Protokoll der Sitzung vom 04.05.2000

Ich warne davor - das habe ich von dieser Stelle aus schon häufiger getan -, den Versuch zu unternehmen, die Schwierigkeiten, die sich bei uns im Lande durch die EU-Agrarpolitik ergeben, durch Landesmittel ausgleichen zu wollen. Ich denke, dazu wird das Land insgesamt nicht in der Lage sein.

Wir haben zwar das Problem, daß durch die steigenden Milchleistungen die Grünlandflächen im Lande weniger in Anspruch genommen werden und es natürlich wünschenswert wäre, diese durch Mutterkuhhaltung weiterhin in der Bewirtschaftung zu halten. Aber das setzt erhebliche Mittel voraus, und die wird das Land nicht aufbringen können.

Ich gehe also davon aus, daß Sie, was die Mutterkuhhaltung angeht, keinen großen Erörterungsbedarf mehr haben. Aber wir sind natürlich gerne bereit, das im Ausschuß noch einmal darzulegen.

Ich komme zur Schafhaltung. Die Schafhaltung ist in der Tat ein Problem. Es hätte nicht Ihres heutigen Antrages bedurft, damit wir uns im Ministerium mit diesem Thema beschäftigen. Denn wir wissen, daß es für einzelne Betriebe, die hier im Lande als eigenständige Schäfereien tätig sind, sehr schwierig ist. Das hat schlicht damit zu tun, daß die Schafhaltung, wenn sie ausschließlich betrieben wird, betriebswirtschaftlich nicht vernünftig zu betreiben ist. Darüber sind wir uns im klaren. Das war zu DDR-Zeiten anders.

Durch die Öffnung der Märkte haben sich völlig andere Rahmenbedingungen ergeben. Für die Wolle wird nichts mehr bezahlt, und das Schaffleisch, so wie es hier in der Bundesrepublik erzeugt wird, ist gegenüber den Konkurrenten aus Neuseeland oder von anderswo sehr schwer vermarktungsfähig. Wenn Sie heute bei uns im Lebensmitteleinzelhandel Schaffleisch kaufen wollen, finden Sie praktisch kaum einheimisches Schaffleisch vor, sondern nur importiertes.

Der landwirtschaftliche Betrieb, ausschließlich als Schäferei betrieben, bringt also kein vernünftiges Einkommen mehr. Das bedeutet: Wenn wir der Auffassung sind - das ist die Grundvoraussetzung -, daß wir ausschließliche Schafbetriebe erhalten wollen, müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie wir dies erreichen können. Hier bietet sich meines Erachtens in der Tat nur der Weg über die Landschaftspflege an.

Dieses Thema ist sehr kompliziert, Herr Krause. Wir haben es über den Vertragsnaturschutz versucht - ein leidiges Thema. Die Umweltschützer haben gesagt: Es gibt bestimmte Naturschutzgebiete, in denen wir wegen der hohen Schutzziele keinen Vertragsnaturschutz haben wollen. Infolgedessen muß man sich Gedanken darüber machen, wie man Schafe in diese Gebiete hineinbringen kann. Das bedeutet, man muß Verträge mit den Schäfern abschließen, die die Pflege innerhalb dieser Gebiete gewährleisten. Dies ist im übrigen aus wasserwirtschaftlicher Sicht dann auch ein Thema bei den Deichen.

Aber ich gebe zu bedenken: Das ist eine teure Pflege, die wir dann bezahlen müssen. Insofern liegt mir daran, daß wir das Thema im Zusammenhang mit den Haushaltsplanberatungen noch einmal aufgreifen. Denn hierfür wäre die Erhöhung der vorhandenen bzw. nicht vorhandenen Ansätze im Einzelplan 09 bzw. im Einzelplan 15 notwendig.

Infolgedessen plädiere ich noch einmal ausdrücklich dafür, das Thema im Zusammenhang mit den Haushaltsplanberatungen in den zuständigen Ausschüssen sorgfältig zu behandeln.

Ich hoffe, daß wir jedenfalls für die wichtigen Probleme Lösungsmöglichkeiten finden. Denn nach meiner persönlichen Auffassung gibt es hier in Sachsen-Anhalt bestimmte Landschaftstypen, die nicht anders erhalten werden können als durch die Beweidung durch Schafherden. Ich nenne die Magerrasengebiete. Ich glaube, daran haben wir alle ein Interesse. Nur, dieses Interesse wird die öffentliche Hand einige Gelder kosten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Herr Minister. - Für die SPD hat jetzt der Abgeordnete Herr Meinecke das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es wurde eben darauf hingewiesen, daß der Antrag der PDS offensichtlich zweigeteilt ist. Sie hatten gemeint, daß Sie die Haltung von Schafen, von Ziegen und die Mutterkuhhaltung unterstützen wollten, in der Begründung sind sie aber dann ausschließlich auf die Schafhaltung eingegangen. Ich muß sagen, ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie noch einmal auf die Situation der Schäfer hingewiesen haben.

Sicherlich muß über die Probleme der Wirtschaftlichkeit extensiver Produktionsverfahren in der Tierhaltung noch einmal gesprochen werden. Herr Minister Keller hat hierzu bereits umfangreiche Ausführungen gemacht. Nun ist es aber keineswegs so, daß die Thematik insgesamt an uns vorbeigehen kann.

Agrar- und Umweltpolitiker unserer Fraktion hatten erst gestern eine langfristig geplante Diskussionsrunde zur Landschaftspflege in Sachsen-Anhalt mit den Landschaftspflegeverbänden und mit dem Bauernverband. Die wirtschaftliche Situation der Schäfer hat dabei eine dominierende Rolle gespielt.

Die Frage, die wir uns jetzt stellen müssen, lautet: Was können wir tun, um Landschaftspflege, Schafhaltung und eventuell auch Ziegenhaltung in Sachsen-Anhalt unter einen Hut zu bringen?

Das Ganze - da erzähle ich Ihnen auch nichts Neues - ist natürlich vor dem Hintergrund der EU-Rahmenbedingungen zu betrachten. Es kann nach meinem Dafürhalten nicht darum gehen, neue Programme zu entwickeln. Vielmehr muß es darum gehen, bewährte und bekannte Programme heute so einzusetzen, daß sie für die Landschaftspflege insgesamt etwas bringen.

Herr Krause, Sie wissen, daß in der Verordnung des Rates über die Förderung und Entwicklung des länd-lichen Raumes durch den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft einige gesonderte Programme zur Entwicklung der Schaf-, Ziegen- und Mutterkuhhaltung vorgesehen sind.

Diese Fördermöglichkeiten zur Erhaltung extensiver Tierhaltung und zur Landschaftspflege sind in unserem Land bereits genutzt worden, und sie werden auch weiter genutzt. Ich nenne nur die Förderung vom Aussterben bedrohter Nutztierrassen, Umweltauflagen für benachteiligte Gebiete und Agrarumweltmaßnahmen, die gefördert werden. Natürlich werden diese vorzüglichen Möglichkeiten auch weiterhin genutzt, aber - das gebe ich zu, und das muß ich auch betonen - es gibt in einigen Fällen Probleme. Das ist richtig.

Jetzt wird es ein bißchen kompliziert. Es ist schon schwierig zu verstehen, daß Maßnahmen nur förderfähig sind, wenn sie auf Freiwilligkeit beruhen. Aber zusätzlich noch die Sowohl-als-auch-Situation in manchen Fällen zu berücksichtigen, bedarf schon einer eingehenden Prüfung. Anhand eines Beispiels möchte ich das kurz verdeutlichen.

Die von einigen Verbänden häufig scharf kritisiere Ausweisung von FFH-Gebieten dürfte sich gerade für Landwirte in Naturschutzgebieten, bei denen die Artikelverordnung nicht greift, auszahlen, da die EU für umwelt

bedingte Bewirtschaftungsbeschränkungen eine Kompensation im Rahmen einer Ausgleichszulage in diesen Gebieten vorsieht.

Wir sind ursprünglich davon ausgegangen, daß Landschaftspflege in Naturschutzgebieten zukünftig über diese Ausgleichszulage gefördert werden kann. Im Falle der Schäfer hat sich jedoch herausgestellt, daß dieser Weg nicht unproblematisch wäre, da die Bewirtschaftungsbeschränkungen zwar vorliegen, die Schäfer durch diese Beschränkungen in ihrer Produktion aber kaum tangiert werden. Wenn die Schäfer die Bewirtschaftungsbeschränkungen kaum berühren, kann man wiederum davon ausgehen, daß die Landschaftspflege durch Schafhaltung in diesen Gebieten auf Freiwilligkeit beruht, was wiederum den Vertragsnaturschutz ermög- lichen müßte.

Ich sehe hier einige unverständige Gesichter. Bei manchen Dingen - das muß ich ehrlich sagen - geht es mir ähnlich. Manche Dinge verstehe ich auch nicht.

(Heiterkeit bei der SPD und bei der CDU - Frau Budde, SPD: Aber das Schäfern schon!)

Jedenfalls - das bleibt festzuhalten - brauchen wir eine Richtlinie zur Umsetzung der Landschaftspflege im Rahmen des Vertragsnaturschutzes. Wie Minister Keller bereits angedeutet hat, werden die Möglichkeiten hierfür derzeit im Ministerium geprüft. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß das natürlich auch das Land Geld kostet.

Ich glaube, wir sollten über weitere Details in den Ausschüssen beraten. In diesem Sinne stimmen wir einer Überweisung federführend an den Landwirtschaftsausschuß und mitberatend an den Umweltausschuß sowie - ich will das noch erweitern, da es um Geld geht - an den Finanzausschuß zu. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD und von Frau Ferch- land, PDS)

Frau Wernicke hat jetzt für die CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vom Grundsatz her ist diese Thematik im Landtag bereits auf Antrag der CDU-Fraktion behandelt worden. Deshalb verwundert mich diese scheinheilige Antragstellung der PDS heute.

Sie sagen heute, daß Ihnen die Betroffenen so wichtig sind, daß wir ihnen heute eine Antwort schuldig sind. Von Herrn Meinecke ist zu hören, daß er einiges nicht versteht. Wir hätten eigentlich schon seit September konstruktiv über die Problematik, wie es unseren Schäfern geht, wie man ihnen helfen kann, beraten können.

Mit Ihrer Hilfe, Herr Krause, - das heißt mit der Hilfe der PDS - ist damals verhindert worden, daß der Antrag direkt angenommen wurde. Herr Köck sprach dazu und hat umfassend begründet, daß man dieser Forderung der CDU aus Haushaltsgründen nicht automatisch zustimmen kann. Er hat in seinem Redebeitrag begründet, daß man dieses Problem mit konstruierten Fördermechanismen nicht ad hoc lösen kann, und er hat für eine Überweisung in den Ausschuß plädiert. In diesem Ausschuß liegt unser Antrag noch heute so gut wie nicht beraten.

Hätten Sie, Herr Krause, uns seit September vergangenen Jahres konstruktiv unterstützt, brauchten Sie sich heute nicht als leidenschaftlicher Verfechter einer Verbesserung der Situation der Schäfer aufzuspielen.

(Beifall bei der CDU - Herr Schulze, CDU: Ja- wohl! Richtig!)

Das Problem ist seit längerem bekannt. Ich will nicht noch einmal darauf eingehen, daß wir es bereits thematisiert hatten.

Ich möchte Ihnen unsere Argumentation vom September noch einmal nahebringen. Herr Meinecke, wir wollten insbesondere eine sogenannte Ausgleichszulage ermöglichen, die bei Einschränkungen in FFH-Gebieten gewährt werden kann. Die europäische Rechtslage läßt das zu. Die Zulage kann bis zu 400 DM je Hektar betragen. Sie wäre sogar bis zu einem Anteil von 75 % förderfähig und würde den Landeshaushalt sogar entlasten. Wenn auch der Betrag unter dem bisher möglichen Erschwernisausgleich liegt, wäre es eine Alternative zur Kompensation gewesen.

Ihre Bereitschaft, über solche Möglichkeiten zu diskutieren, war äußerst gering. Frau Häußler - zu diesem Zeitpunkt Umweltministerin - hatte in der Debatte im Landtag darauf hingewiesen, daß schnelle Hilfe vonnöten ist, um den Schäfern wirkliche Unterstützung zu bieten.

Wir, die CDU-Fraktion, vertreten weiterhin unseren eben noch einmal dargelegten Standpunkt, um den Landwirten, insbesondere den Schäfern und den Mutterkuhhaltern, im erforderlichen Maß zu helfen. Ich verweise aber auch, wie es Herr Meinecke schon tat, auf bereits vorhandene Möglichkeiten, die Schaf- und die Mutterkuhhaltung zu fördern.

Da es uns nach wie vor um die Sache geht, schlage ich - wie es der Minister eben auch getan hat - vor, daß wir uns mit diesem Antrag und mit dem noch im Ausschuß liegenden CDU-Antrag, in dem es um die gleiche Sache geht, beschäftigen, um über Kompensationsmöglichkeiten für die Landwirte und die Schäfer in Form von Landschaftspflegemaßnahmen mittels Tierhaltung zu beraten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Mertens, ich muß Sie um Entschuldigung bitten. Ich war schon einen Schritt weiter. Jetzt haben Sie für die FDVP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In Sachsen-Anhalt wurde bereits im Jahr 1998 eine Fläche von rund 18 500 Hektar ökologisch bewirtschaftet. Diese Flächengröße ist eine solide Basis, um darauf auch die ökologische Tierhaltung aufzubauen.

Von den ca. 40 Nutztierarten in Deutschland kommt neben den Schweinen, den Rindern und dem Geflügel auch den Schafen, Ziegen und Kühen eine große wirtschaftliche Bedeutung zu.

Tiere und Natur sind bekanntermaßen miteinander verflochten. Über Jahrtausende erfolgte eine allmähliche Anpassung von Pflanzen und Tieren an die von menschlicher Tätigkeit geprägten Lebensräume. Das wiederum führte zur Herausbildung von sogenannten Landsorten der Kulturpflanzen und Lokalrassen bei Nutztieren.

Die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt ist ein zentrales Element der deutschen Umwelt-, Naturschutz-, Agrar-, Forst- und Fischereipolitik. Ökonomie und soziale Sicherheit sollten auch in Sachsen-Anhalt eine untrennbare Einheit bilden. Dies ist der wesentliche Kern des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung, auf das sich die Staatengemeinschaft im Jahr 1992 in Rio verständigt hat. Aber wie wir alle wissen, hat der wesentliche Kern des Leitbildes einen großen Bogen um das Land Sachsen-Anhalt genommen, auch „Dank“ der rot-roten Landesregierung seit 1994.

Nachhaltig ist eine Entwicklung, die diese drei Aspekte zusammenführt. Die Verbesserung der ökonomischen und sozialen Lebensbedingungen muß mit der langfristigen Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen in Einklang gebracht werden.

Natürlich ist unsere Fraktion dafür, eine sinnvolle ökologische Landschaftspflege und den damit verbundenen Erhalt der Kulturlandschaft zu forcieren. Zu deren Erhalt tragen jedoch nicht nur die Landwirte, sondern auch die Hüter der Nutztiere, beispielsweise unsere Schäfer, bei.

Aus diesem Grund muß die wirtschaftliche Situation dieser Berufsgruppe durch die Landesregierung besonders beachtet und gefördert werden. Gemäß Artikel 41 Abs. 2 der Verordnung EG Nr. 1257/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 über die Förderung des ländlichen Raums durch den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft - EAGFL - und zur Änderung bzw. Aufhebung bestimmter Verordnungen hat das Land Sachsen-Anhalt einen Plan zur Entwicklung des ländlichen Raums für den Interventionsbereich des EAGFL, Abteilung Garantie, vorgelegt. Der Fördererzeitraum ist dabei in einem Runderlaß des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forst des Landes Sachsen-Anhalt für die Jahre 2000 bis 2006 festgeschrieben worden. Die Anlage 6 - Vertragsnaturschutz - beinhaltet die Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen für Vertragsnaturschutz im Land Sachsen-Anhalt.

Der Vertragsnaturschutz beinhaltet nun einmal auch Landschaftspflege durch Nutztiere zum Erhalt unserer Kulturlandschaft. Aber zum Nulltarif ist das nicht machbar. Möglicherweise ist unsere Landesregierung dabei in der Lage, Wege abzuleiten, um Existenzsicherungsprogramme für unsere Schäfer und den Berufsnachwuchs sicherzustellen. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der FDVP)

Für die DVU-FL-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Preiß.