Protokoll der Sitzung vom 06.04.2000

Wir wundern uns auch, daß in Ihren Begründungen nicht wenigstens die Kontinuität zu den Bestandsanalysen der Projektgruppe „Verwaltungsreform“ unter Leitung von Herrn Brachmann eine Rolle gespielt hat. So ist denn das innerhalb weniger Wochen vorgelegte zweite Leitbild alles andere als ein Gesamtkonzept für eine Verwaltungsreform.

(Beifall bei der CDU)

Sie führen Einzelheiten zur Umweltverwaltung aus - Kollege Becker wird im Zusammenhang mit dem Antrag der PDS etwas dazu sagen -, die wahrlich nicht neu sind. Aber es sind isolierte Betrachtungen. In anderen Einzelbereichen werden erste Reformüberlegungen angestellt, die Sie erst später konzeptionell untersetzen wollen. Beispiel: Der Entwurf für den Aufbau des Landesverwaltungsamtes soll erst Ende 2000 vorliegen.

Meine Damen und Herren, Sie sprechen noch immer von einer Behörde, die Sie überhaupt nicht kennen. Angesichts dessen frage ich mich, wie Sie eine vernünftige Planung durchführen wollen.

(Beifall bei der CDU)

Konzeptionen für die Versorgungsverwaltung, das Geologische Landesamt, Teile der Forstverwaltung, das Landesamt für Landesvermessung und Datenverarbeitung, die Neuorganisation der Liegenschafts- und Staatshochbauverwaltung usw. werden erst für die Zukunft angekündigt. Warum erst für die Zukunft, wenn jetzt entschieden werden soll? Sie verkünden Fahrpläne, ohne

zu sagen, mit welchem Zielbahnhof die Züge den Bahnsteig verlassen. Dies ist eine fragwürdige Methode.

(Beifall bei der CDU)

Was heißt es beispielsweise, wenn Sie, Herr Ministerpräsident, - ich zitiere aus Ihrer Rede - sagen:

„Beim Landesamt für Denkmalpflege und beim Landesamt für Archäologie wird immer wieder die Frage der Zusammenlegung gestellt.“

Sollen sie nun zusammengelegt werden, oder sollen sie nicht zusammengelegt werden? Die CDU-Fraktion sagt, sie sollen zusammengelegt werden, und es ist nötig, daß wir hier eine klare Antwort geben.

(Beifall bei der CDU)

Eine Regierung, die in Sachen Verwaltungsreform ernst genommen werden will, muß in der Lage sein, zu jeder Landesbehörde verläßliche Aussagen zu treffen.

Im Jahr 1994 hätten wir Ihnen solche Unverbindlichkeiten möglicherweise noch durchgehen lassen. Aber sechs Jahre danach müssen wir sagen: Das ist zu wenig.

Herr Ministerpräsident, ich finde es bemerkenswert, daß Sie einen Satz, der in Ihrem schriftlichen Manuskript vermerkt ist, in Ihrer mündlichen Rede nicht gesagt haben. Dieser Satz lautet - ich halte ihn für wichtig und möchte ihn deshalb zitieren -:

„Wir müssen alle aufpassen, daß keiner herumtrödelt; denn dazu haben wir keine Zeit.“

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDVP)

Mir ist klar, warum Sie diesen Satz herausgelassen haben: Er richtet sich nämlich gegen Sie.

(Heiterkeit bei der CDU - Zuruf von Herrn Rah- mig, SPD)

Der Umstand, daß Sie ihn überhaupt in das Manuskript aufgenommen haben, zeigt, daß Sie insoweit wenigstens von einer richtigen und wichtigen Aussage ausgehen. Um beim Baustellenbeispiel zu bleiben: Keiner darf herumtrödeln. Das aber gilt zuallererst für die Landesregierung; denn die hohen Gehälter werden in den Planungsbüros gezahlt und nicht auf der Baustelle.

(Zustimmung bei der CDU und bei der DVU-FL)

Das Fehlen eines Gesamtkonzepts hat eine andere, gravierende Folge: Wie wollen Sie ohne ein solches Gesamtkonzept jemals zu einem Personalabbaukonzept kommen, das wir brauchen und das auch mit den Betroffenen diskutiert werden muß?

Sie tragen die 13 000 abzubauenden Stellen wie eine Monstranz vor sich her. Ich will gegen die Zahl nichts sagen. Aber es bleibt festzuhalten: Es ist bisher nur eine finanzpolitische Zielgröße und kein Konzept. Wer 13 000 Stellen abbauen will - wohlgemerkt: bis 2005 -, der muß jetzt wissen, welche Strukturen mit welchen Personalstärken innerhalb welches Zeitplans er anstrebt. Dafür reichen keine allgemeinen Hausbaubetrachtungen.

Wer - auch das will ich sagen - ein modernes Personalmanagement fordert, der muß sich auch darüber im klaren sein, daß das Landespersonalvertretungsgesetz

novelliert werden muß, unabhängig davon, auf welche politischen Widerstände Sie in diesem Moment stoßen;

(Beifall bei der CDU)

denn auch um der Beteiligung der Betroffenen willen ist eine Novellierung dieses Gesetzes unverzichtbar.

(Herr Becker, CDU: Das ist wahr!)

Geradezu frustrierend sind Ihre Aussagen zur Aufgabenkritik. Sie stehen dabei noch völlig am Anfang. Beim Aufgabenverzicht verweisen Sie ausschließlich auf Bundesgesetze, deren Änderung an vermeintlich unaufgeklärten Bundesratsmehrheiten scheitert. Ich nenne als Beispiel die elektronische Grundbuchführung.

Meine Damen und Herren! Ich will nicht bestreiten, daß die Verwaltungsreform auch den Bund einbeziehen muß. Aber die eigentlichen Deregulierungsreserven liegen in unserer Landesgesetzgebung. Darauf sollten wir uns beziehen. Ich denke beispielsweise an das Denkmalschutzgesetz.

(Beifall bei der CDU - Herr Becker, CDU: Das Baurecht!)

Nun zu den Bündelungsbehörden in der Mittelinstanz. Die Meinung der CDU hierzu ist klar. Die Umbenennung der bisherigen drei Regierungspräsidien in ein Landesverwaltungsamt mit zwei Außenstellen an denselben Standorten ist noch keine Verwaltungsreform. Es wird dadurch keine Behörde aufgelöst. Es werden lediglich die Türschilder ausgewechselt.

Die zukünftige Aufgabenwahrnehmung bleibt im Leitbild wie in der Rede nebulös. Vollkommen ungeklärt sind die personellen und finanziellen Auswirkungen.

Die CDU - das will ich betonen - spricht sich demgegenüber für die Reduzierung auf lediglich zwei Regierungspräsidien aus.

(Zustimmung von Frau Ludewig, CDU)

Das wäre eine wirkliche Verschlankung der Mittelinstanz, die dem bedauerlichen Rückgang der Einwohnerzahl in unserem Lande Rechnung trägt.

Aber eng damit verbunden ist eine andere Frage. Die Frage, für welches Modell der Bündelungsbehörde wir uns in Sachsen-Anhalt entscheiden und welche Standortentscheidungen damit verbunden sind, ist von zentraler Bedeutung für das Gesamtkonzept. Diese Frage muß deshalb zu Beginn einer Verwaltungsreform, zu Beginn des Reformprozesses entschieden werden. Aber die Frage ist so wesentlich, daß sie nur vom Gesetz- geber entschieden werden kann.

Mit dieser Frage werden sich weitere Fragen nach künftigen Behördenstrukturen und ihrer territorialen Zuordnung verbinden. Das heißt nichts anderes, als daß am Anfang der Reform ein Organisationsgesetz stehen muß.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der PDS)

Das ist keine formale Forderung; denn ein Gesetzgebungsverfahren ist außerhalb von Wahlen in der parlamentarischen Demokratie die wichtigste Form der Bürgerbeteiligung.

Herr Ministerpräsident, niemand wird beispielsweise den Dessauern diese Bürgerbeteiligung vorenthalten dürfen,

wenn über die Zukunft ihres Regierungspräsidiums entschieden werden soll.

(Zustimmung von Frau Schnirch, CDU)

Ich empfehle das Gespräch mit meiner Kollegin Frau Schnirch. Aber Sie haben auch Kollegen aus Dessau in Ihrer Fraktion.

(Herr Sachse, SPD: Dem stimme ich auch zu! Keine Frage!)

Das heißt, ein Verzicht auf eine Verwaltungsorganisationsgesetzgebung zu einem frühen Zeitpunkt wäre ein Symbolfehler, nicht die Gesetzgebung, wie Sie es gesagt haben. Es wäre ein Symbolfehler, weil er zum Ausdruck brächte, daß man im Verfahren die Bürger- und auch die Mitarbeiterbeteiligung unterdrücken will.

(Zustimmung bei der CDU)

Im übrigen empfehle ich die Lektüre des Urteils des Magdeburger Oberverwaltungsgerichtes zur Struktur der Kammerbezirke vom 12. Februar 1997. Ich habe jetzt keine Zeit, dies zu zitieren.

Deshalb ist unsere Forderung klar: Verwaltungsmodernisierung darf nicht länger bloß Gegenstand von unverbindlichen theoretischen Denkmodellen bleiben. Das Leitbild der Landesverwaltung bliebe eine Luftnummer, wenn es nicht unverzüglich durch gesetzgeberische Initiativen untermauert würde.

Meine Damen und Herren! Nun zum Thema Kommunen. Sie, Herr Ministerpräsident, haben in Ihrer Rede folgendes ausgeführt - ich darf zitieren -:

„Die Argumentation, man wolle erst wissen, welche Aufgaben kommunalisiert werden sollen, ehe man sich zur Größe der Verwaltungseinheiten auf kommunaler Ebene äußert, stellt das Verfahren wirklich auf den Kopf.“