Ich komme nun zu Ihren Forderungen unter Punkt II. Hier fordern Sie unter erstens ein Konzept zur Investitionskostenfinanzierung von Pflegeeinrichtungen gemäß
§ 9 SGB XI. Aber ist das wirklich eine Forderung? Im SGB X § 9 heißt es, dass durch Landesrecht bestimmt werden kann, ob und in welchem Umfang eine im Landesrecht vorgesehene oder an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Pflegebedürftigen orientiere finanzielle Unterstützung gilt. Sie fordern die Staatsregierung auf, vielleicht etwas zu unternehmen, wenn sie es denn möchte. Warum fordern Sie nicht einfach verbindlich, dass der Freistaat die Investitionskosten in Pflegeheimen übernimmt, wenn Pflegebedürftige sich das nicht mehr leisten können? Das sollte doch zumindest dem Titel Ihres Antrages nach das Ergebnis eines solchen Konzeptes sein.
Die Idee – das muss ich leider auch sagen – ist überhaupt nicht neu, sondern einfach das vom Sozialministerium selbst bereits zur Sprache gebrachte Pflegewohngeld. Darauf hätten Sie einmal eingehen können, wenn Sie sich mit dem Inhalt beschäftigt hätten, was aber nicht klar benannt wird. Ich muss sagen, AfD, gut gedacht, schlecht nachgemacht.
Angesichts Ihrer weichen Formulierung der zu langen Frist, die Sie als AfD setzen wollen, könnte man fast auf die Idee kommen, Sie wollen schon heute Punkte sammeln für einen möglichen Koalitionsvertrag mit der CDU und ihr so wenig wie möglich wehtun.
Was den Punkt 2 angeht, so haben wir tatsächlich schlicht eine andere Vorstellung. Wir wollen, dass alle Kosten, die im Zusammenhang mit der Pflegebedürftigkeit eines Menschen stehen, von der Pflegeversicherung übernom
men werden. Dazu hatten wir gestern den Antrag „Pflegevollversicherung“ eingebracht und auch alles Notwendige gesagt. Es ist ein grundsätzlich anderer Ansatz, aber für uns der richtige. Die von Ihnen vorgeschlagenen Lösungen greifen zu kurz und überbrücken es aus unserer Sicht auch nicht adäquat.
Herr Schreiber ist auf Punkt d eingegangen. Wir sehen das völlig anders. Maßnahmen zur Verhinderung von Gewinnsteigerungen zu verhängen ist für uns der falsche Weg. Denn wir meinen, dass Pflegeeinrichtungen gar keine Gewinne machen dürfen. Das hatte ich bereits vorhin angesprochen: Gesundheit ist keine Ware und Daseinsvorsorge gehört klar in die öffentliche Hand.
Deswegen wollen wir auch eine Pflegeversicherung für alle, in die alle solidarisch einzahlen. Das tut dem aber keinen Abbruch. Wer das Geld hat, kann sich gern in private Einrichtungen begeben. Die sollten aber nicht steuerfinanziert sein. Beiträge zu gesetzlichen Sozialversicherungen dürfen unserer Auffassung nach nicht in Form von Gewinn bei privaten Konzernen und Anlegern landen. Gewinnmaximierung und maximal gute Versorgung von Pflegebedürftigen schließen sich aus, es sei denn, es wird überproportional bezahlt. Entweder möchte ich das eine oder das andere. In dieser Entscheidung ist man tatsächlich frei.
Der Antrag ist für uns nichts weiter als Kosmetik. Wir müssen aber die Finanzierung der Pflegeversicherung vom Kopf auf die Füße stellen. Das ist richtig. Dazu reicht Kosmetik nicht aus, sondern nur eine grundlegende Änderung. Daher lehnen wir den Antrag ab.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch die SPD-Fraktion wird den vorliegenden Antrag ablehnen. Ich schließe mich meinen zwei Vorrednern in der Begründung für die Ablehnung des Antrages an. Zu den Zielstellungen der Pflegeversicherung der SPD-Fraktion habe ich in meinem gestrigen Redebeitrag bereits viel gesagt. Deswegen gebe ich den Rest meiner Rede zu Protokoll.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die steigenden Pflegekosten sind ein ernst zu nehmendes Problem, das auf Bundesebene gelöst werden muss. Es darf nicht sein, dass ein Pflegefall zum Armutsfall wird, weil die Verbesserungen der Pflege dann eins zu eins von den Betroffenen selbst finanziell getragen
Ich möchte trotzdem noch einmal auf den Antrag der AfD eingehen. Die AfD spielt sich mit dem hier vorliegenden Antrag als Verteidiger der armen Leute auf. Sie spielen mit der Angst vor Armut im Alter und heucheln Unterstützung. Doch wer sich inhaltlich mit dem Antrag tatsächlich einmal konkreter auseinandersetzt, merkt schnell, dass dieser Antrag ihrer auch ansonsten proklamierten neoliberalen Wirtschaftspolitik des freien Marktes komplett widerspricht.
Plötzlich sollen wir hier beschließen, dass mit der Pflege keine Gewinne gemacht werden dürfen. Wie wollen Sie das machen?
Das geht immer zulasten der Pflegequalität und Arbeitsbedingungen beim Kostenträger, wenn Sie wollen, dass das Geld nicht aus dem System abfließen darf. Ich frage nicht: Wollen Sie die privaten Pflegedienste verstaatlichen? Wollen Sie die private Wirtschaft hier abschaffen? Natürlich darf das Geld nicht an internationale Finanzspekulanten oder Hedgefonds abfließen. Natürlich darf die Pflege kein lukrativer Markt für Aktionäre sein.
Wenn private Kapitalanleger hohe Gewinne aus der Pflege ziehen wollen, dann muss man ihnen natürlich den Riegel vorschieben. Sie liefern aber keinerlei Lösungen, wie das geschehen soll.
Mit diesem Antrag versuchen Sie sich lediglich, einen sozialen Anstrich zu verpassen. Dieser Sozialpopulismus, den Sie hier betreiben, ist aber nicht nur primitiv, sondern auch vollkommen unglaubwürdig. Denn Sie wollen einerseits mit Ihrem Antrag die Beitragssatzsteigerungen in der sozialen Pflegeversicherung durch Zahlung eines Bundeszuschusses dämpfen. Andererseits fordert aber Frau Weidel im Bundestag, dass wir die Haushaltsmittel für Soziales einsparen. Wenn es also populär erscheint, fordern Sie höhere Steuerzuschüsse; wenn es populär erscheint, dann tönen Sie von einer Reduzierung der Steuer- und Abgabenquote. Sie suggerieren, Interessenvertreter der Geringverdiener und Rentner zu sein, und machen gleichzeitig Politik für Wohlhabende, für Reiche und Superreiche – siehe Ihre Haltung zu Erbschafts- und Vermögensteuer usw.; das will ich nicht weiter ausführen.
Außerdem wollen Sie mit Ihrem Antrag die Krankenkassen verpflichten, die Kosten für die medizinische Pflege in stationären Einrichtungen zu übernehmen. Dafür gibt es im SGB IX gar keine Rechtsgrundlage – schon deswegen muss Ihr Antrag abgelehnt werden.
Die Finanzierung der medizinischen Behandlungspflege in stationären Pflegeeinrichtungen würde für die Krankenkassen Kosten von 2,6 bis 3,5 Milliarden Euro bedeuten. Schon allein diese Dimension zeigt, dass es hier die
Einbindung in ein viel größeres Gesamtkonzept braucht. Doch Sie kommen mit einem nur zweiseitigen Antrag! Sie doktern also mit Ihren bundespolitischen Forderungen an den Problemen herum, anstatt sie wirklich zu lösen.
Wir GRÜNEN machen uns mit der Pflege-Bürgerversicherung, zu der wir auch auf Bundesebene Anträge einreichen, stark dafür, dass alle je nach ihrem Einkommen einzahlen. Mit dem sogenannten Sockel-SpitzeTausch wollen wir den Eigenanteil der Pflegebedürftigen deckeln. Diese beiden Ansätze zusammen würden einen Hebel bilden, der wirklich Wirkung entfalten könnte. Sie hingegen produzieren mit Ihrem Antrag lediglich Überschriften – möglicherweise für Ihre Pressemitteilungen oder Facebook-Artikel. Das zeigt, wie wenig ernst gemeint Ihre Initiative ist. Wir lehnen diese ab.
Fazit: Der AfD-Antrag wird der Dimension des zugrunde liegenden Problems wirklich nicht gerecht. Einige Punkte sind darüber hinaus auch rechtlich angreifbar. Den Betroffenen helfen solche populistischen Initiativen wie diese nicht im Geringsten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Bekannte Simone hat eine 17-jährige Tochter. Als diese zwei Jahre alt war, bekam Simones Familie die Diagnose mitgeteilt, dass ihre Tochter schwerstbehindert sei und ein Leben lang ein Pflegefall sein würde.
Zwei Jahre später bekommt Simone Leukämie, es folgen sieben Monate Krankenhausaufenthalt; danach erhält sie eine kleine Rente wegen Berufsunfähigkeit. Simone pflegt ihre schwerstbehinderte Tochter, Pflegegrad 5, allein ohne Pflegedienst. Irgendwann sagt ihr der Gutachter, der ihre Berufsunfähigkeit bewertet: Wer pflegen kann, kann auch arbeiten. Ihre kleine Rente wird von da an gestrichen; sie und ihre Tochter leben seitdem vom Pflegegeld der schwerstbehinderten Tochter von aktuell 901 Euro im Monat sowie vom Einkommen des Ehemannes. Da er ein Einkommen hat, gibt es keine anderen Unterstützungsleistungen. Simone pflegt seit nunmehr 15 Jahren ihre Tochter tagein, tagaus. Sie hat mir kürzlich geschrieben: „Wir haben nicht nach acht bis zehn Stunden Feierabend und gehen in unsere heile Welt. Es liegen auch keine 11 Stunden zwischen unseren Schichten. Das ist kein Job – das ist unser Leben. Für viele von uns heißt das 24 Stunden am Tag, sieben Tage pro Woche, 52 Wochen im Jahr. Nach körperlich und psychisch anstrengenden Tagen haben wir jede Nacht Bereitschaft – lagern, windeln, trösten, zudecken, aufsetzen.“
Simones Tochter gehört zu denjenigen, die von Angehörigen gepflegt werden. Über 76 % aller Pflegebedürftigen werden in Deutschland im häuslichen Umfeld gepflegt, rund 91 % von ihnen von Angehörigen. Das ist eine riesengroße Gruppe. Um diese muss sich Pflegepolitik
kümmern. Denn wenn uns diese Gruppe wegbricht, bricht Chaos aus. Genau dieser Fokus fehlt mir im vorliegenden Antrag. Abgesehen davon, dass er von Feststellungen und Forderungen an den Bund lebt, die grundsätzlich nicht falsch sind, geht es im Antrag ausschließlich um Pflegeeinrichtungen beziehungsweise um ambulante Pflegedienste. Diese betreuen aber nur rund ein Viertel aller Pflegebedürftigen. Sie leisten zwar ganz ohne Frage eine wertvolle Arbeit – und wenn man sie von dem ganzen Bürokratismus befreien würde, wäre ihnen wahrscheinlich schon viel geholfen. Wenn es aber um finanzielle Leistungen geht, haben pflegende Angehörige den schwarzen Peter.
Meine Bekannte Simone könnte sich von einem Pflegedienst unterstützen lassen; ganz klar. Wenn sie nur dreimal am Tag für je eine halbe Stunde, also eineinhalb Stunden am Tag, einen Pflegedienst beauftragen würde, wären von ihrer Pflegesachleistung in Höhe von 1 995 Euro sogleich 81 % weg. Ihr Pflegegeld wäre dann anteilig ebenfalls weg; für sie und ihre Tochter verblieben gerade einmal rund 170 Euro im Monat. Doch das ist noch nicht alles: Sobald Simone externe Hilfe beansprucht, werden ihr auch Rentenpunkte gekürzt.
Hierauf sollte aus unserer Sicht der Schwerpunkt sächsischer Pflegepolitik gelegt werden. Zumindest für pflegende Angehörige von Pflegebedürftigen mit Pflegegrad 4 oder 5 besteht ein hohes Armutsrisiko. Sie brauchen eine deutlich bessere finanzielle Absicherung – eine rein verbale Würdigung und Anerkennung von deren Tätigkeit reicht nicht aus.
Die abgeschlossene Arbeit der Enquete-Kommission darf uns diesbezüglich Hoffnung machen. Eines der Handlungsschwerpunkte war tatsächlich die Situation von pflegenden Angehörigen. Viele richtige Dinge beziehungsweise Ziele wurden herausgearbeitet, wie zum Beispiel eine Stärkung der Angehörigenpflege, eine Kultur der Anerkennung, eine Verringerung des finanziellen Risikos von Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen usw. Was das alles sein soll, erfahren wir aber nicht. Allenfalls konkret ist eine Studie zur Situation pflegender Angehöriger in Sachsen. Dass diese nach ungefähr drei Jahren Enquete-Kommission nicht klar ist, ist dann doch enttäuschend.
„Pflegende Angehörige fordern dringend Hilfe – unkompliziert, leichtverständlich und real umsetzbar“. Das ist der Titel einer Petition von pflegenden Angehörigen, die gut deren Situation und Anliegen beschreibt. Es ist demzufolge sehr wichtig, dass die Empfehlungen der EnqueteKommission nicht nur wohlfeile Formulierungen bleiben, sondern dass jetzt schnelle Verbesserungen erfolgen. Das kann beziehungsweise muss auch eine bessere, pauschalisierte und vor allem frei verfügbare finanzielle Unterstützung der pflegenden Angehörigen zumindest bei Pflegegrad 4 und 5 beinhalten und darf jetzt nicht drei oder mehr Jahre dauern.
Der vorliegende Antrag greift diese Punkte leider nicht auf. Deswegen werden wir uns hier enthalten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Schreiber, die Eigenanteile sind in den letzten Monaten massiv gestiegen; das können auch Sie nicht ignorieren. Aufgrund dessen muss mittels Antrag oder anderer Initiativen dagegen vorgegangen werden. Sie versuchen das ein Stück weit wegzuwischen, als sei das normal und stemmbar. Das sehen wir als AfD anders.
Ja, die AfD-Bundestagsfraktion hat diesbezüglich schon Anträge auf Bundesebene eingebracht, zum Beispiel, dass die Kosten der medizinischen Behandlungsträger in vollstationären Pflegeeinrichtungen von der Krankenkasse finanziert werden.