Protokoll der Sitzung vom 11.04.2019

kassen finanziert werden, und wir fordern, dass die Beitragssatzsteigerungen in der sozialen Pflegeversicherung durch Zahlung eines Bundeszuschusses gedämpft werden.

Das sind einfache, nachvollziehbare Forderungen, und wir bitten diesbezüglich um Zustimmung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Ich lasse jetzt abstimmen über die Drucksache, die wir soeben behandelt haben. Wer möchte die Zustimmung geben? – Die Gegenstimmen, bitte? – Die Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen, oh doch, zwei Stimmenthaltungen, wenige Stimmen dafür. Damit ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt worden.

Erklärung zu Protokoll

In den vergangenen Jahren wurden die Leistungen der Pflegeversicherung, insbesondere für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen, deutlich verbessert. Vor allem ist der Personenkreis größer geworden, der auf Leistungen der Pflegeversicherung vertrauen kann. Zugleich erhalten die Menschen früher Leistungen aus der Pflegeversicherung und können länger zu Hause bleiben.

In seiner jetzigen Struktur kann die Pflegeversicherung die Herausforderungen, die auf uns zukommen, nicht mehr ausreichend bewältigen, wenn die Zahl der Hochaltrigen und der Pflegebedürftigen steigt.

Wir müssen deshalb neue Wege gehen, damit die Menschen die Hilfe bekommen, die sie brauchen. Die finanziellen Lasten müssen stärker gemeinsam getragen werden. Arbeit in der Pflege muss endlich Wert und Wertschätzung erfahren.

Wir als SPD wollen bessere Qualität, bessere Arbeitsbedingungen und bessere Löhne in der Pflege. Die Bezahlung in der Pflege ist nicht gerecht. Beschäftigte in der Altenpflege sind durch eine mehrjährige, anspruchsvolle Ausbildung hoch qualifiziert, sie haben einen Beruf, der geistig und körperlich fordernd ist. Sie tragen viel Verantwortung für das Wohlergehen von Menschen. Aber ihr Einkommen liegt gerade auch in Sachsen weit unter dem Durchschnittslohn für eine Vollzeitbeschäftigung in Deutschland.

Ein Grund auch für die großen Gehaltsunterschiede in Deutschland sind fehlende Tarifverträge. Besonders niedrig ist die Bezahlung im Bereich der ambulanten Altenpflege, wo besonders selten nach Tarif gezahlt wird.

Wir werden künftig deutlich mehr Pflegepersonal und eine bedarfsgerechte Personalbemessung brauchen, wenn wir in Zukunft eine hochwertige und würdevolle pflegerische Versorgung sicherstellen wollen.

Wir wollen für die steigende Zahl von Hochaltrigen und Pflegebedürftigen gerüstet sein und zugleich die Berufe in der Pflege nachhaltig aufwerten. Dazu müssen wir für die Pflege vor allem bessere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen durchsetzen. Denn Pflegeberufe werden nur attraktiver, wenn sie besser bezahlt und die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Dazu zählt an erster Stelle,

dass es für Arbeit in der Pflege einen Tarifvertrag gibt, der für alle gilt.

Wir unterstützen alle Anstrengungen, gemeinsam mit den Sozialpartnern tarifliche Mindestbedingungen für alle in der Pflege Beschäftigten zu erreichen. Es ist ein gutes Signal, dass freigemeinnützige Träger und kirchliche Träger der Altenpflege gemeinsam mit der Politik und den Gewerkschaften einen Weg zu angemessenen Lohnbedingungen in der Pflege finden.

Dafür soll im SGB XI eine Regelung geschaffen werden, die die Refinanzierung von Pflegeleistungen an die Geltung von Tarifverträgen bindet. Nur ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag sichert der Arbeit in der Pflege ihren angemessenen Wert.

Mehr Personal, bessere Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen in der Pflege bedeuten, dass wir mehr Geld für eine bessere Pflege brauchen. Die Pflege muss in Zukunft anders und stärker solidarisch finanziert werden. Wir brauchen mehr Pflegepersonal und bessere Leistungen. Aber höhere Kosten dürfen nicht zulasten der Pflegebedürftigen und ihrer Familien gehen, weil deren Eigenanteil ständig wächst.

Pflegebedürftige und ihre Angehörige können ihren Eigenanteil für pflegebedingte Kosten nicht beeinflussen. Pflegebedürftigkeit ist mit einem hohen Risiko verbunden, am Ende des Lebens Sozialhilfe in Anspruch nehmen zu müssen. Die Eigenanteile zu den eigentlichen Pflegekosten im Pflegeheim sind regional sehr unterschiedlich und liegen derzeit deutschlandweit durchschnittlich bei 618 Euro monatlich.

Bisher gilt, dass die Höhe des Eigenanteils nach oben offen ist und der von der Pflegeversicherung finanzierte Anteil festgelegt ist. Betroffene müssten befürchten, bedürftig zu werden, wenn ihre Ersparnisse aufgebraucht sind. Wir wollen einen grundlegenden Wechsel einleiten: Nicht die Leistungen der Pflegeversicherung werden begrenzt, sondern die Eigenanteile der Pflegebedürftigen. Zukünftige Kostensteigerungen werden solidarisch über einen Mix aus moderat steigenden Beiträgen und einem dynamischen Bundeszuschuss finanziert. Die Länderinitiative von Hamburg, Berlin, Bremen und SchleswigHolstein im Bundesrat setzt hier das richtige Signal.

Weitergehendes Ziel ist die Pflegevollversicherung, wie ich es gestern bereits in der Debatte zum LINKEN-Antrag ausführte.

Zum Antrag der AfD-Fraktion:

Punkt 1 möchte ein Investitionsprogramm analog zur Krankenhausinvestitionsverantwortung der Länder. Ich weiß nicht, ob Ihnen klar ist, was das bedeutet. Für 78 Krankenhäuser in Sachsen werden jährlich 130 Millionen Euro an Investitionsunterstützung gezahlt. Grundlage ist ein Krankenhausplan, der gesetzlich fixiert ist und der eine strenge Bettenbedarfsplanung vornimmt.

Im Bereich der Pflege reden wir von 970 Einrichtungen und 1 120 ambulanten Pflegediensten. Nicht nur der

finanzielle, sondern auch der Planungsaufwand, der hinter einer solchen Landesinvestitionsförderung steht, wäre also in der Pflege um einiges größer als bei den Krankenhäusern. Zudem stellt sich die Frage, wie dann Pflege zu Hause unterstützt werden soll – oder soll sie aus einer solchen Landesförderung herausfallen?

Weiter ist die Frage, ob sie dann tatsächlich eine Pflegeplatzplanung im Detail aufbauen und haben wollen. Das Ganze wäre mit einem enormen bürokratischen Aufwand verbunden und hilft ganz sicher nicht kurzfristig den Pflegebedürftigen. Deshalb lehnen wir den Antrag ab.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 13

Zeugnisverweigerungsrecht für Fansozialarbeit und für weitere staatlich

anerkannte Sozialarbeiter(innen) und Sozialpädagog(inn)en schaffen

Drucksache 6/16865, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,

mit Stellungnahme der Staatsregierung

Die Fraktionen können dazu Stellung nehmen in der Reihenfolge BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, DIE LINKE, SPD, AfD und die Staatsregierung, wenn sie das wünscht. Ich erteile jetzt der einreichenden Fraktion das Wort. Herr Lippmann, bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit unserem Antrag fordern wir, dass sich die Staatsregierung über den Bundesrat für eine Änderung der Strafprozessordnung einsetzen soll. Wir fordern ein Zeugnisverweigerungsrecht für Fansozialarbeit und für weitere staatlich anerkannte Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen. Das Recht, bei einer Vernehmung als Zeugin oder als Zeuge eine Aussage zu verweigern, gilt zum Beispiel für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Geistliche, Journalistinnen und Journalisten oder auch für jeden von uns hier in diesem Hohen Hause.

Grundsätzlich besteht vor deutschen Gerichten die Pflicht, wahrheitsgemäß auszusagen. Bei den genannten Berufsgruppen ist demgegenüber anerkannt, dass sie in einem besonderen Vertrauensverhältnis zu denjenigen stehen, die ihre Hilfe oder Sachkunde in Anspruch nehmen. Sie können vor Gericht die Aussage verweigern, wenn dieses besondere Vertrauensverhältnis betroffen ist.

Der § 53 StPO regelt diese Festlegung privilegierter Berufsgruppen abschließend. Seit mehreren Jahrzehnten ist es eine Diskussion, diesen Kreis zu erweitern um den Kreis der staatlich anerkannten Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sowie der staatlich anerkannten Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen. Dagegen wird nunmehr – und das ist ein alter Hut, so auch der Justizminister in der Stellungnahme zu unserem Antrag – ausgeführt,

dass dies dem Interesse an der vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren entgegensteht.

Sehr geehrter Herr Justizminister, mit der Argumentation kommen Sie nicht wirklich weit, denn dann müssten Sie das Zeugnisverweigerungsrecht gänzlich abschaffen. Vor diesem Hintergrund lohnt es sich durchaus, eine Debatte darüber zu führen, wo wir in der wissenschaftlichen Forschung und Weiterung der Debatte in den letzten Jahren stehen. Es geht stets um das konkrete Verhältnis zwischen einer Berufsgruppe und ihren Bezugspersonen und darum, ob diese ein Vertrauensverhältnis zueinander aufbauen.

Das Bundesverfassungsgericht hat, wohlgemerkt, vor langer Zeit anerkannt, dass es ein solches Vertrauensverhältnis in der beratenden Sozialarbeit durchaus gibt und es bedeutsam sei, allerdings nicht typischerweise auf den Erwartungen der Klienten gründet, dass diese den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern etwas anvertrauen und diese anschließend schweigen. Seit 1972 – so alt ist diese Entscheidung übrigens – hat sich allerdings viel geändert. Die Beschreibung von sozialer Arbeit, wie sie noch der Entscheidung zugrunde lag, entspricht heute schon längst nicht mehr der Praxis. Deutlich wird dies insbesondere in der Entwicklung des strafrechtlich abgesicherten Geheimnis- und Sozialdatenschutzes, der insbesondere in der Kinder- und Jugendhilfe mit umfassenden Schweigepflichten einhergeht.

Darauf geht der Justizminister leider nicht ein. Diese Schweigepflichten sind allesamt strafbewehrt. Nach § 203 StGB machen sich auch staatlich anerkannte Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen strafbar, wenn sie unbefugt fremde Geheimnisse offenbaren. Die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sind übrigens erst nach dem Einführungs

gesetz zum Strafgesetzbuch im Jahr 1973, also nach jener Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, überhaupt in das StGB aufgenommen worden.

Mit der Strafbewehrung der Geheimnisoffenbarung nach dem Strafgesetzbuch einerseits und dem gleichzeitig fehlenden Zeugnisverweigerungsrecht andererseits

werden Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter regelmäßig in schwierige Situationen gebracht, in denen sie sich entscheiden müssen, sich möglicherweise strafbar zu machen, weil sie ein Geheimnis offenbaren, oder eine Aussage zum Schutz des Vertrauensverhältnisses zu verweigern.

Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sind aber auf das besondere Vertrauensverhältnis zu ihren Klientinnen und Klienten angewiesen. Sie nehmen zu dessen Schutz sogar nicht unerhebliche persönliche Nachteile auf sich. So sind beispielsweise Fälle von Fansozialarbeitern bekannt, die vor Gericht Aussagen zu ihren Fanbeziehungen verweigerten und deshalb ein Ordnungsgeld auferlegt bekommen haben. Zeugniserzwingungshaften können hierbei sogar bis zur Beugehaft gehen.

Gerade ein so großer persönlicher Einsatz macht deutlich, wie wichtig der Erfolg von Sozialarbeit auf einem nachhaltigen Vertrauensverhältnis beruht und wie präsent den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern ist, was ihre Aussage vor Gericht zerstören kann. Es ist klar: Wird ein Sozialarbeiter gezwungen, sein Vertrauensverhältnis zu einem Klienten zu verletzen, so zerstört er nicht nur das, er kann auch zukünftig nicht mehr auf einem solchen bei anderen Klientinnen und Klienten aufbauen, weil seine Aussagepflicht wie ein Damoklesschwert über ihm schwebt.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Warum haben wir dieses Thema, das seit Jahren in der Bundesrepublik sehr allgemein diskutiert wurde, nun konkret mit dem Thema Fansozialarbeit verknüpft?

Das Vertrauensverhältnis zwischen Fansozialarbeiterinnen und -sozialarbeitern der Fanprojekte und den Fans wurde in Sachsen in den letzten Jahren nachhaltig beschädigt. Nicht nur der Überwachungsskandal in der Fußballszene in Leipzig traf gezielt die Fansozialarbeit, sondern auch die Durchsuchung des Dresdner Fanprojekts im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen Fußballfans wegen deren martialischen Auftritts im Jahr 2017 in Karlsruhe hatte zum Ziel, Informationen aus dem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Fansozialarbeit und den Fan zu ziehen.

Alle in diesem Haus wissen um die wichtige Arbeit gerade in der Fansozialarbeit durch die dort tätigen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter. Im Nationalen Konzept „Sport und Sicherheit“ wird anerkannt, dass Fanprojekte eine besondere Form der Jugend- und Sozialarbeit leisten. Ich zitiere: „Sie zeichnen sich durch einen szenenahen und sozialpädagogischen Zugang zu der aktiven Fanszene aus. Basis für eine erfolgreiche Fanarbeit ist ein durch intensive Beziehungsarbeit aufgebautes Vertrauensverhältnis der Zielgruppe.“

Gleichzeitig haben Sie, werte Kolleginnen und Kollegen der Koalition, in den letzten Jahren die entsprechenden Mittel für die Fansozialarbeit aufgestockt. Sie legen gleichzeitig viel Wert auf deren Bedeutung im Kampf gegen Gewalt im Sport.

Vor diesem Hintergrund hoffe ich, dass dieser Antrag heute eine Mehrheit findet. Wir GRÜNE sind der Auffassung: Wenn Sie auf die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter und ihre wichtige Arbeit auch im Bereich der Gewaltprävention setzen, dann sollten Sie das dafür wichtige Vertrauensverhältnis endlich gesetzlich anerkennen und sich für ein Zeugnisverweigerungsrecht von staatlich anerkannten Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern sowie staatlich anerkannten Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen einsetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zum Schluss noch eine kurze Anmerkung in Sachen Anerkennung von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern sowie Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen.