Protokoll der Sitzung vom 10.03.2000

Eine Debatte zu diesem Punkt ist nicht vorgesehen.

Meine Damen und Herren, wie Sie wissen, haben die Veränderungen in der Zusammensetzung des Landtages auch Auswirkungen auf die Besetzung des Siebenten Parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Nach § 5 des Untersuchungsausschußgesetzes sind die von den Fraktionen benannten Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder des parlamentarischen Untersuchungsausschusses durch den Landtag zu bestätigen. Ihnen liegen zwei diesbezügliche Anträge vor.

Ich stelle jetzt zur Abstimmung den Antrag der Fraktion der FDVP in der Drs. 3/2719. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dann ist dem bei einer großen Zahl von Stimmenthaltungen ohne Gegenstimmen zugestimmt worden.

Ich stelle den Antrag der Fraktion der DVU-FL in der Drs. 3/2786 zur Abstimmung. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dann ist dem bei einer großen Zahl von Stimmenthaltungen ohne Gegenstimmen ebenfalls zugestimmt worden.

Damit sind die vorgeschlagenen Mitglieder des Landtages als Mitglied bzw. als stellvertretendes Mitglied im Siebenten Parlamentarischen Untersuchungsausschuß bestätigt. Die Beratung zum Tagesordnungspunkt 24 ist abgeschlossen.

Meine Damen und Herren! Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 auf:

Beratung

CDU-Eckpunkte für eine effektive Landesverwaltung

Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 3/2733

Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Drs. 3/2809

Der Antrag wird vom Abgeordneten Herrn Dr. Bergner eingebracht.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die CDUFraktion legt Ihnen mit der Drs. 3/2733 eine Initiative vor, über die wir gern in Anwesenheit des Ministerpräsidenten diskutiert hätten.

(Zustimmung von Herrn Becker, CDU, und von Herrn Jeziorsky, CDU)

Es war Herr Höppner, der uns durch seinen - ich will es vorsichtig umschreiben - merkwürdigen Redebeitrag in der letzten Landtagssitzung in Sachen Verwaltungsreform den Anstoß gab, mit dieser Initiative - die wir sofort in den Ausschuß hätten bringen können - noch einmal in den Landtag zu gehen. Ich will zunächst, ehe ich auf Einzelheiten eingehe, zwei grundsätzliche Anliegen der CDU-Fraktion verdeutlichen.

Die Diskussion über die Leitbilder zur Verwaltungsreform muß vom Kopf auf die Füße gestellt werden.

(Beifall bei der CDU)

Ohne verbindliche Entscheidungen zur Reform der Landesverwaltung sind wir nicht bereit, eine Diskussion über Kommunalstrukturen zu führen;

(Beifall bei der CDU)

denn das ist die Voraussetzung dafür, daß über Kommunalstrukturen sinnvoll und unter Hinweis auf Funktionszuordnungen diskutiert werden kann.

Das Konzept zur Reform der Landesverwaltung, und zwar ein wirkliches Konzept und nicht nur ein allgemeines Papier wie das Leitbild, ist überfällig. Es ist aus unserer Sicht schon zynisch, wenn die Landesregierung einerseits die gesamte kommunale Gemeinschaft mit einer Leitbilddiskussion in Unruhe versetzt, der Ministerpräsident aber andererseits in der letzten Sitzung sich weigert, über die Reform der Landesverwaltung Angaben zu machen, um - Zitat - „die Mitarbeiter der Landesverwaltung nicht zu verunsichern“.

(Herr Becker, CDU: Hört, hört!)

Meine Damen und Herren! Was dem einen zugemutet wird, muß auch dem anderen zugemutet werden.

(Beifall bei der CDU)

Der Anlaß für unseren Antrag sind folgende Fragen: Welche Rolle soll das Parlament generell bei einer Reform der Landesverwaltung spielen, und wie gehen wir im zeitweiligen Ausschuß mit dem Anliegen der Reform der Landesverwaltung um?

Um es vorweg zu sagen: Wir halten - ich komme noch zu einer entsprechenden rechtlichen Argumentation eine Beteiligung, und zwar eine wesentliche Beteiligung des Parlamentes für unverzichtbar, mehr noch: Wir fordern gemäß Artikel 86 Abs. 2 unserer Landesverfassung die umgehende Vorlage eines Verwaltungsorganisationsgesetzes.

(Beifall bei der CDU)

Die Äußerungen des Ministerpräsidenten, das betreffe Fragen des Kernbereiches der Exekutive und liege in der Organisationsgewalt der Landesregierung, halten einer staatsrechtlichen Prüfung nicht stand.

(Zustimmung von Herrn Scharf, CDU)

Wir haben die Zeit seit der letzten Landtagssitzung genutzt, um in staatsrechtlicher Hinsicht Konsultationen einzuholen. Ich werde auf die etwas trockenere staatsrechtliche Argumentation noch zu sprechen kommen. Das Ergebnis ist nicht nur eine klare Widerlegung der These, daß das das Parlament nichts angehe - wie Herr Höppner vorgetragen hat -, sondern es ist auch in anderer, aktueller Hinsicht interessant, was im Ergebnis dieser staatsrechtlichen Prüfung zutage kam.

Meine Damen und Herren von SPD und PDS, Sie diskutieren über vermeintliche Demokratieverluste bei der Erweiterung von Polizeibefugnissen. Aber - das leitet zu unserer Frage über - der Bürger fühlt sich in seinen persönlichen Freiheitsrechten nicht beeinträchtigt, weil die Polizei auf dem Hallenser Markt Videokameras installierte,

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

sondern der Bürger fühlt sich in seiner persönlichen Freiheit beeinträchtigt, weil er mit einem Behördendschungel und mit einer undurchschaubaren Verwaltung konfrontiert ist.

(Beifall bei der CDU - Herr Tögel, SPD: Das ist ja lächerlich!)

- Herr Kollege, das ist der Kern einer Erkenntnis aus der staatsrechtlichen Argumentation, der wir uns nicht verschließen dürfen. Sie führen die falsche Diskussion, wenn Sie um die Legitimation polizeilichen Handelns streiten und dabei die Legitimation von allgemeiner staatlicher Verwaltung für nebensächlich halten.

Ich will es etwas zugespitzt formulieren, um uns die Dringlichkeit des Anliegens deutlich zu machen: Für die Freiheit des Bürgers in unserem Land ist der Abbau von Bürokratie wichtiger als der Abbau von Videokameras für die Polizei am Hallenser Markt.

(Beifall bei der CDU, bei der FDVP und bei der DVU-FL - Frau Krause, PDS: Das ist bedenklich!)

Das ist der Ansatz, mit dem wir die Diskussion führen müssen. Hierin liegt der tiefere Sinn des Artikels 86 Abs. 2 unserer Landesverfassung. Natürlich wissen wir, daß Verwaltung unentbehrlich ist und daß der eine oder andere Bürger in seiner subjektiven Wahrnehmung Verwaltung - auch unvermeidliche Verwaltung - als Bürokratie empfindet. Deshalb ist es um so wichtiger, daß das, was wir an Verwaltungsaufbau haben, einer ausreichenden politischen Legitimation unterzogen wird. Ich darf - mit Ihrer Genehmigung, Frau Präsidentin - den Verfassungsrechtler Böckenförde zitieren:

„Die Ausübung von Staatsgewalt durch die besonderen Organe der drei Erscheinungsformen der Staatsgewalt stellt besondere Anforderungen an ihre Organisation. Neben der personellen demokratischen Legitimation der dort tätigen Amtswalter, der sachlich-inhaltlichen demokra-tischen Legitimation, die durch das Handeln der Amtswalter steuernde Parlamentsgesetze vermittelt wird, bedarf es“

- das ist für uns wichtig

„deshalb auch einer institutionellen demokratischen Legitimation der einzelnen organisatorischen Einheiten selbst.“

Hierin liegt das Anliegen, das nicht nur eine Parlamentsbefassung mit dem Verwaltungsaufbau notwendig macht. Es ist vielmehr auch erforderlich, daß die Grundlagen dieses Verwaltungsaufbaus durch Gesetz geregelt sind.

Artikel 86 Abs. 2 der Verfassung des Landes SachsenAnhalt verlangt, daß der allgemeine Aufbau der öffentlichen Verwaltung und ihre räumliche Gliederung durch Gesetz geregelt werden. Dadurch werden eine Regelungsbefugnis und eine Regelungspflicht des Landtages begründet - ganz anders, als es der Ministerpräsident gesagt hat - und zugleich die Organisationsgewalt der Landesregierung begrenzt. Insbesondere sind Regelungen, den allgemeinen Aufbau der öffentlichen Verwaltung und ihre räumliche Gliederung betreffend, der alleinigen Organisationsgewalt der Landesregierung entzogen.

In Betracht kommt insofern nur eine konkretisierende Tätigkeit im Rahmen einer etwaigen gesetzlichen Ermächtigung. Entscheidend für die Bestimmungen und die Reichweite des Vorbehaltes des Gesetzes ist die Auslegung der Begriffe „allgemeiner Aufbau“ - Artikel 86 Abs. 2 unserer Landesverfassung - und „räumliche Gliederung“.

Unter dem allgemeinen Aufbau der Verwaltung sind Regelungen und Strukturentscheidungen in folgenden Fragen zu verstehen: erstens Hierarchiestufen der Landesverwaltung und ihre Bezeichnung, zweitens Leitungsund Beaufsichtigungsbefugnisse innerhalb der Landesverwaltung, auch im Zusammenhang mit der Ausführung von Bundesgesetzen, drittens gegebenenfalls Geschäftsbereiche, in denen Landesbehörden mit eigenem Unterbau errichtet werden, viertens Regelungen über die Dienst- und Fachaufsicht, fünftens Voraussetzungen für die Schaffung von organisatorisch und/oder rechtlich selbständigen Verwaltungsaufbauein-heiten.

Die räumliche Gliederung bezieht sich somit auf den räumlichen Zuschnitt der einzelnen Untergliederungen der Landesverwaltung, insbesondere der Mittelbehörden und der unteren Landesbehörden.

Meine Damen und Herren! Diese etwas trocken anmutende rechtliche Argumentation hat deutlich gemacht das ist auch bei den Konsultationen mit Staatsrechtlern deutlich geworden -, daß wir im Bereich der Verwaltungsorganisation unseres Landes inzwischen einen verfassungswidrigen Zustand erreicht haben.

(Zustimmung bei der CDU)

Dies, meine Damen und Herren, macht deutlich, daß wir jetzt die Diskussion an der völlig falschen Stelle beginnen, wenn wir in die Kommunen gehen und ihnen Leitbilder und anderes vorgeben, aber die Legitimation der Landesverwaltung überhaupt noch nicht berührt haben.

(Zustimmung bei der CDU)

Wer die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen genauer beleuchtet, der wird noch zu einer anderen Erkenntnis kommen, die mich geradezu verblüfft hat. Das, was als Polizeireform gemacht wurde, als eine Reform der Schulverwaltung, ist eigentlich - ich will es

vorsichtig sagen - mit einem hohen verfassungsrechtlichen Risiko behaftet gewesen.