Protokoll der Sitzung vom 07.04.2000

Als völlig ineffektiv zu beurteilen ist die Vorschrift des § 41 Abs. 2 des Ausländergesetzes über die Identitätsfeststellung; denn diese Vorschrift eröffnet den zuständigen Behörden nicht die Möglichkeit, illegal eingereiste Ausländer insbesondere nach Ausweisdokumenten zu durchsuchen, um ihre Identität und Staatsangehörigkeit festzustellen.

§ 15 Abs. 4 des Asylverfahrensgesetzes läßt aber eine Durchsuchung erst im Rahmen des Asylverfahrens zu. Nicht erfaßt werden damit vor allem Fälle, in denen der Eingereiste bei seinem Aufgreifen zunächst von einem Asylersuchen absieht. § 41 des Ausländergesetzes gestattet bei Zweifeln über die Identität bzw. die Staatsangehörigkeit des Ausländers lediglich erkennungsdienstliche Maßnahmen entsprechend § 81 b der Strafprozeßordnung. Hierzu gehört die Durchsuchung nicht.

Um die Identität möglichst frühzeitig und zuverlässig feststellen zu können und um sicherzustellen, daß im Fall einer notwendig werdenden Abschiebung die Identität zweifelsfrei nachgewiesen werden kann, sollte unter den Voraussetzungen des § 41 des Ausländergesetzes neben erkennungsdienstlichen Maßnahmen auch die Durchsuchung des Ausländers und der von ihm mitgeführten Sachen entsprechend § 15 Abs. 4 des Asylverfahrensgesetzes und § 20 Abs. 4 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung Sachsen-Anhalts zugelassen werden.

Einer Lösung zuzuführen wäre auch der Wertungswiderspruch zwischen § 56 Abs. 2 des Strafgesetzbuches und § 47 Abs. 1 Nr. 1 des Ausländergesetzes.

Nach § 56 Abs. 2 des Strafgesetzbuches kann eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren unter keinen Umständen mehr zur Bewährung ausgesetzt werden. Der Gesetzgeber bringt damit zum Ausdruck, daß bei einer längeren Freiheitsstrafe nicht mehr zu erwarten ist, daß sich der Verurteilte bereits die Verurteilung als solche als Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzuges keine Straftaten mehr begehen würde.

Die derzeitige ausländergesetzliche Wertung greift dies nicht uneingeschränkt auf, indem sie im § 47 Abs. 1 Nr. 1 des Ausländergesetzes eine Ist-Ausweisung erst bei einer Verurteilung zu einer mindestens dreijährigen Freiheits- oder Jugendstrafe vorsieht. Hier sind also Angleichungen an § 56 des Strafgesetzbuches geboten und redaktionelle Änderungen in den §§ 47 und 51 des Ausländergesetzes angezeigt.

Nicht zuletzt wegen der gewaltsamen PKK-Aktionen von Kurden, die uns auch schon im Landtag besuchten,

nach der Verhaftung von Öcalan und weiteren Vorkommnissen sollten Verstöße gegen § 129 des Strafgesetzbuches oder § 20 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 des Vereinsgesetzes dem Regelausweisungstatbestand des § 47 Abs. 2 des Ausländergesetzes unterstellt werden.

Es erscheint nach dieser Betrachtung auch die Vorschrift des § 57 des Ausländergesetzes betreffend die Abschiebungshaft ergänzungsbedürftig. Das bisher geübte und in allen Varianten praktizierte Gebaren von betroffenen Ausländern gebietet es, einen ausreisepflichtigen Ausländer auf richterliche Anordnung auch dann in Haft zu nehmen, wenn er nicht in dem erforderlichen Maße bei der Beschaffung der für die Beendigung des Auf- enthalts notwendigen Restdokumente mitwirkt.

Schließlich soll der Mißbrauch des Grundrechts auf Asyl durch Personen, die nicht politisch verfolgt sind, die Asylantragstellung aber als Mittel zur Aufenthaltsverlängerung zu nutzen versuchen, weiter reduziert werden. In der Praxis ist immer wieder festzustellen, daß minderjährige, oft erst nach der Einreise geborene Kinder von unanfechtbar abgelehnten Asylbewerbern nachträglich eigene Asylanträge stellen. Als zentrales, gegebenenfalls einziges Ziel stellt sich in diesen Fällen dar, auf diese Weise die Aufenthaltsbeendigung der Familie insgesamt zu verzögern. Derartige Anträge müssen deshalb generell als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden. Insoweit ist § 30 Abs. 3 des Asylverfahrensgesetzes zu novellieren, um dem Mißbrauch vorzu- beugen.

Da die Praxis auch gezeigt hat, daß Asylfolgeanträge häufig allein deswegen gestellt werden, um den Aufenthalt in der Bundesrepublik noch für einen gewissen Zeitraum verlängern oder fortsetzen zu können, kann der Mißbrauch dadurch eingedämmt werden, daß der Folgeantragsteller verpflichtet werden kann, in einer Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen.

Schließlich hat die Praxis auch gezeigt, daß Asylfolgeanträge häufig erst während einer bereits im Gang befindlichen Abschiebung oder während der vorbereitenden Vollzugsmaßnahmen gestellt werden und damit offensichtlich mißbräuchlich sind. Dieses Verhalten ist durch das Grundrecht auf Asyl des Artikels 16 a des Grundgesetzes nicht geschützt. Zur Vermeidung dieses Mißbrauchs ist § 71 Abs. 5 des Asylverfahrensgesetzes zu ergänzen.

Meine Damen und Herren, ich gehe davon aus, daß Sie an dieser Stelle vermutlich keine Debattenbeiträge leisten werden. - Danke.

(Beifall bei der FDVP)

Vielen Dank. - Im Ältestenrat ist dazu eine Fünfminutendebatte vereinbart worden, und zwar in der Reihenfolge SPD-Fraktion, PDS-Fraktion, DVU-FL-Fraktion, CDUFraktion und FDVP-Fraktion. Für die SPD-Fraktion hat Frau Leppinger um das Wort gebeten. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Nahtlos knüpft die FDVP an die Ausländerpolitik der DVU an, und die sah so aus:

10. Juni 1998 - Antrag auf repräsentative Befragung zur Abschiebung,

10. Juli 1998 - Antrag zur Ausweisung von Ausländern,

10. Juli 1998 - Kleine Anfrage zur Strafverfolgung von Ausländern,

14. Januar 1999 - Kriminalität in Asylbewerberheimen,

1. Februar 1999 - Kleine Anfrage zu kriminellen Aktivitäten von Ausländern,

17. März 1999 - Kleine Anfrage zu Straftaten von Ausländern,

6. April 1999 - Kleine Anfrage zur Ausweisung straffällig gewordener Ausländer,

15. April 1999 - Kleine Anfrage zur Abschiebung krimineller Ausländer,

29. April 1999 - Kleine Anfrage zu Straftaten von Ausländern,

16. Juli 1999 - Kleine Anfrage zu kriminellen Exilalbanern,

1. September 1999 - Kleine Anfrage zur Abschiebung,

9. November 1999 - Antrag zur Abschiebung straffällig gewordener Ausländer,

8. Dezember 1999 - Kleine Anfrage zu kriminellen Aktivitäten von Ausländern,

24. Januar 2000 - Kleine Anfrage zu kriminellen Aktivitäten von Ausländern.

Heute nun - welch Wunder! - steht der Antrag der FDVP, der sich wiederum auf die Abschiebung von straffällig gewordenen Ausländern bezieht, auf der Tagesordnung.

Erinnern wir uns doch noch einmal kurz an die letzte dazu geführte Debatte. Damals hat der Abgeordnete Wolf perfekt aus den Verwaltungsvorschriften zitiert, die die Abschiebung von straffällig gewordenen Ausländern regeln. Ich werde Ihnen heute dazu das Ausländergesetz zitieren, meine Damen und Herren von der FDVP und von der DVU-FL, damit wir uns künftig die gebetsmühlenartigen Diskussionen von Ihrer Seite zu diesem Thema sparen können.

§ 45 Abs. 1 des Ausländergesetzes regelt generell die Ausweisung von Ausländern. Ich zitiere:

„Ein Ausländer kann ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige Interessen der Bundes- republik Deutschland beeinträchtigt.“

Der § 47 regelt die Ausweisung wegen besonderer Gefährlichkeit. Hier ist die Regelung zwingend und gibt den Behörden keinerlei Ermessensspielraum. - Soweit die geltende Rechtslage.

Die gesetzlichen Instrumentarien sind ausreichend, und deshalb sind Ihre Anträge so notwendig wie ein dreiärmeliger Pullover. Im übrigen habe ich von Ihnen noch keinen einzigen Antrag zu Straftaten von Rechtsextremisten gesehen. Da fragt man sich doch nach dem Grund. Ein Schelm, der Böses dabei denkt! Ich gehe doch keinesfalls davon aus, daß Sie Stimmung gegen Ausländerinnen und Ausländer machen wollen.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Vielen Dank. - Für die PDS-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Gärtner.

(Herr Weich, FDVP: Oh!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Worten der Kollegin Leppinger ist nicht allzuviel hinzuzufügen. Zwar gibt es einen neuen Fraktionsnamen, aber trotzdem derselbe Inhalt, derselbe fremdenfeindliche Inhalt, also nichts Neues. Das sei an dieser Stelle betont.

Zudem ist der Antrag so unkonkret formuliert, daß sich dem aufmerksamen Leser der Eindruck regelrecht aufdrängt, daß dieser mal wieder genutzt wird, um die altbekannte und schändliche „Ausländer raus!“-Kampagne neu aufzugießen.

Schlimm daran ist, daß die CDU mit einem Änderungsantrag draufsattelt.

(Zustimmung bei der PDS und von Herrn Biener, SPD)

Das alles wird es mit uns nicht geben. Wir lehnen beide Anträge ab. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Für die DVU-FL-Fraktion ist ein Redebeitrag nicht angekündigt worden. - Es bleibt offensichtlich dabei. Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Webel. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Zuerst zu Ihnen, Herr Gärtner: Wenn Sie unsere Drucksache richtig gelesen hätten und vielleicht einmal gefragt hätten, was das ist, dann wären Sie vielleicht auf den Gesetzentwurf des Landes BadenWürttemberg gestoßen, den ich hier habe,

(Frau Dr. Sitte, PDS: Den haben wir auch! Da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen!)

und hätten ihn gelesen, bevor Sie hier solche Äußerungen tun.

(Beifall bei der CDU und bei der DVU-FL)

Aber es ist in letzter Zeit nicht nur von der CDU gesagt worden, daß mit dem geltenden Ausländer- und Asylrecht Mißbrauch getrieben wird und es effektiver gestaltet werden muß, sondern auch vom SPD-Bundesinnenminister Herrn Schily.