMF, weil auch das angesprochen worden ist, und zu diesem vermeintlichen Zwischenaufschrei, den es gegeben hat.

Es ist vielleicht interessant zu wissen, dass das BAMF das Angebot, das unterbreitet worden ist, nämlich vom Land und von der kommunalen Ebene Personal zu stellen, mittlerweile angenommen hat, weil sie an dieser Stelle noch eine Herausforderung sehen. Es geht mir auch

hierbei darum, Dinge nicht zuzuschieben, sondern das BAMF möchte die Verfahren gern verkürzen.

Am Ende – das habe ich von diesem Pult aus schon mehrfach gesagt – ist es niemandem zuzumuten, dass die Verfahren länger als drei Monate dauern. Es ist denen nicht zuzumuten, die auf eine Entscheidung warten, und es ist gleichermaßen denen nicht zuzumuten, die für die Unterbringungskapazitäten zu sorgen haben.

Im Ergebnis der Entscheidung steht doch fest, ob jemand einen Anspruch hat und damit bei uns im Land dauerhaft integriert wird, worin, glaube ich, bei uns insgesamt ein Konsens besteht, oder – das muss man auch noch einmal klar und deutlich sagen – ob eine Ausreisepflicht erwächst und das Land am Ende zu verlassen ist. Auch dabei muss es schneller gehen und dann entsprechend konsequent gehandelt werden.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zum Abschluss kommen und denen danken, die das Thema der gemeinsamen Aufgabenbewältigung in den Mittelpunkt gerückt haben. Ich möchte auch ausdrücklich der kommunalen Ebene danken.

Natürlich hat es in der Zeit, als es Druck gegeben hat, auch einmal einen Aufschrei gegeben. Ich bin aber davon überzeugt, dass mittlerweile wieder alle beieinander sind und dass wir es als eine gemeinsame Aufgabe ansehen.

Wenn wir es als eine gemeinsame Aufgabe ansehen, dann werden wir die Herausforderungen auch bewältigen. Insofern einerseits herzlichen Dank und andererseits die Bitte um Unterstützung und Mitarbeit, damit wir dieses große Projekt bewältigen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Das war der Innenminister, Herr Kollege Ulbig.

Wir sind jetzt am Ende der 1. Aktuellen Debatte angekommen, schließen diese ab und kommen zu

2. Aktuelle Debatte

25 Jahre Wartezeit sind zu viel –

Rentenmauer einreißen, Lebensleistungen würdigen!

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Als Antragstellerin hat zunächst die Fraktion DIE LINKE das Wort. Die Diskussion wird eröffnet von Frau Kollegin Schaper.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Stellen wir uns Karten der Bundesrepublik Deutschland vor, die sozial- und wirtschaftspolitische Werte bundes

weit und unterschiedlich farbig hervorheben. Ob bei der Kaufkraft, bei den Einkommen, bei der Armutsquote oder beim Rentenrecht – überall sehen wir die ehemalige DDR in ihren Grenzen von 2015. 2015 – 25 Jahre nach der deutschen Einheit, und noch immer gibt es Menschen erster und zweiter Klasse. Das ist nicht hinnehmbar!

Unsere heutige Debatte betrifft Vergangenheit und Zukunft. Selbstverständlich geht es um Gerechtigkeit für die

Menschen in Ostdeutschland, die schon zu DDR-Zeiten berufstätig waren und die heute doppelt bestraft werden, zum einen durch geringere Löhne und zum anderen durch niedrigere Renten.

Es geht aber auch um all diejenigen, die in Zukunft berufstätig sind oder in Rente gehen. Sie können noch in 40 Jahren auf ihrem Rentenbescheid nachlesen, dass sie nicht im Westen tätig waren und deshalb weniger Rente erhalten.

Ein Rentenpunkt entspricht seit dem 1. Juli 2014 im Osten 26,39 Euro und im Westen 28,61 Euro. Ein Standardrentner in Chemnitz bekommt also nach 45 Jahren bei einem Durchschnittsverdienst 100 Euro weniger als sein Altersgenosse in Stuttgart.

An Ankündigungen, die Renteneinheit herzustellen, hat es nie gemangelt. Schon der Einigungsvertrag versprach sie. Die Versprechen setzen sich jetzt fort bis zum aktuellen schwarz-roten Koalitionsvertrag mit der Renteneinheit bis zum Jahr 2019. Wer soll das noch glauben?

Gerade Sachsen müsste sich angesichts des hohen Altersdurchschnitts seiner Bevölkerung an die Spitze der Bewegung stellen. Dazu bedürfte es eigentlich keiner Arbeitsgruppe von Bund und Ländern; denn Fakten und Lösungen liegen längst vor.

Meine Fraktion hat in der Vergangenheit mehrfach das Thema auf die Tagesordnung des Landtags gesetzt und Vorschläge unterbreitet, die immer abgelehnt wurden. Genau das macht mich skeptisch. Wenn Herr Ministerpräsident Tillich wirklich einen Beitrag dazu leisten will, dass die Rentenmauer zwischen Ost und West nicht nur durchlässiger, sondern eingerissen wird, dann sollte er sich für Folgendes einsetzen:

Erstens bedarf es eines Stufenplans, der sichert, dass die Renteneinheit noch in der laufenden Legislaturperiode, also bis zum Jahr 2017, sichergestellt wird.

Zweitens sind aus dem Bundeshaushalt Mittel bereitzustellen, um das Vorhaben zu finanzieren. Da es sich um eine überfällige politische Entscheidung handelt, kann man nicht die gesetzliche Rentenversicherung heranziehen, wie es völlig unzulässig bei der Mütterrente bereits passiert ist.

Drittens. Solange Lohnrückstände gegenüber den alten Bundesländern noch gangbar sind und in der nächsten Zeit offenbar nicht verschwinden werden, müssen ostdeutsche Löhne für die Rentenansprüche höher gewertet werden. Auch das, meine sehr verehrten Damen und Herren, steht im schwarz-roten Koalitionsvertrag.