Protokoll der Sitzung vom 04.07.2019

Interessant ist aber ein anderer Faktor: Die eigenmächtige Entnahme von circa einer Milliarde Euro durch die Staatsregierung halten wir für rechtswidrig. Damit erfolgte nämlich im Haushaltsvollzug 2018 die Aufstockung von Fördergeldern, die es der Regierung ohne Entscheidung des Landtages ermöglichte, viel Geld zu verteilen. Ein Schelm, wer im Wahlkampfjahr Böses dabei denkt. Hierzu würde uns die Bewertung des Sächsischen Rechnungshofes besonders interessieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Riskante Geschäfte, ahnungslose Vorstände und Aufsichtsräte, mangelnde Kontrolle seitens der CDU-geführten Staatsregierung haben dem sächsischen Steuerzahler Milliarden gekostet.

(Zuruf des Abg. Martin Modschiedler, CDU)

Wie viele Milliarden es letztendlich genau sind, werden wir nach der Auflösung des Garantiefonds wissen. Dann, lieber Herr Gebhardt, ist es Zeit, Bilanz zu ziehen, damit

die Bürger im Freistaat Sachsen endlich erfahren, wie viel sie diese Fehlleistung der damaligen CDU-geführten Staatsregierung gekostet hat.

(Zuruf des Abg. Martin Modschiedler, CDU)

Da wir das Ziel des Antrages aber dem Grunde nach teilen, werden wir uns zu Ihrem Antrag enthalten. Recht herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau Abg. Schubert. Bitte sehr, Frau Schubert, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns zwar über den Zeitpunkt dieses Antrages etwas gewundert, aber auf der anderen Seite ist heute genauso gut wie jeder andere Tag, um daran zu erinnern, dass das Landesbankfiasko nicht einfach ausgesessen werden kann und dass es auch noch nichts von seiner Brisanz verloren hat.

Ich werde regelmäßig auf die Sachsen LB angesprochen und auch auf die gigantischen Folgekosten. Ich habe mir in Vorbereitung auf diesen Tagesordnungspunkt als Bürgerin und auch als Abgeordnete die Frage gestellt, was ich erwarte nach einer solchen katastrophalen Fehleinschätzung und so großflächigem Verwaltungs- und Politikversagen.

2007 war lange vor meiner Zeit in diesem Parlament. Ich habe den Sonderbericht des Rechnungshofes gelesen, um einen Eindruck zu bekommen, und war doch ziemlich erschüttert. Ich habe mir vorher nicht vorstellen können, wie naiv und fahrlässig mit Steuergeldern, Macht und Privilegien umgegangen werden kann. Es wurde so unfassbar viel Geld verspielt und versenkt, Geld, das im Freistaat gebraucht wurde. Besonders katastrophal bleiben für mich die Einschnitte im Bereich Jugend, die bis heute ihre Auswirkungen haben und bis heute nicht wieder gutgemacht worden sind.

Das hat dazu geführt, dass Angebote, insbesondere in der Fläche, in diesen Jahren für die Jugend zurückgefahren wurden. Auch das hat seinen Beitrag dazu geleistet, dass wir viele junge Menschen in diesem Freistaat verloren haben.

Der Schaden, der durch die Landesbankpleite in gesellschaftlichen Bereichen angerichtet wurde, ist ziemlich schwer in Worte zu fassen. Es wurde dann ein sogenannter Garantiefonds errichtet, und der Freistaat musste für die Landesbankpleite 2,75 Milliarden Euro bereithalten. Ich finde, das ist ein wenig ein zu großes blaues Auge, und dieser Terminus „blaues Auge“ wird dem Ganzen auch bei letztendlich nur 1,871 Milliarden Euro bei Weitem nicht gerecht.

Bei Zahlungsausfällen konnte sich die Landesbank Baden-Württemberg an den Freistaat wenden. Dieser

musste dann zahlen. Laut Garantiefondsgesetz muss die Staatsregierung dem Haushalts- und Finanzausschuss einen Quartalsbericht und dem Landtag einen Jahresbericht vorlegen. Das fällt dann schon mit in meine parlamentarische Zeit.

Es sind zwei bis drei Seiten Bericht, und sie sind unangemessen und oberflächlich. Es wurde ganz offensichtlich an Sprachregelungen gefeilt, die jegliche Dramatik und die Größenordnung der Landesbankpleite auf der Strecke lassen. Das beginnt gleich in der Überschrift. Sie ist weichgespült und entfremdet. Sie nennt sich „Bericht über den Vollzug des Garantiefondsgesetzes“. Dabei kommt niemand auf die Idee, dass es sich dabei um die Schulden einer Pleitebank handelt. „Garantieziehung“ klingt eher wie ein Lottogewinn, als nach: Ups!, wir haben 2,75 Milliarden Euro versenkt, meinetwegen auch

1,871 Milliarden Euro. Das macht es nicht besser.

Die Stellungnahme der Staatsregierung zum Antrag der LINKEN zeigt, dass Sie überhaupt nicht verstanden haben, worum es geht. Ja, es war unter CDU-Verantwortung, unter der die Landesbank versenkt wurde. Es waren CDU-Finanzminister mithilfe der FDP, die den Rotstift im Sozialbereich, im Jugendbereich und in vielen anderen Bereichen angesetzt haben, um den sogenannten Garantiefonds zu füllen. Es wurde bis heute nicht sichergestellt, dass so etwas nicht noch einmal passieren kann; ganz anders als auf kommunaler Ebene, wo die Besetzung von Aufsichtsräten beispielhaft geregelt wird.

Für die Landesebene gilt diese Regelung nicht, dass Mitglieder von Aufsichtsräten eine geeignete Qualifikation haben müssen und sich regelmäßig weiterbilden sollten, um ihre Aufgabe verantwortungsvoll wahrnehmen zu können.

Wie soll das ein Mensch den Bürgerinnen und Bürgern erklären? Wenn ich in die Stellungnahme zum Antrag schaue, steht dort: Eine Bilanz kann sinnvollerweise erst nach Abschluss der Folgearbeiten zur Sachsen LB und mit Auflösung des Garantiefonds gezogen werden. Alles, was Ihnen also dazu einfällt, ist eine technokratische Auslegung, einmal mehr eine Entscheidung dafür, von oben herab zu antworten, und genau das ist das Problem: diese Haltung.

Noch ein Satz aus der Stellungnahme: Die Garantiezahlungen stellten für den Freistaat Sachsen eine erhebliche Kraftanstrengung dar. Letztlich verbleibt eine Summe von ungefähr einer Milliarde Euro im Fonds, die nicht benötigt wurde und daher im Rahmen der Haushaltsaufstellung 2019/2010 für Zukunftsaufgaben genutzt werden kann.

(Zuruf des Abg. Jens Michel, CDU)

Ein Gespräch im Landtag zur Verwendung der Restmittel wäre angebracht gewesen. Aber auch das habe ich schon kritisiert, und Sie konnten das überhaupt nicht verstehen. Mit so einer Stellungnahme vonseiten der Staatsregierung lassen Sie erneut eine Möglichkeit verstreichen, den in Sachsen lebenden Menschen zu danken, dass sie für dieses von der Staatsregierung hausgemachte Fiasko

aufgekommen sind, und ihnen dafür zu danken, dass sie auf vieles verzichtet haben.

Wir teilen die Einschätzung, dass das Thema Sachsen LB noch nicht zufriedenstellend aufgearbeitet wurde. Wir werden dem Antrag der LINKEN zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Es gibt Redebedarf für eine zweite Runde. Für die Fraktion DIE LINKE Herr Abg. Brünler. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Liebhauser, es war eben nicht die Finanzkrise, sondern es war das Konstrukt, das die Sachsen LB zu Fall brachte. Wenn man Aussagen, wie „mit einem blauen Auge davongekommen“ mit seriöser Finanzpolitik verwechselt, dann ist das, vorsichtig ausgedrückt, schon arg schräg.

Die Folgen des Landesbankdesasters haben den Haushalts- und Finanzausschuss in der zurückliegenden Legislaturperiode regelmäßig beschäftigt. Einen letzten populistischen Höhepunkt erreichte das Thema im Januar letzten Jahres, als bekannt wurde, dass der Freistaat nicht für die gesamte der LBBW zugesagte Garantiesumme von 2,75 Milliarden Euro aufkommen muss.

Das war für die Union im Landtag bereits damals Grund genug, von unerwarteten zusätzlichen Einnahmen zu sprechen und sich selbst, wie Kollege Liebhauser heute auch wieder, für die eigene Weitsicht zu loben. Das ist ein Hohn angesichts der Tatsache, dass die „verantwortungsvolle“ CDU-Finanzpolitik die Milliardenpleite erst verursacht hat und dass für die Garantieleistungen in den letzten Jahren Steuergelder in Milliardenhöhe ausgegeben wurden, die im Landeshaushalt gefehlt haben und für Schulen, für Straßen oder die ausreichende Anzahl an Polizisten nicht zur Verfügung standen.

Wir haben heute Morgen erst über ein Landespflegegeld gesprochen, für welches angeblich kein Geld vorhanden sei. Zwar sprach der Finanzminister vor einem Jahr davon, dass ein Ende der mit dem Notverkauf der Sächsischen Landesbank verbundenen finanziellen Belastungen für den Haushalt des Freistaates nun in Sicht sei, in der Stellungnahme zu unserem Antrag klingt das dann inzwischen schon wieder anders, als käme dann doch noch mehr.

Die Folgearbeiten zur Sachsen LB dauerten demnach noch an und zögen weitere Kosten nach sich. Die Liquidation der Sealink – das ist jene Zweckgesellschaft, auf die die Wertpapiere übertragen wurden, für die es wegen starker Kursverluste oder undurchsichtiger Risikostrukturen keinen funktionierenden Markt mehr gab – befindet sich noch in einem frühen Stadium. Erst nach formaler Auflösung des sächsischen Garantiefonds, wenn tatsächlich alle Verbindlichkeiten des Fonds erloschen sind, wisse man, was tatsächlich übrig bleibt, und bis dahin sage man erst einmal grundsätzlich nichts. Überdies sei

der Haushalts- und Finanzausschuss vierteljährlich in geschlossener Sitzung über den Sealink-Bestand und die gezogenen Garantien informiert worden.

Das Problem ist nur – Herr Kollege Liebhauser und auch Herr Kollege Panter, hören Sie genau zu! –: Mit einer ehrlichen Bilanz zu den finanziellen und wirtschaftlichen Folgen dieser bislang beispiellosen Fehlleistung in der Vermögensbewirtschaftung des Freistaates hat das wenig zu tun. Aus diesen im Sächsischen Garantiefondsgesetz vorgesehenen Berichten gehen zwar die jährlichen Einnahmen und Ausgaben hervor, die mit dem Vollzug des Garantiefondsgesetzes verbunden sind; jedoch bleiben die weiteren Kosten und die finanziellen Lasten sowie die daraus resultierende Gesamtbelastung für den Haushalt des Freistaates nach wie vor unklar. Über die von Kollegin Schubert gesprochene Oberflächlichkeit der Berichterstattung habe ich da noch gar nicht gesprochen.

Wir kennen bisher lediglich die Untergrenze des Schadens und die ist größer als die gezogenen Garantien; denn die Untergrenze des Schadens, die sich unmittelbar aus dem Verkaufserlös der Bank im Vergleich zu den vorherigen Investitionen und den gezogenen Garantien ergibt, beträgt in der Summe knapp 2,4 Milliarden Euro Steuergelder, die sich in Luft aufgelöst haben. Aber das ist, wie gesagt, nur die absolute Untergrenze, und es ist ja nicht so, dass im Finanzministerium keine Zwischenergebnisse vorlägen. Falls dem doch so wäre, dann wäre das Problem tatsächlich weit größer, als es im Moment den Anschein hat.

Wie sieht es denn aus mit Kosten für Sachverständige, Gutachten und Rechtsstreitigkeiten? Wie sieht es denn aus mit Kosten im Zusammenhang mit dem vorzeitigen Verkauf des Sealink-Portfolios? Wie sieht es denn aus mit finanziellen Leistungen aufgrund gerichtlicher Entscheidungen oder außergerichtlicher Vergleiche und Anerkenntnisse? Wie sieht es denn aus mit Erstattung von Steuern im Zusammenhang mit der Übertragung der Sachsen LB auf die Landesbank Baden-Württemberg? Wie sieht es denn aus mit Personal- und Sachkosten innerhalb der Staatsregierung und mit den Kosten im Zusammenhang mit der Verwaltung des Garantiefonds?

Eine besonders bizarre Anekdote im Zusammenhang mit der letzten Frage ist die Tatsache, dass ebenjener Mitarbeiter, der ursprünglich im Ministerium in Personalunion die Beteiligung der Landesbank verwaltete und gleichzeitig über sich selbst die Rechtsaufsicht wahrnahm, vom Finanzministerium damals freigestellt wurde, um anschließend als externer Berater wieder eingekauft zu werden. – Nur eine Anekdote, aber sie beschreibt anschaulich den Umgang mit dem Problem.

So weiß die Öffentlichkeit auch nicht, wie es denn nun auf der Einnahmenseite aussieht, sowohl was Erstattungen als auch Einnahmen aus Vergleichen oder Zinsen anbelangt.

Da all diese Fragen auch zwölf Jahre nach der Pleite der Sachsen LB noch völlig offen sind, fordern wir die Staatsregierung auf, eine vollständige Bilanz der aus dem

Notverkauf der ehemaligen Landesbank resultierenden Kostenbelastung aufzustellen.

Darüber hinaus soll der Sächsische Rechnungshof in seiner unabhängigen Stellung gebeten werden, ebenfalls eine abschließende Bewertung und Bilanz zum Untergang der Sächsischen Landesbank zu erarbeiten und dem Landtag Schlussfolgerungen hieraus zu unterbreiten.

Gerade die Ansicht der Staatsregierung, dass eine abschließende Folgebetrachtung durch den Rechnungshof mit Verweis auf das Gutachten zu den Ursachen der Bankenpleite von vor zehn Jahren und dem finanzpolitischen Versagen der damaligen CDU-Regierung entbehrlich sei, macht uns hellhörig.

Ich verstehe, dass man es nicht gern schwarz auf weiß bekommt, dass man nicht in der Lage war, ordentlich mit Steuergeldern umzugehen; aber wir erachten es als dringend notwendig, aus einer noch immer ausstehenden finanzpolitischen Aufarbeitung der Entscheidungen und Vorgänge die entsprechenden Lehren zu ziehen, um ähnlich gelagerte Fehler in der Beteiligungsverwaltung des Freistaates in Zukunft zu verhindern.

Wenn man sich den grundsätzlichen Umgang mit Landesbeteiligungen durch die aktuelle Koalition und die von ihr getragene Staatsregierung anschaut, dann gilt offenkundig allzu oft die Devise der berühmten drei japanischen Affen: „Nichts hören – nichts sehen – nichts sagen.“

So geht man nicht mit öffentlichem Eigentum um und darum, meine Damen und Herren, dieser Antrag.

(Beifall bei den LINKEN)

Herr Kollege Brünler hat eine neue Runde eröffnet. Jetzt könnte die CDUFraktion das Wort ergreifen. Herr Oberbürgermeister? – Alles klar. Gibt es weiteren Redebedarf aus den Fraktionen? – Kann ich nicht erkennen. Dann kommt jetzt die Staatsregierung zu Wort. Bitte, Herr Staatsminister Haß.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man hier so zuhört, dann hat man mal wieder den Eindruck, als ob die Sachsen LB ein völlig einzigartiger Vorgang weltweit gewesen sei. Herr Brünler, Sie haben von alten Kamellen gesprochen und gesagt, es könnte scheinen, als ob es alte Kamellen wären, aber es seien keine. Das ist eine rhetorische Einführung gewesen, die ich in diesem Zusammenhang wirklich sehr passend finde, denn es waren tatsächlich alte Kamellen, was wir dann gehört haben.

Es hat keinen Sinn, meine ich, hier immer wieder nur zurückzuschauen und zu sagen, das und das ist vor zwölf Jahren gewesen. Wir rufen das alles regelmäßig wieder auf, es wird dadurch aber nicht besser, es trägt auch nicht mehr zu unseren Erkenntnissen bei.

Die Sachsen LB ist die erste, aber bekanntermaßen nicht die einzige Landesbank gewesen, die ins Trudeln geraten ist.