Protokoll der Sitzung vom 06.04.2000

Ich bin sehr dankbar dafür, daß der Bundesverkehrsminister den Bahnchef eindringlich darum gebeten hat, mit den zuständigen Gewerkschaften eine vernünftige Lösung zu finden.

Ich möchte einen letzten Punkt ansprechen, meine Damen und Herren. Dabei geht es ebenfalls um Beschäftig

te, auch um Beschäftigte in unserem Land, und zwar bei den Produzenten der Schienenfahrzeuge. Wenn die Deutsche Bahn AG meint, sie könnte ein europäisches Konsortium damit beauftragen, Schienenfahrzeuge, angefangen beim ICE und den attraktiven, großen und schnellen Fahrzeugen der Bahn bis hin zu Fahrzeugen für den Nahverkehr, zu entwickeln, dann habe ich erhebliche Angst um die Arbeitsplätze in unserer Schienenfahrzeugindustrie. Das muß besprochen werden.

Ich bin der Meinung, meine Damen und Herren, wir müssen es verhindern, daß ein solches europäisches Konsortium produzieren wird. Die deutsche Schienenfahrzeugindustrie ist in der Lage, das selbst zu tun.

(Zustimmung bei der SPD)

- Herzlichen Dank. - Wir haben darüber hinaus - das soll nun wirklich mein letzter Gedanke sein -, von einigen parteitaktischen Ausfällen von Frau Weiß einmal abgesehen, eigentlich einen Konsens gefunden. Ich habe gemerkt, wir unterstützen gemeinsam in diesem Haus die Deutsche Bahn AG in ihrer Politik.

Aber, meine Damen und Herren, es wird einmal zum Schwur kommen. Zum Schwur kommt es dann, wenn wir versuchen, die Bahn auch darin zu unterstützen, gegenüber anderen Verkehrsträgern wirklich wettbewerbsfähig zu werden; das ist insbesondere die Straße.

Das wird deutlich bei der Diskussion über die Schwerlastabgabe, die der Bund jetzt plant. Dazu habe ich schon einige Äußerungen von Ihnen gelesen. Ich warne dringend davor, diese Chance, zu mehr Wettbewerbsgleichheit zu kommen, verstreichen zu lassen und sich einseitig auf die Seite der Straße zu stellen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Arbeitsplätze bei den Spediteuren sind mir genauso wichtig wie die Arbeitsplätze bei der Bahn. Wir werden nur dann zu einer vernünftigen und guten Verkehrspolitik kommen, von der alle im Sinne der Mobilität der Individuen und der Wirtschaft profitieren, wenn wir versuchen, für mehr Wettbewerb zu sorgen. Die Voraussetzung dafür ist, daß der Lkw etwas teurer wird. Darüber, wieviel er teurer wird, müssen wir noch im einzelnen diskutieren.

Ich habe mich herzlich für die Diskussion zu bedanken, die ich als Unterstützung meiner Position empfinde. Die Landesregierung wird weiterhin versuchen, gemeinsam mit der Deutschen Bahn AG die Probleme im Land zu lösen, auch wenn es gelegentlich einmal nicht erfolgreich sein wird. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von der Regie- rungsbank)

Danke, Herr Minister. - Wünscht noch jemand das Wort? - Herr Dr. Daehre, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem der Minister gesprochen hat, ist die Diskussion wieder eröffnet. Deshalb einige Anmerkungen.

Erst einmal weise ich die Äußerungen des Ministers aufs schärfste zurück. Herr Minister, Sie müssen sich ein- mal abgewöhnen, sich gleich zu erregen, wenn man Sie kritisiert. „Kritik kann ihn leicht erregen“ - das wäre viel

leicht die richtige Überschrift für Sie. Sie sollten besser zuhören und nicht gleich in dieser Art und Weise reagieren, wie Sie es soeben in bezug auf Frau Weiß getan haben.

Ich sage deutlich im Namen der CDU-Fraktion: Es kann nicht angehen, daß einen Abend vor der Sitzung im Fernsehen eine Showveranstaltung stattfindet, in der Herr Mehdorn vom Magdeburger Hauptbahnhof groß abgeholt werden soll.

Das Ergebnis dieses Gesprächs ist, daß wir um Wittenberge, um die Amerika-Linie kämpfen müssen. Der ICE wird überhaupt nicht oder nur negativ erwähnt. Sonst hätten Sie am nächsten Tag mit Sicherheit in der Zeitung dazu Stellung genommen. Sie betreiben überall Klientelbedienung. Wo es auch gerade hinpaßt, lassen Sie Ihre Sprüche los.

Im Moment haben wir in Sachsen-Anhalt die Situation, daß wir mehr Bahnstrecken stillegen, als uns sicherlich allen lieb ist. Deshalb sind wir uns in diesem Punkt einig.

Was den Wettbewerb angeht, so wissen Sie ganz genau, daß für die Spediteure und die Fuhrunternehmen eine schwierige Situation eintritt. Das hängt nicht nur mit der Schwerlastabgabe, sondern auch mit dem Thema Öko-Steuer zusammen. Ich hatte heute erwartet, daß Sie im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit sagen würden, daß die Deutsche Bahn AG große Probleme durch die Mehrbelastung aus der Öko-Steuer hat.

Meine Damen und Herren! Ich komme zu einem letzten Punkt, um die Diskussion nicht auszuweiten. Ich verstehe nicht, warum wir in diesem Hause eine Aktuelle Debatte zu diesem Thema führen, wenn außer der Tatsache, daß man Positionen abgeben will, nichts geschieht. Da haben wir andere Möglichkeiten. Reagieren Sie endlich, tun Sie etwas! Sprechen Sie mit Herrn Mehdorn!

Ich habe andere Worte von Ihnen über Herrn Ludewig gehört. Ich freue mich, wenn Sie das heute korrigieren. Herr Ludewig hat viel für die Bahn und für die Bahnreform getan. Wenn wir wenigstens diesen Konsens zum Schluß erreichen, dann hat die Diskussion zumindest eines gebracht.

(Frau Budde, SPD: Soviel zur Parteipolitik, Herr Daehre!)

- Nein. - Für Herrn Ludewig hat es andere Worte gegeben. Es mußte endlich ein neuer Chef kommen. Der heißt nun Herr Mehdorn. Wenn es auch nicht der richtige Schachzug gewesen ist, dann müssen wir uns das überlegen. Ich sage noch einmal, Herr Ludewig hätte bleiben sollen. Schlechter wäre es auf keinen Fall gewesen. - Ich danke Ihnen.

(Zustimmung bei der CDU - Frau Budde, SPD: Soviel zur Parteipolitik, Herr Daehre!)

Meine Damen und Herren! Wünscht noch jemand das Wort? - Das ist nicht der Fall.

Dann möchte ich herzlich weitere Gäste begrüßen, Damen und Herren der Salo & Partner Berufliche Bildung GmbH Magdeburg.

(Beifall im ganzen Hause)

Bekanntlich werden bei der Aktuellen Debatte keine Beschlüsse zur Sache gefaßt. Wir haben das erste Thema im Rahmen der Aktuelle Debatte beraten.

Ich rufe das zweite Thema auf:

Aufhebung des nationalen Einfuhrverbots von britischen Rindfleischprodukten

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 3/2939

Für die Debatte wird folgende Reihenfolge vorgeschlagen: PDS, DVU-FL, CDU, FDVP, SPD. Zunächst hat der Antragsteller, die PDS, das Wort. - Herr Czeke, bitte.

Einen Augenblick. Herr Minister Keller, Sie möchten nach der Einbringung sprechen? - Gut. - Bitte, Herr Czeke.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Am Freitag, dem 17. März dieses Jahres ist im Bundestag mehrheitlich die Aufhebung des Importstopps für britisches Rindfleisch beschlossen worden. Mit Unverständnis habe ich das Abstimmungsverhalten der Landesregierung von Sachsen-Anhalt zur Kenntnis genommen.

Immer noch werden jährlich tausende von BSE-Fällen registriert. Im Jahre 1999 waren es insgesamt 2 933, davon allein in Großbritannien 2 642. Wir sehen, daß diese Seuche noch lange nicht überwunden ist und vor allem in Großbritannien grassiert. Allein in diesem Jahr sind bis zum 15. März schon wieder 377 BSE-Fälle in Großbritannien bekannt geworden, ich betone: bekannt geworden. Wieviel mögen es tatsächlich gewesen sein?

Dank des seit dem Jahr 1996 verhängten nationalen Einfuhrverbotes für britisches Rindfleisch sind in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1998 und 1999 sowie bis jetzt keine Krankheitsfälle aufgetreten. Das hat letztlich den Verbraucherinnen und Verbrauchern bezüglich des Konsums von Rindfleisch insgesamt und mit Blick auf eine gesunde Ernährung wieder mehr Sicherheit gegeben. Deshalb halte ich einen Importstopp nach wie vor für gerechtfertigt.

Wenn man der Zahl glauben schenken darf, sind in Großbritannien bisher über 50 Menschen an einer neuen Spezies der Creutzfeld-Jakob-Krankheit gestorben, einer Veränderung im menschlichen Hirn, die in einem engen Zusammenhang mit der Bovinen Spongiformen Enzephalopathie stehen könnte. Wenn ich sage "stehen könnte", räume ich damit ein, daß es diesen Zusammenhang nicht so geben muß.

Fakt ist aber, daß die im Bundesrat getroffene Entscheidung nicht nur in völlig unklarer Kenntnislage, sondern ganz offensichtlich auch gegen die Bedenken von Gesundheitsexperten, kritischen Politikerinnen und Politikern und Verbraucherschützern getroffen wurde.

Die meisten Fragen zum Erreger, zur Übertragung und zur Gefährlichkeit für den Menschen sind nach wie vor strittig. Fest steht aber, daß das bestehende Risiko wegen etwaiger verheerender Folgen nicht bagatellisiert werden darf.

Der Einwurf der Umweltministerin von NordrheinWestfalen, Bärbel Höhn, Grüne, daß hier ein „Feldversuch an der Bevölkerung“ - so wörtlich - stattfinde, ist selbst für mein Verständnis sehr hoch gegriffen. Dem Rechnung tragend, daß in Nordrhein-Westfalen gerade Wahlkampf ist, muß ich anmerken: Dieses Thema sollte man für Wahlkampfzwecke nicht mißbrauchen.

Inwiefern aber die Entscheidung des Bundesrates und damit auch die Zustimmung unserer Landesregierung fahrlässig und mit Blick auf eine Gesundheitsgefährdung der Verbraucher verantwortungslos war, diese Frage müssen sich die Befürworter der Aufhebung des Importverbots schon gefallen lassen.

Verantwortungslos ist auch eine Argumentation, in der verharmlosend darauf verwiesen wird, daß der Marktanteil britischer Fleischerzeugnisse in der Bundesrepublik bei unter 1 % liegt. Wer so argumentiert, legt es darauf an, mit den Verbrauchern „Russisches Roulette“ zu spielen.

Unser Standpunkt ist der: Bevor nicht alle Risikofaktoren weitestgehend ausgeschaltet sind, muß der Gesundheitsschutz für den Verbraucher Vorrang vor allen anderen Überlegungen haben. Wer die EU-weite Streuung der BSE-Fälle betrachtet, wird sehen, daß 99,5 % aller bisher registrierten BSE-Fälle aus Großbritannien stammen. Das ist der Stand von Ende Februar 2000.

Wenn ich mich also für ein Einfuhrverbot ausspreche, dann ist das zwar eine sehr einschneidende Maßnahme für die englischen Bauern, aber es geht darum, meine dortigen Berufskolleginnen und -kollegen nicht auszugrenzen. Sie haben den geringsten Anteil an diesem Dilemma. Zu wenig wird der Futtermittelindustrie und dem internationalen Futtermittelhandel auf die Finger geschaut. Hierbei gibt es Parallelen zum Dioxin-Skandal, den ebenfalls die Landwirtschaft zu tragen hatte.

Im Schatten einer ausschließlich an ökonomischen Überlegungen ausgerichteten Diskussion haben die BSEFälle außerhalb Großbritanniens von 1989 bis 1999 stetig zugenommen. Wir müssen aufpassen, daß wir den Wettlauf mit der Seuche nicht verlieren.

Von der Bundesratssitzung am 17. März 2000 ging meiner Meinung nach jedenfalls in diesem Zusammenhang kein gutes Signal aus. Auch die europaweite Durchsetzung der Kennzeichnungspflicht ist letztendlich keine Offensivmaßnahme zur Bekämpfung von BSE. Die XEL-Kennzeichnung auf dem sechseckigen Siegel ist nicht mehr als eine Schutzmaßnahme bzw. der verzweifelte Kampf der Rinderhalter, das Vertrauen zwischen ihnen und den Verbrauchern soweit wie möglich schadlos zu halten oder zurückzugewinnen.

Die Rinderhalter in Sachsen-Anhalt hatten schon bis zum Herbst 1999 notgedrungen die arbeitsaufwendige und kostenbelastende Rinderkennzeichnung realisiert. Im Wissen, daß britisches Rindfleisch nicht sicher ist, haben also die maßgeblichen Politiker die Kosten und die Verantwortung auf uns und dann mit der Entscheidung im Bundesrat auf die Verbraucher abgewälzt.

Doch wie sicher dürfen wir und die Verbraucher aufgrund der Kennzeichnungspflicht sein? Wenn sich einige Länder weigern, das geplante Kennzeichnungssystem mitzutragen, ist nicht auszuschließen, daß nicht kontrolliertes Fleisch zu uns gelangt. Selbst Staatssekretär Altmann hat diese Möglichkeit erst kürzlich eingeräumt.

Mit einer Aufhebung des Importverbots wird das nicht besser. Das Risiko wird noch erhöht. Kontrollmaßnahmen sind notwendig, die von der Urproduktion, wo diese schon Standard sind, über die Verarbeitungsindustrie bis zur Ladentheke reichen und in den EU-Staaten durchgängig erfolgen, um Unterlassung und Manipula- tion auszuschließen.

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluß kommen.

Ich komme zum Schluß.