Protokoll der Sitzung vom 10.02.2000

Es wird für die Polizei nicht einfach sein, die derzeit verbliebenen 912 kw-Stellen abzubauen. Bei der Umsetzung dieser Entscheidung ist darauf zu achten, daß es nicht zu einer Umkehrung des Freistellungskonzepts kommt.

Der Polizeivollzugsdienst ist ja vor einigen Jahren dadurch gestärkt worden, daß Stellen in der Polizeiverwaltung mit gelernten Verwaltungskräften besetzt und bislang dort eingesetzte Vollzugsbeamte für ihre eigentlichen Aufgaben im vollzugspolizeilichen Bereich freigestellt wurden. Der jetzt vorgesehene Stellenabbau steht hierzu nicht im Widerspruch, wenn er auf die dafür geeigneten Bereiche beschränkt bleibt.

Der Herr Innenminister hat schon darauf hingewiesen, daß der Einsatz moderner Technik das Wegfallen von Stellen ermöglicht. So werden durch das Informationssystem Polis neu Stellen im Schreibdienst und in der Auswertung eingespart. Hinzu kommen Rationalisie

rungsmaßnahmen wie etwa der Verzicht auf mehrfache Nachweisführung in der Beschaffung.

Lassen Sie mich einen weiteren Aspekt hervorheben. In der Deutschen Volkspolizei wurde ein Gutteil der Verwaltungsarbeit von Angehörigen des Vollzugsdienstes geleistet - bis hin zur Sekretärin des Chefs der BDVP. Diese Verwaltungsstrukturen galt es nach der Wende umzubauen und die Vollzugskräfte durch Verwaltungsprofis zu ersetzen. Dabei handelt es sich überwiegend um junge Beamtinnen und Beamte, die im Anschluß an ihre Ausbildung als Regierungsinspektoren bzw. -assistenten bei den Polizeidirektionen und Einrichtungen der Polizei eingestellt wurden. Eine gut ausgebildete Verwaltungskraft ist in der Lage, nach einer Phase der Einarbeitung mehr Verwaltungsarbeit zu erledigen als ein fachfremd eingesetzter Vollzugsbeamter.

Das ist natürlich kein Vorwurf an die Vollzugsbeamten. Wenn es um die Verkehrsregelung an einer Kreuzung geht, leistet ein Vollzugsbeamter sicher mehr als drei Verwaltungsjuristen, die allenfalls in der Lage wären, dann die von ihnen selbst angerichteten Verkehrsunfälle in der Schadensregulierung abzuwickeln. Es ist also so, daß jeder das machen soll, wofür er am besten geeignet ist.

(Zustimmung von Herrn Czeke, PDS - Zuruf von Herrn Schulze, CDU - Herr Dr. Daehre, CDU: Kein Vertrauen in die Verwaltung!)

Meine Damen und Herren! Besonders begrüßen möchte ich, daß die Bemühungen der Landesregierung, den Personalhaushalt der Polizei auf die Vergleichsdaten anderer Flächenländer auszurichten, in enger Abstimmung mit den Interessenvertretern der Beschäftigten erfolgen. Das Gespräch, das der Minister des Innern und der Minister der Finanzen am 17. Februar mit Vertretern der Gewerkschaft der Polizei, der Deutschen Polizeigewerkschaft und des Bundes Deutscher Kriminalbeamter führen werden, bringt vielleicht noch nicht den Durchbruch, aber die Bemühungen um ein Bündnis für Arbeit auch für diesen Teil der Landesverwaltung stimmen mich optimistisch, daß es zu einer Lösung kommen wird, die den Stellenabbau im Einvernehmen mit den Beschäftigten ermöglicht.

Der Stellenabbau muß nicht mit einem entsprechenden Personalabbau einhergehen, wenn das Instrument der Teilzeit stärker Anwendung findet. Bei der Entwicklung von Teilzeitmodellen sollte dem öffentlichen Dienst eine Vorbildfunktion zukommen. Im Verhältnis zu manch anderen Ländern wird bei uns zu wenig Teilzeitarbeit geleistet.

Meine Damen und Herren! Die SPD-Landtagsfraktion hält den Änderungsantrag der CDU nicht für zustimmungsfähig. Es ist zum einen nicht zu schaffen, bis zum Ende des ersten Quartals den Bericht über das Konzept zum Personalabbau bei der Polizei vorzulegen. Hierfür ist, wie von der PDS vorgeschlagen, der Herbst dieses Jahres, wenn die Haushaltsberatungen beginnen, der richtige Zeitpunkt.

Zum anderen ist es falsch, meine Damen und Herren von der CDU, zu sagen, daß der Landtag mit dem Haushaltsplan beschlossen habe, bezüglich des Personalabbaus eine Zahl von 24 Vollbeschäftigteneinheiten pro 1 000 Einwohner bis zum Jahre 2003 festzulegen. Die allgemeinen Bemerkungen zur Veranschlagung der Personalausgaben sind nicht Teil des Haushaltsgesetzes, sondern haben erläuternden Charakter. Dort ist auf

eine entsprechende Kabinettsvorlage vom 16. Juni 1999 Bezug genommen worden.

Wir möchten allerdings den Gedanken aufgreifen, zu einem umfassenden Konzept zu kommen, das die gesamte Landesverwaltung einbezieht, und bringen deshalb den Ihnen in der Drs. 3/2698 vorliegenden Änderungsantrag ein. Sollte dieser keine Mehrheit finden, werden wir dem Antrag der PDS zustimmen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD und von der Regie- rungsbank)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Der Änderungsantrag der SPD-Fraktion in der Drs. 3/2698 ist verteilt worden. Ich gehe davon aus, daß Sie alle jetzt davon Kenntnis haben. Somit erteile ich Herrn Becker für die Darlegung der Argumente der CDU-Fraktion das Wort. Bitte, Herr Becker.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! So richtig und wichtig der Antrag der PDS ist, so richtig und wichtig ist auch der Änderungsantrag der CDU.

Herr Kollege Gärtner, als Sie hier sprachen, haben Sie zu Recht auf die Gefahr einer Verzögerung hingewiesen. Ich bin aber optimistisch, daß diese Gefahr nicht eintreten kann, nachdem jetzt der Antrag der SPD mit vorliegt. Das heißt, die ganze Sache hat ein gewisses Eigengewicht erhalten.

Damit gehe ich auf das ein, was der Herr Kollege Rothe gesagt hat. Wir sollten uns auf den 30. September einigen, damit wir dieses Thema aus den Haushaltsberatungen heraushalten. Es muß vorher behandelt werden. In einer Haushaltsberatung geht es immer wieder unter. Ich meine, wir müssen uns über dieses wichtige Thema nicht streiten, sondern können schon vorab zu einem gewissen Konsens kommen.

Hier, meine Damen und Herren, - und das ist das, was ich immer wieder anmahnen muß - obliegt auch der Landesregierung eine große Fürsorgepflicht unseren Beamtinnen und Beamten und Bediensteten im Angestellten- und Arbeiterverhältnis gegenüber. Hier muß etwas geschehen. Hier muß eine Perspektive gegeben werden.

Deshalb wäre es wirklich wichtig, daß wir uns darauf einigen, das Thema außerhalb der Haushaltsberatungen zu erörtern und das Konzept bis zum 30. September 2000 zu erhalten.

Ich würde insoweit den Antrag der CDU ergänzen mit dem Hinweis, daß das Konzept nicht im ersten Quartal 2000 erbeten wird. In unserem Antrag wurde als Termin das erste Quartal 2000 gesetzt. Das ist nicht zu schaffen. Das wäre schon in sechs Wochen. Da wir immer wieder kritisieren, daß seitens der Landesregierung nichts vorliege, können wir nun nicht erwarten, das Konzept in sechs Wochen zu erhalten. Deshalb wäre der Termin 30. September 2000 richtig.

Meine Damen und Herren! Die Staatsquote - das wird von allen Fraktionen in diesem Haus gesagt -, die die gesamten öffentlichen Ausgaben im Lande umfaßt, ist einfach zu hoch. Die Personaleinsparungen sind dringend geboten. Das Problem reduziert sich, meine Da

men und Herren von der PDS, eben nicht nur auf die Polizei, wenngleich es dort angesichts der über 1 000 Stellen zunächst virulent werden könnte und virulent wird.

Aber es ist einerseits hinlänglich bekannt, daß SachsenAnhalt, bezogen auf alle Bundesländer, die meisten Landesbediensteten je 1 000 Einwohner hat. Wenn man andererseits bedenkt, daß in keinem anderen ostdeutschen Bundesland die Verschuldung so hoch ist wie in Sachsen-Anhalt, so muß man nicht Adam Riese heißen, um die Dringlichkeit des Personalabbaus in der Landesverwaltung anzuerkennen.

Die bisher von der Landesregierung ergriffenen Maßnahmen sind Flickschusterei. Ich muß es leider so sagen.

(Zustimmung bei der CDU)

Die 1:3-Regelung, meine Damen und Herren, die 1:4Regelung, der Einstellungsstopp und die Haushaltssperren haben uns im Grunde dem gewünschten Ziel nicht näher gebracht.

Schon seit Jahren fordert die CDU-Fraktion deshalb von der Landesregierung ein Personalkonzept. Ich erinnere nur an die vielen Reden, die Herr Kollege Scharf zu diesem Thema bereits gehalten hat. Wenn man den Computer einschaltet, kommt nur noch der Name Scharf in bezug auf Forderungen nach einem Personalkonzept heraus. Das macht deutlich, daß das ein brennendes Problem ist.

Im Haushaltsplan 2000 wurden nun von der Landesregierung erstmals ehrgeizige Ziele formuliert. Bis zum Jahre 2003 will man die Zahl der Landesbediensteten von derzeit 33 je 1 000 Einwohner auf 24 je 1 000 Einwohner reduzieren. Das wäre, verglichen mit den anderen Bundesländern, immerhin ein guter Durchschnitt.

Erstmals, meine Damen und Herren, werden auch konkrete Zielzahlen für die Ministerien und bestimmte Schwerpunktbereiche genannt. Der Erklärung des Finanzministeriums zufolge soll die Zahl der Landesbediensteten um 13 000 reduziert werden.

Ich sage ausdrücklich, auch wenn es wenig populär ist: Die CDU-Landtagsfraktion wird dieses Grundanliegen unterstützen. Ebenso hat sich kürzlich der Beamtenbund geäußert.

(Zustimmung von Herrn Dr. Bergner, CDU)

Natürlich möchten wir konkret erfahren, wo, wann und wie die Landesregierung ihre Überlegungen umsetzen will. Vollkommen ungeklärt ist nämlich bisher die zukünftige Personalsituation beispielsweise im Bereich der Schulen und der Hochschulen.

Meine Damen und Herren! Der vorgesehene Abbau darf nicht zu Lasten der Kommunen gehen. Ich erinnere nur an die verhängnisvolle Situation, in die uns das Hortgesetz gebracht hat.

(Zustimmung bei der CDU)

Wer in den Gemeinden sieht, welcher Kampf entstanden ist zwischen den Erzieherinnen der freien und kommunalen Einrichtungen und den staatlichen Hortnerinnen, der weiß, welches Problem das Land mit diesem Gesetz nach unten delegiert hat. Dort wird der Kampf ausgetragen, der eigentlich in diesem Saale hätte stattfinden müssen.

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Ende.

Ich komme zum Ende. - Im Ergebnis halten wir es für wenig sinnvoll, den Personalabbau lediglich für die Landespolizei zu spezifizieren. Wir sind der Meinung, daß eine umfassende Aussage über den Personalabbau in der Landesverwaltung notwendig ist. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke sehr. - Für die DVU Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Weich das Wort. Bitte, Herr Weich.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einer Situation der immer brutaler werdenden Gewalt auch bei geringsten Anlässen, in einer Situation größtmöglich gefährdeter innerer Sicherheit plant die Landesregierung, im Lande Sachsen-Anhalt im Bereich der Landespolizei bis zum Jahr 2003 über 900 Planstellen abzubauen. Allein die Planung ist frevelhaft; denn sie geht elementar an dem Sicherheitsbedürfnis der Bürger vorbei.

Völlig zu Recht fordert die Fraktion der PDS in diesem Zusammenhang von der Landesregierung ein schriftliches Konzept für den vorgesehenen Personalstellenabbau.

Ich bitte um eine kurze Unterbrechung. - Ich möchte die Abgeordnete Frau Wiechmann bitten, ihre HandyTelefonate einzustellen. - Ist das ein Handy? - Entschuldigung, ich hatte den Eindruck. - Sie können fortsetzen.

(Frau Budde, SPD: Für mich ist das ein Handy! Der Telefonhörer ist aufgelegt!)

Noch einmal: Völlig zu Recht fordert die Fraktion der PDS in diesem Zusammenhang von der Landesregierung ein schriftliches Konzept für den vorgesehenen Personalstellenabbau im Bereich der Landespolizei. Allerdings ist die Forderung unter Punkt 1 zu ergänzen, und zwar dahin gehend, daß in die Berichtspflicht gegenüber der Landesregierung nicht nur die Polizeigewerkschaften einbezogen werden, sondern auch die Personalräte; denn nicht immer besteht bei den Personalräten der unterschiedlichen Ebenen zwischen Gewerkschafts- und Personalratszugehörigkeit Übereinstimmung.

Auch die Forderung unter Nr. 2 findet die diesseitige Unterstützung. Insbesondere sollten die Polizeibehörden genannt werden, die vom Planstellenabbau am Rande oder massiv bedroht sind. Das allein ist aber noch nicht ausreichend; denn die personellen Inhalte des Planstellenabbaus können die Effektivität des polizeilichen Handelns bis auf Null reduzieren.

Daher ist zunächst zu fragen, welche Führungsebenen vom Planstellenabbau betroffen sind. Steht die Führungsebene fest, können hieraus Schlüsse auf die Effektivität der polizeilichen Arbeitsbereiche gezogen werden.

Um es zu verdeutlichen: Es ist völlig unbedenklich, zum Beispiel aus dem Sachgebiet „Einsatz und Verwendung“ bei zwei vorhandenen Planstellen des höheren Dienstes eine Planstelle herauszulösen, da bei dem überwiegenden Planstellenkegel des höheren Dienstes die Aufgaben auf eine Planstelle reduziert werden können.

Kritischer wäre es auf der Arbeitsebene; denn die Ausdünnung der Planstellen des gehobenen und des mittleren Dienstes führt zum Ausfall der eigenen Arbeitskräfte. Dieser Ausfall ist aber nicht mehr zu kompensieren.

Diese Ausführungen können auf alle Führungs- und Arbeitsebenen übertragen werden. Dabei bleibt offen, in welchem Umfang einerseits die Schutzpolizei und andererseits die Kriminalpolizei betroffen sein würde; denn Schutz- und Kriminalpolizei stehen in einem Verhältnis von etwa 10 : 1.

Letztlich kann doch die Frage des Planstellenabbaus nur die Frage betreffen, ob eine Planstellenreduzierung auf der Grundlage der Verlagerung von Verwaltungsaufgaben auf Angestellte möglich ist. Der Planstellenkegel bei der Schutz- und bei der Kriminalpolizei ist ausgereizt. Jede weitere Ausdünnung würde zum Ausbluten des Personalbestandes führen.