Vielmehr geht es Ihnen wie immer darum, Befugnisse einzuführen mit der vermeintlichen Erklärung, sie im Kampf gegen den Terrorismus zu gebrauchen und sie dann für weit weniger schwere Gefahren einzusetzen. Es ist dasselbe Spiel wie seit Jahren, mit dem die Sicherheitsgesetze in der Bundesrepublik Deutschland in einer Spirale von nicht hinzunehmenden Bürgerrechtseingriffen verschärft werden, das Sie heute mit diesem Gesetzentwurf weitertreiben.
Ich kann es Ihnen, werte Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU, in diesem Hohen Hause nicht ersparen: Sie haben in den letzten Jahren alles dafür getan, um alle Versuche der unabhängigen Evaluation der Sicherheitsgesetzgebung in Sachsen zu verhindern; denn Sie haben alles abgeblockt, was in dieser Richtung vonseiten der Opposition kam. Jetzt stellen Sie es hier so hin, als ob dieser Gesetzentwurf alternativlos wäre. Das ist schlicht absurd.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Vielzahl der neuen Befugnisse richtet sich gegen Bürgerinnen und Bürger, die vielleicht irgendwann einmal verdächtig werden könnten. In einem liberalen Rechtstaat haben aber die Menschen den Anspruch, von Sicherheitsbehörden so lange unbehelligt zu bleiben, wie sie sich nichts haben zuschulden kommen lassen. Diesen Grundsatz kehren Sie mit diesem neuen Polizeigesetz einfach mal in unzulässiger Art und Weise um. Darüber hinaus gehen Sie mit der Einführung der intelligenten Videoüberwachung einen großen Schritt in den Überwachungsstaat.
Es ist nicht nur moralisch verwerflich, den öffentlichen Raum derart kontrollieren zu wollen, es ist auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig. Spätestens nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur automatisierten Kennzeichenerfassung ist die intelligente Videoüberwachung tot, da sie eine konkrete Identifikation von Personen zulässt.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Niemand verbietet Ihnen, verfassungskonforme Gesetze zu verabschieden. Im Gegenteil, auch dieser Landtag ist in einem Rechtsstaat an die Verfassung gebunden, und insoweit hätte dieses Überwachungsmonstrum nach der jüngsten Entscheidung aus Karlsruhe schlicht in den Papierkorb gehört. Nicht zuletzt zeigt ein bedeutendes Missverhältnis, wie wichtig Ihnen tatsächlich die – heute auch schon wieder propagierte – angebliche Ausgewogenheit von Freiheit und Sicherheit ist. Sie schaffen eine umfassende Befugnis für die Errichtung gigantischster Datenbanken bei der Polizei, bei der zukünftig noch mehr über die Bevölkerung gespeichert werden darf, ohne dass diese auch nur im Ansatz weiß, was über sie gespeichert wird.
Gleichzeitig schaffen Sie es nicht, mit dem heute auch zu verabschiedenden Datenschutz-Umsetzungsgesetz nur im Ansatz dem Datenschutzbeauftragten die notwendigen Befugnisse zu geben, diese wirksam zu kontrollieren. Ich halte fest: Es gibt mehr Befugnisse für die Polizei und kaum Kontrolle. Das ist nicht nur unvernünftig, werte Kolleginnen und Kollegen, das ist schlicht GrundrechtsHarakiri.
Nicht zuletzt ist für uns GRÜNE auch nicht hinnehmbar, dass Sie die einzigen notwendigen Änderungen, die es derzeit im Polizeirecht überhaupt bräuchte, nicht realisieren, nämlich eine wirklich unabhängige Beschwerdestelle und nicht diesen zahnlosen Tiger bei der Staatskanzlei sowie endlich die Einführung einer Kennzeichnungspflicht für die Polizeibediensteten im Freistaat Sachsen. Damit kann ich nur konstatieren: Wer die ursprüngliche Idee des Rechtsstaates ernst nimmt, kann einem solchen Polizeigesetz nicht zustimmen.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn Sie nun also den Rechtsstaat als Begründung für diesen Frontalangriff auf die Bürgerrechte heranziehen,
Ich sage Ihnen ganz klar: Wer vom Rechtsstaat spricht, aber Bürgerrechte ignoriert und schamlos die Grundrechte aushöhlt, sollte lieber schweigen, zumindest aber die Finger von der Gesetzgebung lassen. Wir, werte Kolleginnen und Kollegen, werden diesen Gesetzentwurf aus tiefster Überzeugung der Freiheit zuliebe ablehnen und als entschiedene Kritiker auch weiterhin nichts unversucht lassen, ihn zu stoppen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Sachsen ist ein sicheres Bundesland“, das erklärte Innenminister Wöller letzte Woche bei der Vorstellung der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik für das Jahr 2018. Im letzten Jahr ist die Zahl der Straftaten deutlich zurückgegangen, doch die Sicherheitslage ist nach wie vor angespannt. Eine Bedrohungslage durch islamistischen Terrorismus besteht weiterhin. Die Statistik beleuchtet nur die angezeigten Delikte. Die Dunkelziffer ist höher, vor allem im Bereich der Internetkriminalität und der Organisierten Kriminalität.
Das neue Polizeigesetz ist nicht nur bei der Koalition, sondern auch bei der Opposition hoch umstritten. Die einen sehen die Freiheit des Grundgesetzes und die
Bürgerrechte in Gefahr, der anderen Seite gehen die Regelungen nicht weit genug. Die GRÜNEN und LINKEN haben ihre Verfassungsklage gegen das heute zu verabschiedende Gesetz bereits medienwirksam angekündigt und letzten Montag in Dresden zu einer weiteren Demonstration gegen das Polizeigesetz aufgerufen.
In der „SZ“ vom 4. April zur angekündigten Demo war Folgendes zu lesen: GRÜNE und LINKE kritisieren, das Gesetz sei Ausdruck eines immer autoritärer auftretenden Staates, der vor allem Geflüchtete, Menschen mit Migrationshintergrund und politisch Aktive kriminalisiert. Das kann ich beim besten Willen nicht aus dem Gesetzeswortlaut herauslesen. Dem Artikel war ein Bild von einer vorangegangenen Demonstration gegen das Polizeigesetz beigefügt. Auf dem Bild waren mehrere maskierte Teilnehmer mit Protestplakaten zu sehen. Auf dem einen Plakat stand: „Bullen gibt es in jeder Stadt. Bildet Banden, macht sie platt!“
Mit solchen Parolen, meine sehr geehrten Damen und Herren von LINKEN und GRÜNEN, machen Sie sich gemein. Sehr schön! Das ist ein Aufruf zur Begehung von Straftaten und damit selbst eine Straftat. Ein solch aggressives Auftreten führt nicht gerade zu einem friedlichen Klima, sondern schürt Hass und Misstrauen. Als logische Konsequenz sehe ich die Einführung der Bodycam zum Schutz der Einsatzkräfte vor gewalttätigen Übergriffen. An dieser Entwicklung sind LINKE und GRÜNE nicht ganz unbeteiligt. Daher finde ich es wichtig, dass die Bodycam jetzt doch noch eingeführt wurde.
Wir fordern darüber hinaus die Einführung der QuellenTKÜ und der Online-Durchsuchung. Daher werden wir dem entsprechenden Änderungsantrag der AfD-Fraktion auch zustimmen. Sachsen wäre nicht das erste Bundesland, das die Quellen-TKÜ und die Online-Durchsuchung einführt. Baden-Württemberg und Bayern haben gerade erst ihre Polizeigesetze angepasst, und auch der Bund hat über den Einsatz solcher Maßnahmen abgestimmt. Das Vorbild dabei ist das BKA-Gesetz.
Wir wollen nicht gleich in Panik verfallen, denn QuellenTKÜ und Online-Durchsuchung sollen gerade keine Standardmaßnahmen werden, sondern nur für ganz spezielle Fälle ausnahmsweise zur Anwendung kommen. Zudem gibt es hohe Hürden, den Richtervorbehalt zu überwinden, bevor es überhaupt zu einer solchen Überwachung kommen kann. Sachsen muss dringend eine Rechtsgrundlage für ebendiese Maßnahmen schaffen. Bitte überlegen Sie, wie oft heutzutage noch telefoniert wird und wie oft Messenger-Dienste und anderweitig Informationen über das Internet ausgetauscht werden.
Sachsen darf nicht weiter in der technischen Steinzeit verharren und die Augen vor Neuerungen verschließen. Wir als Gesetzgeber müssen konsequent auf voranschreitende Entwicklungen reagieren und die Regelungen entsprechend anpassen. Die potenziellen Straftäter werden nicht auf rückschrittliche Entwicklungsstände bei Ermittlungsbehörden Rücksicht nehmen, sondern die vorhandenen gesetzlichen und technischen Lücken zu ihrem Vorteil
ausnutzen. Spätestens bei einem Terroranschlag, bei dem sich im Nachhinein herausstellt, dass ebensolche verschlüsselten Systeme zur Vorbereitung genutzt wurden, wird die Forderung nach der Einführung der OnlineDurchsuchung und der Quellen-TKÜ in der Bevölkerung laut werden.
Lassen Sie uns also ein vorausschauender Gesetzgeber sein und es am besten gar nicht erst zu einem solchen Unglück kommen, in dem wir der Polizei die Durchführung der notwendigen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr in ganz speziellen Einzelfällen erlauben. Solange Sie hier nicht einlenken wollen, sehen die Abgeordneten der blauen Partei in der neuen Regelung des Polizeirechts zwar einen Schritt in die richtige Richtung, doch vom Ziel sind wir noch weit entfernt.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Eine Novellierung des Sächsischen Polizeigesetzes ist überfällig. Die letzte Änderung dieses Gesetzes erfolgte im Jahr 2013. Seitdem ist viel passiert. Verschärfungen im Polizeirecht bedeuten automatisch strengere Regularien und massivere Eingriffsmöglichkeiten der Staatsgewalt. Unsere Gesellschaft hat sich verändert. Die Gesellschaft und jeder Einzelne ist Gefahren ausgesetzt, die neue Quantitäten, aber auch neue Qualitäten erreicht haben. Das neue Polizeigesetz erlaubt einschneidendere Eingriffe in die Freiheits- und Bürgerrechte jedes Einzelnen. Den Kritikern ist recht zu geben. Der Staat nutzt heute neue Überwachungsmöglichkeiten.
Aber unsere Freiheit braucht auch Sicherheit. Sicherheit kann jedoch nur dann ihren Zweck erfüllen, wenn sie allein dem Schutz der Freiheit dient und nicht zum Selbstzweck des Staates verkommt. In einer Demokratie hat nach meiner Auffassung der Staat gläsern zu sein und nicht der Bürger. Transparenz, individuelle Rechtsschutzmöglichkeiten, aufsichtliche Kontrolle und auch Löschungspflichten sind ein wichtiges Detail des Rechtsstaates und für uns lebensnotwendig. Es wäre also ein Fehler, stolz auf das neue Polizeirecht zu sein. Teilweise wurde das neue Sächsische Polizeigesetz als Erfolgsweg beschrieben, der fortgesetzt wird.
Das halte ich für falsch. Der jahrelange Stellenabbau bei der sächsischen Polizei trotz steigender Kriminalitätsbelastung spricht für sich. Sachsen bestreitet bei der Neuregelung des Polizeirechts keinen Alleingang. Viele Bundesländer haben mittlerweile ihre Polizeigesetze überarbeitet oder sind gerade dabei. Auf Bundesebene wurden die Befugnisse des BKA angepasst. Ein Ziel des neuen BKA-Gesetzes ist die Steigerung der Effizienz bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt. Dazu wurde beispielsweise auch die Online-Durchsuchung in den Maßnahmenkatalog aufge
nommen. Die Bundesregierung und die Polizeibehörden begründeten die Notwendigkeit mit der Nutzung moderner Techniken durch Straftäter. Die Onlinedurchsuchung ist daher ein für die Verhinderung terroristischer Anschläge unverzichtbares Instrument. Die Onlinedurchsuchung und die Quellen-TKÜ hätten nach Auffassung der Abgeordneten der blauen Partei auch in das neue Polizeigesetz für Sachsen aufgenommen werden müssen. Leider fehlt der sächsischen SPD, Herr Pallas, dafür der Mut.
Die CDU achtete auf die Koalitionstreue, weniger auf die Sicherheit ihrer Bürger. Herr Pallas, ich erinnere mich noch an Ihren Ausspruch bei der Anhörung, als Sie sagten, das mit der Quellen-TKÜ und der Onlinedurchsuchung fänden Sie eigentlich gar nicht schlecht. Aber könnte man das nicht insgesamt über das BKA-Gesetz ziehen?
Dann hätten Sie damit nichts zu tun. Ich denke, das zieht schon ziemlich genau das, was manchmal – –
Ich habe es nach meiner Kenntnis so im Ohr, und es hat sich ganz fest eingebrannt. – Also: Alle Sachverständigen aus dem Bereich Polizei und BKA haben übereinstimmend Quellen-TKÜ befürwortet. Sie sprachen von Waffengleichheit zwischen Polizei und Straftätern. Das BKAGesetz mit seiner Erlaubnis der Quellen-TKÜ hat es vorgemacht. Es ist verfassungsgemäß. Das Bundesverfassungsgericht hat dies ausdrücklich festgestellt.
Enttäuscht bin ich auch von dem Änderungsantrag der Koalition, der die aktuelle Rechtsprechung zur automatischen und stationären Kennzeichenüberwachung berücksichtigen wollte. Zwar liegt uns im Änderungsantrag der Koalition ein Anpassungsvorschlag vor. Dieser ist leider nach Aussage des Sächsischen Datenschutzbeauftragten nicht vollumfänglich gelungen. Der Datenschutzbeauftragte hatte sich daher mit seinen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht nur an den zuständigen Innenausschuss, sondern auch an die Öffentlichkeit gewandt und um eine weitere Verbesserung gebeten. Dieser Bitte ist die Koalition leider bis heute nicht nachgekommen. Demnach liegt uns hier ein datenschutzrechtlich bedenklicher Gesetzentwurf vor, Herr Anton, und das müssen wir einfach feststellen.
Es ist schade, dass die dringend notwendige Novellierung des Sächsischen Polizeigesetzes nur halbherzig erfolgte. Das war bei dieser Koalition nicht anders zu erwarten. Hier wackelt der Schwanz mit dem Hund – nicht andersherum.
Noch einmal ganz deutlich: In Sachsen opfert die CDU die Sicherheit ihrer Bürger auf dem Koalitionsaltar der SPD. Bereits bei der letzten Änderung des Polizeigesetzes im Jahr 2013 hat sich die SPD vehement gegen die Einführung der Regelung in § 42 zur Erhebung von Telekommunikationsdaten gewehrt. Nach dem Motto: „Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach“ werden wir trotzdem zustimmen.
Wir sind jetzt am Ende der ersten Rederunde angekommen. Besteht der Bedarf einer zweiten Rederunde? – Ja. Ich sehe das. Damit beginnt für die CDU-Fraktion Herr Kollege Anton erneut zu sprechen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe selten so viel Polemik unter völliger Verdrängung der Fakten gehört wie in den Redebeiträgen der Kollegen Stange und Lippmann.
Die Show, die wir gerade vonseiten der Linksfraktion erlebt haben, hat wieder einmal vor Augen geführt, wie wenig ernst Sie es mit der Würde dieses Hohen Hauses nehmen.