Protokoll der Sitzung vom 10.03.2000

vorsichtig sagen - mit einem hohen verfassungsrechtlichen Risiko behaftet gewesen.

Sie haben mit den Mittelbehörden gespielt.

(Ministerin Frau Dr. Kuppe: Das ist doch nicht wahr!)

- Seien Sie nicht entrüstet, Frau Minister. Setzen Sie sich mit den rechtlichen Voraussetzungen auseinander.

(Ministerin Frau Dr. Kuppe: Wir spielen doch nicht mit Behörden!)

Sie haben mit den Mittelbehörden gespielt, insofern gespielt, als die Existenz dieser Mittelbehörden noch immer auf einem Kabinettsbeschluß vom 27. Novem-ber 1990, unterzeichnet von Gerd Gies, Ministerpräsident, beruht, meine Damen und Herren.

(Frau Fischer, Leuna, SPD: Das war der Fehler! - Weitere Zurufe von der SPD)

Das ist die Situation, von der aus Sie bereits jetzt Verwaltungsreformen durchgeführt haben.

Nun muß ich Sie vor dem Hintergrund des starken institutionellen Legitimationsdrucks, unter dem eine Landesverwaltung steht, fragen, inwieweit Sie berechtigt waren, auf dieser Basis solche tiefgreifenden Veränderungen zu vollziehen.

Nun wollen wir über die Vergangenheit nicht streiten.

(Zuruf von Frau Mittendorf, SPD)

Wer die einschlägige Literatur liest - ich empfehle beispielsweise eine Publikation des Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung Speyer -, der weiß, daß alle Fachleute für öffentliches Recht für die Zeit des Übergangs mildernde Umstände anerkennen.

Aber eines muß doch klar sein: Es ist unzureichend, sich zehn Jahre danach noch immer auf einen simplen Kabinettsbeschluß zu berufen, wenn es um die Mittelinstanzen geht. Noch abenteuerlicher ist es, in Strukturen der Kommunalverwaltung einzugreifen, die solide gesetzlich geregelt sind. Damit verfolgen wir den falschen Ansatz. Statt dessen sollten Sie für eine solide Regelung der Landesverwaltung sorgen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDVP)

Deshalb kann ich Sie nur auffordern: Streiten Sie nicht mehr soviel über die Legitimation des polizeilichen Handelns. Sie haben den Umfragen entnehmen können, daß der Bürger darin nicht das Problem sieht, auch nicht das Problem seiner persönlichen Freiheit. Dabei sieht er das Problem seiner persönlichen Sicherheit. Das ist das Entscheidende.

(Zustimmung von Frau Mewald, CDU, und von Frau Helmecke, FDVP)

Aber wenn Sie in derselben Umfrage die Bürger einmal gefragt hätten, wie ihr Verhältnis zu einer Verwaltung ist, mit der sie nicht zurechtkommen und deren Legitimation sie nicht kennen, dann hätten Sie mit den gleichen Quoten - das muß uns bedenklich stimmen - eine kritische Perspektive zur Verwaltung bekommen.

Deshalb sage ich: Weg von den Nebenkriegsschauplätzen des Polizeigesetzes, hin zu den endlich notwendigen Fragen bezüglich der Landesverwaltung. Das ist das Entscheidende, darüber müssen wir reden.

(Zustimmung bei der CDU und von Herrn Kolde, DVU-FL)

In diesem Sinne haben wir einfach ein Angebot zur Diskussion unterbreitet, zu einer Diskussion aufbauend auf der Basis der Enquete-Kommission. Ich möchte nur daran erinnern, daß der heutige Ministerpräsident damals der stellvertretende Vorsitzende dieser EnqueteKommission war. Er hat unmittelbar danach gesagt, wenn wir an die Regierung kommen, setzen wir die Ergebnisse sofort um.

(Herr Becker, CDU: So war es!)

Wir wollen nur daran erinnern, wieviel Zeit inzwischen vergangen ist.

Die Vorschläge basieren auf den Empfehlungen der Enquete-Kommission. Uns sind die Punkte Aufgabenkritik und Rechtsbereinigung wichtig. Uns sind die konkreten Diskussionen über Landesbehörden wichtig; denn allein Quotenzahlen zu nennen nützt niemandem etwas. Uns ist vor allem eines wichtig, nämlich daß die Regierung und das Parlament in dieser Frage vorankommen; denn der Zustand in der Landesverwaltung - das betone ich noch einmal -, nicht in der Kommunalverwaltung, ist viel unerträglicher geworden, als uns allen bewußt ist.

(Zustimmung von Herrn Becker, CDU)

Wir haben uns damit abgefunden, daß Sie jahrelang immer wieder sagen: Das Landesentwicklungsprogramm aus dem Jahr 1992 muß geändert werden. Im Jahr 1998 war es dann soweit. Daß Sie die Mittelbehörden noch immer auf der Grundlage des Beschlusses vom November 1990 betreiben, gefaßt vom Kabinett Gies, ist im Grunde genommen ein unbefriedigender Zustand und muß auch aus Ihrer Sicht ein unbefriedigender Zustand sein.

(Zuruf von Frau Fischer, Leuna, SPD)

Deshalb sage ich: Gehen Sie die Reform der Landesverwaltung an und vergeuden Sie nicht unsere Kräfte an anderen Ressourcen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Bevor wir zur Diskussion kommen, bitte ich Sie, Ihre Aufmerksamkeit nach links und rechts auf die Tribünen zu richten. Wir begrüßen herzlich Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule Arendsee.

(Beifall im ganzen Hause)

Im Ältestenrat ist eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion vereinbart worden in der Reihenfolge SPD, PDS, FDVP, DVU-FL und CDU. Zunächst erteile ich für die Landesregierung der Ministerin Frau Dr. Kup-pe in Vertretung des Ministerpräsidenten das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen Abgeordneten! Sehr geehrter Herr Kollege Bergner, ich habe bis jetzt die Hoffnung noch nicht aufgegeben, daß sich die CDU-Fraktion konstruktiv in die Modernisierung der Verwaltungs- und Gebietsstrukturen einbringt. Meine Hoffnung ist nach Ihrem Beitrag etwas gedämpft worden.

(Beifall bei der SPD - Herr Becker, CDU: Ach! Sie haben unseren Antrag nicht gelesen! - Herr Dr. Daehre, CDU, lacht)

Ich will nur auf einen Punkt zu sprechen kommen, Herr Bergner. Sie haben darauf hingewiesen, daß sich die Strukturen der Landesverwaltung auf einen Kabinettsbeschluß der Regierung der ersten Legislaturperiode in Sachsen-Anhalt unter Ihrem früheren Fraktionskollegen Herrn Gies beziehen. Wenn Sie jetzt diese Strukturen, die darauf aufbauen, in die Nähe der Verfassungswidrigkeit stellen, halte ich das für geradezu abenteuerlich.

(Zustimmung bei der SPD)

Im übrigen hat die Landesregierung laut Landesverfassung das Organisationsrecht und die Organisationsverantwortlichkeit für ihre Verwaltung. Das können Sie ihr nicht absprechen. Das haben wir mit Absicht in die Landesverfassung hineingeschrieben.

Wir werden auch handeln. Herr Bergner, wir haben ein Leitbild vorliegen, und zwar sowohl für die Verwaltungsebene als auch für die kommunale Ebene.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Was steht dann da drin? - Zuruf von Herrn Becker, CDU)

Diese beiden Leitbilder werden diskutiert. Das wollen wir doch. Ich würde das gern auch mit Ihnen diskuti eren.

(Zuruf von Herrn Schulze, CDU)

Aber wenn Sie nur lauter Luftblasen in den Raum setzten und keine inhaltlichen Anhaltspunkte geben,

(Beifall bei der SPD)

sondern nur ein solches Pamphlet zur Diskussion stellen, wie Sie es jetzt zum Antrag erhoben haben, dann werden wir nicht weiterkommen.

Ich lade Sie ein zu einer konstruktiven Diskussion. Wir wollen in unserem Land weiterkommen.

(Herr Felke, SPD: So ist es!)

Daß eine Verwaltungsmodernisierung notwendig ist, ist völlig unstrittig. In dieser Hinsicht sind die Landesregierung und die Landtagsfraktion natürlich einer Meinung. Wir wollen hier etwas bewegen. Wir wollen zukunftsfähige Strukturen, und zwar auf allen Ebenen, erreichen. Diesbezüglich liegt viel Arbeit vor uns. Ich mache mir da nichts vor. Ich möchte diese Arbeit konstruktiv ang ehen.

Sie haben vorhin Bedauern darüber geäußert, daß der Ministerpräsident heute nicht da ist. Sie wissen, daß er in Brüssel mit Herrn Prodi ein Gespräch führt; das will ich noch einmal sagen.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Ich habe das nicht kriti- siert, ich habe es nur bedauert!)

- Der Ältestenrat hätte das vielleicht auch anders organisieren können.

Der Ministerpräsident beabsichtigt - das will ich abschließend sagen -, zur Landtagssitzung im April eine Regierungserklärung zur Verwaltungsreform in diesem Land abzugeben. Dann können wir über das Thema auch in diesem Rahmen im Plenum weiter diskuti eren.

(Zustimmung bei der SPD - Herr Dr. Bergner, CDU: Wann?)