Ich fahre in meiner Rede fort. – Je tiefer die Polizei in Grundrechte eingreift, desto höher müssen auch die gesetzlichen Hürden sein. Das haben wir selbstverständlich beachtet. Deswegen haben viele der Befugnisse, die es schon gibt oder die wir neu einführen, einen Richtervorbehalt. Beispielhaft: die Aufenthaltsanordnung oder das Kontaktverbot nach § 21, der Gewahrsam nach §§ 22 und 23 ff. oder die Maßnahmen zur Telekommunikationsüberwachung.
Der Staat muss in begründeten Fällen in Grundrechte seiner Bürgerinnen und Bürger eingreifen dürfen, um Gefahren zu verhindern. Aber dies muss möglichst mit offenem Visier geschehen und gerichtlich überprüfbar sein. Das macht den Rechtsstaat aus, meine Damen und Herren.
Deshalb sind für die SPD-Fraktion die Polizeikennzeichnungspflicht und die Stärkung der polizeilichen Beschwerdestelle mindestens genauso wichtige Themen wie die Entscheidung über die einzelnen Polizeibefugnisse.
Nun kann in einer Koalition zwischen zwei so unterschiedlichen Partnern nicht jeder Wunsch erfüllt werden. Das ist nun einmal so. Es ist bekannt, dass die CDUFraktion die rechtsstaatliche Normalität der polizeilichen Kennzeichnungspflicht ablehnt. Natürlich setzen wir uns als SPD-Fraktion weiterhin für eine anonymisierte Kennzeichnung ein mit der Möglichkeit, den konkreten Code auch zu wechseln.
Aber: Für mehr Transparenz wird ganz konkret die Aufwertung der Beschwerdestelle sorgen. Diese wurde doch überhaupt erst durch unser Betreiben im Jahr 2016 eingeführt, meine Damen und Herren. Mit dem Polizeigesetz entwickeln wir sie zur unabhängigen Vertrauens- und Beschwerdestelle. Sie bekommt eine gesetzliche Grundlage. Wir erleichtern es den Polizisten, sich dorthin zu wenden. Sie wird unabhängig von Polizeistrukturen – – Aus unserer Sicht wäre es optimal, sie an den Sächsischen Landtag zu geben;
aber mit dem Kompromiss, sie bei der Staatskanzlei anzusiedeln, bin ich sehr zufrieden. Im Übrigen ist das die Regelung, die auch im Bundesland Sachsen-Anhalt angewendet wird, in dem meines Wissens CDU, SPD und GRÜNE regieren.
Dazu komme ich gleich noch, jetzt der Reihe nach. – Seit September letzten Jahres, seitdem der Gesetzentwurf im Landtag behandelt wird, haben verschiedene Befassungen in den Ausschüssen stattgefunden. Die Anhörungen waren aus meiner Sicht wichtig, denn es ging darum, den Gesetzentwurf durch die Expertinnen und Experten zu hinterfragen und auf mögliche Fehlstellen abklopfen zu lassen. Es gab auch zahlreiche Briefe von Institutionen und Organisationen mit Änderungsvorschlägen oder pauschaler Kritik. Als SPD-Fraktion haben wir jeden dieser Kritikpunkte genau geprüft und an vielen Stellen ebenfalls Änderungsbedarf am Gesetzentwurf erkannt.
So haben wir mehr Transparenz, bessere Kontrolle und mehr Betroffenenrechte durchgesetzt, beispielsweise bei der zentralen Vertrauens- und Beschwerdestelle und bei der Ausweitung der Kontrollrechte des Sächsischen Datenschutzbeauftragten. Wir erweitern die Berichtspflichten an den Landtag, zum Beispiel bei den Themen Aufenthaltsgebot und Bodycam.
Über den Entwurf hinaus wird es eine Evaluation von Aufenthaltsverbot und Kontaktverbot, von Bodycam und automatisierter Kennzeichenerfassung sowie elektronischer Aufenthaltsüberwachung geben. Wir stellen bei der neu eingeführten Bodycam im Gesetz klar, dass die Betroffenen ein Einsichtsrecht in die Aufnahmen haben. Es gibt noch viele andere Änderungen mehr.
Damit setzen wir auch Punkte um, die sich aus den beiden Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom
18. Dezember 2018 zu Kfz-Kennzeichenkontrollen in den Polizeigesetzen Bayerns, Baden-Württembergs und
Auch die Staatsregierung hat das auf unser Bitten hin geprüft und uns bescheinigt, dass die konkreten Änderungen, die wir an dem Gesetz jetzt vornehmen, dazu führen, dass das Gesetz verfassungskonform bleibt.
Wir haben uns selbstverständlich auch intensiv mit der Stellungnahme des Sächsischen Datenschutzbeauftragten beschäftigt, der uns im Übrigen auch für die konkreten Regelungen bei der Bodycam gelobt hat und der einen Formulierungshinweis in Bezug auf die Regelungen über die Berufsgeheimnisträger gegeben hat – das haben wir im letzten Rechtsausschuss auch noch direkt geändert –, und er hat sich auch mit den Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen auseinandergesetzt.
Der Datenschutzbeauftragte als Institution sieht ein Restrisiko trotz Anpassungen am Gesetz: dass es eventuell verfassungswidrig sein könnte. Er muss in seiner Rolle auch besonders kritisch sein. Die Staatsregierung hat das überprüft, wir haben es überprüft, andere haben es über
Im Ergebnis wurde der Gesetzentwurf der Staatsregierung durch den Innenausschuss am 28. März auf Antrag von SPD und CDU in wesentlichen Punkten geändert. Nicht zuletzt haben wir dadurch die Verfassungskonformität des sächsischen Polizeirechts gewahrt. Vor allem aber sind damit unsere Ziele für das Polizeigesetz erfüllt. Es wird nicht nur modernisiert, sondern Freiheit und Sicherheit bleiben in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander.
Dafür möchte ich zum Abschluss einen Mann zu Wort kommen lassen, der das sächsische Gesetz, aber auch das bayerische Polizeiaufgabengesetz gut kennt, weil er in beiden Gesetzgebungsverfahren als Sachverständiger gewirkt hat. Es ist der bayerische Richter am Landgericht München I Markus Löffelmann. Einige Änderungsvorschläge von ihm haben wir übrigens umgesetzt. Richter Löffelmann beklagte in einer Anhörung im Bayerischen Landtag zum dortigen Polizeigesetz einen Paradigmenwechsel. Ihm zufolge erhalte jeder bayerische Polizist mehr Befugnisse bei der Gefahrenabwehr als das Bundeskriminalamt im Kampf gegen den Terror.
In der Anhörung zum Sächsischen Polizeigesetz sagte er wörtlich: „Vor diesem Hintergrund sehe ich in dem gegenständlichen Entwurf eines Polizeivollzugsdienstgesetzes eine durchaus erfreuliche Ausnahmeerscheinung, denn dieser Entwurf enthält sich weitgehend dem Bestreben, neue eingriffsintensive und verfassungsrechtlich heikle polizeiliche Befugnisse zu schaffen, sondern er setzt mehr auf strukturelle Neuerungen, die die Rechtsmaterie besser handhabbar machen. Der Entwurf lässt nach meinem Eindruck durchgehend ein Bemühen um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Eingriffsintensität in polizeilichen Befugnissen und den Freiheitsinteressen Betroffener erkennen. Dieser defensive Ansatz ist meines Erachtens zu begrüßen.“
Nachzulesen auf Seite 19 des Wortprotokolls der öffentlichen Anhörung vom 19. November 2018 zum Gesetzentwurf.
Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen hier verraten, dass dieser Sachverständige weder von der CDU noch von uns vorgeschlagen wurde.
Meine Damen und Herren, ich muss dem nichts mehr hinzufügen. Die SPD-Fraktion wird dem Gesetzentwurf zustimmen.
sprechen heute über das neue Sächsische Polizeigesetz. Das ist das umstrittenste und wahrscheinlich auch wichtigste Gesetz in dieser Legislatur. Wir werden uns bei dieser Abstimmung sehr wahrscheinlich enthalten, da ich davon ausgehe, dass Sie sich möglicherweise von den guten Argumenten für unsere späteren Änderungsanträge nicht überzeugen lassen werden.
In Teilen geht dieses Gesetz nicht weit genug – es sind gute Ansätze vorhanden – und in anderen Bereichen schießt man über das Ziel hinaus. So kann man das zusammenfassen; deswegen ist es gar nicht leicht, hier zu einem einhelligen Ergebnis zu kommen.
Ich möchte einmal kurz in die Debatte einsteigen, wie sie auch in der Öffentlichkeit geführt worden ist. Es ist vom Innenminister Wöller immer wieder angesprochen worden, die sächsische Polizei brauche die Befugnisse wegen dieser Terrorlagen, die wir in Deutschland haben, der hohen abstrakten Gefahr, die in diesem Land besteht.
Zum Ersten ist festzustellen, dass zunächst einmal das BKA zuständig ist. Wenn dann doch noch eine Lücke herrscht, die wir in Sachsen füllen könnten, dann sollten wir sie füllen. Aber wichtig ist eben auch, dass zuallererst das BKA dran ist. Außerdem müssen wir uns klarmachen, seit wann diese Lage eigentlich eingetreten ist: seit dem Jahr 2015.
Wir müssen jetzt in Deutschland mit Anschlägen rechnen. Vorher gab es diese abstrakte Gefahr in dieser Art und Weise nicht. Nur deswegen müssen wir unsere Polizei jetzt mit Panzerwagen ausstatten, nur deswegen müssen wir unseren SEKs Maschinengewehre in die Hand geben und sie Handgranaten einsetzen lassen können, wenn es irgendwann so weit ist. Das ist die Wahrheit.
Richtig ist auch, an dieser Stelle einmal ganz klar zu sagen, dass Herr Ministerpräsident Kretschmer, so wie er hier sitzt, im Jahr 2015 Abgeordneter des Deutschen Bundestages gewesen ist und nichts dafür getan hat, dass diese Lage nicht eintritt. Ich habe keine öffentliche Verlautbarung gehört. Sie waren damals auch Generalsekretär der sächsischen CDU und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und hätten die Möglichkeit gehabt – Ihre Verbindungen nach Berlin sind ja sehr gut, Sie waren selbst dort.
Die GRÜNEN fanden das natürlich alles total toll. Wir wissen ja noch, wie Frau Katrin Göring-Eckardt im November 2015 gesagt hat, unser Land werde sich verän
In der Zwischenzeit sind natürlich einigen Leuten die Lichter aufgegangen, und das Lachen ist ihnen vergangen. Deutschland hat sich tatsächlich verändert.
Aber jetzt einmal von dieser ganzen Terrorfrage weg, die abstrakt im Raum steht: Es ist natürlich richtig, trotzdem an dem neuen Polizeigesetz zu arbeiten. Wir müssen die Befugnisse in den verschiedenen einzelnen Bundesländern angleichen, das ist richtig. Das alte Polizeigesetz musste überarbeitet werden, es musste angepasst werden, und deswegen ist es auch wichtig, dass wir über das Polizeigesetz sprechen.
Ich komme noch einmal auf die Punkte, die vielleicht ganz gut sind. Der erste ist die Angleichung unseres Polizeigesetzes an das der anderen Bundesländer, weil Beamte natürlich auch bei größeren Lagen in den unterschiedlichen Bundesländern tätig werden und dann zumindest mit ähnlichen Gesetzen arbeiten müssen.
Des Weiteren ist es ein guter Ansatz, dass wir die Ortspolizeibehörde von der Landespolizei trennen, dass wir quasi klare Zuständigkeiten schaffen. Dass wir das in zwei Gesetzen regeln, ist auch gut. Gut ist außerdem, dass wir unsere Kinder schützen wollen, indem man es den Polizeibehörden vor Ort ermöglicht, im Bereich um Schulen herum Alkoholverbote einzuführen. Das ist ja gut, aber eben nur im Ansatz, denn der Teufel steckt wie immer im Detail; darauf komme ich nachher bei den Änderungsanträgen noch einmal zurück, dabei werden wir Ihnen helfen, das Ganze auch praktisch zu machen.