Protokoll der Sitzung vom 24.05.2019

Wir werden die Herausforderungen weltweit lösen müssen, und wir sind davon, meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr weit entfernt. Da hilft es auch nichts, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, dem Pariser Klimaschutzabkommen sind viele Staaten beigetreten, und das zeigt, dass wir geschlossen handeln. Nein, meine sehr geehrten Damen und Herren, von der Unterschrift allein ist noch gar nichts passiert. Es gehört auch zur Wahrheit, wenn wir uns die CO2-Emissionen anschauen, dass Deutschland einen Anteil von 2,3 % hat, China 28 %, die Vereinigten Staaten 15 %.

Natürlich hat Deutschland im europäischen Kontext Herausforderungen bei der CO2-Bilanz zu lösen. Aber das trennen wir doch bitte nicht von den Fragestellungen, die wir insgesamt zu diskutieren haben. Nach meiner Überzeugung und der meiner Fraktion besteht zum Beispiel ein wesentlicher Unterschied zwischen der CO2-Bilanz in Frankreich und in Deutschland in der Tatsache, dass Kernenergie als CO2-arme Technologie verwendet wird, und wir, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben uns entschieden, aus der Kernenergie auszusteigen. Wir haben uns jetzt entschieden, aus der Braunkohleverstromung auszusteigen.

Das stellt uns vor die Herausforderung, die Frage zu beantworten, wie wir eigentlich die Energieversorgung der Zukunft sichern, und das auch vor einer Herausforderung, die da heißt: Wir wollen zum Beispiel auf EMobilität setzen. Ich habe zumindest irgendwie das Gefühl, dass E-Mobilität irgendetwas mit Strom und Strombedarfen zu tun hat. Da stellt sich schon die Frage, wie wir die Energieversorgung in Zukunft sicherstellen.

Es gehört auch zur Wahrheit dazu, dass der Effizienzgrad sächsischer Braunkohlewerke weltweit der höchste ist, dass die Energiebilanz – oder wenn wir wollen die Gesamtproduktivität zu betrachten oder zu bewerten ist; denn es ist nicht damit getan, zu sagen, da haben wir eine Batterie. Da ist alles in Ordnung. Es gibt eine Herstellungsbilanz, die erforderlich ist, und es gibt eine Nachsorgebilanz. Ich glaube, auch die Entsorgungsfrage für Fotovoltaikpaneele ist eine der Fragestellungen, die bisher nicht geklärt sind.

(Beifall bei der CDU)

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, stellt uns schon vor die Frage, nicht nur Thesen in den Raum zu stellen, sondern tatsächlich vernünftige Antworten zu geben. Noch einmal ganz deutlich: Wir stehen dafür, dass wir Herausforderungen im Klima- und Umweltschutz zu lösen haben. Tun Sie bitte nicht so, als ob in den letzten Jahren nichts passiert wäre. Zumindest aus sächsischer und ostdeutscher Sicht möchte ich einmal daran erinnern, wie sich die Lebenswirklichkeit der Jahre 1989/90 hier gestaltet hat und in welchem Zustand wir uns hier befunden haben. Das war natur- und klimaschutzrechtliches

Niemandsland. Wenn wir nur einmal nach Bitterfeld schauen, wenn wir uns den Zustand der Elbe anschauen, wenn wir uns die CO2-Ausstoßsituation in Schwarze Pumpe oder anderen Orten angeschaut haben, und wenn wir überlegen, was in den letzten 30 Jahren in diesem Bereich passiert ist, dann kann man nicht so tun, meine sehr geehrten Damen und Herren, als ob wir hier seit 30 Jahren Raubbau an der Natur, an der Umwelt und am Klima betrieben haben.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Im Übrigen noch kurz zur Verantwortung der CDU: Ich glaube mich noch sehr deutlich daran erinnern zu können, dass 1997 die Frage der Entscheidung über einen Beitritt zum Kyoto-Protokoll maßgeblich auch durch das Engagement der damaligen CDU-Umweltministerin Angela Merkel vorangetrieben worden ist, um sich in eine Situation weltweiter Betrachtung dieser Herausforderungen anzunehmen. Genau darum geht es auch, meine sehr geehrten Damen und Herren: um eine deutliche Ansprache in der Diskussion, die wir insbesondere und verstärkt seit dieser Woche führen.

Ich finde es gleichermaßen gut, wenn junge Menschen Fragen stellen über ihre Zukunft und ihre Perspektive. Das ist ihr Recht und es ist unsere Pflicht, darauf Antworten zu geben. Da kann man sich – das sage ich auch kritisch gegenüber Vertretern meiner Fraktion in Berlin – der Diskussion nicht einfach entziehen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU)

Aber Sie können sie nicht loslösen von den Rahmenbedingungen. Und wer das eine will, muss bereit sein, das andere zu mögen. Diese Diskussion, meine sehr geehrten Damen und Herren, müssen wir auch offen und ehrlich miteinander führen. Dann gehört es eben zur Wahrheit dazu, dass wir weltweite Lösungsmöglichkeiten brauchen. Ich glaube, wir sind nicht das Land mit den höchsten Bevölkerungszuwächsen, sondern unsere Herausforderung besteht eher in einem demografischen Wandel und einer Situation mit weniger werdenden Menschen – das scheint insgesamt ein europäisches Phänomen zu sein. Natürlich stellt sich da die Frage, wie wir mit solchen Themen umgehen.

Ich denke, dass wir auch nicht das Land sind, das weltweit die größten Energieprobleme verursacht. Ich rede dabei nicht nur über China und ich rede nicht nur über die Herausforderungen, die wir in den Vereinigten Staaten mit einer Politik der jetzigen Trump-Administration erleben, sondern ich rede auch von der Frage des Raubbaus an Natur und Rohstoffen, Regenwaldabholzung sowie unverantwortlicher Rohstoffverarbeitung in Afrika mit erheblichen umweltrechtlichen und klimatischen Problemen und Fragestellungen. Diese, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind damit in Kontext zu setzen.

Doch auch Deutschland hat mit Sicherheit noch nicht alles getan. Es ist sicherlich anzumerken, dass die Bundesrepublik, die Bundesregierung und auch wir hier im

Hohen Hause noch einiges ergänzend tun können. Aber die Diskussion so zu führen, als ob wir dem Industriekapital folgen und die Menschheit hier vernichten würden, das ist weder Realität, noch entspricht es dem wahren Anspruch einer ernsthaften Diskussion zur Lösung der Herausforderungen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Natürlich gibt es neben dieser internationalen Fragestellung eine europäische Fragestellung. Wenn diese Rahmenfragen alle europäisch geklärt, weltweit in die Diskussion kämen und wir nicht nur Äpfel mit Birnen vergleichen würden, sondern eine Vergleichbarkeit der Fakten herstellen und gemeinsam auch bereit sind, diese Fragestellungen anzugehen, dann ist das, was der Anspruch junger Menschen ist, nämlich die Frage beantwortet zu bekommen, wie ihre Zukunft gesichert werden kann, nur schwer zu erreichen. Den Eindruck zu vermitteln, dass wir nur in Deutschland etwas beschließen und tun müssen, wird der Realität nicht gerecht, meine sehr geehrten Damen und Herren. Dadurch verändert sich weder auf dem asiatischen noch auf dem nordamerikanischen Kontinent irgendetwas. Ohne diese Fragestellung werden wir dieses Thema nicht lösen können.

(Beifall bei der CDU)

Damit bin ich bei einem weiteren Punkt, meine sehr geehrten Damen und Herren: Damit bin ich wieder bei uns. Natürlich können wir eine ganze Menge mehr tun. Wenn man sich anschaut, wo es um Kaltluftentstehungszonen geht, wenn es um Begrünung der urbanen Stadtzentren geht, wenn es um die Frage geht, was wir zum Umweltschutz und gegen das Bienensterben tun können, dann haben wir mehr Möglichkeiten und Potenziale, das voranzutreiben. Das geht schon bei uns selbst los, beispielsweise wenn wir uns hier unsere Wasserspender anschauen und wie selbstverständlich wir die kleinen Plastebecher benutzen und wegwerfen. Dann geht es darum, wie bewusst wir mit solchen kleinen Dingen umgehen.

(Zurufe der Abg. Sarah Buddeberg, DIE LINKE)

Genau das ist auch die Fragestellung, meine sehr geehrten Damen und Herren, die wir in Richtung einer gesellschaftlichen Diskussion zu führen haben.

(Zuruf der Abg. Sarah Buddeberg, DIE LINKE)

Ich habe Ihnen auch zugehört, aber Sie ertragen es ja nicht, wenn Ihre Meinung nicht als Allheilmittel gesehen wird. Vielleicht lernen Sie es ja noch und erkennen, dass die Welt nicht eindimensional, sondern dreidimensional ist und man sich Themen aus verschiedenen Perspektiven anschauen kann.

(Zuruf der Abg. Sarah Buddeberg, DIE LINKE)

Reden Sie doch nicht andauernd dazwischen, sondern lassen Sie mich ausreden. Das gebietet zumindest der Respekt in diesem Hohen Hause.

Noch einmal zurück zu der Frage, was wir an dieser Stelle tun können, meine sehr geehrten Damen und Herren. Hier ist es eine gesellschaftliche Diskussion, die wir auch über die Frage führen müssen, inwieweit wir bereit sind, Einsparungen beim Stromverbrauch, beim Plastikmüll und bei der Ressourcenverteilung vorzunehmen. Da ist es eben nicht so einfach zu sagen: Ich demonstriere für ein besseres Klima, und danach gehe ich zu McDonald‘s und hole mir den Kaffee im Pappbecher oder nehme das Handy und fahre los.

(Zurufe der Abg. Sarah Buddeberg, DIE LINKE)

Sie müssen die Fragen miteinander verbinden! Solange Sie nicht in der Lage sind, die Fragestellung von Ökonomie und Ökologie in einen vernünftigen Einklang zu bringen und auch die Frage zu beantworten, dass die Menschen, die hier leben, auch einen gewissen Standard – vielleicht an vielen Stellen mittlerweile viel zu selbstverständlich – als Grundlage ihres Lebens sehen, dann können Sie diese Frage von der Diskussion nicht loslösen. Denn es ist eine Wahrheit dabei: Alle Entscheidungen, die wir treffen können – auch umweltschutz- oder klimarechtliche –, haben Auswirkungen auf unser Leben. Dabei muss gesellschaftlich klar sein: Wer das eine will, muss das andere mögen.

Unter diesen Voraussetzungen, meine Damen und Herren, will ich eine sachliche und faire Debatte darüber führen, was wir an einem Mehr an klimatischen Herausforderungen dadurch haben. Im Übrigen kann das auch eine wirtschaftliche Fragestellung sein.

Wenn es nämlich nicht darum geht, nur der Frage von Batterietechnologien aus dem asiatischen Kontinent hinterherzurennen, sondern auch die Frage zu stellen, wie wir beispielsweise mit Brennstoffzelle und Wasserstoff innovativ eigene Impulse setzen und damit einen Beitrag zur Versorgung mit sauberer Energie leisten können, um weltweit ein innovativer Motor sein zu können, dann setzt das Technologieakzeptanz voraus.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Es gibt eine Kurzintervention. Herr Dr. Lippold, bitte.

Lieber Herr Kollege Hartmann, Sie haben jetzt wortreich erläutert, was alles Tolles von Frau Merkel und anderen getan worden ist und wie man sich bemüht und angestrengt hat.

(Widerspruch von der CDU)

Nehmen Sie aber bitte zur Kenntnis, dass auf diesem Politikfeld nur zählt, was hinten herauskommt: Fallen die Emissionen oder steigen sie an? Das mag bei jedem anderen Politikfeld anders sein – da ist man meist schon Sieger, wenn die Leute glauben, man hätte etwas Gutes gemacht. Aber hier geht es wirklich nur um das Ergebnis.

Denn das Klimasystem interessiert sich einfach nicht dafür, was wir hier für Sprüche ablassen.

(Zurufe von der CDU)

Jetzt komme ich zum weltweiten Problem: Wir können das nicht delegieren. Wenn man in Schwellenländer wie China, Indien usw. schaut, die immer als Beispiele herangezogen werden, dann haben auch diese ihren Teil am globalen Verschmutzungsrecht, den wir weitgehend ausgeschöpft haben. Damit haben wir unseren Wohlstand geschaffen! Diese Länder nehmen das Recht für sich in Anspruch, sich ebenfalls ihren Wohlstand schaffen zu können, und zwar auf die gleiche Art und Weise wie wir – solange wir ihnen nicht zeigen, dass es auch anders geht.

(Widerspruch und Zurufe von der CDU)

Denn was zum Teufel soll denn diese Länder dazu bringen, darauf zu verzichten, weitere Kohlekraftwerke aufzubauen, wenn wir hier mit unserer Hochtechnologie im Land der Ingenieure, die wir alle Möglichkeiten haben, es anders zu machen, den Offenbarungseid leisten und sagen, wir bekommen das nicht hin, wir wollen das nicht hinbekommen, und deshalb machen wir nichts und stellen die Forderung an euch?

Natürlich müssen wir an dieser Stelle vorangehen, ansonsten wird uns hier niemand folgen.

Im Übrigen: 2,3 % sind kein Grund, nichts zu tun.

(Zurufe von der CDU)

Wenn die Welt aus 50 Verschmutzern besteht, wo jeder 2 % ausstößt und jeder von diesen sagt, mein Beitrag sind nur 2 %, die anderen mögen beginnen, dann beginnt niemand. Das ist der Punkt.

(Vereinzelt Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU: Das tun wir doch gar nicht!)

Herr Hartmann, bitte.

Herzlichen Dank für die Frage. Erstens möchte ich vorausschicken, dass die Emissionen zwischen 1990 und 2017 um 27,5 % zurückgegangen sind. Insoweit ist es ja nicht so, dass nichts passiert ist.

Zweitens können Sie doch bitte nicht so tun, als ob nichts passiert sei, und immer sagen: Das alles ist unerheblich; nehmen Sie zur Kenntnis, wenn Sie da nicht ankommen, haben Sie versagt. So funktioniert das Spiel nicht, sondern es heißt, schrittweise die Herausforderungen anzugehen, und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben wir begonnen.

Noch einmal: Ich habe nicht behauptet, dass wir alles richtig gemacht haben oder richtig machen. Aber wir sind dabei, diese Herausforderungen anzugehen. Ich habe auch deutlich gesagt, dass wir in Deutschland auch Entschei

dungen getroffen haben: Atomausstieg, Braunkohleausstieg. Wir haben riesige Standards, wenn es um die Frage von Filteranlagen, Emissionsbeschränkungen, um energetisches Bauen und Ähnliches geht. Da waren Sie auch maßgeblicher Motor. Ich sage Ihnen ausdrücklich: Natürlich brauchen wir für die Diskussion auch die Perspektive der GRÜNEN. Es ist aber Verantwortung insgesamt, diese Impulse in den Kontext einer gesellschaftlichen Entwicklung zu setzen. Ich stelle überhaupt nicht in Abrede, dass wir eine Verantwortung haben, auch in diesem Prozess als Vorbild voranzugehen.