Protokoll der Sitzung vom 04.05.2000

Des weiteren macht das Öko-Institut darauf aufmerksam, daß wesentliche gentechnische Einsatzbereiche in der Lebensmittelproduktion von der Kennzeichnungspflicht ausgespart werden. Eine Kennzeichnungspflicht entfalle, so daß Öko-Institut, auch für Vitamine, Aromen oder Enzyme, obwohl viele dieser Zusatzstoffe inzwischen mit Hilfe gentechnischer Methoden produziert werden.

Einer Pressemitteilung vom 10. April 2000 zufolge sollen nach dem Willen der EU-Politiker ab sofort Zusatzstoffe und Aromen aus gentechnisch veränderten Rohstoffen einer Kennzeichnungspflicht unterliegen. Zudem tritt die sogenannte Einprozentregelung in Kraft. Diese schreibt vor, daß gentechnisch verändertes Soja oder gentechnisch veränderter Mais in Lebensmitteln erst dann deklariert werden muß, wenn der Gehalt im Endprodukt über 1 % liegt.

Zusatzstoffe und Aromen aus gentechnisch veränderten Rohstoffen müssen aber nur dann deklariert werden, wenn die entsprechende Veränderung auch durch Analysen nachweisbar ist. In der Praxis bedeutet dies, meine Damen und Herren, daß lediglich Sojalecithin und in Einzelfällen, je nach Nachweismöglichkeit, Zusatzstoffe auf Maisstärkebasis wie Maltit, Sorbit oder modifizierte Stärke sowie Aromen aus pflanzlichen Proteinen, wenn sie aus gentechnisch verändertem Soja oder Mais stammen, gekennzeichnet werden müssen. Andere Zusatzstoffe, die aus gentechnisch veränderten Mikroorganismen gewonnen werden, bleiben wahrscheinlich ohne Kennzeichnung, da ein Nachweis kaum möglich ist.

Somit bleiben bei der Kennzeichnung gentechnisch veränderter Zusatzstoffe so viele Lücken, daß weiterhin nur ein kleiner Teil der mit Hilfe der Gentechnik produzierten Lebensmittel gekennzeichnet werden muß.

Eine wirkliche Klarheit für den Endverbraucher, sprich für den Käufer, für den Konsumenten bietet nach Meinung der Verbraucherschützer nur eine prozeßbezogene Kennzeichnung aller Lebensmittel, bei deren Produktion gentechnische Methoden eingesetzt werden. Im Landesveterinär- und Lebensmitteluntersuchungsamt in Halle liegen derzeit reichlich Proben aus den Einzelhandelsgeschäften zur Untersuchung bereit, um gentechnisch veränderte Zusatzstoffe in Lebensmitteln nachweisen zu können.

Da die Verantwortung der Genforschung sowie die Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel und deren Überwachung klar definiert ist, fordern wir mit unserem Antrag die Landesregierung auf, genau diesen Pflichten zur Kennzeichnung nachzukommen und im Landtag darüber Bericht zu erstatten.

Auch in der Landwirtschaft zeichnet sich eine zunehmende Anwendung der Gentechnik im Bereich der Pflanzen- und Tierzüchtung ab. Durch gezielte gentechnische Veränderungen soll die Wiederstandskraft von Pflanzen gegen Krankheiten und Schadenserreger erhöht werden. Eine Möglichkeit besteht beispielsweise darin, bestimmte Gene von Viren in Pflanzen zu integrieren. Dieses Verfahren wird gegenwärtig beispielsweise bei Kulturpflanzen wie Kartoffeln oder Zuckerrüben versuchsweise angewandt.

In Antworten der Landesregierung auf Kleine Anfragen zur schriftlichen Beantwortung ist zu lesen, daß im Jahre 1999 13 Beerntungen bei Freisetzungsversuchen stattfanden. Schätzungsweise 70 % des Erntegutes wurde zu Laboratorien transportiert und dort für weitere Untersuchungen zu Forschungszwecken verwendet.

Nicht für Laboruntersuchungen benötigte Pflanzen wurden auf dem Feld durch verschiedene Methoden inaktiviert. So wurden Rüben gehäckselt und mit einer Scheibenegge in den Boden eingearbeitet. Verarbeitungsrückstände wurden auf einem separaten Acker entsorgt.

Raps wurde 1999 vollständig geerntet und anschließend auf Freisetzungsflächen in anderen Bundesländern inaktiviert, sprich entsorgt.

Auch ein Versuch mit gentechnisch veränderten Maispflanzen wurde vor der Reife abgebrochen. Diese Pflanzen wurden gehäckselt und anschließend inaktiviert, das heißt in den Boden eingebracht.

Eine Verwendung als Nahrungs- oder Futtermittel kann also ausgeschlossen werden. Jedenfalls heißt es so.

Kann dies aber wirklich ausgeschlossen werden? - Es muß bedacht werden, daß bei der täglichen Nahrungssuche des Nieder- und Rotwildes, welches natürlich auch vor sogenannten Freisetzungsflächen nicht haltmacht, diese gentechnisch veränderten Pflanzenreste von Tieren aufgenommen werden. Letztendlich schließt sich die Kette, das heißt der Mensch nimmt möglicherweise mit seiner Nahrung, mit tierischen Produkten diese Stoffe ebenfalls auf. Spätere gesundheitliche Schäden, beispielsweise eine gentechnische Veränderung des Menschen, sind dabei zur Zeit noch nicht absehbar. Doch wer kontrolliert das?

Nach dem Gentechnikgesetz ist der Bund und letztendlich das Land zuständig. Das Überwachen gentechnischer Anlagen und gentechnischer Arbeiten sowie die Überwachung von Freisetzung und Inverkehrbringen ist Ländersache.

Herr Höppner, ich wende mich noch einmal an Sie. Es ist nicht das letztemal für heute. Wiederum sind Sie gefragt, im Land Sachsen-Anhalt die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, die Richtlinien und EU-Verordnungen umzusetzen, für eine straffe Überwachung und Kontrolle zu sorgen und diese über die Kennzeichnungspflicht in Sachsen-Anhalt durchzusetzen, um die hier lebenden Menschen und die Flora und Fauna vor Schaden zu bewahren.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. - Danke schön.

(Beifall bei der FDVP)

Danke für die Einbringung. - Meine Damen und Herren! Es ist eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion vereinbart worden. Die Fraktionen sprechen in der Reihenfolge DVU-FL, PDS, CDU, SPD, FDVP. Die DVU-FL-Fraktion hat auf einen Redebeitrag verzichtet. Für die PDS-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Köck. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich wollte eigentlich auch auf einen Redebeitrag verzichten. Aber angesichts dieses bunten Straußes aneinandergereihter Fachdinge ist es einfach unmöglich zu schweigen. Das ist ein Beispiel dafür, wie ein Thema oder eine Fragestellung, die, so wie sie formuliert ist, mit einer Kleinen Anfrage an die Landesregierung eigentlich genügend bedacht wäre, den Landtag mit einer Debatte belastet.

(Zustimmung von Herrn Kannegießer, DVU-FL)

Frau Wiechmann, Sie haben allenfalls während 5 % Ihrer Redezeit, wenn nicht gar nur während 3 % tatsächlich zum Thema gesprochen, zu dem, was der Landtag beschließen soll. Das ist unmöglich.

Ich will folgendes ganz kurz sagen: Die Verordnung gilt in allen Mitgliedstaaten direkt. Die BRD hat eine Durchführungsverordnung erlassen.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Wer? BRD? Kenne ich nicht!)

Dem Land obliegt nur die Überwachung nach dem Lebensmittelrecht. Das macht das Landesveterinär- und Lebensmitteluntersuchungsamt Halle. Der Ausschuß für

Landwirtschaft hat sich dort vor drei Wochen kundig machen können.

Alles, was Sie in Ihrem Antrag formuliert haben, ist nicht nur fachlich falsch, sondern wäre, wie gesagt, maximal mit einer Kleinen Anfrage zu erledigen. In der Antwort hätten Sie nur einen einzigen Satz von der Landesregierung gehört: Im Sinne dieser Fragestellung ist das Land nicht zuständig. - Danke.

(Zustimmung bei der PDS, bei der SPD, von Herrn Kannegießer, DVU-FL, und von der Regie- rungsbank)

Frau Wernicke signalisiert, daß sie auf einen Redebeitrag für die CDU verzichtet. Die SPD-Fraktion tut das ebenfalls. Für die FDVP-Fraktion hat noch einmal Frau Wiechmann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jetzt bin ich ziemlich erstaunt über Ihren Beitrag, Herr Köck.

(Frau Wernicke, CDU: Er hat doch recht! - Herr Gürth, CDU: Der Mann hat recht!)

Sie schreiben unserer Fraktion natürlich nicht vor, wann wir einen Antrag stellen und wann wir das in eine Kleine Anfrage fassen. Wenn wir meinen, daß uns eine Kleine Anfrage genügt, entscheiden wir das selbst.

Wir wollen von der Landesregierung eine konkrete Berichterstattung. Warum wir die wollen, haben ich Ihnen hier deutlich und ausführlich dargelegt. Wir wol- len wissen, welche Risiken und welche Gefahren mit der Gentechnik verbunden sind.

Warum, bitte schön, soll die Landesregierung nicht auch gegenüber dem Landtag berichten, wie diese Richtlinien und diese Verordnungen im Land Sachsen-Anhalt umgesetzt werden?

Auch in Zukunft werden wir es so tun, wie wir es für richtig halten. Ich bin froh, daß wir darüber noch selbst entscheiden können und daß wir dabei nicht auf Ihre Anweisungen, Herr Köck, angewiesen sind. Ich bitte trotzdem noch einmal um Zustimmung zu unserem Antrag. - Danke sehr.

(Beifall bei der FDVP)

Meine Damen und Herren! Wir sind damit am Ende der Debatte. Wir kommen zum Abstimmungsverfahren zur Drs. 3/2865. Eine Überweisung ist nicht verlangt worden, deshalb ist über den Antrag selbst abzustimmen. Wer stimmt dem Antrag zu? - Gegenstimmen? - Der Antrag ist mit eindeutiger Mehrheit abgelehnt worden. Wir haben damit den Tagesordnungspunkt 13 abgeschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf:

Erste Beratung

Erhalt des Grenzdenkmals Hötensleben

Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 3/3038

Der Antrag wird eingebracht durch die Abgeordnete Frau Ludewig.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zehn Jahre nach der Wende finden wir, wenn wir von einem Teil Deutschlands in den ehemaligen anderen Teil Deutschlands reisen, kaum noch etwas von dem Schrecken und der Unüberwindbarkeit der Mauer, die 40 Jahre lang das Leben und das Lebensgefühl der DDR-Bewohner bestimmte. Schnell sollten die Zeugnisse dieses deutschen Schreckens abgebaut und weggeräumt werden. 40 Jahre Mauer waren genug.

Das Grenzdenkmal Marienborn zeigt die kleine Öffnung mit all ihren Schikanen, die die Grenze für den Transit nach Berlin an der Autobahn bot.

Aber wie sah die Mauer eigentlich aus, die sich wie eine breite, unüberwindliche Narbe durch Deutschland zog? Viele können sich heute nicht mehr vorstellen, wie man direkt an der Mauer lebte und wie die Grenze im einzelnen eigentlich aussah. Auch ehemalige DDR-Bewohner, die nicht in diesem 5 km breiten Gürtel lebten, sahen die Mauer nie, haben sie nie bewußt erlebt.

Der Bürgermeister von Hötensleben, Herr Buchholz, und der Vorsitzende des heutigen Vereins Grenzdenkmal Hötensleben, Herr Walter, haben direkt nach der Wende erkannt, daß man dieses Dokument der Zeitgeschichte nicht einfach wegreißen kann, daß man etwas davon erhalten muß, um der jüngeren Generation erklären zu können, wie das Leben in der DDR war, wie die Grenze zum Westen aussah und welche Hindernisse wirklich da waren, um zu verhindern, daß DDR-Bürger „rüber nach'm Westen machen“.

Die Widerstände gegen den Erhalt des Grenzdenkmals in Hötensleben selbst waren stark. Viele Bürger wollten nichts mehr mit der Grenze zu tun haben. Sie hatten 40 Jahre lang genug davon. Gegen diesen Widerstand auch der Hötensleber wurde ein Stück Grenze erhalten.

Die vielen Besucher von nah und fern zeigen gerade jetzt, zehn Jahre nach der Wende, die Bedeutung dieses Denkmals. Dank des Engagements der Hötensleber Bürger kann man heute feststellen, daß dieses Denkmal das am besten und am umfassendsten erhaltene Zeugnis der innerdeutschen Grenzbefestigungen darstellt.

Überall sonst an der ehemaligen Grenze sind die Befestigungen heute abgeräumt, und es erinnert kein Stück Mauer oder Stacheldraht mehr an die 40jährige DDRGeschichte. Somit kommt diesem Grenzdenkmal aus unserer Sicht eine überregionale, ja nationale Bedeutung zu. Zusammen mit dem Zonengrenzmuseum in Helmstedt sowie der Gedenkstätte Marienborn ist das Grenzdenkmal Hötensleben auch im Programm der Expo enthalten.

Der Grenzdenkmalverein und die Gemeinde Hötensleben können die Betreuung dieses historischen Zeitdokumentes allein auf Dauer nicht sicherstellen. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, den Erhalt des Grenzdenkmals Hötensleben langfristig zu sichern. Das Land sollte dazu, gegebenenfalls in gemeinsamer Verantwortung mit dem Bund, die Trägerschaft übernehmen oder andere für die Zukunft tragfähige Lösungen, zum Beispiel die Einrichtung einer Stiftung, anstreben.

Die Landesregierung wird mit diesem Antrag aufgefordert, bis spätestens zum Ende des Jahres 2000 im Ausschuß für Inneres über die ergriffenen Maßnahmen und die Ergebnisse zu berichten. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)