Protokoll der Sitzung vom 11.04.2019

Es gibt auf Bundesebene ebenfalls AfD-Initiativen. Auf die Gewinnsteigerungen gehe ich gleich ein.

Zu Frau Schaper ganz kurz: Das Pflegewohngeld unterscheidet sich schon von unseren Forderungen; wir können das aber gern in einem persönlichen Gespräch noch einmal erörtern, um die Unterschiede hierbei aufzuzeigen.

Herr Zschocke, Sie werfen uns Herumdoktern vor. Wenn Sie wollen, krame ich einmal die Anträge aus, die Sie in letzter Zeit gestellt haben. Ich meine, dabei werden wir sehr viele finden, bei denen Sie ebenfalls an irgendwelchen Gesetzen herumdoktern. Da wäre Ihr Vorschlag einfach nicht angebracht.

Was die Gewinnsteigerungen angeht, so habe ich angesprochen – das ist auch in der Begründung zu finden –, dass es hier nicht um die kleinen Pflegeheimbetreiber geht. Diese sollen auch ihre Gewinne von 4 oder 5 % machen. Mir geht es um die großen Private-EquityFirmen. Das haben Sie, Herr Schreiber, ebenfalls weggewischt. Ich möchte Ihnen ganz kurz einige Daten liefern. Es geht hier um Private-Equity-Gesellschaften, die Unternehmen und deren Beschäftigte im medizinischen Bereich in Deutschland von 2013 bis zum ersten Halbjahr 2018 übernommen haben. Dabei gibt es die Unterkategorie Pflegeheim/Pflegedienst. Es wurden 48 Pflegeheime bzw. 38 Pflegedienste mit einer Beschäftigtenzahl von 36 953 übernommen. Das sind doch keine Peanuts! Diese Private-Equity-Unternehmen restrukturieren auf Kosten der Pflegebedürftigen; denn dort werden Renditen von 18 % erwirtschaftet, und das ist in meinen Augen nicht seriös.

(Beifall bei der AfD)

Das muss auch einmal gesagt werden.

Ich habe gesagt, dass der Gesundheits- und Pflegesektor mittlerweile der größte Zielsektor für Private-EquityGesellschaften ist. Das müssen wir verhindern. Wir müssen verhindern, dass Pflegekräfte benachteiligt und ausgebeutet werden. Dazu bedarf es natürlich bundes

rechtlicher Lösungen, die ich bis dato aber auf Bundesebene nicht sehe. Wir als AfD wollen, dass beispielsweise der Qualitätsaspekt stärker erlösrelevant wird, um genau Ebengenanntes zu verhindern. Das heißt, wenn, dann muss Qualität überwacht und geregelt werden, und das muss sich bei den Erlösen widerspiegeln.

Ein nächstes Thema ist, dass bei Leistungsverbesserungen auch der Beitragssatz zur Pflegeversicherung im Blick bleiben muss. Die Arbeitnehmer werden durch die hohe Steuerlast schon genügend zur Kasse gebeten. Deshalb müssen wir zuerst die versicherungsfremden Leistungen aus den Pflegeleistungen herausrechnen. Dort werden dann auch wieder Gelder freigemacht werden können.

Das sind also ganz einfache Forderungen, die auch in der Form nachvollziehbar sind. Deshalb ist Ihre Kritik eigentlich gar nicht angebracht. Sie können vielleicht einen anderen Weg gehen, das ist Ihnen auch überlassen. Wir haben diesbezüglich unsere Meinung und unseren Weg, und um diesen haben wir im Rahmen unseres Antrags geworben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Herr Schreiber, bitte, eine Kurzintervention oder etwas zur Diskussion.

Ein kurzer Redebeitrag, wenn es erlaubt ist.

Also im Rahmen der Redezeit, gut.

Herr Wendt – das gilt zumindest ein Stück auch für Frau Schaper, und das hat nichts mit Gleichsetzung oder sonst irgendetwas zu tun; ich weiß, dass Sie da sehr empfindlich sind –, mal eines zur Klarstellung: Ich habe an keiner Stelle gesagt, dass die Kostensteigerungen, die momentan stattfinden, normal oder einfach so hinzunehmen und überhaupt kein Problem wären und dass es für Politik nicht relevant sei, sich dem Problem zu stellen. Das können Sie an keiner Stelle im Protokoll nachlesen, weder gestern noch heute. Ich habe begründet, woraus die Kostensteigerungen, die momentan stattfinden, resultieren. Sie resultieren unter anderem auch daraus, dass wir seit 2013 insgesamt drei Pflegestärkungsgesetze haben, die in der Umsetzung nicht nur zur Kostensteigerung bei den Beitragszahlern der Pflegeversicherung führen, sondern auch zu Kostensteigerungen in den Pflegeeinrichtungen oder bei den mobilen Pflegediensten. Nichts anderes habe ich beschrieben.

Ich habe nicht gesagt, dass wir uns dem Problem nicht stellen müssten. Dass wir uns dem Problem stellen und dass das Thema längst in der Politik angekommen ist, das können Sie heute, wenn Sie einmal beim MDR nachfragen, ob Sie von der Sendung „Fakt ist!“ vom 18. Februar einen Mitschnitt bekommen – so haben Frau Schaper und ich schon einmal darum gebettelt, um das Thema Pflegevollversicherung versus Teilleistung/Teilkasko –, dann

können Sie genau nachvollziehen, dass ich das, was ich gestern und heute hier zum Deckeln von Eigenbeiträgen gesagt habe, schon in dieser Sendung favorisiert und auch gestern deutlich gesagt habe, dass ich mir wünsche, dass sich der Freistaat der Initiative aus den norddeutschen Bundesländern anschließt. Das alles können Sie dort nachvollziehen.

Das war am 18. Februar. Ihr Antrag ist vom 1. April, Herr Wendt! Sie tun jetzt einmal etwas als AfD. Sie hecheln dieser gesamten Diskussion natürlich hinterher. Frau Neukirch hat es gestern gesagt, auch Frau Schaper hat es irgendwo zugegeben, dass man ein so komplexes System wie die Pflegeversicherung nicht einfach von heute auf morgen umstülpen kann. Das müssten Sie, wenn Sie ehrlich sind, auch einmal zugeben!

Zum zweiten Punkt, den Sie vorhin angesprochen haben, den Gewinnsteigerungen. Herr Wendt, einmal kurze Nachhilfe nach fast fünf Jahren: Der Landtag, wenn er etwas beschließt, beschließt keine Begründungen. Er beschließt das, was Sie im Beschlusstext aufschreiben. In Ihrem Beschlusstext steht: „Effektive Maßnahmen zur Verhinderung von Gewinnsteigerungen von Pflegeeinrichtungen zulasten der Pflegequalität, der Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte oder der Kostenträger durchsetzen!“ usw. Es steht nichts davon darin, dass Sie das nur bei Heuschrecken wollen oder dass Sie das nur ab einer bestimmten Gewinnmarge wollen, sondern es steht allgemeingültig darin. Vielleicht werden Sie sich einmal darüber klar, dass der Gewinn für einen Unternehmer – in der Pflege sind mindestens 50 bis 60 % der Unternehmungen privatwirtschaftlich organisierte – gleichzeitig auch der Lohn des Unternehmers ist, der das wirtschaftliche Risiko trägt, so wie der Lohn des Angestellten in der Pflege eben der Lohn ist. Dann stellen Sie sich auch nicht hin und sagen: „Da muss man jetzt einmal schauen, dass nicht der Lohn bei den Leuten zu hoch wird.“

Also bleiben Sie doch einmal realistisch! Führen Sie die Diskussion einmal nicht so abgekürzt und so kurzfristig: „Wir lösen jetzt schnell einmal ein Problem, weil da ein paar E-Mails gekommen sind.“ Wir haben da ein Problem, und es ist mittlerweile klar, dass dieses Problem dringend einer Lösung bedarf.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt eine Kurzintervention. Bitte, Herr Wendt.

Herr Schreiber, wenn Sie jetzt darlegen, dass Sie mit Ihren Vorschlägen schneller waren als wir mit unserem Antrag, dann frage ich mich: Wo ist denn Ihr Antrag? Wenn diese Sendung „Fakt ist!“ im Dezember ausgestrahlt worden wäre, dann wäre ich mit dem gleichen Vorschlag vorgegangen. Der Vorschlag liegt bei uns schon seit Längerem in der Schublade, um das nur kurz klarzustellen. – Das als Punkt 1.

Punkt 2, Herr Schreiber: Das, was wir formulieren, wenn es darum geht, Gewinnsteigerungen auf die Pflegebedürf

tigen und die Pflegekräfte abzuwälzen, hat zum Inhalt, dass wir eine Forderung aufgestellt haben. Wir geben in der Begründung ein Beispiel dafür, wie das funktionieren kann – extra für Sie, damit Sie es auch verstehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Es gibt noch eine Reaktion auf die Kurzintervention. Bitte, Herr Schreiber.

Herr Wendt, noch einmal: Der Beitrag war am 18. Februar. Das Thema, worüber wir hier reden, ist im Deutschen Bundestag angesiedelt. Wir ändern im Sächsischen Landtag nicht die Pflegeversicherung, und genau aus diesem Grund brauchen wir nicht im Sächsischen Landtag als Koalition einen Antrag zu machen; denn unsere Staatsregierung engagiert sich im Bund zum Beispiel über den Bundesrat. Dass es im Bundesrat hierzu Initiativen gibt, habe ich gestern ausgeführt, und das kann ich auch gern noch einmal ausführen. Das werde ich jetzt aber sein lassen. Also braucht die CDU-SPD-Koalition hier im Sächsischen Landtag nicht einen Scheinantrag zu stellen, nur um so zu tun, als würde uns das Thema beschäftigen, so wie das bei Ihnen der Fall ist.

(Zurufe von der AfD)

Meine Damen und Herren, gibt es jetzt noch Redebedarf im Rahmen der Redezeit?

(Unruhe im Saal)

Ich nahm an, wir wollen heute noch nach Hause gehen. Es gibt also keinen Redebedarf mehr. Dann erhält jetzt die Staatsministerin, die uns noch etwas sagen wird, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die zunehmende Pflegebedürftigkeit in einer älter werdenden Gesellschaft stellt uns alle – Politik und Gesellschaft – vor große Herausforderungen. Die Diskussion, so meine ich, hat das noch einmal eindrücklich verdeutlicht. Sie stellt uns nicht nur vor eine große Herausforderung, sondern führt auch zu einem wachsenden Finanzierungsbedarf innerhalb der Pflege. Noch einmal kurz die Zahlen: 2015 waren 166 792 Menschen im Freistaat Sachsen pflegebedürftig und im Jahr 2018 über 205 000 Menschen. Die Pflegereform war dazwischen. Ich denke, das wurde schon ausgeführt. Aber der Teil der Pflegebedürftigen steigt im Freistaat Sachsen. 75 % der Pflegebedürftigen werden zu Hause betreut. Das heißt, wenn wir im Land unterwegs sind und mit den Menschen sprechen, steht das Thema „Gutes Leben im Alter“ im Mittelpunkt. Das Thema „Gutes Leben im Alter“ bedeutet für unsere Menschen, so lange wie möglich zu Hause zu bleiben, auch wenn sie im Alter Unterstützung und Hilfe bei Pflege brauchen.

Unser Fokus liegt deshalb auch auf Beratung und Unterstützung vor Ort. Ich bin daher davon überzeugt, dass wir mit unseren regionalen Pflegedialogen, die wir im vergangenen Jahr begonnen haben und die wir weiter durchführen – am 13. Mai wird der Abschlussdialog hier in Dresden sein –, eine gute, eine richtige Richtung eingeschlagen haben. Es geht darum, konkrete Maßnahmen umzusetzen, die darauf zielen, die unermüdlich pflegenden Angehörigen, die zahlreichen ehrenamtlich Engagierten und die professionellen Pflegekräfte bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Hier müssen wir noch mehr Entlastung und Unterstützungsangebote, noch mehr Unterstützungsmöglichkeiten vor Ort in den Kommunen verankern.

Die pflegenden Angehörigen bilden eine tragende Säule im Pflegesystem. Ich glaube, das war aus den Vorreden gut herauszuhören. Dieses Engagement gilt es zu würdigen, und daher haben wir im vergangenen Jahr die Woche der pflegenden Angehörigen durchgeführt. Sie war für uns ein Schwerpunkt, um den pflegenden Angehörigen die Wertschätzung entgegenzubringen, die in der Vergangenheit vielleicht etwas zu kurz gekommen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bezüglich der stationären Pflege in Pflegeheimen teile ich die Ansicht, dass eine grundlegende Reform der Finanzierung der Pflegeversicherung zwingend erforderlich ist. Auch uns sind Briefe von Bürgern bekannt, die insbesondere die Steigerung des Eigenanteils in den sächsischen Pflegeheimen zum Inhalt haben. Als die Pflegeversicherung 1995 eingeführt wurde, lag der Eigenanteil bei null. Intention des Gesetzgebers war es damals bestimmt nicht, dass die steigenden Kosten zulasten der Pflegebedürftigen und deren Angehörigen gehen und diese eine individuell nicht mehr zumutbare Belastung spüren.

Ich möchte an dieser Stelle deutlich betonen, dass die gestiegenen Kosten nicht per se entstanden sind; denn wenn bessere Löhne für Altenpfleger und Altenpflegerinnen gezahlt werden, führt das zu höheren Kosten, und es war zwingend notwendig, dass die Einrichtungen endlich Verhandlungen durchführen konnten und eine angemessene Vergütung für die Pflegekräfte in den Verhandlungen erreicht haben. Ich denke, das war mehr als überfällig.

(Beifall bei der CDU)

Aber ohne eine grundlegende Reform wird die Pflege für manche Menschen nicht mehr finanzierbar sein, und die Situation wird sich noch verschärfen. Die Nachfrage der pflegerischen Versorgungsangebote ist sehr groß und wird im Hinblick auf die steigende Anzahl der Menschen mit Hilfs- und Pflegebedarf weiter wachsen. Dafür brauchen wir neue Wege, aber nicht nur wir im Freistaat Sachsen, sondern alle Bundesländer. Alle Bundesländer stellen sich dieser Thematik. Wir sitzen gemeinsam mit dem Bund am Tisch, diskutieren die Themen, und dort gehört es in erster Linie hin. Wir brauchen neue Ideen. Wir brauchen neue Konzepte, und die Pflegeversicherung muss auf eine breitere Basis gestellt werden. Aber dazu haben wir uns, glaube ich, gestern in der Debatte schon intensiv ausgetauscht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Freistaat Sachsen haben wir viele Maßnahmen auf den Weg gebracht; die will ich jetzt nicht einzeln aufführen. Es liegen aber noch viele Hausaufgaben vor uns. Der Bericht der Enquete-Kommission ist eine sehr gute Grundlage dafür. Das Thema Pflegewohngeld wurde heute schon mehrfach angesprochen. Das wird ein Thema sein, das näher beleuchtet und diskutiert werden muss. Wir haben im Haushalt 2019/2020 Gelder für niedrigschwellige Angebote enthalten, über 2 Millionen Euro pro Jahr, und 4 Millionen Euro pro Jahr, wenn es darum geht, demenzfreundliche Krankenhäuser umzugestalten, Hospize weiter zu finanzieren. Hier wurde finanzielle Haushaltsvorsorge getroffen.

Wir sollten bei der Diskussion, wenn es um die Finanzen geht, nicht aus den Augen verlieren, was in den Jahren 1990 und folgende im Freistaat Sachsen investiert wurde. Hier ist über 1 Milliarde Euro – Bund, Land und einzelne Kommunen haben mitfinanziert – in 332 Einrichtungen investiert worden. Daher haben wir einen gut aufgestellten stationären Bereich.

Ich bin davon überzeugt – auch das habe ich bereits gestern betont –, dass wir eine grundlegende strukturelle Weiterentwicklung der Pflegeversicherung brauchen. Wir brauchen aber die nötige Zeit dazu und sollten keine voreiligen Festlegungen treffen. Auch dafür werde ich mich beim Bund einsetzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Jetzt hören wir noch ein schnelles Schlusswort.

(Carsten Hütter, AfD: Die Geschwindigkeit wird jetzt auch vorgegeben! Wunderbar!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, es wird wirklich ein schnelles Schlusswort. – Emotionen sind bei diesem Thema normal und, solange sie nicht zu Beleidigungen führen, auch nicht schlimm. In dem Fall wurde keiner bei dieser emotionsgeladenen Debatte beleidigt. Diese Emotionen sind normal und gut, da es sich um ein wichtiges Thema handelt, das uns auch in den nächsten Jahren begleiten wird. Von daher war es gut, dass wir heute noch einmal über diesen Antrag fachlich fundiert diskutiert haben.

Ich möchte in meinem Schlusswort noch einmal kurz unsere Forderungen zusammenfassen und um Zustimmung bitten. Wir fordern auf Landesebene ein Konzept zur Investitionskostenfinanzierung von Pflegeeinrichtungen, wie es im § 9 SGB XI vorgesehen ist. Auf Bundesebene fordern wir eine Anhebung der Leistungsbeträge bei stationärer sowie häuslicher Pflege und die jährliche Anpassung an die Kostenentwicklung der Pflegesätze bzw. der Punktwerte im Leistungskomplexsystem. Wir fordern, dass die Kosten für die medizinische Behandlung in vollstationären Pflegeeinrichtungen von den Kranken

kassen finanziert werden, und wir fordern, dass die Beitragssatzsteigerungen in der sozialen Pflegeversicherung durch Zahlung eines Bundeszuschusses gedämpft werden.