„Die Argumentation, man wolle erst wissen, welche Aufgaben kommunalisiert werden sollen, ehe man sich zur Größe der Verwaltungseinheiten auf kommunaler Ebene äußert, stellt das Verfahren wirklich auf den Kopf.“
In dieser Äußerung - wie übrigens auch im vorgelegten Papier - kommt ein Mißtrauen gegenüber der kommunalen Leistungsfähigkeit zum Ausdruck, dem wir uns nicht anschließen möchten.
Eines ist noch viel wesentlicher: Wir befürchten hinter dieser Aussage die Absicht, daß die Kommunen schon jetzt zu Sündenböcken gestempelt werden sollen, falls die von Ihnen angestrebte Verwaltungsmodernisierung im Land doch nicht so klappt, wie man es sich vorstellt. Dies wäre ein Schwarzer-Peter-Spiel, Herr Minister- präsident.
Sie propagieren das sogenannte Gegenstromprinzip, das Sie nicht näher erläutern. Wir sagen: Statt schon jetzt mit dem Gegenstromprinzip die noch gar nicht begonnene Verwaltungsreform zu zerreden, muß es das Ziel der Landesregierung sein, die vorhandenen Strömungen zu kanalisieren und in abgestimmte Bahnen zu lenken.
Ende des vergangenen Jahres wurde das Land mit dem Leitbild für eine kommunale Gebietsreform überschwemmt. Hier und da brechen Dämme auf. Aber wo bleiben eigentlich die notwendigen Schritte, um den Kommunen die gewünschte Aufgabenwahrnehmung zu erleichtern? Wo bleibt das seit Jahren von der Landesregierung angekündigte Gesetz zur Entlastung der Kommunen? Welche konkreten Schritte hat die Landesregie
rung eingeleitet, um freiwillige Zusammenschlüsse zu erleichtern, die allemal besser sind als spätere gesetzgeberische Zwangsmaßnahmen?
Wenn tatsächlich solche Defizite vorliegen, so liegt es daran, daß - wie es in einem Sprichwort heißt - der Fisch wie üblich vom Kopf her stinkt.
Ich hoffe deshalb sehr, daß die Landesregierung eine selbst getroffene Aussage aus dem Leitbild ernst nimmt. Ich zitiere aus Ihrem eigenen Leitbild. Die Aussage lautet:
„Für die Landesregierung haben mittelfristig Strukturveränderungen im Bereich der Landesoberbehörden und der Mittelinstanz der Landesverwaltung oberste Priorität, da Verbesserun- gen und eine klare Aufgabenverteilung in diesen Bereichen unmittelbar zur erwünschten positiven Folgewirkung für alle Verwaltungsebenen einschließlich der kommunalen Ebene führen.“
An diesem Punkte stimme ich Ihnen ausdrücklich zu. Wir werden Sie an diesen Satz in der nachfolgenden Debatte noch oft genug erinnern; denn das ist eine Aussage, die von uns allen beherzigt werden sollte.
Der Satz, der nicht verlesen wurde, - keiner darf herumtrödeln - heißt dann auch, die Landesregierung darf jetzt nicht die Hände in die Taschen stecken und abwarten, wie sich in den nächsten Jahren die kommunalen Strukturen entwickeln.
Die Reform muß im Kopf beginnen, nicht in den Füßen. Die Landesregierung muß endlich bei der Reform der Landesverwaltung mutig voranschreiten. Hierbei kann und muß der Ministerpräsident unmittelbar Einfluß nehmen, statt gleich wieder mit dem Finger auf die kommunalen Gebietskörperschaften zu zeigen und damit der Verantwortung auszuweichen.
Meine Damen und Herren! Für die CDU-Landtagsfraktion ist das Zustandekommen der heutigen parlamentarischen Debatte ein Erfolg ihrer Bemühungen um die Reform der Landesverwaltung. Wir haben mit Großen Anfragen und mit konkreten Vorschlägen versucht, den Prozeß in Gang zu bringen.
Bei aller Unvollkommenheit der von der Landesregierung vorgelegten Konzepte muß der Prozeß weitergehen, und er muß schleunigst im Parlament stattfinden. Wir wollen beim Prozeß der Verwaltungsmodernisierung eine konstruktive Rolle spielen.
Wir hoffen, daß sich bisher verschlossene Panzerschränke nun öffnen und notwendige Detailplanungen zu ganz konkreten Fragen insbesondere im zeitweiligen Ausschuß möglich werden. Wir hoffen, daß wir vorurteilsfrei über Instrumente der Umsetzung eines modernen Verwaltungsmanagements befinden können. Die Novelle zum Landespersonalvertretungsgesetz ist ein aktuelles Reizthema. Das habe ich bereits angesprochen.
Wir wissen, daß wir als Opposition in solchen Fragen in einer besonderen Verantwortung stehen. Der Herr Kollege Becker hat immer wieder - zum erstenmal als wir über die Landesverfassung berieten - einen Satz gesagt, in dem sehr viel Weisheit steckt: „Die Opposition von heute ist die Regierung von morgen.“
Man kann es auch anders sagen: Die Regierungen und die parlamentarischen Mehrheiten kommen und gehen, die Notwendigkeit einer modernen, bürgernahen und effektiven Landesverwaltung bleibt.
nicht weil uns Ihre Vorlagen und diese Rede so sehr überzeugt hätten - damit wird eher Zurückhaltung ausgelöst -, sondern weil wir eine Aufgabe sehen, der wir uns auch als Opposition nicht verweigern möchten.
In diesem Sinne hoffen wir auf fruchtbare Beratungen dieser Vorlagen im zeitweiligen Ausschuß „Funktional- und Verwaltungsreform/Kommunale Gebietsreform“. - Vielen Dank.
Nein, Herr Präsident, ich will nicht fortsetzen, ich möchte nur an dieser Stelle schon etwas zur Geschäftsordnung ankündigen.
Herr Präsident, Sie kündigten an, daß der Minister der Finanzen außerhalb der Tagesordnung um das Wort gebeten hat. Das wird er natürlich bekommen. Ich möchte an dieser Stelle schon ankündigen, daß wir dann als Fraktion fordern werden, nach § 69 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung eine Debatte zu führen. Damit sich die anderen Fraktionen darauf vorbereiten können, meine ich, sollte man das jetzt schon sagen.
Für die Fraktion der DVU-FL erteile ich jetzt dem Abgeordneten Herrn Kannegießer das Wort. Bitte sehr, Herr Kannegießer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, daß wieder einmal der zweite Schritt vor dem ersten gemacht werden soll. Daß man dabei leicht ins Stolpern geraten kann, ist wohl kaum zu vermeiden.
In den Medien wird in letzter Zeit viel über die Gebiets- und die damit einhergehende Verwaltungsreform berichtet. Viele Bürger unseres Landes fühlen sich dadurch verunsichert und befürchten eine bürgerferne Verwaltung.
Nach dem Reförmchen von 1993/94, das nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat, versucht man es nun wieder und fängt auf der unteren Verwaltungsebene, bei den Verwaltungsgemeinschaften und den Landkreisen, an.
Wo Verwaltungsreform anzusetzen hat, das ist bei den Bediensteten des Landes selbst sowie bei den räumlichen Strukturen des Landes. Nach der Meinung unse
rer Fraktion bedeutet das in erster Linie die ersatzlose Abschaffung der Regierungspräsidien sowie die Übertragung der bisherigen Aufgaben dieser Einrichtungen auf die Kreisverwaltungen zum einen und auf die Ministerien zum anderen.
Die Regierungspräsidien lediglich in Verwaltungsämter umzubenennen käme einem Etikettenschwindel gleich und könnte von uns nicht mitgetragen werden. Die Gebiets- und Verwaltungsreform sollte doch eine höhere Effizienz und eine Verschlankung der Verwaltung bei größtmöglicher Bürgernähe zum Ziel haben. Daß das Entlassungen auf allen Verwaltungsebenen mit sich bringt, ist uns wohl bewußt, ist aber unumgänglich.
Dabei müssen im Interesse der Bürger unseres Landes alle Möglichkeiten des Personalabbaus ausgeschöpft werden. Auch eine Verwendung von ehemaligen Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes darf dabei kein Tabuthema mehr sein. In den zehn Jahren nach der Wende müßten genug Verwaltungskräfte ausgebildet worden sein, um die anstehenden Aufgaben zu erfüllen. Diese Kräfte müssen wir vorrangig beschäftigen, um eine Fluktuation dieser Leute in andere Bundesländer zu vermeiden.
Dabei sind die kommunalen Spitzenverbände sowie der Städte- und Gemeindebund, der Landkreistag sowie der Steuerzahlerbund in die Arbeit einzubeziehen. Auch sollte man sich von statistischem Zahlenmaterial aus anderen Bundesländern beeinflussen lassen, selbstredend aus solchen Bundesländern, die sich in wirtschaftlicher Hinsicht im vorderen Drittel aller Bundesländer befinden.
Aufgrund der finanziellen Situation im Land, in den Kreisen und Kommunen können wir es uns einfach nicht mehr leisten, das Land mit der höchsten, leider auf diesem Niveau stagnierenden Arbeitslosenquote zu sein und parallel dazu das Land mit der größten Verwaltung.
Das so oft propagierte System der Freiwilligkeit hat zwar einen demokratischen Anspruch, dürfte aber aufgrund des Besitzstandsdenkens der von der Reform Betroffenen wahrscheinlich nicht sehr hilfreich sein.
Herr Ministerpräsident, ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß Sie in Ihrer Regierungserklärung beim derzeitigen Stand der Verwaltung in Sachsen-Anhalt - um es sportlich auszudrücken - von der Kreisliga sofort in die Bundesliga aufsteigen wollen. - Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um es vorwegzuschicken: Die PDS beabsichtigt nicht, sich an dem Prozeß der Modernisierung der Verwaltung vorbeizumogeln. Der Ministerpräsident stellt sicher richtig fest, daß dies niemand kann. Die Notwendigkeit einer Modernisierung wird nicht bestritten, von niemandem von uns, wenngleich es über Weg und Ziel sehr differente, aber zugleich auch konsensuale Auffassungen gibt. Dies wurde bereits deutlich, und das ist sicherlich eine gute Grundlage für die parlamentarische Arbeit.
Auch wir begrüßen ausdrücklich die heutige Debatte, ohne eine Analyse zu betreiben, wessen Erfolg das nun
Lassen Sie mich, ehe ich zur Darstellung einer grundsätzlichen Auffassung der PDS zu den nun eingeleiteten und absehbaren Entwicklungen bei der Verwaltungsmodernisierung komme und auf drei Schwerpunkte gesondert eingehe, eines deutlich unterstreichen: Wir nehmen diese Regierungserklärung sehr ernst. Die PDS wird sich in den nächsten Wochen sehr intensiv mit den vorgetragenen Positionen der Landesregierung beschäftigen. Es wäre unangemessen, die von mir vorgetragenen Positionen für vollständig oder abschließend zu erklären. Ohnehin hält die PDS dieses Thema vom Grundsatz her für so wichtig, daß sich ein Parteitag im September damit beschäftigen wird.
Erstens. Wer das Land heute auf den Weg bringt, darf die Entscheidung des Landtages über das Ziel nicht auf morgen vertagen. Durch die Entwicklung, die sich im Lande abzeichnet, kam die PDS zu der Auffassung, daß der Landtag die Entscheidung zu den Grundzügen der kommunalen und Verwaltungsstrukturen nicht auf die nächste Legislaturperiode verschieben kann. Dies gilt für die Eckpunkte der zukünftigen und zukunftsfähigen kommunalen Struktur wie für die Grundzüge der Funktional- und Verwaltungsreform.