Vielen Dank. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich vertrete gern meinen Kollegen Martin Dulig, der sich schon auf die Bundesratssitzung vorbereitet. Ich möchte zuallererst eines etwas schärfer zurückweisen: Das ist die Aussage, es gebe kein Interesse an der Fragestellung der Großen Anfrage bzw. an dem Thema Industrie 4.0.
Okay. Das ist eine Relativierung. Denn das SMWA hat sich von Anfang an und auch im Zusammenwirken mit den Betriebsräten und den Gewerkschaften dem Thema Mensch und Industrie 4.0 sehr intensiv zugewandt.
Zurück zu Ihrer Großen Anfrage. Ich finde diese Anfrage sehr spannend und ich denke, sie lohnt sich neben den Antworten, die ja viel mit Statistiken zu tun haben. Schon der Begriff der Digitalisierung und die Dinge, die damit verbunden sind, bedürften eigentlich einer Erklärung. Das Thema an sich ist von Interesse.
Ich will mit einem kleinen Erlebnis beginnen: Ich hatte am Montag im Rahmen meiner Gläsernen Werkstatt eine Veranstaltung zum Thema „Künstliche Intelligenz“. Zu dieser Veranstaltung hatte ich eingeladen zum einen unseren Prof. Mayr von der Technischen Universität Dresden, der sich mit der Entwicklung von Software und Hardware für die künstliche Intelligenz beschäftigt, und zum anderen Prof. Gerald Hüther, der vielleicht dem einen oder anderen als Hirnforscher bekannt ist.
Diese Diskussion war insofern spannend – und das steckt ja hinter dieser Frage –: Was erwartet uns eigentlich mit der künstlichen Intelligenz, was hier mit dem Begriff Digitalisierung ein Stück abgekürzt ist? Eigentlich geht es darum: Wie verändert sich unser Leben, unsere Arbeitswelt durch die künstliche Intelligenz? Welche Rolle spielt der Mensch darin? Ihre Frage heißt ja auch nicht frauenspezifische Auswirkungen, sondern geschlechtsspezifische Auswirkungen. Insofern stellt sich erst einmal grundsätzlich die Frage: Welche Auswirkungen hat eine veränderte Arbeitswelt, die durch künstliche Intelligenz, lernende Maschinen geprägt ist, auf unser Leben und auf die Arbeitswelt?
Neben dem technischen Aspekt, der von Prof. Mayr sehr bedient wurde, hat Gerald Hüther vor allem auf eines hingewiesen: Das Wichtigste, was wir erreichen müssen, um die Menschen auf diese Zeit, auf diesen Wandlungsprozess vorzubereiten, der viel Positives in sich birgt, ist ein Bildungssystem, das die Entfaltung von Kreativität, die Möglichkeit, auch Emotionalität zu erfahren, vorantreibt – ein Bildungssystem, das auf die Zeit der Arbeiten mit der künstlichen Intelligenz vorbereitet. Denn vieles, was unter dem Stichwort Digitalisierung abläuft – Automatisierung, autonomes Fahren oder autonomes Arbeiten von Maschinen –, wird Arbeitsplätze verdrängen, die heute vor allen Dingen von denjenigen ausgeübt werden, die ein vergleichsweise geringes Bildungsniveau haben, und diese Arbeitsplätze werden verschwinden. Diese Arbeitsplätze werden zunehmend – und das ist heute schon der Fall – von Maschinen, von autonomen Einrichtungen verdrängt werden.
Was bleibt übrig? Der Mensch mit seiner Kreativität, mit seinen Möglichkeiten, Ideen und Emotionalität zu entwickeln und mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten. Damit bin ich bei Ihrer Frage, die Sie gestellt haben. Ein sehr wichtiger Punkt ist, dass viele Frauen heute in Berufen arbeiten, die sogenannte personennahe Dienstleistungen sind, um es einmal mit einem technischen Begriff auszudrücken. Das sind der Pflegebereich, der Erziehungsbereich und der Bildungsbereich. Das sind
natürlich auch Verwaltungen. Das sind hausnahe Dienstleistungen und Weiteres mehr. Was bewirkt dort Digitalisierung oder – im weiteren Begriff – künstliche Intelligenz?
Ich bin vor 14 Tagen auf der Hannover Messe gewesen und war fasziniert von Einrichtungen, von Robotern, die mittlerweile durch Stützskelette dem Menschen den Halt und die Unterstützung geben, die er vielleicht selbst nicht hat. Pflege ist ein sehr schwerer Beruf, in dem meist Frauen arbeiten. Das kann man zukünftig mit autonomen Maschinen, mit Stützskeletten wesentlich erleichtern. Dadurch können sich die Menschen wieder darauf konzentrieren, dass Menschen für Menschen da sind und nicht für diese schwere körperliche Arbeit.
Ich belasse es bei diesen wenigen Punkten. Es ist in der Diskussion jetzt angesprochen worden, dass die vor uns stehende Entwicklung, in der wir zum Teil schon mittendrin sind, ambivalent ist. Sie wird unsere Möglichkeiten, an jedem Ort und nicht an einem festen Ort arbeiten zu müssen, verbessern. Wir können entscheiden, ob wir in einem Büro arbeiten, ob wir zu Hause arbeiten, ob wir am Morgen arbeiten oder ob wir am Abend arbeiten. Das wird aber nicht für alle der Fall sein. Eine Erzieherin bzw. ein Erzieher wird immer in der Kindertagesstätte sein müssen, da sie bzw. er die Arbeit am Menschen absolvieren muss.
In meinem Haus haben wir zum Beispiel gerade eine Musterdienstvereinbarung zur mobilen Arbeit für alle nachgeordneten Einrichtungen abgeschlossen, die jetzt in den Hochschulen, Kultureinrichtungen und bei uns im Haus nachvollzogen wird. Selbstverständlich ist es möglich, in Verwaltungen mobile Arbeit stärker auszuprägen, wenn wir in einem elektronischen Netzwerk arbeiten, wie wir es jetzt angefangen haben.
Ich muss sagen – das ist die Rückspiegelung; nicht nur das Finanzministerium, sondern auch wir haben mittlerweile viermal das Prädikat „Audit, Beruf und Familie“ erhalten –: In unserem Haus ist eine deutlich stärkere Befriedung eingetreten, gerade in dem Verhältnis zwischen Arbeit und Familie. Natürlich besteht die Gefahr, dass das in einem privaten Unternehmen ausgenutzt wird und man rund um die Uhr, 24 Stunden, erreichbar ist. Deswegen muss das Arbeitszeitgesetz gelten. Deswegen brauchen wir starke Gewerkschaften und Betriebsräte, die darauf achten, dass das Ganze geregelt abläuft und nicht dem Wildwuchs und dem Willen eines Unternehmers sowie dem Profit unterliegt.
Insofern gibt es große Unterschiede. Ich denke, das ist es auch wert, solche Diskussionen über die Veränderungen unserer Arbeitswelt zu führen – ob wir uns in einem geregelten System wie dem öffentlichen Dienst oder in einem privaten Unternehmen befinden, das nach anderen Mechanismen „tickt“. Sie wissen genau, dass die Möglichkeiten, die eine Landesregierung oder die Politik hat, auf private Unternehmen Einfluss zu nehmen, begrenzt sind. Deshalb kann ich noch einmal darin bestärken – das sage ich selbst im öffentlichen Dienst und auch in unseren
Bereichen –: Wir brauchen die Gewerkschaften und die Betriebsräte, die darauf achten, dass auch bei einem Wandel unserer Arbeitsgesellschaft bestimmte Regeln eingehalten werden, auch wenn dieser Wandel viel Positives enthält.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will nicht auf den Inhalt der einzelnen Fragen eingehen. Gerade die Menschen im Osten sind darauf vorbereitet, einen Wandel mitzugestalten. Wir haben in den Neunzigerjahren einen der größten Veränderungsprozesse, den man vielleicht durchmachen kann, durchschritten. Wir haben erfahren, was es bedeutet, wenn der Kapitalismus entfesselt wird und wenn bestimmte Regelungen nicht mehr gelten. In Sachsen sind zum Beispiel sehr viele Betriebe nicht tarifgebunden. Das ist natürlich ein Einfallstor. Ein Betrieb, der nicht tarifgebunden ist, hat oftmals keine Betriebsräte. Das ist ein Einfallstor, um die Möglichkeiten, die die mobile Arbeit oder die Industrie 4.0 bieten, zulasten der Beschäftigten auszunutzen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich, auch im Auftrag meines Kollegen, für die Große Anfrage, auch wenn viele Fragen vielleicht nicht präzise genug gestellt worden sind.
Möglicherweise existieren an der einen oder anderen Stelle keine Statistiken. Durch Modellvorhaben und Studien, die das SMWA angestoßen hat oder die es im Zusammenwirken mit den Gewerkschaften auf den Weg bringt, sind wir dabei, in diesem Prozess mehr zu erfahren über die Wandlungen des Arbeitsmarktes und die Auswirkungen auf die verschiedenen Berufsfelder, die auch geschlechtsspezifisch sind. Machen wir uns doch nichts vor: Es geht nicht so sehr um die Geschlechtsspezifik, sondern darum, in welchem Beruf der Wandel stattfindet.
Es gibt bestimmte Berufe, die frauentypisch sind, und wir müssen endlich einmal aus dem Rollenbild herauskommen. Dieses Rollenbild, das nach wie vor durch das Bildungssystem und durch Traditionen geprägt wird, führt dazu, dass viele Frauen zum Beispiel nicht in den Ingenieurwissenschaften tätig sind und die künstliche Intelligenz heute nicht mitgestalten können. Wir müssen erreichen, dass sie selbst auf diesen Prozess Einfluss nehmen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir können hier nicht diskutieren, sondern ich kann nur Ihre Fragen beantworten. Dabei will ich es belassen. Nochmals vielen Dank für die Anfrage. Ich denke, der Entschließungsantrag ist überflüssig; denn das SMWA und die anderen Ministerien arbeiten an diesem Prozess, soweit es uns mit dem heutigen Kenntnisstand möglich ist.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe inhaltlich die wichtigsten Punkte für den Entschließungsantrag schon vorgetragen – und, nein, ich halte ihn natürlich nicht für überflüssig. Ich sage auch gleich noch kurz, warum.
Ich möchte mich aber zunächst auch für die wirklich spannende Diskussion unter den demokratischen Fraktionen bedanken.
Sie haben ja nicht nur von Frau Meier von den GRÜNEN und von uns natürlich, sondern auch vom Koalitionspartner SPD viele Gründe dafür gehört, warum diese Große Anfrage nötig war, und deswegen ergibt sich daraus, warum der Entschließungsantrag nötig ist.
Ich möchte noch eins hinzufügen: dass es wichtig ist, bei der Umsetzung dieses Antrages – sollten wir ihn heute doch beschließen – darauf zu achten, die weibliche Perspektive tatsächlich auch einzubeziehen; also nicht wieder Männer über die geschlechtsspezifischen Auswirkungen reden zu lassen, sondern Frauen. Wenn ich dann von meinem Kollegen Brünler höre, dass sich bei der Konferenz „Arbeit 4.0“ am 28.03.2019 wieder nur eine Frau aufs Podium verirrt hat, dann ist das auch ein Teil des Problems, denn wir werden diese weibliche Perspektive nur dann wirklich in die Überlegungen einbeziehen, wenn sie auch laut wird und auch auf den Podien mit gehört wird.
Ich bitte Sie sehr, dem Entschließungsantrag zuzustimmen und keine Zeit mehr verstreichen zu lassen. Dann würde ich vorschlagen, dass die leider nicht anwesenden Ministerinnen und Minister Dulig und Köpping das gemeinsam zur Chefinnen- und Chefsache machen, weil das genau die Kooperation ist, die an dieser Stelle fehlt.
Einen Punkt möchte ich doch noch sagen, der ganz deutlich macht, warum dieser Entschließungsantrag alles andere als überflüssig ist: Es waren nicht die Fragen unspezifisch gestellt, sondern es gibt einfach in so vielen Bereichen keine geschlechtsspezifischen Angaben. Darauf bezieht sich ja Punkt II.5, dass die Geschlechterperspektive grundsätzlich in alle Studien, Analysen und Untersuchungen zur Digitalisierung der Arbeitswelt aufzunehmen ist. Würden wir das tun, dann könnten wir natürlich mit einem ganz anderen Datenmaterial viel besser gegensteuern und dann würden die Handlungsoptionen auf jeden Fall auf der Hand liegen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich verweise nochmals auf die Digitalisierungsstrategie des Freistaates Sachsen „Digital“.
Diese wird gerade novelliert. Und noch eine Bitte an Sie, Frau Buddeberg: Schieben Sie uns Frauen doch bitte nicht immer in die Opferrolle!
Jetzt muss ich doch nochmal ans Mikro treten, Frau Präsidentin, wenn Frau Kuge hier ans Mikro tritt und dann die gesamte Männermannschaft klatscht.
Frau Buddeberg, wir werden – ich habe es vorhin schon gesagt – selbstverständlich dem Antrag zustimmen. Auch wenn die Digitalisierungsstrategie jetzt fortgeschrieben wird, bin ich doch tatsächlich sehr gespannt, ob die Geschlechterperspektive tatsächlich mit aufgenommen wird, denn wenn dem so wäre, dann wäre das in der Rede noch einmal herausgestellt worden. Das ist offensichtlich nicht der Fall. Vielleicht wird das jetzt nach dieser Rede, nachdem wir das heute hier alle angesprochen haben, noch nachgeholt.
Also, wie gesagt, ich finde es absolut richtig und es ist notwendig – deswegen werden wir dem zustimmen.