Protokoll der Sitzung vom 09.03.2000

Kein Jugendhilfekorsett! Eine Umkehr zu Grundwerten setzt ein, und das macht Ihnen Angst.

(Zuruf von Frau Ferchland, PDS)

Das Zusammenpferchen mit völlig fremden Kulturkreisen sprengt nicht nur Jugendvollzugsanstalten - dort zahlt sich Multikulti richtig aus, wenn Sie so wollen, als internationale Jugendzusammenarbeit.

Nebenbei eine interessante Information: Deutschland zahlte allein im Jahr 1999 43,1 Milliarden DM in den EUHaushalt ein. Das hat sich für Sachsen-Anhalt wie folgt gelohnt, auch für die Jugend natürlich: Durchschnittlich erhält Sachsen-Anhalt zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit jährlich spärliche 200 Millionen DM, sozusagen als Wechselgeld, zurück. Europa, wie es sich momentan darstellt, ist kein Ziel mehr. Es ist ein Moloch.

Dem Versuch der PDS, dem Gesetz rote Inhalte einzuverleiben, müssen alle verantwortungsbewußten Abgeordneten eine Abfuhr erteilen. Es bedarf keiner Gehhilfe in Gesetzesform, keiner Gängelung und auch keiner Aufwiegelung vielleicht noch zur autonomen Rebellion gegen traditionelle christliche und ethische Werte, denn das ist die Botschaft des Papiers.

(Frau Ferchland, PDS, lacht)

Herr Abgeordneter, kommen Sie zum Schluß. Sie liegen außerhalb der Redezeit.

Ich beeile mich. Das ist in Ordnung.

(Unruhe bei der SPD)

Letzter Satz, bitte.

Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis den Abgeordneten Steckel, der der Meinung ist, das Gesetz solle die Dominanz des Rassismus und Neofaschismus in der Gesellschaft aufbrechen. Das sind Begriffe, die noch nicht einmal eine Ministerin dieses Hauses erläutern kann.

Rechnen wir zusammen: Die PDS stimmt dem unsozialsten Haushalt zu, spielt sich als Beschützerin der Jugend auf. Unter dem Strich bleibt die politische Lüge. Danke.

(Beifall bei der FDVP - Herr Dr. Süß, PDS: Set- zen! Fünf!)

Für die PDS-Fraktion hat jetzt die Abgeordnete Frau Dr. Weiher das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zwei Bemerkungen vorweg: Herr Dr. Bergner, das KJHG ist ein Leistungsgesetz, und es erfordert in seinen Landesrechtsvorbehalten durchaus auch Leistungsgesetze auf Landesebene. Wenn Sie sich das Kinderbetreuungsgesetz ansehen, werden Sie feststellen, es ist ebenfalls ein Ausführungsgesetz zum KJHG. Es ist eindeutig ein Leistungsgesetz. Es ist zu erwarten - da sind wir guter Hoffnung -, daß wir auch das Kinder- und Jugendhilfegesetz als Ausführungs- und damit Leistungsgesetz bekommen werden.

Eine zweite Bemerkung. Es erstaunt mich schon, wenn Sie hier bemerken, daß die CDU das Gesetz insgesamt für überflüssig hält.

(Frau Stange, CDU: Ja!)

Dann hätten Ihre Abgeordneten allerdings konsequenterweise in den Ausschußsitzungen weder die einzelnen Paragraphen zu hinterfragen, noch sich bei den Teilabstimmungen teilweise zu enthalten brauchen. Sie hätten konsequenterweise ablehnen müssen.

(Beifall bei der PDS)

Da ist Ihre Argumentation doch ein bißchen weiter.

(Zuruf von Frau Stange, CDU)

- Frau Stange, ich war in allen Ausschußsitzungen dabei. Sie brauchen hier nicht zu reden und Ihre Dinge noch einmal darzulegen. Dazu hatten Sie dort Gelegenheit.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Herrn Bi- schoff, SPD)

Der Weg von der Einbringung des Gesetzentwurfs bis zum heutige Tage war fast ebenso lang wie die Diskussion innerhalb unserer Partei vor der Einbringung. Das gebe ich gern zu. Das macht auch den langwierigen Prozeß einer Kompromißfindung deutlich, die heute den Gesetzentwurf als Ergebnis bringt.

Ich will zu Beginn versuchen, die Frage zu beantworten, ob der vorliegende Gesetzentwurf unseren ursprünglichen Intentionen als Einbringer entspricht oder eher nicht. Wir meinen ja, und ich will es anhand einiger Ergebnisse begründen.

Mit dem vorliegenden Gesetz werden besonders die Strukturen und die Organisation der Kinder- und Jugendhilfe auf kommunaler und auf Landesebene sowie Fragen der Pflegschaft, der Vaterschaft, der Beistandschaft und der Hilfen zur Erziehung geregelt.

Dabei bleibt als wichtiges Ergebnis, daß die Zweigliedrigkeit des Jugendamtes als besondere sozialpädagogische Behörde erhalten wird. Das ist schon bemerkenswert, da in anderen Ländern, wie zum Beispiel in Berlin, im Zuge der Verwaltungsreform durchaus versucht wird, diese Sonderstellung eines Amtes, die durch Bundesgesetz vorgegeben ist, zu beenden. Das wird im Augenblick auch durch das Zuständigkeitslockerungsgesetz auf Bundesebene versucht. Wir halten die Zweigliedrigkeit für notwendig.

Eine herausragende Rolle in der Diskussion spielte die Besetzung und die Tätigkeit der Jugendhilfeausschüsse

auf den Ebenen Land und Kommune. Das Ergebnis stärkt vor allem die Rolle der Ausschüsse gegenüber den Verwaltungen im Hinblick auf die fachliche Kompetenz und die Ausgestaltung der Mitbestimmung für freie Träger, unter anderem durch die Vertretung von Mädchen und jungen Frauen, von ausländischen Kindern und Jugendlichen und von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen, durch die Mitgliedschaft im Ausschuß nach Wohnort- oder Dienstprinzip und durch die Möglichkeit, bereits mit 16 Jahren Mitglied zu werden, durch die beratende Mitgliedschaft von Mitgliedern des Landtages im Landesjugendhilfeausschuß, durch die gesicherte stimmberechtigte Mitgliedschaft von in der Jugendarbeit tätigen freien Trägern und nicht zuletzt durch die Festschreibung von Mitsprache-, Beteiligungs-, Anhörungs- und Informationsrechten als Partizipationsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen.

Insbesondere dieser letzte Punkt wird von uns als wichtig erachtet, gestattet er doch Kindern und Jugendlichen, Demokratie in ihrem Umfeld zu erleben und zu erlernen, was, wie wir heute früh erfuhren, äußerst notwendig ist.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der in dieser Formulierung in einem Ausführungsgesetz bisher wohl einmalig ist, aber hoffentlich nicht bleibt, ist die deutliche Gleichstellung unverheirateter und gleichgeschlecht-licher Lebensgemeinschaften mit verheirateten Paaren bezüglich der Erteilung einer Pflegeerlaubnis. Damit wird in diesem Bereich ein Beitrag zum Abbau von Benachteiligungen für schwule, lesbische und andere Paare erreicht.

Neu aufgenommen wurde in der Beratungsphase die Möglichkeit der Übernahme von Pflegschaften, Vormundschaften und Beistandsschaften durch Vereine, wie bereits in Bayern und Berlin geregelt.

Nun zum zweiten Teil meiner Ausführungen. Mit der Trennung des Gesetzentwurfs der PDS-Fraktion in zwei Teile wurde ein vorhandener Dissens bezüglich der Auswirkungen, insbesondere auf die kommunale Ebene, zwischen der PDS und der SPD - aber ich gebe zu, auch zwischen Kinder- und Jugendpolitikerinnen und Kommunalpolitikerinnen - positiv beantwortet. Die Teilung ist mit einer Gesetzesfolgenabschätzung zu dem inhaltlichen Bereich verbunden, die unter anderem bei der Anhörung im Februar 1999 insbesondere von kommunaler Seite eingefordert wurde.

Bei diesem Gesetzestest, mit dem wir die Landesregierung beauftragen wollen, geht es aber nicht nur um die finanziellen Auswirkungen auf Land, Kommunen und Träger, sondern auch um den nicht weniger wichtigen Teil der Abschätzung von Wirksamkeit und Auswirkungen, von Erforderlichkeit und Umsetzbarkeit, von Zweckeignung und Alternativen in Verwaltung, bei Trägern, Kindern und Jugendlichen, ihren Familien und dem Umfeld. Wichtig ist uns auch hierbei, daß die eigent-lichen Adressaten des Gesetzes, Kinder und Jugend-liche, einbezogen werden.

Wir fordern auch die Beteiligung der kommunalen Seite ein. Erinnern möchte ich an dieser Stelle daran, daß der Städte- und Gemeindebund und der Landkreistag bereits am 21. Dezember 1998 in einem Schreiben den Landtag gebeten haben, zum Gesetzentwurf der PDSFraktion eine Gesetzesfolgenabschätzung vorzunehmen. Nun, da mit der Einstellung finanzieller Mittel im Landeshaushalt für dieses und das nächste Jahr auch das letzte formale Hindernis beseitigt worden ist, sollte es möglich sein, in Zusammenarbeit mit den kommuna

len Strukturen, mit den Trägern und anderen Betroffenen zu konkreten Aussagen zu kommen.

Ich bin optimistisch, daß im Jahr 2001 als Ergebnis des Testes, wie im vorliegenden Entschließungsantrag formuliert, das Kinder- und Jugendhilferecht im Land Sachsen-Anhalt weiter ausgestaltet werden wird und der Leistungsteil eine gesetzliche Basis erhalten wird. - Danke.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Herrn Bi- schoff, SPD, und von Herrn Steckel, SPD)

Meine Damen und Herren! Wir sind damit am Ende der Debatte und kommen zum Abstimmungsverfahren zur Drs. 3/2753.

Meine Damen und Herren! Da es sich um ein sehr umfangreiches Verfahren handelt, in dem über 54 Paragraphen abzustimmen ist, schlage ich vor, daß ich die Bestimmungen aufrufe, bis jemand Halt ruft und wir gesondert abstimmen müssen.

(Die Vizepräsidentin ruft die §§ 1 bis 54/1 auf)

Ich stelle fest, wir können über alle selbständigen Bestimmungen zusammen abstimmen. Wer den genannten Paragraphen in der Fassung der Empfehlung des Ausschusses seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Gegenstimmen? Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Bei einer Reihe von Gegenstimmen ist den selbständigen Bestimmungen den Empfehlungen des Ausschusses entsprechend zugestimmt worden.

Ich lasse über die Abschnittsüberschriften abstimmen. Wer folgt der Empfehlung des Ausschusses? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung und zahlreichen Gegenstimmen wurde dem Vorschlag des Ausschusses gefolgt.

Ich lasse jetzt abstimmen über die Gesetzesüberschrift, die lautet: „Kinder- und Jugendhilfegesetz des Landes Sachsen-Anhalt (KJHG-LSA)“. Wer stimmt zu? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei einer Reihe von Gegenstimmen ist der Empfehlung gefolgt worden.

Ich lasse jetzt abstimmen über das Gesetz in seiner Gesamtheit. Wer stimmt dem Gesetz in seiner Gesamtheit zu? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Keine Enthaltungen, gleiches Abstimmungsverhalten. Damit ist das Gesetz in seiner Gesamtheit angenommen worden.

Ich lasse jetzt abstimmen über den Entschließungsantrag in der Drs. 3/2766. Ist es erforderlich, über die Nummern getrennt abzustimmen? - Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich insgesamt abstimmen. Wer stimmt der Drs. 3/2766 zu? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Keine Enthaltungen, eine Reihe von Gegenstimmen. Damit ist der Entschließungsantrag angenommen worden.

Wir haben damit den Tagesordnungspunkt 10 erledigt.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Zweite Beratung

Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll zur Änderung des Europäischen Übereinkommens über das grenzüberschreitende Fernsehen