Fünftens. Wie aus den Protokollen des Rechnungsprüfungsausschusses sowie des Finanzausschusses nachvollziehbar sein wird, liegt Ihnen heute erstmalig eine Beschlußempfehlung für die Entlastung der Landesregierung vor, in der sich der Landesrechnungshof nach seinen eigenen Worten in wesentlichen Passagen nicht wiedererkennt.
Meine Damen und Herren! Ich möchte auch aus Zeitgründen auf eine Detailberichterstattung über den Teil 1 der Beschlußempfehlung verzichten. Ihnen liegt das Material vor. Sie können das nachlesen. Ich hatte gesagt, der Beschluß darüber ist im wesentlichen einvernehmlich gefaßt worden.
Ich komme zum Teil 2 des Jahresberichts und werde nachfolgend an einigen ausgewählten Beispielen die Veränderungen deutlich machen, die während der Verhandlungen im Rechnungsprüfungsausschuß und letztlich im Finanzausschuß bis zur Vorlage der heutigen Beschlußempfehlung eingetreten sind.
Ich beginne mit dem wohl gravierendsten Problem, der Gesamtentwicklung der Staatsverschuldung in SachsenAnhalt einschließlich der Sondervermögen. Lassen Sie mich dazu drei Beispiele nennen.
Erstes Beispiel. Noch in der Beschlußempfehlung zur Haushaltsrechnung 1997, die meines Wissens einstimmig bestätigt worden ist, heißt es zur jährlichen Nettoneuverschuldung:
„Die jährliche Nettoneuverschuldung des Landeshaushaltes sollte unter Zugrundelegung der finanzpolitischen Notwendigkeiten, insbesondere der Eindämmung des wachsenden Schuldendienstes, in einem überschaubaren Zeitraum auf 0 DM zurückgeführt werden.“
„Der Ausschuß fordert die Landesregierung auf, die Neuverschuldung stufenweise auf Null zurückzuführen.“
„Der Ausschuß erwartet von der Landesregierung, daß die Nettoneuverschuldung gemäß mittelfristiger Finanzplanung zurückgeführt wird.“
Zweites Beispiel. Zum Thema Auslagerung der Kreditaufnahme in Sondervermögen heißt es in der ursprünglichen Beschlußempfehlung für den Rechnungsprüfungsausschuß:
„Eine Auslagerung der Kreditaufnahme in Sondervermögen oder Anstalten des öffentlichen Rechts ist keine Lösung, da diese letztendlich dem Landeshaushalt zuzurechnen sind und diesen bereits jetzt mit Zinsen und zum Zeitpunkt der Fälligkeit auch mit Tilgung belasten.“
„Eine Auslagerung der Kreditaufnahme in Sondervermögen oder Anstalten des öffentlichen Rechts sollte nur dann erfolgen, wenn die Sondervermögen durch eigene Einnahmen in der Lage sind, Zinsen und Tilgung selbst zu erbringen.“
Drittes und letztes Beispiel. In der ursprünglichen Beschlußempfehlung für den Rechnungsprüfungsausschuß gab es die Passage:
„Angesichts europäischer Vorgaben, bis Ende 2002 nahezu ausgeglichene oder Überschüsse ausweisende Haushalte zu erzielen, fordert er die Landesregierung auf, sich für die verbindliche Aufteilung der Defizitobergrenze zwischen Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungsträgern einzusetzen.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein weiterer bedeutsamer Punkt sind die Auswirkungen des Defizits 1998 auf die folgenden Haushaltsjahre. Zur Erinnerung: Im Haushaltsjahr 1998 ist ein Defizit in Höhe von 219 Millionen DM entstanden. Als Reaktion darauf wurden im Haushaltsplan 2000 zur Deckung des Fehlbetrages in Kapitel 13 02 Titel 961 01 Ausgaben zur Deckung von Fehlbeträgen aus den Vorjahren mit ca. 109 Millionen DM veranschlagt. Damit wurde nicht das gesamte Defizit, sondern nur die Hälfte des 1998 ausgewiesenen Defizits veranschlagt.
Darin sieht nicht nur der Landesrechnungshof einen Verstoß gegen die Bestimmungen des § 25 der Landeshaushaltsordnung, sondern das gewählte Verfahren tangiert das Budgetrecht des Parlaments in konsequenter Auslegung der Landeshaushaltsordnung. Bei Wahrung der Budgethoheit des Parlaments hätte es zur Aufstellung eines Nachtragshaushaltes 1999 kommen müssen. In der ursprünglichen Feststellung hieß es dazu:
„Der Finanzausschuß erwartet, daß künftig die Bestimmungen des § 25 der Landeshaushaltsordnung eingehalten werden und somit die Budgethoheit des Parlaments gewahrt wird. Er fordert die Landesregierung auf, Kredite nur in der Höhe in Anspruch zu nehmen, wie sie für ausgegliche
ne Jahresergebnisse notwendig sind. Der bisher vorliegende Abschluß ist entsprechend zu bereinigen. Das heißt, für den scheinbaren Überschuß von 110 Millionen DM sowie die Zuführung zur Rücklage von 106 Millionen DM aufgenommene Kredite sind dem Defizit 1998 bzw. dem Haushaltsjahr 2000 zuzurechnen.“
Nach der Beratung im Ausschuß erfolgte eine erhebliche Kürzung dieses Textes. Die Empfehlung lautet nunmehr:
„Der Finanzausschuß nimmt den Bericht des Landesrechnungshofes zur Kenntnis. Er erwartet, daß der für das Jahr 1999 ausgewiesene Überschuß von 110 Millionen DM zur Verringerung des Defizits verwendet wird und dies in der Haushaltsrechnung entsprechend dargestellt wird.“
Meine Damen und Herren! Die Liste der Beispiele der sehr konsequent durchgeführten Wandlungen aus den Berichten des Landesrechnungshofes über die Beschlußempfehlungen im Rechnungsprüfungsausschuß bis zu der Beschlußempfehlung des Finanzausschusses, wie sie Ihnen heute vorliegt, ließe sich fortsetzen. Ich will es bei diesen Beispielen bewenden lassen.
Es wird Sie nicht wundern. Ich habe eingangs hinsichtlich der Novitäten im Zusammenhang mit der Behandlung dieses Themas darauf hingewiesen, daß es im Finanzausschuß Änderungsanträge gab, die allesamt mit sehr unterschiedlichen, ich möchte sagen, mit sehr interessanten Abstimmungsergebnissen abgelehnt worden sind. Zum Defizit 1998 lautete das Abstimmungsergebnis im Finanzausschuß: 5 : 5 : 0.
Meine Damen und Herren! Ich habe abschließend die Pflicht, Ihnen das Abstimmungsverhalten im Finanzausschuß zu den wesentlichen Einzelbestandteilen des Deckblattes „Haushaltsrechnung für das Jahr 1998“ mitzuteilen. Es wird nach meinem Dafürhalten im Plenum zu einer Abstimmung über die einzelnen Punkte kommen müssen. Zur Entlastung der Landesregierung lautete das Abstimmungsergebnis 7 : 3 : 0. Zur Entlastung des Rechnungshofes lautete das Abstimmungsergebnis - es wurde jeweils die Entlastung beantragt - 9 : 0 : 1. Zur Entlastung des Präsidenten des Landtages von Sachsen-Anhalt lautete das Abstimmungsergebnis 10 : 0 : 0.
Meine Damen und Herren! Abschließend folge ich einer schon selbstverständlichen guten parlamentarischen Tradition, indem ich dem Landesrechnungshof für seine aussagefähigen, kritischen, sachlichen Berichte und damit für seine wertvolle Kooperation mit dem Landesparlament sehr herzlich danke und diesen Dank auf all diejenigen Beteiligten ausdehne, die im Sinne rechts- und verfassungskonformer Abläufe in den Landesfinanzen gewirkt haben. - Vielen Dank.
Ich danke Ihnen, Herr Dr. Keitel, für die Berichterstattung. - Meine Damen und Herren! Es ist eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion vereinbart worden in der Reihenfolge CDU, SPD, FDVP, PDS und DVU-FL. Die Landesregierung verzichtet auf einen Debattenbeitrag. Als erster spricht für die CDU-Fraktion der Abgeordnete Herr Scharf.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Zyklus eines Haushaltsjahres interessierten die Öffentlichkeit meistens nur wenige Punkte. Das sind die Aufstellungsphase, die Beratungsphase und - schon sehr, sehr abgeschwächt im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehend - die Rechnungslegung, die Rechnungsprüfung und die Entlastung. Das ist eigentlich schade, weil sich nach der Beschlußfassung im Haushaltsvollzug und in der Kontrolle desselben noch viel Entscheidendes in diesem Hause abspielt.
Meine Damen und Herren! Der Entlastungsbeschluß ist meist nur noch eine Formsache. Aber nach dem Spiel ist vor dem Spiel, und in den Haushaltsjahren überlappen sich Abschluß, Entlastung und Aufstellung des neuen Haushalts. Da ist es, meine Damen und Herren, äußerst wichtig, daß wir uns, wenn wir uns über die politischen Inhalte streiten, über die rechtlichen Regelungen der Haushaltsführung wenigstens untereinander einig sind.
Daher ist es gute Sitte, daß normalerweise die Entlastung mit übergroßer Mehrheit, ja gewöhnlich einstimmig erfolgt. Sie hat im übrigen heutzutage keine rechtlichen Konsequenzen mehr. Sie ist ein politischer Akt, der die korrekte Abrechnung eines Haushaltsjahres bestätigt.
Meine Damen und Herren! Unter den bisherigen Finanzministern im Lande Sachsen-Anhalt, gleich welcher Couleur, gab es in Rechtsfragen meist keinen öffentlichen Streit zwischen Parlament und Regierung. Finanzminister Gerhards hat begonnen, diese gute Übung aufzukündigen, indem er in einigen gravierenden Rechtsfragen sowie Bewertungsfragen zur gesamten Haushaltssituation von diesem Konsens abweicht und SPD-Parlamentarier im Rechnungsprüfungsausschuß entsprechend in die Spur geschickt hat. Dies, meine Damen und Herren, ist kein guter Stil, weil ein weiteres Stück Gemeinsamkeit in diesem Hause verlorenzugehen droht.
Meine Damen und Herren! Werden wir konkret: Die Verschuldungssituation des Landes Sachsen-Anhalt ist besorgniserregend. Wir haben in verschiedenen Debattenbeiträgen heute darüber gesprochen. Wer das Wort „besorgniserregend“ aus einer vorgelegten Beschlußempfehlung herausstreicht, der beschönigt die Situation,
und die Größe der Aufgabe, vor der wir alle stehen, wird dadurch kleingeredet. Selbst die SPD-Landtagsfraktion bekennt in ihrer Hochglanzbroschüre zur Halbzeitbilanz im Parlament, daß die Nettoneuverschuldung schrittweise auf 0 DM reduziert werden muß. Auf Hochglanzpapier schreibt sich das schön; in einer Beschlußempfehlung zum Abschluß der Rechnungsprüfung darf so ein Satz nicht mehr vorkommen. Welches gespaltene Bewußtsein haben Sie denn, meine Kollegen?
„Mehreinnahmen und Minderausgaben im Gesamthaushalt, die über den Betrag der globalen Minderausgabe hinausgehen, sind zur Verminderung der laufenden Kredite und zur vorzeitigen
„Ein Fehlbetrag ist spätestens in den Haushaltsplan für das zweitnächste Haushaltsjahr einzustellen. Er darf durch Einnahmen aus Krediten nur gedeckt werden, soweit die Möglichkeit einer Kreditaufnahme nicht ausgeschöpft ist.“
„Ein angeblich vorhandener, tatsächlich aber nur kreditfinanzierter Überschuß aus dem Jahr 1999 kann nicht beliebig verwendet werden. In Betracht kommt nur eine Ausgabebuchung in Höhe des anteiligen Defizits aus 1998 bzw. ein Verzicht auf die Überschußdarstellung, das heißt eine geringere Inanspruchnahme von Krediten.“
Wir müssen, meine Damen und Herren, im Parlament darauf bestehen, daß Rechtsvorschriften, die wir uns selbst gegeben haben, auch eingehalten werden.
Meine Damen und Herren! Alle Alarmglocken müssen bei jedem Parlamentarier läuten, wenn bekannt wird, daß das Finanzministerium plant, diese offensichtlich störende Bestimmung im Haushaltsgesetz zu streichen, um sich zukünftig freie Hand im Umgang mit Überschüssen oder Defiziten zu verschaffen.
Ich sage noch eines, obwohl die rote Lampe schon leuchtet. Das nächste Jahr wird ein haushälterisch ganz schwieriges Jahr. Ich bin der festen Auffassung, daß die Zuführung zu einer Rücklage in Höhe von 106 Millionen DM allein dazu dient, im Jahr 2001 106 Millio- nen DM zusätzliche Einnahmen vorweisen zu können, um sich so rein rechnerisch bei der Haushaltsaufstellung 2001 Luft zu verschaffen.
Nur, meine Damen und Herren und Herr Finanzminister, das alles sind Luftbuchungen, das alles ist Geld, das wir nicht haben, alles nur Kredite. Es gibt keine Überschüsse in diesem Lande.