Protokoll der Sitzung vom 06.04.2000

Bei den Gewerkschaften, der IHK und der Handwerkskammer stößt deshalb dieser vorliegende Gesetzentwurf, wie uns bekannt ist, berechtigterweise auf große Skepsis. Die von Ihnen geforderte Gesetzesfolgenabschätzung auch für mittelständische Betriebe ist selbstverständlich Gesetzesgrundlage für alle Gesetzentwürfe.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Ach! - Herr Gürth, CDU: Das ist doch glatt die Unwahrheit, das wissen Sie! Wer hat Ihnen diese Rede aufgeschrieben?)

Ansonsten enthält der Gesetzentwurf viele redaktionelle Änderungen, einige Schlagzeilen aus dem neuen Mittelstandskonzept, wenig Substanz und wenig Greifbares für unsere mittelständischen Betriebe. Daher wage ich ganz einfach den Schluß, daß er Ihre Handschrift trägt, werter Kollege Herr Gürth, und nicht die des Aktionsbündnisses.

Aber was die Abschaffung des Mittelstandsberichtes betrifft - zu Inhalt und Umfang hat der Minister schon etwas gesagt -, würde uns Politikern damit eine wichtige Entscheidungsgrundlage genommen. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Abschaffung dieses Berichts ist damit sogar in höchstem Maße - meine ich - mittelstandsfeindlich.

(Zustimmung bei der SPD - Herr Gürth, CDU, lacht)

Was das Mittelstandskonzept betrifft, das zwischen der Landesregierung und den Kammern vereinbart wurde, muß ich sagen, Herr Gürth, daß hierbei auch der Satz zutrifft: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Denn hier sind Sie nur auf den schon fahrenden Zug aufgesprungen, und das ist allemal zu spät.

Die Überweisung des Gesetzentwurfes können wir nicht verhindern, aber einen Gesetzentwurf, der unseren Betrieben im großen und ganzen nichts Neues bringt, den müssen wir leider konsequent ablehnen.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion der DVU-FL spricht jetzt der Abgeordnete Montag.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit großer Sorge haben wir über einen Zeitraum von fast zehn Jahren den Niedergang der Wirtschaft in Sachsen-Anhalt beobachten können. Viele Menschen hatten mit dem Wechsel der politischen Verhältnisse auch gewisse Vorstellungen betreffs der eigenen Lebensumstände verknüpft.

Anhand vieler Beispiele ließe sich dokumentieren, wie letztlich lästige Konkurrenz eliminiert wurde. Statt den Versuch zu unternehmen, Betriebe mit in etwa konkurrenzfähigem Standard schon um der Beschäftigten willen am Leben zu erhalten, wurden diese dem Erdboden gleichgemacht. Im Gegenteil, mangelnde Kontrollmechanismen eröffneten dubiosen Geschäftemachern Tür und Tor zum Betrug.

Sicherlich ist es im nachhinein etwas zu billig, bei der Frage der Schuldzuweisung nur in eine Richtung zu blicken. Mogeleien und nackter Betrug wurden auf breiter Basis ermöglicht. Oder wie sind solche Fälle wie zum Beispiel Aluhett oder Elf/Leuna zu nennen? Der Frust blieb letztlich bei dem normalen Beschäftigten hängen; denn er ging den Weg in die Arbeitslosigkeit. Die große Zahl der Arbeitslosen spricht eine deutliche Sprache.

Wie sah es nun beim Mittelstand aus? Viel war es nicht, was aus der DDR-Ära den Marsch in die neue Zeit antrat; denn die zentralistisch geleitete Wirtschaftspolitik der ehemaligen DDR erkannte zu spät die tragende Funktion eines gesunden und funktionierenden Mittelstandes.

Wenige haben, allen Widerständen zum Trotz, seinerzeit den Weg in die Selbständigkeit gewagt. Über ihre Motivation müssen hier keine weiteren Worte verloren werden. Vielen waren die Möglichkeiten der Förderung unbekannt, oder sie nutzten sie aus verschiedenen Gründen, egal welcher Art, nicht. Etwas hatten sie jedoch den sich später ebenfalls in die Selbständigkeit begebenden Menschen voraus, nämlich das Wissen, wie Selbständigkeit funktioniert, zumindest in groben Ansätzen. In der

Wende- bzw. in der Folgezeit, als unter anderem die immer größer werdende Arbeitslosigkeit immer mehr Menschen erfaßte, sahen viele als letzten Ausweg den Gang in die Selbständigkeit.

Schauen wir uns doch heute um! Vielfältig sind die Aktivitäten, die entfaltet werden, was auch Hoffnung für den Arbeitsmarkt gibt. Jedoch sind diese erfreulichen Tendenzen sehr empfindlich gegen Störungen. Diese können recht verschiedener Natur sein und in ihrem Ergebnis katastrophal enden. Täglich erfahren wir von Firmenpleiten und -zusammenbrüchen. Hinter den meist nüchternen Zahlen verbergen sich jedoch menschliche Schicksale - oft nicht nur die der Unternehmer, sondern auch die der Angestellten und Beschäftigten.

Unterstellen müssen wir den ehrlichen Willen, doch Wollen allein reicht nicht, am Geld hängt die Welt. Geld ist bekanntermaßen immer knapp, kann die Landeskasse von Sachsen-Anhalt doch ein Lied darüber pfeifen.

In den meisten Fällen der insolvent gewordenen Firmen reichte die Kapitaldecke nicht aus, um den Sturz aufzufangen. Aber auch Geldmangel allein ist nicht immer der Risikofaktor. Mangelndes Management und das ungenügende Vorhandensein von Kenntnissen, die zur Führung eines Unternehmens unerläßlich sind, führen oft in den Abgrund eines mit viel guter Hoffnung gegangenen Weges.

Es ist jedoch nicht so, daß seitens des Gesetzgebers nichts unternommen wird, um dieser Entwicklung gegenzusteuern. Aber bestehende Gesetze, Verordnungen bzw. Verfügungen sind fällig, modifiziert zu werden. Speziell im Land Sachsen-Anhalt, welches das Schlußlicht in der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung darstellt, müssen verstärkt Akzente gesetzt werden. Hierzu wurden seitens der CDU-Fraktion in ihrem Gesetzentwurf entsprechende Vorlagen gegeben, die unsere Zustimmung finden.

(Unruhe)

Entschuldigung! - Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, den Lärmpegel zu senken.

Meine Fraktion wird diesem Gesetzentwurf zustimmen. - Danke.

(Beifall bei der DVU-FL)

Für die PDS-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Herr Professor Dr. Trepte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hatte ursprünglich die Absicht, etwas prinzipieller an das Problem heranzugehen. Nach Ihrer Rede, Herr Minister, denke ich, daß dieser Vorsatz gerechtfertigt ist.

Das geltende Gesetz stammt aus dem Jahr 1991. Es muß schon die Frage erlaubt sein, ob wir damit auf das vor uns liegende Jahrtausend vorbereitet sind. Von einer abschließenden Stabilisierung der Gruppe der mittelständischen Unternehmen im Land kann nicht die Rede

sein. Die Problemlage ist heute, teilweise gegenüber der Startphase unverändert, charakterisiert durch folgendes:

Sie ist erstens charakterisiert durch Eigenkapitalschwäche und Rücklagendefizite, durch Ertragsschwäche, insbesondere verursacht durch katastrophale Zahlungs- moral und Annuitätenbelastungen.

Zweitens ist sie nach wie vor charakterisiert durch vorhandene Defizite in der Innovationskraft und -fähigkeit vieler dieser Unternehmen.

Sie ist drittens charakterisiert durch vielerorts anzutreffende Schwächen bei einer stringenten betriebswirtschaftlichen Führung dieser Unternehmen.

Sie ist viertens charakterisiert durch unzureichenden Schutz gegenüber dem schonungslosen Verdrängungswettbewerb durch Firmen aus den alten Bundesländern und der EU in der Konsolidierungsphase.

Andererseits - das kann man erfreulicherweise feststellen - behaupten sich viele mittelständische Unternehmen und besonders auch innovative zunehmend am Markt. Aus unserer Sicht ist zukünftig folgendes notwendig:

Erstens. Die Förderung und hier insbesondere die Investitionsförderung durch Zuschüsse und Zuwendungen ist weiterhin durch eine attraktive Darlehensförderung zu ergänzen, und dieser Anteil ist ständig zu erhöhen.

Zweitens. Es ist notwendig, die Innovationskraft und die Exportfähigkeit der Unternehmen weiterhin zielgerichtet zu begleiten. Man kann dabei insgesamt sagen, daß die an betrieblichen Funktionalbereichen ausgerichtete Mittelstandsförderung unternehmensspezifischer ausgerichtet werden muß.

Drittens. Fähigkeiten und Fertigkeiten der unternehmerischen und betriebswirtschaftlichen Führung der Unternehmen, besonders in der Gründungsphase ausprägend und in der Konsolidierungsphase begleitend, sind zu unterstützen.

Viertens. Weiterhin sind ernsthafte Schritte zur Verbesserung der Zahlungsmoral einzuleiten und zu unterstützen.

Fünftens. Es ist weiterhin erforderlich, marktfähigen Unternehmen im Rahmen der Darlehensförderung auch Liquiditätshilfen zu erteilen, deren optimaler Einsatz für bestimmte betriebliche Zwecke diesen Unternehmen zunehmend selbst überlassen bleiben muß.

Sechstens. Im Rahmen der Unternehmenssteuerreform wird der Mittelstand offenbar gegenüber den Großunternehmen zunehmend benachteiligt. Unter dem Tagesordnungspunkt 11 wird am Rande - leider am Rande - nochmals darüber zu reden sein. In der „Wirtschaftswoche“ von heute ist ein umfangreicher Artikel mit der Überschrift „Viele Mittelständler fühlen sich von der Politik zunehmend im Stich gelassen“ veröffentlicht worden. Wir werden um parlamentarische Aktivitäten in bezug auf die Nachbesserung der Unternehmenssteuerreform, denke ich, nicht herumkommen.

Siebentens. Eine Investitions- und Strukturbank des Landes sollte Refinanzierungsmöglichkeiten bei Leihinstituten des Bundes und auf dem Kapitalmarkt zum Nutzen der mittelständischen Unternehmen wettbewerbsneutral - ich betone: wettbewerbsneutral - erschließen.

Meine Damen und Herren! Der Mittelstand kann in seiner Entwicklung nicht isoliert betrachtet werden. Trotz innerer Verflechtungen im Bereich des Mittelstandes

führt er kein Inseldasein. Er ist weiterhin stark abhängig von der Stärkung der Finanzkraft der Kommunen, von der Stärkung der Inlandsnachfrage und von der weiteren Ansiedlung und Festigung von Industrie- und Dienst- leistungskernen.

Aufgrund all des Gesagten ist zu überprüfen, ob die Gesetzesinitiative der CDU-Fraktion nicht eher auf Fortschreibung der bestehenden Regelungen gerichtet ist. Wir sehen weiterreichenden Handlungsbedarf, und dieser soll im Ausschuß für Wirtschaft, Technologie und Europaangelegenheiten beraten werden. Wir stimmen einer Überweisung des Gesetzentwurfes in den genannten Ausschuß zu. - Danke schön.

(Zustimmung bei der PDS)

Für die FDVP-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Wolf.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst eine Bemerkung über die Feststellung des Herrn Brachmann am heutigen Tage, daß Herr Remmers aus Niedersachsen gekommen sei. Das ist richtig; Herrn Brachmann ist aber nicht aufgefallen, daß die Regierung überwiegend aus Importministern besteht. Das nur als Ergänzung.

(Herr Sachse, SPD: Wem nützt denn das jetzt?)

Zum Gesetzentwurf. Das Mittelstandsförderungsgesetz aus dem Jahr 1991 hatte den Zweck, eine ausgewogene Wirtschaftsstruktur in Sachsen-Anhalt zu schaffen. Es diente dem Hauptzweck, dem Mittelstand eine Perspektive zu geben, ihm ein Hineinwachsen in die soziale Marktwirtschaft zu ermöglichen. Etliches, natürlich nicht alles, hat seine Gültigkeit bewahrt: Unterstützung von Existenzgründern, Förderung der Marktposition der kleinen und mittleren Unternehmen, Verbesserung der Eigenkapitaldecke usw. usf. Alles unstrittig und alles herrlich, aber die Realität sieht so aus, daß sich die Arbeitslosigkeit in Sachsen-Anhalt mit dieser Politik nicht eindämmen läßt.

Meine Damen und Herren! Der Mittelstand ist das Rückgrat der Wirtschaft von Sachsen-Anhalt. Er stellt 80 % aller Arbeitsplätze und 70 % aller Ausbildungsplätze. Er verträgt somit keine Vernachlässigung.

Bei der traditionellen Jahresumfrage der IHK im Januar 2000 bewerteten 70 % von 1 000 befragten Mittelständlern die Wirtschaftspolitik der Landesregierung als nicht ausreichend. 89 % aller Betriebe halten die ÖkoSteuer für ein wirtschaftliches Hemmnis.

Das Mittelstandsförderungsgesetz, von der CDU-Landesregierung im August 1991 auf den Weg gebracht, entspricht natürlicherweise nach diesem zeitlichen Abstand nicht mehr den Gegebenheiten und hat unter der SPD-Minderheitsregierung leider auch keine Pflege erfahren. Lachhaft kam uns bei Recherchen die Förderung von Kebap-Buden oder Imbißständen vor, vor allem deswegen, weil dort so viele nette Arbeitsplätze hervorsprießen.

Die Wirtschaftsförderung der Landesregierung ist nicht nur deswegen reformbedürftig. Die Gießkanne hat ausgedient. So kommt ein solcher Gesetzentwurf sicherlich durchaus im rechten Augenblick.