Protokoll der Sitzung vom 10.04.2019

Des Weiteren ist es ein guter Ansatz, dass wir die Ortspolizeibehörde von der Landespolizei trennen, dass wir quasi klare Zuständigkeiten schaffen. Dass wir das in zwei Gesetzen regeln, ist auch gut. Gut ist außerdem, dass wir unsere Kinder schützen wollen, indem man es den Polizeibehörden vor Ort ermöglicht, im Bereich um Schulen herum Alkoholverbote einzuführen. Das ist ja gut, aber eben nur im Ansatz, denn der Teufel steckt wie immer im Detail; darauf komme ich nachher bei den Änderungsanträgen noch einmal zurück, dabei werden wir Ihnen helfen, das Ganze auch praktisch zu machen.

Weiterhin sind noch einige andere gute Ansätze drin, zum Beispiel, dass Sie die Regelung zur elektronischen Fußfessel, so wie wir sie damals in unserem Gesetzentwurf eingebracht haben, der in dem Hohen Hause abgelehnt worden ist, weitgehend übernommen haben. Damals haben Sie uns zum Beispiel vorgeworfen, dass wir Ordnungswidrigkeiten in einem Polizeigesetz definiert haben für den Fall, dass man dagegen verstößt. Was haben Sie jetzt gemacht? Sie haben einen Paragrafen hineingeschrieben, der Ordnungswidrigkeiten definiert – genau das, was wir damals auch getan haben.

(André Barth, AfD: Genau!)

Sie sind jetzt im Bereich der Beschwerdestelle der Polizei auch ein Stück auf die Opposition zugegangen, indem Sie sie vom Innenministerium weggenommen und an die Staatskanzlei angedockt haben. Wir haben den Gesetzentwurf für einen sächsischen Polizeibeauftragten eingebracht, der für alle Bürger und auch für die Polizei zugänglich ist; er sollte aber am Landtag angedockt werden. Das geht hier in die richtige Richtung, aber ich glaube nicht, dass Sie mit dieser Frage schon am Ende sind.

Trotz alledem ist dieses Gesetz nichts anderes als der kleinste gemeinsame Nenner, den Sie zwischen CDU und SPD finden konnten – ein großer Wurf ist es tatsächlich nicht.

Es ist bereits die Einführung der Bodycam angesprochen worden. Ja, mittlerweile ist sie da. Wir als AfD-Fraktion haben sie ja wirklich von Anfang an hier in diesem Haus gefordert und freuen uns, dass sie zumindest erst einmal Eingang in das neue Sächsische Polizeigesetz gefunden hat. Aber es ist nur eine abgespeckte Version. Das kann man daran sehen, dass die Beamten am Ende vor einer Lage stehen werden, dass sie nicht richtig mit dieser Bodycam arbeiten können.

Stellen wir uns einmal vor, wir sind auf der Prager Straße und es gibt eine Auseinandersetzung, die Polizei kommt, die Bodycam wird eingeschaltet und der Gefährder, der Störer, der Verursacher läuft in ein Geschäft hinein und die Polizei läuft hinterher – dann können Sie die Kamera erst einmal ausschalten. Also, das funktioniert nicht, und ebenso wenig, wenn sich die Personen abends in die Kneipe zurückziehen. Das hat die Sachverständigenanhörung ergeben.

Außerdem haben Sie sich nicht darauf einigen können, die wirklich wichtigen Instrumente der Quellen-TKÜ und der Online-Durchsuchung in das Gesetz hineinzuschreiben. Dabei ist es zwingend notwendig. Es ist nicht nachvollziehbar, dass Sie zwar ein normales Gespräch über das Smartphone oder über ein normales Telefon, das Festnetztelefon, abhören können – das kann man alles tun –, aber nicht über einen Messenger-Dienst.

Wenn ich das Smartphone schon einmal in der Hand habe, dann haben doch viele Leute heute irgendwelche Messenger-Dienste installiert. Diese Messenger-Dienste arbeiten verschlüsselt. Sie zur Abwehr einer Gefahr abzuhören ist nicht möglich. Was werden denn unsere Gefährder tun? Sie wissen es doch. Sie werden ganz einfach über die Messenger-Dienste telefonieren und ihr Datenvolumen nutzen. Punkt. Aus. Dabei ist die Polizei außen vor. Herzlichen Glückwunsch! Dann wird das Ganze nicht funktionieren.

Dann haben wir noch andere Punkte, die natürlich auch fehlen. Aus unserer Sicht fehlt ganz klar die TaserNutzung. Wenn der Streifendienst dieses Mittel nicht an der Hand hat, dann bedeutet das, dass in Zukunft Straftäter, die unter Drogeneinfluss stehen und entweder andere Personen oder die Polizeibeamten bedrohen, sehr wahrscheinlich erschossen werden.

(Zuruf des Abg. Mirko Schultze, DIE LINKE)

Das müssen Sie sich klarmachen, wenn Sie den Taser ablehnen. Pfefferspray wird wahrscheinlich nicht wirken; das wissen die Polizisten.

Was auch fehlt, sind Gummigeschosse für unsere Polizei. Theoretisch ist es für das SEK nach Ihrer Regelung möglich, wie Sie es vorsehen. Nehmen wir einfach das Beispiel G-20-Gipfel. Dabei standen unsere Polizeibeamten – im Übrigen auch sächsische Polizeibeamte – einer wirklich gewalttätigen Menge von Störern gegenüber. Diese Gruppe von Störern war mit Zwillen ausgestattet, also mit Katapulten. Es wurde mit Stahlkugeln und Krampen auf die Beamten geschossen und dabei die

Schutzausrüstung durchschlagen. Es sind tiefste, schwerste Fleischwunden und Verletzungen entstanden. Das hätte auch tödlich ausgehen können, wenn man etwas anderes getroffen hätte. Die Beamten hatten keine Möglichkeit, sich dessen zu erwehren, weil sie keine möglichen Distanzmittel haben, die nicht tödlich wirken. Der Schusswaffeneinsatz gegen eine solche Menschenmenge verbietet sich schlicht und ergreifend. Meine Damen und Herren! Sie sind hierbei einfach hinter den Möglichkeiten zurückgeblieben.

Was können wir konstatieren? – Das Ganze ist kein großer Wurf. Es ist nur Stückwerk, wenn auch die Richtung stimmt.

Wenn Sie ein rechtssicheres Gesetz haben wollen, wenn Sie ein anwenderfreundliches Polizeigesetz haben wollen und wenn Sie den Schutz der Bürgerrechte ein bisschen ernster nehmen, als Sie es mit Ihrer Vorlage tun – ich nenne nur den Bereich der Gesichtserkennung und Kennzeichenerfassung in der Kombination, § 59 –, dann stimmen Sie bitte unseren Änderungsanträgen zu. Dann haben wir nachher ein Polizeigesetz, mit dem die Polizei arbeiten kann und das die Polizisten auch verstehen können. Das sollte uns sehr wichtig sein, wenn wir hier an solch einer großen Novelle arbeiten.

Jetzt noch ein Punkt zur Diskussion: Es wird manchmal wirklich komisch diskutiert. Die Polizeiliche Kriminalstatistik wird herangezogen, um zu begründen, warum wir keine Maßnahmen der Gefahrenabwehr treffen müssen. Das eine hat mit dem anderen aber so gut wie nichts zu tun. Ich meine, die Straftaten sind passiert. Nur – ich sage einmal – in sehr wenigen Einzelfällen wird durch eine Maßnahme der Gefahrenabwehr tatsächlich eine Straftat verhindert. Dass Sie mit diesen Maßnahmen die Zahl der Straftaten in Sachsen in Größenordnungen absenken, das wird einfach nicht passieren. Diesen Zahn müssen wir uns ziehen. Wir müssen einfach ehrlich miteinander umgehen. Von Ihnen, Herr Pallas, hätte ich ganz ehrlich mehr erwartet.

(Albrecht Pallas, SPD: Oh! – Dirk Panter, SPD: Von Ihnen aber genauso!)

Ich meine, vielleicht konnte ich nicht mehr warten. Sie wollten die Bodycam nur im Gegenzug für die Kennzeichnung der Polizeibeamten einführen. Das zeigt mir, dass die Bodycam, dass die Sicherheit der Polizeibeamten für Sie nur Verhandlungsmasse ist. In Wirklichkeit geht es Ihnen um Ihre Ideologie.

(Albrecht Pallas, SPD: Es ging um mehr Transparenz! Das haben Sie verwechselt, Herr Wippel!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Als Nächstes ergreift Herr Kollege Lippmann für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Deutschland redet über den Rechtsstaat – so die Werbung der CDUBundestagsfraktion und auch einiger Landtagsfraktionen in den letzten Wochen in den sozialen Netzwerken. Diese Einladung zur Debatte nehme ich heute gern einmal an; denn sowohl dieser Gesetzentwurf als auch die Diskussionen darüber haben für mich in erschütternder Art und Weise gezeigt, welches Rechtsstaatsverständnis diese Koalition an den Tag legt.

Das fängt schon beim Ministerpräsidenten an, der gestern die Dreistigkeit besaß zu erklären, dass nun eine demokratische Mehrheit für diesen Gesetzentwurf bestehe und dies auch die Kritiker endlich zu akzeptieren hätten.

(Steve Ittershagen, CDU: Was ist denn daran dreist? – Weitere Zurufe von der CDU)

Hören Sie einmal zu. Man weiß nicht, wo man anfangen soll.

(Steve Ittershagen, CDU: Das hat etwas mit Demokratie zu tun!)

Zunächst wäre ein Ministerpräsident gut beraten, die rechtsstaatlichen Grundsätze der Gewaltenteilung zu verinnerlichen. Die Mehrheit gibt es, wenn überhaupt, werte Kolleginnen und Kollegen, heute nach der Abstimmung und nicht mit einer Videobotschaft des Ministerpräsidenten.

(Beifall der Abg. Kerstin Köditz, DIE LINKE)

Diese Haltung offenbart auch ein Demokratieverständnis, das für einen Rechtsstaat eine Zumutung ist. Es sagt in einem Rechtsstaat nichts über die Verfassungskonformität eines Gesetzes aus, ob dieses mit Mehrheit zustande gekommen ist oder nicht. Das beweist allein schon die Vielzahl der Gesetze in der Vergangenheit, die offensichtlich verfassungswidrig wie dieser Gesetzentwurf waren und dennoch mit demokratischen Mehrheiten zustande gekommen sind.

(Steve Ittershagen, CDU: Das wissen Sie auch schon! – Weitere Zurufe von der CDU – Albrecht Pallas, SPD: Baden-Württemberg und Hessen, Herr Kollege!)

Kein Kritiker muss deshalb verstummen oder dies gar akzeptieren, wie der Ministerpräsident meint. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wer in einem solch sensiblen Bereich wie dem Polizeirecht mit derart hanebüchenem Populismus agiert und dann noch berechtigte Kritik diffamiert, der zeigt, dass die offenbare Angst vor einer krachenden Niederlage vor dem Verfassungsgerichtshof sehr groß sein muss

(Martin Modschiedler, CDU: Das wissen Sie genau! – Steve Ittershagen, CDU: Das kann doch wohl nicht wahr sein! – Weitere Zurufe von der CDU)

aus Sicht der GRÜNEN-Fraktion zu Recht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beim letzten Plenum rechtfertigte der Ministerpräsident das neue Polizeigesetz noch mit mehr Härte. Der Sinn des liberalen Rechtsstaates ist es aber nicht, Härte gegenüber der Bevölkerung zu zeigen, sondern mit aller Macht die Grundrechte gegenüber Eingriffen des Staates zu schützen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf des Abg. Steve Ittershagen, CDU)

Davon nehmen Sie mit diesem Gesetzentwurf weiter Abstand, als es unsere Freiheit verträgt.

In einer Situation, in der die Sicherheitslage in Deutschland und in Sachsen so gut ist wie kaum zuvor,

(Svend-Gunnar Kirmes, CDU: Rettet die Straftäter!)

schüren Sie mit neuen Überwachungsinstrumenten einen Generalverdacht gegen die Bürgerinnen und Bürger und öffnen dem Präventivstaat Tür und Tor.

(Ines Springer, CDU: Enteignung!)

Dabei sind Sie nicht einmal im Ansatz dazu in der Lage, die Notwendigkeit neuer, schwerster Eingriffsbefugnisse zu begründen; denn in Ihrem Traum vom Rechtsstaat als Eingriffsstaat scheint Ihnen die Erkenntnis verloren gegangen zu sein,

(Steve Ittershagen, CDU: Wir brauchen keine Belehrung!)

dass Grundrechtseingriffe in einem Rechtsstaat zunächst einmal geeignet und erforderlich sein müssen.

Ich mache Ihnen diese Schieflage an zwei Beispielen deutlich. Sie weiten die Befugnisse für die Kfz-Kennzeichenerfassung aus, ebenjene Kfz-Kennzeichenerfassung, die sich als weitgehend nutzlos im Kampf gegen den KfzDiebstahl erwiesen hat, weil in guten Jahren gerade einmal eine höhere einstellige Anzahl an gestohlenen Kfz gefunden wird. Dies wollen Sie nun bei wohlgemerkt rückläufiger Zahl von Kfz-Diebstählen ausweiten.

(Zuruf des Abg. Albrecht Pallas, SPD)

Das zeigt doch: Bei diesem Gesetz geht es nicht darum, Kriminalität zu bekämpfen, sondern darum, neue Überwachungsmethoden zu etablieren und das nicht einmal zu kaschieren.

Ähnlich deutlich wird dies bei der präventiven Telekommunikationsüberwachung. Ihre Notwendigkeit begründen Sie mit der Abwehr terroristischer Gefahren. Sie verschweigen aber, dass für terroristische Gefahren das BKA zuständig ist und es aufgrund der Änderungen des Strafgesetzbuches in den letzten Jahren kaum noch möglich ist, eine terroristische Handlung zu erdenken, ohne bereits eine Straftat begangen zu haben. In diesem Fall greift dann eben die StPO und nicht das Polizeigesetz. Sie brauchen also die präventive Telekommunikationsüberwachung gar nicht für die Bekämpfung des Terrorismus.

(Carsten Hütter, AfD: Was?!)

Vielmehr geht es Ihnen wie immer darum, Befugnisse einzuführen mit der vermeintlichen Erklärung, sie im Kampf gegen den Terrorismus zu gebrauchen und sie dann für weit weniger schwere Gefahren einzusetzen. Es ist dasselbe Spiel wie seit Jahren, mit dem die Sicherheitsgesetze in der Bundesrepublik Deutschland in einer Spirale von nicht hinzunehmenden Bürgerrechtseingriffen verschärft werden, das Sie heute mit diesem Gesetzentwurf weitertreiben.