Protokoll der Sitzung vom 22.06.2000

Meine Damen und Herren, sie sind schon ein Grund. Wir gehen jedoch noch einen Schritt weiter. Wir fordern nicht die Anhebung der Kilometerpauschale, sondern wir fordern die Einführung einer verkehrsmittelunabhängigen Entfernungspauschale.

(Zustimmung von Herrn Kasten, PDS)

Meine Damen und Herren! Jetzt muß ich ein wenig rechnen und das fortsetzen, was Herr Minister Heyer begonnen hat. Der Preis für Normalbenzin, 91 Oktan, betrug im ersten Quartal 1999 in einer vergleichbaren Region 1,36 DM und am 8. Juni 2000 2,05 DM. Der Unterschied betrug 70 Pfennig. Auf die Öko-Steuer entfielen 14 Pfennig. Nun wollen wir doch einmal sehen, wo der Rest geblieben ist. Das will ich in zwei Teilen aufzeigen.

Erster Teil. Der Benzinpreis ist in der Zeit von Januar bis zum 8. Juni 2000 von 1,85 DM auf etwa 2,05 DM, also um 20 Pfennig gestiegen. Nun lauschen Sie: Der Preis je Barrel Erdöl ist von durchschnittlich 35 Dollar zum Jahresanfang auf 27 bis 28 Dollar am 8. Juni gesunken. Der Dollarkurs dagegen ist in diesem Zeitraum nur marginal von etwa 1,90 DM auf 2,06 DM je Dollar angestiegen.

Meine Damen und Herren! Diese Preiserhöhung, 20 Pfennig je Liter, haben die Mineralölkonzerne vollständig und ausschließlich in die eigene Tasche gewirtschaftet. Es sind mehr als 20 Pfennig, weil der Rohölpreis gesunken ist.

(Beifall bei der PDS und bei der SPD)

Zweiter Teil. Im Zeitraum von Ende März 1999 bis Anfang Januar 2000 betrug die Preissteigerung je Liter Benzin 50 Pfennig. In diesem Zeitraum fielen 14 Pfennig für die Öko-Steuer an. Ich habe nachgerechnet, 2 Pfennig je Liter Rohöl sind auf den Dollarkursanstieg zurückzuführen. Zu Lasten des Rohölpreises gehen nach meiner Schätzung - ich verstehe mich auf Fragen der Erdöldestillation und der nachfolgenden Veredlungsstufen, aus denen dann Kraftstoff herauskommt - maximal 16 Pfennig zusätzlicher Kosten je Liter. Addiert man die drei Größen 14 plus 16 Pfennig, ergeben sich 31 Pfennig Kostenerhöhung. Im Vergleich zu den oben genannten Preiserhöhungen von 50 Pfennig verbleibt eine Differenz von 19 Pfennig je Liter. Auch diese haben sich die Ölkonzerne in die eigenen Taschen gesteckt.

Das klingt zunächst nicht viel. Aber die Summe ist erschreckend. Ein Pfennig zusätzliche Steuern oder zusätzlicher Profit bringt bei dem derzeitigen Umsatzvolumen 700 Millionen DM zusätzlich in die Kassen. Bei 10 Pfennig sind es 7 Milliarden DM usw.

Wer hier verdient, das sind die Ölmultis als Trittbrettfahrer der Öko-Steuerreform.

(Beifall bei der PDS und bei der SPD)

Meine Damen und Herren! In trauter Eintracht mit den Mineralölkonzernen und der Autoindustrie möchte die CDU mit der Öko-Steuer-Kampagne die Stammtische erobern. Traurig ist das, und lächerlich obendrein. Sie können und Sie wollen nicht einmal rechnen.

Meine Damen und Herren! Zum Schluß: Das Benzinpreiskartell ist ein Schulbeispiel. Wenn es in einer Volkswirtschaftsvorlesung um Preiskartelle, die aus Gründen der Wettbewerbsbehinderung verboten sind, geht, wird stets als Beispiel das Kraftstoffpreiskartell in der Unterart des sogenannten Frühstückskartells genannt.

Die Benzinpreise aller Mineralölgesellschaften stimmen in einer Region in trauter Eintracht überein. Sie gehen den Weg gemeinsam nach oben, sie gehen den Weg gemeinsam nach unten, in der letzten Zeit fast ausschließlich nach oben.

Meine Damen und Herren! Das Bundeskartellamt ist der Wächter zur Unterbindung gesetzwidriger Preisabsprachen. Aufgrund eines Antrags, Überprüfungen über Preisabsprachen durchzuführen und Sanktionen gegenüber Mineralölkonzernen zu verhängen, sieht das Bundeskartellamt Anfang Juni abermals keine hinreichenden Verdachtsmomente auf verbotene Preisabsprachen. So Sievert, der Sprecher des Kartellamtes am 5. Juni 2000.

Hier muß angesetzt werden, meine Damen und Herren, wenn es um die Senkung der Benzinpreise geht, bei den Profiten der Ölmultis. Wenn in diesem Saal jemand nicht sieht, wer die Politik in diesem Lande wirklich macht, so sind ihm, denke ich, die Augen nicht mehr zu öffnen.

Wir lehnen die Anträge ab. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung bei der SPD)

Das Wort hat jetzt für die DVU-FL-Fraktion der Abgeordnete Herr Montag.

Frau Präsidentin! Meine verehrten Damen und Herren! Nach Ansicht unserer Fraktion gehört die Öko-Steuer nicht nur ausgesetzt, sondern sie muß generell abgeschafft werden. Deutschland ist ein Industrieland und braucht nun einmal für die Produktion Energie, in welcher Form auch immer.

(Herr Sachse, SPD: Egal wieviel!)

Aus betriebswirtschaftlichen Gründen wird von den Unternehmen schon sehr viel unternommen, um den Energieeinsatz so gering wie möglich zu halten, oder man weicht in Länder aus, in denen Energie günstiger zu haben ist, was jedoch nicht in unserem Sinne sein kann.

Parallel dazu haben wir in Deutschland die höchsten Umweltstandards, EU- wie auch weltweit. Dies ist nötig, weil wir auch ein Land mit hoher Besiedlungsdichte sind. Aber in einem Land, welches sich, bedingt durch die deutsche Einheit, seit zehn Jahren in der Phase der wirtschaftlichen Depression befindet und in welchem jetzt, nach Ansicht von Wirtschaftsfachleuten, eine leichte Konjunktur auszumachen ist, ist es volkswirtschaftlich unlogisch, der Wirtschaft eine Konjunkturbremse zu verpassen. Nicht mehr und nicht weniger ist dieses sogenannte Öko-Steuergesetz.

Nach den Regeln der Volkswirtschaftslehre ist es die Aufgabe der Politik, Konjunktur- und Rezessionsschwankungen auszugleichen. Gerade das ist aber mit dem Öko-Steuergesetz nicht zu erreichen, erst recht nicht in einem europäischen Alleingang. Potentielle Investoren werden Deutschland meiden und auf Länder ausweichen, in denen die Bedingungen für die Produktion günstiger sind. Das ist verständlich, kann aber nicht im Sinne deutscher Politiker sein.

(Herr Sachse, SPD: Da müssen sie aber lange suchen!)

Deutschland ist nun einmal, allein von der Geschichte her, ein Autoland, und 20 % der deutschen Volkswirt

schaft haben direkt oder indirekt mit der Automobilindustrie zu tun.

Die Wirtschaft verlangt, das hört man immer wieder, von den Arbeitnehmern mehr Mobilität. Es ist nun einmal so, daß der durchschnittliche Weg eines deutschen Arbeitnehmers zur Arbeitsstelle 32 km beträgt. Für einen Arbeitnehmer aus den neuen Bundesländern, der oftmals weit unter Tarif arbeitet und noch weiter als oben erwähnt zur Arbeit fahren muß, ist eine Benzinpreiserhöhung von 24 Pfennig je Liter nicht mehr zumutbar.

In der Bauwirtschaft, wo man, um überhaupt noch Aufträge zu bekommen, hart an der Grenze des Machbaren kalkuliert, ist es so, daß die Arbeitnehmer nicht nur mit dem Pkw zur Arbeit fahren müssen, sie fahren dann mit Betriebs-Lkw und Pkw weiter zur eigentlichen Baustelle.

Arbeitsmarktpolitisch ist von der Öko-Steuer also nichts Gutes zu erwarten. Gerade dies ist unser deutsches Hauptproblem.

Ganz dramatisch sieht die Sache im Speditionsgewerbe aus. Schon jetzt sind Speditionen bekannt, welche, um die Mehrbelastungen aufzufangen, eine private Osterweiterung der EU vornehmen. Wir können ja verstehen, daß zum Beispiel ein Bürger aus der Ukraine Stundenlöhne von 5 DM akzeptiert, weil der derzeitige Umtauschkurs zu seiner Heimatwährung immer noch ein gutes Einkommen garantiert. Ein deutscher Arbeitnehmer indes kann bei seinen Belastungen nicht für das Doppelte der oben genannten Summe arbeiten.

Nicht zu vergessen die in Verbindung mit der ÖkoSteuer gestiegenen Heizölpreise. Ein Rentnerehepaar, welches seine Rentenerhöhung mit der Heizölrechnung vergleicht, möchte schier verzweifeln.

Es ist also an der Zeit, die Öko-Steuer ersatzlos zu streichen. Wir fordern die Landesregierung auf, in diesem Sinne im Bundesrat sowie bei der Bundesregierung tätig zu werden.

Es ist wohl an der Zeit, den Fortschrittsallergikern vom Bündnis 90/DIE GRÜNEN klarzumachen, daß Deutschland sowohl eine intakte Natur braucht, als auch daß die deutschen Politiker Rahmenbedingungen für ein weiteres Wirtschaftswachstum zu ermöglichen haben. Das ist der Auftrag der Wähler. - Danke.

(Beifall bei der DVU-FL)

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Herr Dr. Fikentscher das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unredlich und populistisch, so nennt der Europaabgeordnete der CDU Peter Liese die Kritik seiner Partei an der Benzin- bzw. Energiepolitik der Bundesregierung - noch bevor er den Redebeitrag des Kollegen Daehre lesen konnte, wohlgemerkt. Ich vermute, wenn er das Glück hat, diesen Beitrag zu lesen, wird er sein Urteil

(Herr Dr. Daehre, CDU: Revidieren!)

keineswegs ändern.

Unredlich deswegen, weil man inzwischen an unzähligen Zitaten nachweisen kann, daß die CDU über viele

Jahre hin sowohl in ihrer Programmatik als auch durch Äußerungen namhafter Politiker immer wieder darauf hingewiesen hat, daß in diesem Bereich genau in dieser Richtung etwas geschehen muß. Und jetzt will sie von alledem nichts mehr wissen.

(Beifall bei der SPD)

Populistisch deswegen, weil es sehr leicht ist, Stimmung gegen eine Regierung zu machen und in einem Land, wo nun einmal des deutschen liebstes Kind an der Tankstelle für immer mehr Geld getränkt werden muß,

(Herr Dr. Daehre, CDU: Oh, das sagen Sie mal Ihrem Kanzler!)

eine Stimmung auszunutzen, die berechtigterweise entsteht, aber die außerordentlich kurzsichtig ist.

(Zurufe von der CDU)

Der CDU ist es gelungen - durch Unterstützung von vielen anderen auch -, das Wort Öko-Steuer zum Kampfbegriff zu machen. Und genau das haben Sie heute wieder versucht.

(Zuruf von Herrn Dr. Bergner, CDU)

Kampfbegriffe haben es nun einmal an sich, daß man sie nur noch verwendet und daß man überhaupt nicht mehr fragt, welcher Grund dahinter steckt und was sich sonst noch alles abspielt. Es wird nur noch nach gut und böse eingeteilt. Und böse ist dann eben die Öko-Steuer. Das alles wissen Sie auch.

(Frau Stange, CDU: Das machen Sie doch auch so!)

Sie wissen auch, warum die Benzinpreise gestiegen sind.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Ein großer und ver- hängnisvoller Irrtum! - Herr Schulze, CDU: Sie schimpfen, weil Sie schlechte Laune haben!)