Protokoll der Sitzung vom 11.04.2019

(Lachen der Abg. Sabine Friedel, SPD)

was uns erst kürzlich Wissenschaftler vorgerechnet haben.

(Zurufe von den LINKEN)

Eine funktionierende Wirtschaft, die zu Wohlstand führt, ist die Grundvoraussetzung für moderne Umweltschutz

technologien, deren Entwicklung und Einsatz zuerst immer mit Geld und Kosten verbunden ist

(Einzelbeifall bei der AfD)

Ob es die Abgase oder die Abwasserbereitung ist, der Einsatz künstlicher Intelligenz in der Landwirtschaft oder Verfahren zur Rekultivierung von Bergbaugebieten: Im Bereich der Umwelttechnologien sind sächsische Unternehmen auch international gefragt und erfolgreich. Darauf können wir stolz sein. Hier greifen Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz ineinander. Das liegt nicht etwa an der sächsischen Politik, sondern an unseren sächsischen Ingenieuren, an unserem sächsischen Mittelstand und an unserem ehemals hervorragenden Bildungssystem.

Zu einer effektiven Umweltschutzpolitik gehört vor allem wissenschaftliche und wirtschaftliche Vernunft. Voraussetzung dafür ist ein hervorragendes Bildungssystem mit ausreichend qualifiziertem Lehrpersonal und ideologiefreiem Unterricht. Voraussetzung ist aber auch eine ideologiefreie Politik, die nicht glaubt, klüger zu sein als Wissenschaftler und Ingenieure. Voraussetzung ist nicht zuletzt eine Steuer- und Abgabenpolitik, die Unternehmen und Beschäftigte entlastet, damit sich diese die marktwirtschaftlich besten Umwelttechnologien kaufen können.

(Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Für die AfD steht eine solche vernunftbasierte Umweltpolitik, die neben marktwirtschaftlichen Technologien auch den Natur- und Landschaftsschutz und das Tierwohl im Auge behält.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Jetzt sind wir fast am Ende der ersten Rederunde angekommen und es spricht zu uns Herr Kollege Günther für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! „Moderne Umweltpolitik mit innovativen Lösungen für Sachsen“ – das ist das Thema der Fachregierungserklärung; es geht also um moderne Umweltpolitik. Dazu stelle ich einmal, bevor ich zu meinem Redebeitrag komme, etwas Naheliegendes fest: Sowohl der Rede des Kollegen Hippold als auch denen anderer Kollegen, aber auch der Rede des Herrn Staatsministers habe ich entnommen, dass es so ein Bild von Nachhaltigkeit gibt – grundsätzlich teilen wir das ja –, dass man ökologische Fragen, wirtschaftliche Fragen und soziale Fragen in Ausgleich bringen muss. Aber dann kommt immer der Nebensatz, Umweltschutz muss man sich leisten können, muss die Wirtschaft erwirtschaften können.

Dem möchte ich deutlich widersprechen: Dass man überhaupt Wirtschaft betreiben kann, dass man überhaupt sozialen Wohlstand erarbeiten kann, dafür ist die intakte Umwelt die Basis.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Sabine Friedel, SPD)

Hier geht es um unsere natürlichen Lebensgrundlagen. Deshalb kann man immer nur wiederholen: Umwelt ist nicht alles, aber ohne Umwelt ist alles nichts.

Danke schön, Herr Staatsminister, für den Rückblick auf die Zeit von vor 30 Jahren. Dazu habe ich eine leicht andere Auffassung als Sie, Frau Kollegin Pinka. Unsere Gewässer waren damals schlichtweg tot.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb sind diese neuen Belastungen – ob hochgefährliche Neonicotinoide, Mikroplastik oder Antibiotika – heute kreuzgefährlich; aber nur deshalb, weil dort überhaupt wieder Leben drin ist. Da sind wir schon auf einem anderen Niveau, auch wenn die Giftigkeit dieser Neonicotinoide teilweise exponentiell höher ist als manch anderes Pestizid, das wir vor 30 Jahren verwendet haben. – So weit einmal sachlich.

Ich hätte mir erhofft, dass man das Augenmerk mehr auf einen Ausblick statt auf einen Rückblick lenkt, denn die DDR und ihr Umweltlevel ist ja nun wirklich das allerniedrigste Level, das man sich als Vergleich nehmen kann, und das sollte heute, im Jahr 2019, nicht mehr unser Vergleichsmaßstab sein.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Es geht um die Zukunft. Darüber habe ich mich auch bei der Gewichtung der Rede gewundert: Ich sehe im Umweltbereich vor allem in Naturschutzfragen die Hauptfrage im Erhalt unserer Biodiversität, Artenvielfalt. Zwar wurde Artenschutz genannt und es wurde auch erwähnt, dass ein Rückgang bei den Insekten zu verzeichnen ist, aber dass wir hier gerade ein Insektensterben erleben, dass die Biologen davon ausgehen, dass wir nach den verschiedenen Aussterbewellen, wie wir sie etwa bei den Dinosauriern hatten, gerade die richtig große Aussterbewelle erleben – diese Dramatik hätte ich mir hier auch einmal vom Umweltminister deutlich ausgesprochen gewünscht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dafür war es auch bezeichnend, dass in der gesamten Rede immer von Unternehmen, von Hochschulen, auch von unseren Landwirtschaftsbetrieben und Forstbetrieben die Rede war. Die Umweltschützer, die Naturschützer wurden als Ehrenamtliche in einem einzigen Satz erwähnt – das kann ich schlicht nicht nachvollziehen.

Deshalb möchte ich es an dieser Stelle einmal machen: Allen ehrenamtlichen Naturschützern – auch den beruflichen Naturschützern, die sich täglich darum kümmern –, ein herzliches Dankeschön für ihre Arbeit!

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Es wurde auch kurz vom Staatsminister erwähnt, dass noch immer 56 % unserer Biotoptypen in Sachsen gefährdet sind – eine wichtige Aussage –, aber gleich im Anschluss geht es wieder los mit modernen Technologien. Wo ist denn dann die Lösung dafür, für unsere Roten Listen? Nur 45 % – also weniger als die Hälfte der Arten – haben aktuell keinen Gefährdungsstatus mehr, das ist doch dramatisch! Dabei gibt es noch unterschiedliche Gewichtungen. Etwa bei den Brutvogelarten, Offenlandarten sind schon knapp 90 % in einem Gefährdungsstatus. Darauf kann man hinweisen.

Es gibt einzelne Arten, die Sie herausstellen, bei denen es Verbesserungen gibt – Sie nennen den Atlantischen Lachs oder auch den Kranich; Herr Kollege Hippold hat es noch um den Biber ergänzt –, ich weiß gar nicht, ob der Graureiher erwähnt wurde. Das nützt aber nichts bei einzelnen Arten, um die wir uns kümmern, wenn es in der Summe zurückgeht.

Wir haben nämlich das Problem, dass wir allein zwischen den Jahren 1998 und 2009 knapp 13 Millionen Brutvogelpaare in Deutschland verloren haben. Das ist ein Rückgang um 15 % – in so kurzer Zeit. Das betrifft auch Allerweltarten, die früher niemand hat zählen wollen, wie den Star – Rückgang des Bestandes in dieser kurzen Zeit um ungefähr 42 %. Ich freue mich, dass es vielleicht einen Graureiher mehr gibt. Das nützt aber nichts für das Gesamtproblem.

Insekten – wir haben es angesprochen – machen 70 % aller Arten aus. Auf den gesamten Roten Listen, die wir haben, ob es Falter oder Ameisen sind, sind es immer ungefähr 50 %, die gefährdet sind. Es muss etwas passieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir wissen, es geht nicht nur um die Artenanzahl, sondern auch um die Biomasse insgesamt. Wenn wir wissen, dass zwischen 70 % und 80 % der Biomasse der Insekten, die das Fundament der Nahrungskette ausmachen und für uns ihre Ökosystemdienstleistungen erbringen, in weniger als 30 Jahren verschwunden sind, dann sollte uns hier heiß und kalt werden, und das sollte im Zentrum einer Fachregierungserklärung stehen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Karin Wilke, AfD, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich möchte auch noch kurz erwähnen, dass diese Erhebung in Naturschutzgebieten stattgefunden hat. Auf der freien Fläche draußen hat es noch niemand gemacht. Sie sind wahrscheinlich auch schon nahezu klinisch tot.

Nur weil es immer gesagt wird – es gibt auch sächsische Zahlen. Die haben wir im eigenen Ausschuss gehört. Die Fachleute waren da, die es zum Beispiel im Leipziger Auwald untersucht haben: Rückgang der Wildbienen um

90 % in den Jahren von 2002 bis 2016 – das ist gerade aktuell. Bei den Hummeln beträgt der Rückgang 86 %. Die Zahl der Arten ist um 58 % zurückgegangen. Das ist dramatisch.

Dann kommen wir – wir sind beim Auwald; danke schön, aber ich habe jetzt keine Lust –

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN)

zu den Schutzgebieten – gern hinterher eine Kurzintervention. Der letzte Bericht, den ich habe, etwa zu Natura 2000 – das ist das wertvollste, was wir an Schutzgebieten haben –, besagt, dass ein günstiger Erhaltungszustand in 25 % der Gebiete besteht – na toll! –, ein ungünstiger Erhaltungszustand in 41 % der Gebiete und ein schlechter Erhaltungszustand in 20 % der Gebiete. Das ist der Stand des Naturschutzes dort.

Wenn es um Lebensraumtypen geht, dann betrifft ein günstiger Erhaltungszustand gerade einmal 32 %. Der ungünstige Erhaltungszustand beläuft sich auf 49 % und der schlechte Erhaltungszustand auf 13 %. Auch das sind Zahlen, die ich mir in solch einer Regierungserklärung gewünscht hätte, weil das unsere Aufgabe für die Zukunft ist, wie wir zu Verbesserungen kommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das betrifft nicht nur die Natura-2000-Gebiete, sondern alle Schutzgebiete. Wir haben mit Millionenaufwand Managementpläne erarbeitet. Wenn wir schon einmal Gebiete ausweisen, in denen die Natur erhalten werden soll, dann muss man sich aktiv darum kümmern. Leider gibt es aber keine Umsetzung. Es gibt nämlich kein Personal, das es machen könnte. Zwar sieht das Naturschutzgesetz vor, man könnte Naturschutzwarte einsetzen, Ranger oder so etwas; es passiert aber alles nicht.

Genau das Gleiche ist es beim Biotopverbund und bei der Biotopvernetzung. Das ist einer der wesentlichen Hebel, um etwas zu bewegen. Dazu gibt es auch keine Aussage in Ihrer Regierungserklärung.

Wir haben es noch nicht einmal geschafft, alle Gebietsverordnungen überhaupt auf den aktuellen Stand zu bringen. Auch das ist ein Armutszeugnis.

(Zuruf der Abg. Dr. Jana Pinka, DIE LINKE)

30 Jahre nach dem Ende der DDR gelten hier teilweise noch DDR-Regelungen.

Ein anderes Thema: Gewässer. Das haben Sie offen als Schwäche und Handlungsfeld genannt. Warum, bitte schön, haben Sie aber keine Zahlen genannt, um es deutlich zu machen? Wenn das eigene Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie sagt, dass von unseren Oberflächengewässern, von 481 natürlichen Oberflächengewässern, aktuell circa 4 % in einem guten ökologischen Zustand seien – 4 %! das bedeutet, 96 % sind es nicht –, dann ist das doch vielleicht einer Erwähnung wert.

Die Wasserrahmenrichtlinie, die diese Daten vorgibt, gibt es mittlerweile seit 19 Jahren. Es hätte eigentlich schon

bis zum Jahr 2015 etwas erreicht werden sollen. Das wissen wir. Das liegt auch schon in der Vergangenheit. Wir müssen uns einmal ordentlich auf den Weg machen. Die Anstrengungen dazu sehe ich in dieser Tiefe aber auch nicht. Dann kann man gleich noch andere Themen ansprechen, etwa was die Ursache dafür ist, nämlich nicht nur der ökologische, sondern auch der chemische Zustand – Nitrat.