Protokoll der Sitzung vom 06.04.2000

(Herr Dr. Daehre, CDU: Ohne Geld! - Weitere Zu- rufe von der CDU)

sechstens Aufgabenkritik und Aufgabenverzicht für alle verbleibenden Ämter,

siebentens Nutzung aller Potentiale der Informationstechnologie für die Rationalisierung und die Verbesserung der Bürgerfreundlichkeit der Verwaltung,

achtens Personalreduzierung auf den bundesweiten Durchschnitt von 24 Mitarbeitern im öffentlichen Dienst pro 1 000 Einwohner.

Dabei wird - ich betone das ausdrücklich - eine sozialdemokratische Regierung immer daran interessiert sein, die Veränderungsprozesse für die Bediensteten so so- zialverträglich wie irgend möglich zu gestalten.

Wir werden - auch das will ich ausdrücklich betonen - das Prinzip des Gender-Mainstreaming einsetzen und dafür sorgen, daß der Gleichstellung von Männern und Frauen in diesem Prozeß Rechnung getragen wird.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Frau Bull, PDS, und von der Regierungsbank)

Meine Damen und Herren! Es wäre verheerend, wenn wir eine Verwaltungsmodernisierung durchführen würden, bei der wir zum Schluß feststellen, daß die Frauen

die größte Last dieses Prozesses getragen haben. Das darf nicht sein.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Das war ein schöner Schlußsatz! - Heiterkeit bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Der Bauplan für die Rekonstruktion des Gebäudes ist weitgehend fertig. Einige Räume sind schon rekonstruiert. Bei vielen ist der Umbau voll im Gang. Die Rekonstruktion der anderen Räume wird nach dem vorgelegten Zeitplan erfolgen. Ich möchte, daß dieser Umbau nicht nur eine Angelegenheit von wenigen Unermüdlichen ist.

Ich weiß, daß es ohne Baulärm nicht gehen wird. Das ist bei einem Umbau so. Aber weil wir inzwischen wissen, wie es werden kann, denke ich, können wir und werden wir mutig anpacken. Das ist jedenfalls die feste Absicht der SPD-Fraktion und der Landesregierung.

Meine Damen und Herren, ich wünsche mir, daß Sie alle in diesem Hause den Umbauprozeß mit Engagement, Wohlwollen und natürlich auch mit konstruktiver Kritik begleiten. Dabei muß jeder das Seine tun. Das große Projekt aber sollte keiner in Frage stellen. Die Aufgabe ist zu wichtig; denn schließlich wollen wir doch - ich denke, alle in diesem Hause -, daß unser Land Sachsen-Anhalt den Herausforderungen des neuen Jahrhunderts gewachsen ist.

(Herr Gürth, CDU: Jawoll!)

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und von der Regierungsbank - Zustimmung bei der PDS)

Meine Damen und Herren! Wir begrüßen Schülerinnen und Schüler der Kollwitz-Sekundarschule Wittenberg sowie Gäste der Landeszentrale für politische Bildung.

(Beifall im ganzen Hause)

Meine Damen und Herren! Bevor wir zur Aussprache zur Regierungserklärung schreiten, lassen Sie mich bitte drei Bemerkungen machen.

Erstens. Sie werden sicherlich festgestellt haben, daß Mitarbeiter eines Ingenieurbüros hier Messungen zur Schallausbreitung, zur Sprachverständlichkeit und zur Aufnahme des Schallpegels durchführen. Ich bitte um Verständnis dafür, daß die Mitarbeiter des Ingenieurbüros sich im Plenarsaal aufhalten und diese Messungen durchführen.

Zweitens. Der Finanzminister hat mir angedeutet, daß er vor der Mittagspause eine Erklärung abgeben will.

Drittens. In diesem Zusammenhang, nehme ich an, hat mich der Vorsitzende des Finanzausschusses gebeten, mitzuteilen, daß der Finanzausschuß in der Mittagspause eine Sondersitzung zu einer aktuellen Thematik durchführen möchte. Ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen.

Wir kommen jetzt zur Aussprache zur Regierungs- erklärung.

Der Ältestenrat schlägt eine Debattendauer von 90 Minuten vor. Die Beiträge erfolgen in der folgenden Reihenfolge und mit folgenden Redezeiten: CDU 22 Minuten, DVU-FL fünf Minuten, PDS 19 Minuten, FDVP sieben Minuten, SPD 37 Minuten. Der Landesregierung stehen 37 Minuten Redezeit zur Verfügung.

Ich bitte Herrn Dr. Bergner, als erster Redner für die CDU-Fraktion das Wort zu ergreifen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, Sie haben uns vorgestern ein Leitbild zur Modernisierung der Landesverwaltung vorgestellt, das zweite innerhalb kurzer Zeit. Sie haben heute dazu eine Regierungserklärung abgegeben. Es sei mir gestattet, ehe ich auf Kritik- und Dissenspunkte hinweise, die Aspekte hervorzuheben, in denen ich Einvernehmen signalisieren kann.

Erstens. Es ist gut, daß diese Regierungserklärung überhaupt abgegeben wird. Damit wurde die Notwendigkeit zur Reform der Landesverwaltung unterstrichen und der Handlungsbedarf in die öffentliche und parlamentarische Aufmerksamkeit gerückt. Es war immer ein Ziel der CDU, diesen Prozeß zu beschleunigen. Wir betrachten dies als einen Erfolg.

(Beifall bei der CDU)

Zweitens. Wir hoffen, daß damit ein Zeichen dafür gesetzt ist, die Verantwortlichkeit in Sachen Verwaltungsreform beim Ministerpräsidenten zu konzentrieren. Verwaltungsreform muß Chefsache sein. Nur so sind vorhandene Ressortegoismen zu überwinden.

(Beifall bei der CDU)

Wir wünschen, daß der Ministerpräsident im Kabinett von seiner Richtlinienkompetenz bei Fragen der Verwaltungsreform entschlossener und zielführender Gebrauch macht, als er es in den letzten Wochen bei der Novelle zum Polizeigesetz getan hat.

(Beifall bei der CDU)

Drittens. Erstmals seit sechs Jahren spricht die Landesregierung ein gutes Dutzend Sonderbehörden an, die allesamt schon Bestandteil des CDU-Konzepts aus dem Jahre 1996 waren und auch in unserem neuen Konzept, das wir in den Landtag eingebracht haben, wieder beschrieben wurden. Wir können also erfreut feststellen: in einigen Fragen mindestens bewegt sich die Landesregierung auf Positionen der CDU zu.

(Zustimmung bei der CDU)

Nun zu unseren wichtigsten Kritik- und Dissenspunkten, die ich zunächst allgemein zusammenfassen möchte.

Erstens. Bei allem Wohlklang der Ausführungen vermissen wir ein Gesamtkonzept zur Verwaltungsreform.

(Beifall bei der CDU)

Ich will nun nicht in eine Häuslebauerpoesie verfallen. Aber ich will wenigstens im Bild bleiben und sagen: Auch Umbauarbeiten brauchen einen Bauplan, und zwar für das ganze Haus und nicht nur für einzelne Ecken.

(Beifall bei der CDU)

Der Umbau, den wir bewältigen wollen, betrifft das ganze Haus. Ich empfehle, ein Gespräch mit Architekten zu führen, denen Bauherren ein Greuel sind, die während des Bauvollzuges immer neue Einfälle haben.

(Beifall bei der CDU - Frau Schnirch, CDU: Ja- wohl!)

Zweitens. Im Gegensatz zu Ihnen halten wir die Schaffung eines Landesverwaltungsamtes mit zwei Außen

stellen für keine sinnvolle Reform, sondern für einen Etikettenschwindel.

(Beifall bei der CDU)

Drittens. Im Gegensatz zu Ihnen hat für uns die Reform der Landesverwaltung begründete Priorität vor Über- legungen zur kommunalen Gebietsreform.

Viertens. Im Gegensatz zu Ihnen gehen wir davon aus, daß die grundsätzlichen, den Aufbau und die räumliche Gliederung betreffenden Entscheidungen zur Verwaltungsreform nicht alleine vom Kabinett, sondern vom Parlament getroffen und verantwortet werden müssen.

(Zustimmung bei der CDU)

Fünftens. Wir haben natürlich einen Dissens in der Bewertung der Vorgeschichte vor 1994 und der Zeit zwischen 1994 und jetzt. Diesen aber wollen wir in der Diskussion weitgehend beiseite lassen und nach vorn blicken.

Lassen Sie mich nun zu den Punkten im einzelnen Stellung nehmen.

Erstens. Das Gesamtkonzept fehlt. Wenn wir alle feuilletonistischen Betrachtungen beiseite lassen, so stellt sich die Frage, von welcher Bestandsanalyse Ihre Vorschläge ausgehen. Es geht doch nicht darum - darin sind wir uns sicherlich einig -, schöngeistige Literatur zu verfassen, sondern darum, Entscheidungen zu begründen. Wir haben solche Entscheidungsbegründungen. Die Ergebnisse der Enquete-Kommission „Verwaltungsreform“, bei der Sie als Oppositionsführer mitgewirkt haben, und die Empfehlungen der Kommission zur Aufgabenverlagerung sind beides wichtige und einander ergänzende Reformkonzepte aus der ersten Wahlperiode. Sie haben sie beim Regierungsantritt beiseite geschoben.

Wir wundern uns auch, daß in Ihren Begründungen nicht wenigstens die Kontinuität zu den Bestandsanalysen der Projektgruppe „Verwaltungsreform“ unter Leitung von Herrn Brachmann eine Rolle gespielt hat. So ist denn das innerhalb weniger Wochen vorgelegte zweite Leitbild alles andere als ein Gesamtkonzept für eine Verwaltungsreform.