Protokoll der Sitzung vom 14.09.2000

den. Vielleicht sollte auch hier eine Möglichkeit der Zusammenarbeit zwischen Drogenkonsumenten und Polizei angeboten werden, um einzelne Drogenhändler ausfindig zu machen.

Man kann nur hoffen, meine Damen und Herren, dass die Landesregierung die vorliegende Beschlussempfehlung, sollte sie heute verabschiedet werden, konsequent und schnell umsetzt. - Danke schön.

(Beifall bei der FDVP)

Für die PDS-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Gebhardt.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die jetzige Beschlussempfehlung ist durchaus moderater ausgerichtet und richtet sich mehr auf einen präventiven Ansatz, als es der Ursprungsantrag tat. Grund dafür war sicherlich auch die Anhörung, die im Ausschuss dazu stattgefunden hat, wo, soweit ich es in Erinnerung habe, alle Vertreterinnen und Vertreter, die dort anwesend waren, ziemlich eindeutig formuliert haben, dass dieser konsequent repressive Antrag der CDU-Fraktion, der ein Sofortprogramm gegen die dramatisch angestiegene Drogenkriminalität versprach, nicht greift und auch am Leben vorbeigeht. Sofortprogramme gibt es bei diesem Thema eh nicht, da nur langfristige Konzepte und langfristige Lösungsansätze Erfolge bringen können.

Was jetzt vorliegt, ist auch weniger ein Programm; demzufolge stimmt auch die Überschrift nicht. Es sind vielmehr erst einmal nur fünf Punkte mit recht allgemeinen Aussagen.

Lassen Sie mich auf einen Punkt genauer eingehen. Das ist der Punkt 4. Ich will auch begründen, warum dem die PDS-Fraktion in der abschließenden Beschlussempfehlung nicht zugestimmt hat und dies auch heute nicht tun wird.

Hier ist die Rede von Folgendem - Herr Jüngling hat nur den ersten Satz zitiert, ich möchte auch den zweiten zitieren -: Der Polizei und der Justiz sind die notwendigen personellen, finanziellen und organisatorischen Voraussetzungen zur Verfügung zu stellen, um Drogenkriminalität wirkungsvoll zu bekämpfen.

(Zustimmung von Herrn Dr. Sobetzko, CDU)

Wenn wir von Drogenkriminalität reden, meinen wir damit im juristischen Sinne nicht nur Drogendealer, sondern auch Drogenkonsumentinnen und -konsumenten, also Abhängige und Süchtige. Ich erinnere an unsere letzte Debatte und auch an den Beschluss, in dem es darum ging, dass die Landesregierung einen Prüfauftrag zur Einrichtung von Fixerstuben oder Gesundheitsräumen in Sachsen-Anhalt erhält. Damit war also ein Hilfsangebot für Süchtige in unserem Land zusammenzustellen. Ich habe die Befürchtung, dass wir mit einem solchen Punkt unsere bisherigen Beschlüsse und auch die präventiven Punkte, die in diesem Antrag stehen, deutlich konterkarieren. Deshalb wird die PDS-Fraktion diese Beschlussempfehlung nicht in Gänze mittragen können.

Ich möchte auch noch etwas zu dem Begriff Drogendealer sagen. Drogendealerei - das habe ich in meiner letzten Rede gesagt - stellt für die PDS-Fraktion kein Kava

liersdelikt dar. Dennoch möchte ich darauf hin-weisen, dass auf diesem Gebiet die Grauzone zwischen Täter und Opfer ziemlich fließend ist und dass dies auch nicht immer klar zu trennen ist.

Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff Drogen. Wenn wir von einer drogenfreien Gesellschaft und von einem Leben ohne Drogen sprechen, meinen wir damit illegale Drogen oder legale Drogen?

Alle diese Fragen sind in dieser Beschlussempfehlung nicht beantwortet. Deshalb beantrage ich im Namen der PDS-Fraktion eine punktweise Abstimmung über diese Beschlussempfehlung. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Für die DVU-FL-Fraktion spricht jetzt die Abgeordnete Frau Brandt.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, dann ist es fast immer zu spät. Drogenkriminalität in Sachsen-Anhalt ist für die meisten von uns eine schwer vorstellbare, ja oft gänzlich neue Situation. Spricht man aber mit Eltern und Kindern im Raum Halle, begreift der Zuhörer sehr schnell, wie tief der Drogensumpf schon geworden ist.

11- und 12-Jährige sprechen eine neue deutsche Sprache; denn Worte wie „kiffen“ und „haschen“ - nachzulesen in der neuen deutschen Rechtschreibung - gehören in den Cliquen - zu Deutsch wohl Kindergruppen - zum täglichen Sprachgebrauch.

Wenn man am späten Abend größere Plätze oder S-Bahn-Höfe in unseren Städten betreten muss, dann kann man gruppenweise Jugendliche beobachten, denen von deutschen und ausländischen Rauschgifthändlern Drogen fast öffentlich verkauft werden. Ich frage mich: Wo sind nun die Beamten, denen wir mit unserer Zustimmung zur Verschärfung des Polizeigesetzes mehr Möglichkeiten für die Verfolgung von Rauschgiftkriminellen gaben, um diese Verbrecher zu stellen?

Es macht keinen Sinn, Millionen und Abermillionen aus dem Landeshaushalt für monströse Nebensächlichkeiten wie die Landesvertretung in Berlin oder die Panzerkalesche des Ministerpräsidenten auszugeben, wenn für den Schutz unserer Jugend vor kriminellen Drogenhändlern nichts mehr übrig bleibt.

Noch haben wir die Chance, die jungen Drogenprobleme in den Griff zu bekommen. Wir müssen alle zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um Arbeitsplätze, Lehrstellen und geeignete Studienplätze zu schaffen. Wir sind moralisch verpflichtet, allen Jugendlichen eine Chance auf Zukunft zu geben. Das Übel ist an der Wurzel zu packen. Die Wurzel sind die Drogenhändler und diejenigen, die die Augen schließen, weil sie um ihre Profite fürchten.

Verlangen wir doch einfach, dass unseren Ermittlungsorganen die ordnungsgemäße Anwendung aller gesetzlichen Möglichkeiten zum Kampf gegen den Drogenhandel erleichtert wird. Wir können den Kampf gegen die Drogen nur dann gewinnen, wenn wir jeden Drogenhändler kompromisslos inhaftieren und ausländische Drogenhändler sofort in ihre Heimatländer zurückschicken.

Wer denkt, dass man mit einer Freigabe der Drogen den verführten Süchtigen hilft, irrt. Eine Freigabe würde eine neue Art der Kriminalität hervorbringen, den legalisierten Drogenhandel. Wer meint, dass jeder das Recht auf seinen eigenen Rausch hat, vergisst, dass der Staat eine Fürsorgepflicht hat. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der DVU-FL)

Herr Kuntze hat jetzt für die CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Drogenmissbrauch und die daraus stets folgende Drogenkriminalität sind ein ernstes Problem und eine Bedrohung, die die Gesellschaft im Kern trifft, nämlich Kinder und Jugendliche, die besonders gefährdet sind.

Die CDU steht für einen Dreiklang in der Auseinandersetzung mit Drogenmissbrauch:

Erstens die Prävention. Es ist immer aussichtsreicher, den Einstieg in Drogen zu verhindern, als den Ausstieg zu erreichen.

Zweitens die Hilfe für Rauschgiftabhängige. Dies ist, wie gesagt, sehr schwer; deshalb sind alle Möglichkeiten - das sind leider nur wenige - auszuschöpfen und das Therapieangebot zu erweitern.

Drittens - darin unterscheiden wir uns wahrscheinlich zumindest von einzelnen Fraktionen hier - die konsequente Bekämpfung des Rauschgifthandels unter Ausnutzung des gesamten polizeilichen und juristischen Spielraumes.

(Zustimmung bei der CDU)

Unser Antrag griff diesmal insbesondere das dritte Anliegen auf. Nach emotionaler Diskussion im Plenum kam der Antrag in den Rechtsausschuss. Wie damit umgegangen wurde, wird schon in der Beschlussempfehlung deutlich: Aus dem von uns im Jahr 1998 geforderten Sofortprogramm wurde nach sage und schreibe zwei Jahren ein Programm für... usw. usw.

Dass es so lange dauerte, lag daran, dass die PDS die anderen Parteien geradezu beschwor, sich bei einem so wichtigen Thema möglichst auf einen einvernehmlichen Beschluss zu verständigen, und immer wieder Klärungs- und Diskussionsbedarf sah. Was dabei herausgekommen ist, liegt Ihnen als Beschlussempfehlung vor.

Dieser kleinste gemeinsame - das auch nur scheinbar - Nenner ist gewissermaßen so weichgespült, dass er zahnlos ist. Scheinbar gemeinsam nenne ich ihn deshalb, weil die PDS letztlich trotzdem die Zustimmung versagt; es ist eben schon wieder angekündigt worden.

Wahrhaft im Sinne eines Bekenntnisses ist, dass wir nicht auch noch in der Beschlussempfehlung den Anspruch auf ein Sofortprogramm erheben.

Wir werden der Beschlussempfehlung zustimmen, nicht weil wir begeistert sind und annehmen, damit ein Zeichen zu setzen, sondern weil sie so neutral ist, dass man ihr nicht widersprechen kann.

Ich möchte dennoch auf einige ernüchternde Fakten verweisen. War bis zum Jahr 1994 - zum Regierungswechsel, um es deutlicher zu sagen - die Drogenkriminalität bezogen auf die Einwohnerzahl in Sachsen-Anhalt niedriger als in allen anderen Bundesländern,

liegen wir inzwischen mit deutlichem Vorsprung zumindest vor den neuen Ländern. In zehn Jahren haben sich nur - ich betone: nur - 33 süchtige Straftäter in eine Therapie begeben, mehr als die Hälfte davon hat abgebrochen. Die Zahl der Tatverdächtigen ist von 41 im Jahr 1991 auf 4 774 - für die, die in statistischen Größen denken: um 10 000 % - gestiegen. Wenn das nicht dramatisch ist, dann weiß ich nicht, welches Wort man wählen soll.

Um es ironisch und als Schlusssatz zu sagen: Die Steilheit dieser Kurve wird nicht einmal vom Euro-DollarVerhältnis erreicht, und diese Kurve ist absteigend; doch das ist leider bedauerlich.

(Zustimmung bei der CDU und bei der DVU-FL)

Meine Damen und Herren! Damit sind wir am Ende der Debatte und kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung in der Drs. 3/3436. Die PDS hat eine punktweise Abstimmung verlangt. Diesem Verlangen folge ich jetzt. Wir stimmen zunächst über Punkt 1 der Beschlussempfehlung ab.

(Herr Kuntze, CDU, spricht mit Frau Liebrecht, CDU)

- Herr Kuntze, wir sind im Abstimmungsverfahren.

(Herr Kuntze, CDU: Gut!)

Wer Punkt 1 der Beschlussempfehlung zustimmt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen der PDSFraktion ist Punkt 1 beschlossen worden.

Ich lasse abstimmen über Punkt 2. Wer stimmt Punkt 2 der Beschlussempfehlung zu? - Gegenstimmen? - Keine. Enthaltungen? - Auch nicht. Einstimmig angenommen.

Ich lasse abstimmen über Punkt 3. Wer stimmt zu? - Gegenstimmen? - Sehe ich nicht. Enthaltungen? - Auch nicht. Einstimmig beschlossen.

Punkt 4. Wer stimmt zu? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei zwei Enthaltungen der PDS-Fraktion und ansonsten Gegenstimmen der PDS-Fraktion wurde Punkt 4 der Beschlussempfehlung mehrheitlich gefolgt.

Wer stimmt Punkt 5 der Beschlussempfehlung zu? - Gegenstimmen? - Sehe ich nicht. Enthaltungen? - Bei Enthaltungen aus der PDS-Fraktion wurde Punkt 5 mehrheitlich zugestimmt.

Damit haben wir über die Beschlussempfehlung abgestimmt und den Tagesordnungspunkt 15 beendet.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf: