Protokoll der Sitzung vom 04.07.2019

und uns eher ab und zu zur Verzweiflung gebracht. Nun war Eva-Maria Stange meine Lehrerin in kulturpolitischen Fragen. Dabei waren die Erfolgsaussichten ein bisschen höher. Ich möchte ihr einfach unheimlich dafür danken, für all das, was ich bei ihr lernen konnte, in Sachen Durchsetzungsfähigkeit. Ihr unermüdlicher

Wunsch, die Sachen wirklich inhaltlich zu durchdringen – darin wird sie mir immer Vorbild bleiben. Ich hoffe, dass ich viel von dem Gelernten noch werde anwenden können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und des Abg. Franz Sodann, DIE LINKE)

Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt Frau Dr. Maicher.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Debattentitel zeigt den ganzen manipulativen Ansatz dieser Debatte. Er benennt nämlich nichts, er suggeriert. Er suggeriert, die Freiheit der Kunst würde zurzeit genutzt, um sich gegen die AfD zu wenden. Das entspricht ganz der Verschwörungsideologie und auch der Opferstilisierung dieser Partei.

Der Debattentitel zeigt mir aber auch, wovor die AfD Angst hat und wie sorgenvoll ihr bewusst wird, dass in Kunst und Kultur eigenständig gedacht und gehandelt wird, dass sich dieser Bereich des Einflusses entzieht, den Rechtspopulisten gern ausüben würden, dass sich Kulturschaffende nicht für eine von der AfD propagierte deutsche Leitkultur instrumentalisieren lassen, dass eine freiheitliche und pluralistische Kultur Widerstandskraft gegenüber Manipulationsversuchen befördert und dass Kunst und Kultur Werte der Aufklärung und des Humanismus verkörpern.

Sähe Gotthold Ephraim Lessing sein Porträt auf dem Flur der AfD-Fraktion hängen, er würde sich im Grabe umdrehen.

Die AfD Sachsen kämpft mit ihrem Programm gegen die Grundwerte unserer Demokratie,

(André Barth, AfD: Das ist ein Witz!)

aber unsere Grundwerte bilden das Fundament unseres friedlichen Zusammenlebens und basieren auf Menschenwürde. Zu den in unserer Verfassung verankerten

Grundrechten gehört zum Beispiel die Gleichberechtigung von Frau und Mann. Das passt Ihnen nicht.

Im Grundgesetz steht, Wissenschaft, Lehre und Forschung sind frei. Sie wollen jegliche Landesförderung für das Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung

streichen, weil Ihnen die Forschungsergebnisse nicht passen.

Zu den Grundrechten gehören das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Freiheit der Kunst. Wie viel diese Partei und ihre rechte Vorfeldbrigade von Kunst- und Meinungsfreiheit hält, sieht man daran, dass sie jeden anprangert, der nicht in ihrem Sinne spricht oder agiert und dafür auch in Kauf nimmt, Kulturveranstaltungen zu verbieten und aus Kulturorten zu verbannen.

Es handelt sich um einen manipulativen Schachzug zu behaupten, Kultur unterliege in unserer freiheitlichen Gesellschaft einer Staatsdoktrin. Jemand, der das behauptet, versteht Künstlerinnen und Künstler nicht; denn sie nehmen sensibel war, was sie umgibt, verarbeiten es auf eigenständige Weise und gießen es in die Form, die ihrer Ästhetik entspricht. Sie finden ihre Themen selbst, lassen sich nichts vorschreiben und lassen sich nicht kaufen. Sie tun allein das, was für sie stimmig erscheint.

In der DDR hat es eine Form von Staatskunst gegeben. Es hat staatliche Vorgaben für Kunst und Kultur gegeben und Repressionen für diejenigen, die sich ihre Freiheit nicht nehmen lassen wollten. Selbst in dieser Zeit, in der Zeit der SED-Herrschaft, die Angst und Opportunismus durchaus beförderte, haben sich Kulturschaffende ihre Freiräume bewahrt, Kritisches an der Zensur vorbeigeschleust und dabei eine Subtilität und einen Anspielungsreichtum entwickelt, der seinesgleichen sucht.

Es darf nie wieder eine staatliche Lenkung, nie wieder totalitäres Eingreifen in die Gesellschaft, nie wieder staatliche Beschränkung der Kunstfreiheit hier in Sachsen geben,

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der Abg. Ines Springer, CDU, und der Staatsministerin Dr. Eva-Maria Stange)

so wie es die AfD und ihre rechtsextremen Netzwerke wollen. Dafür müssen alle Demokratinnen und Demokraten kämpfen, und erst recht in diesem wichtigen Jahr, 30 Jahre nach der friedlichen Revolution.

Ich möchte an dieser Stelle auch Ihnen, Frau Staatsministerin Stange, dafür danken, dass Sie gerade bei diesem Thema, der Verteidigung der Kunstfreiheit, der Freiheit von jeglichem staatlichen Einfluss, immer so deutliche Worte gefunden haben.

Wir haben oft kritisiert, dass Sie noch mehr machen sollten, dass Sie noch mehr aktiv etwas tun sollten, um diese Freiheit zu verteidigen und die Strukturen sicher und nicht angreifbar zu machen, aber Sie haben sich immer persönlich sehr stark und sehr schnell dazu geäußert, wie wichtig und bedeutend die Kunstfreiheit für alle unsere gesellschaftlichen Bereiche ist und dass es eben

kein Nischenthema ist, sondern die Grundlage für unser Zusammenleben. Dafür möchte auch ich mich sehr herzlich bei Ihnen bedanken.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU und der SPD – Beifall der Staatsministerin Dr. Eva-Maria Stange)

Mit Frau Dr. Maicher sind wir am Ende der Rederunde angekommen. Soll eine weitere eröffnet werden?

(Karin Wilke, AfD: Ja!)

Das Wort erhält erneut für die einbringende Fraktion Frau Kollegin Wilke.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, Frau Dr. Maicher, ich spreche über Künstler, die aus Kulturorten verbannt werden. Ja, Frau Kliese, ich gehe nur noch selten ins Theater – leider.

Ich fahre fort. „Man ist empört über andere Meinungen, kann es gar nicht fassen, dass jemand so und so denken kann, und vergisst dabei die Freiheit der Meinungsbildung“,

(Zuruf des Abg. Gerald Otto, CDU)

sagt der Wiener Neurologe und Psychotherapeut Bonelli.

Der Ausschluss Axel Krauses, der Vorstandsrücktritt und die zunächst erfolgte Absage der gesamten Ausstellung mit der absurden Begründung, politische Neutralität erweise sich in diesen Zeiten als unmöglich, machen es überdeutlich: Weil sich zwei oder drei Narzissten in ihrer Blase gestört fühlen, dürfen sie der übergroßen Mehrheit der Künstler ihre Weltsicht überstülpen.

Nicht nur dass Schade und sein Vorstand damit einen Kotau vor dem linken Mainstream der Messestadt vollzogen haben – wer Axel Krause zuerst ausschließt, dann aus Feigheit vor den Konsequenzen dieses Ausschlusses zurücktritt und die Ausstellung absagt, der beschädigt das Ansehen der Jahresausstellung der Stadt Leipzig, der Kunstszene Sachsens und nicht zuletzt der Demokratie.

(Beifall bei der AfD)

Der Vorgang setzt eine ungute Reihe fort. Ich erinnere an die Tilgung des Gomringer-Gedichts von der Fassade der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin. Aktuell haben wir die Besetzung der Bibliothek der Dresdner Hochschule für Bildende Künste, deren Leiterin Barbara Lenk für die AfD Meißen zum Kreistag kandidierte. Wenn Kunststudenten fordern, dass Lenk umgehend ihre Arbeitsstelle an der HfbK oder aber ihre Aktivitäten im Zusammenhang mit der AfD aufgebe, dann sind das genau die Methoden, die 1933 die Nazis anwandten.

(Beifall bei der AfD – André Barth, AfD: Genau!)

Dass es eine parteilose Frau trifft, die noch nicht einmal gewählt wurde, macht den Vorgang umso unbegreiflicher und unterstreicht einmal mehr, dass neben öffentlichen Sympathiebekundungen auch Kandidaturen für die AfD zunehmend unmöglich werden, weil viele potenzielle Kandidaten ihre gesellschaftliche und berufliche Existenz gefährdet sehen. Denken Sie an den zum Rücktritt gezwungenen Ex-Handballpräsidenten Uwe Vetterlein. So verwundert nicht, dass wir unseren Wählerauftrag nicht umsetzen können, weil etwa 20 % der errungenen Mandate wegen genau dieser drohenden gesellschaftlichen Ächtung nicht besetzt werden konnten.

(Beifall bei der AfD – Widerspruch des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Es verwundert auch nicht, dass unsere Freiberger Stadträte auf die Neutralität des Theaters pochten. Lassen Sie es mich noch einmal sagen, Frau Dr. Pinka und auch Frau Dr. Stange: Aus einer politischen Veranstaltung wird keine künstlerische dadurch, dass sie an einer Kunststätte stattfindet. Dieselben Vorwürfe muss man an die Unterzeichner der „Erklärung der Vielen“ richten, die vorgeblich der Kunstfreiheit das Wort reden, in Wirklichkeit aber feige den Schwanz einziehen, wenn es tatsächlich um die Freiheit anderer Meinungen geht, ganz speziell auch um die Kunstfreiheit.

Wenn bundesweit Kulturschaffende, die mehrheitlich am Tropf staatlicher Finanzinfusionen hängen, behaupten, es geht um uns alle, muss man sich fragen, warum sie sich zu gegenseitiger Solidarität verpflichten müssen. Man muss sich weiter fragen, was genau denn solidarisch verteidigt werden soll; denn es heißt, wer sich gegen einen von uns stellt, hat alle gegen sich. Die Antwort lautet gemäß dem Internetauftritt, der übrigens kein Impressum aufweist: „Kunst für Demokratie gegen rechtspopulistische Strategien, die demokratische Grundwerte untergraben“.

(Widerspruch der Abg. Luise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE)

Wäre es diese Kunst aber nicht wert, für etwas verteidigt zu werden, statt gegen etwas? Verwiesen wird auf die vielen beteiligten Institutionen, deren Zustimmung einhergeht mit der Abhängigkeit von Staatsgeld und Förderung, ein Filz, fruchtbare Erziehung zum Chorgesang, eine Symbiose von Kunst und Propaganda. Im einstigen Land der Dichter, Denker und Musiker herrscht devoter Konformismus.

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: Das stimmt doch überhaupt nicht!)

Der widerspenstige Autor Uwe Tellkamp hat die intellektuelle Insolvenz der „Erklärung der Vielen“ und den ihr zugrunde liegenden Gesinnungskorridor in einem offenen Brief an die Unterzeichner analysiert. Er zeigt sich erschüttert über das Vorhaben, das man zwar diskutieren, unpassenden Meinungen aber kein Forum bieten wolle, womit eine freie Debatte ad absurdum geführt wird. Tellkamp bezweifelt den demokratischen Charakter dieser

Bewegung, weil unklar ist, für wen allein die beteiligten sächsischen Einrichtungen – –

Die Redezeit ist zu Ende, Frau Wilke.

– sprechen und ob und von wem alle ihre Mitglieder und Mitarbeiter dazu befragt wurden.

(Beifall bei der AfD)

Eine zweite Rederunde ist eröffnet. Als Nächste spricht für die CDU-Fraktion Frau Kollegin Fiedler.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ihre Redebeiträge, Frau Wilke, machen für mich vor allem eines deutlich: Das ist die Angst der AfD vor der Kraft der Kunst.