Protokoll der Sitzung vom 15.09.2000

Nehmen wir aber einmal die Schulden. Im Vergleich mit Sachsen werden wir in unserem Lande eine etwa doppelt so hohe Pro-Kopf-Verschuldung haben. Die Kommunen sind aber in Sachsen höher verschuldet als in Sachsen-Anhalt.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Aber das rechnet sich nicht! - Herr Scharf, CDU: Wir sind doppelt so hoch verschuldet, die Kommunen in Sachsen et- was höher! - Herr Dr. Bergner, CDU: In der Ge- samtverschuldung liegt Sachsen weit darunter!)

Also geht das Verhältnis der Verschuldung zwischen den Kommunen und dem Land bei uns mehr zulasten des Landes und das muss bei der Ausstattung der Kommunen mit Geld ein wenig mit berücksichtigt werden. Das Land kann jedenfalls nicht aus dem Vollen schöpfen.

Auch was die Gesamtsumme des Geldes angeht, das in die Kommunen fließt, können wir uns durchaus sehen lassen. Wir liegen nur ganz knapp hinter Brandenburg an zweiter Stelle, während die Sachsen eben an letzter Stelle stehen. - So viel nur zur Kommunalfreundlichkeit.

Aber, meine Damen und Herren, bei den Kommunalfinanzen haben wir auch ein Problem. Es ist schon benannt worden: die geplante Absenkung der Verbundquote um 3 Prozentpunkte, also von 37 % auf 34 %. Dies drückt sich in 66 Millionen DM Mindereinnahmen für die Kommunen aus. Damit sinken die Einnahmen der Kommunen aus den Zuweisungen des Landes um 3,1 %. Das ist überproportional im Vergleich zu der Absenkung des Landeshaushaltes um 2 %.

Wir sind deswegen der Ansicht, dass die Verbundquote nicht geändert, sondern gleich bleiben sollte, dass diese 66 Millionen DM den Kommunen ebenfalls zufließen sollten, dass folglich die Absenkung der Gelder für die Kommunen wie beim Landeshaushalt auch nur 2 % betragen sollte.

Wenn ich vorhin von 44 Millionen DM sprach, die bei den Personalkosten gespart werden können, so ergibt sich noch eine Differenz von 22 Millionen DM. Dies muss bei der Beratung des Haushaltes berücksichtigt werden. Vielleicht wird dies auch ganz einfach sein, wenn im November die Steuerschätzung ein wenig besser ausfällt und wir ein bisschen zusätzliche Luft bekommen. Deswegen wollen wir uns an dieser Stelle noch nicht festlegen, woher das Geld kommen kann. Jedenfalls wird es die Zielsetzung bei unseren Beratungen sein, obwohl wir in der Fraktion eine Art Selbstbindungsbeschluss gefasst haben, dass wir mit Auf

wuchswünschen außerordentlich restriktiv umgehen werden.

Nun, meine Damen und Herren, ein paar Worte zu wenigen Einzelhaushalten.

Der Einzelplan 05, also der Haushalt des Sozialministeriums, erhält wesentlich weniger Geld: 118 Millionen DM. Das ist ein großer Batzen. Die Kosten für den zweiten Arbeitsmarkt sollen abgesenkt werden. Dem können wir im Grunde nur zustimmen, wenn das eintritt und erreicht werden kann, was uns zugesagt ist, nämlich dass die gleiche Anzahl von Personen wie bisher in Arbeit gehalten werden kann, aber mit weniger Geld.

Dass das theoretisch möglich ist, liegt auf der Hand. Es gibt auf dem zweiten Arbeitsmarkt teure und weniger teure Stellen. Wie das aber im Einzelnen umzusetzen ist, liegt in der Hand des Ministeriums. Wenn uns glaubhaft dargelegt wird - bis jetzt ist das so -, dass es möglich ist, die gleiche Zahl von Menschen mit weniger Geld in Arbeit zu halten, dann werden wir dieser Absenkung zustimmen.

Wir begrüßen es natürlich, dass im Einzelplan 08, also beim Wirtschaftshaushalt, ein Zuwachs von 32 Millio- nen DM möglich ist, dass eine Selbstverpflichtung gegenüber dem Bund vorliegt, dass man die volle Kofinanzierung der Gemeinschaftsaufgabe zustande bringt. Kofinanzierung ist schließlich keine Selbstverständlichkeit. Darüber haben wir in diesem Landtag schon oft geredet.

Es gibt ja Leute, die sagen, alles, was man von draußen bekommen kann, müsse man gegenfinanzieren, weil das Geld sonst nicht fließen würde. Aber das ist so wie bei Sonderangeboten: Wer alle Sonderangebote annimmt, kann seinen Haushalt ruinieren. Aber in diesem Fall sind wir der Auffassung, dass es gerechtfertigt ist, das Geld ins Land zu holen.

Im investiven Bereich beim Bauministerium ist ein Aufwuchs zu verzeichnen. Bedauerlich finde ich, dass der Einzelplan 20 - Hochbauten - abgesenkt werden soll. Wenn es im Laufe der Haushaltsplanberatungen noch etwas finanziellen Spielraum geben sollte, was aufgrund der neuen Steuerschätzung wenigstens denkbar ist, hielte ich es für erforderlich, auch hierüber noch einmal nachzudenken und zu prüfen, was in diesem Bereich noch möglich ist.

Meine Damen und Herren! Das sind die Änderungswünsche, von denen ich meine, dass wir sie jetzt schon klar benennen sollten. Es wird in den Haushaltsplanberatungen nicht sehr viel Bewegungsspielraum geben, weil dieser Haushalt auf einer sehr soliden Grundlage geplant worden ist und weil die Bewegungsspielräume aufgrund der wenigen Mittel, die zur Verfügung stehen, naturgemäß eng sind.

Ich glaube aber, dass es gut ist, wenn wir im Zeitplan bleiben. Wenn wir eine rasche Behandlung dieses Haushalts sichern können, wird es möglich sein, diesen Haushalt am 7. Dezember zu verabschieden. Der enge Spielraum, die geringe Bewegungsmasse darf uns nicht daran hindern, zügig zu arbeiten und zu beraten, weil sich das Geld in dieser Zeit nicht vermehrt. Es gilt auch, nach einfachen Grundsätzen zu beraten.

Ich baue darauf, dass sich alle Fraktionen mit Augenmaß und Verantwortung für dieses Land daran beteiligen werden, und ich baue darauf, dass insbesondere die Sozialdemokraten bei der Haushaltsberatung immer das Spannungsfeld zwischen Innovation und sozialer Gerechtigkeit im Auge haben, damit wir am Ende einen

soliden und für alle verträglichen Haushalt verabschieden können. - Ich danke Ihnen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD - Zustimmung von der Regierungsbank)

Für die PDS-Fraktion spricht Frau Dr. Sitte zu Ihnen. Bitte, Frau Dr. Sitte, Sie haben das Wort.

Danke schön, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Der Euro ist auch in diesem Haushaltsentwurf angekommen. Erstmals werden die Ansätze auch in der Umrechnung ausgewiesen. Da wir in unserer Wahrnehmung noch auf DM-Größen geeicht sind, könnte sich beim Lesen der reinen Euro-Summen gewissermaßen das Gefühl einschleichen, dass das alles nicht so schlimm ist. Die Probleme lassen sich aber nicht auf diese Weise halbieren.

In den vergangenen Wochen und Monaten wurde der Thematik des Geldes und des Haushaltes in den Medien besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Die Anlässe waren ebenso verschieden wie die Bewertungen.

Sorgten vor dem Sommer die Zielstellungen und die Verabschiedung des Steuersenkungsgesetzes der Bundesregierung zunächst im Bundesrat und später in den verschiedenen Parteizentralen für heftigsten Wirbel und Auseinandersetzungen, so bereiten uns nach dem Sommer die mittel- und unmittelbaren Konsequenzen dieser Steuerreform Sorgen.

Zeitgleich verfällt der Kurs des Euros dramatisch. Das empfindet der Bundeskanzler offensichtlich nicht als so dramatisch, weil Deutschland vom Exportgeschäft lebe - eine Bemerkung, welche Börsianer ihrerseits mit noch geringerer Nachfrage quittierten, gehen sie doch dann zu Recht davon aus, dass seitens der Bundesrepublik mit keinen gesteigerten Erwartungen an die Stabilität dieser Währung gerechnet werden kann. Eine verbale Schadensbegrenzung in den nächsten Tagen blieb ohne nennenswerte Wirkung.

Zum Hintergrund unserer Haushaltsberatung zählen steigende Zinsen ebenso wie die Debatte um die Folgen der Ökosteuer sowie überhöhte Energie- und Ölpreise.

Es schreckt uns nicht mehr sonderlich, dass wir es beim Geld mit einem ohnehin stets knappen Gut zu tun haben. Dass wir derzeit aber zudem unter denkbar schlechten finanzpolitischen Rahmenbedingungen handeln müssen, lässt die Haushaltssituation auf Landesebene und auf kommunaler Ebene fast ausweglos erscheinen.

Auch die UMTS-Erlöse stellen sich aus der Sicht der Länder nur als minimale Hoffnung dar, hegt doch die Bundesregierung so gut wie keine Absichten hinsichtlich einer Teilung der Erlöse bzw. der Zinsersparnisse. Dabei wäre eine schadensbegrenzende Gegenleistung zur Kompensation von Steuerausfällen infolge der Lizenzkäufe für Länder und Kommunen - wir haben es anhand der Rechnung in Halle gesehen -, wie es auch der später zu debattierende Antrag der PDS-Fraktion vorsieht, absolut gerechtfertigt.

Auch wenn die Parteien in der Position übereinstimmen, dass der Abbau von Schulden eine Generationsaufgabe ist, mit der ernsthaft und nachhaltig begonnen werden müsse, so sollte dieser nicht als Selbstzweck betrieben

werden. Nachdem die UMTS-Erlöse die Erwartungen der Bundesregierung bei weitem überstiegen haben, wäre zumindest zu erwarten gewesen, dass sie einige jüngst getroffene Entscheidungen nochmals überdacht hätte.

Dazu gehört aus unserer Sicht, dass die Bundesregierung bei den Rentnerinnen und Rentnern schwer in der Schuld steht. Die Hauptbegründung, mit der die Renten für zwei Jahre von der Nettolohnentwicklung abgekoppelt worden sind, bestand nämlich in der schlechten finanziellen Verfassung des Bundeshaushaltes. Diese hat sich nun aber durch die Einnahmen aus der Versteigerung der UMTS-Frequenzen deutlich verbessert. Daher kann die Forderung nicht verwundern, die Rentenanpassung wieder mit der Nettolohnentwicklung zu verknüpfen, und zwar rückwirkend ab dem Jahr 2000.

Des Weiteren sollte über die Anregung des Zentrums für Türkei-Studien mit der praktischen Zielsetzung diskutiert werden, mindestens 100 Millionen DM aus der Versteigerung der UMTS-Frequenzen für die Verstärkung des Kampfes gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit im Rahmen von Jugendprogrammen bzw. für Kinder- und Jugendarbeit einzusetzen, und zwar in dem Sinne unserer gestrigen Diskussion.

Letztlich befürworten wir den Vorschlag der Bundesbildungsministerin Bulmahn, einen Teil der Einsparungen bei den Zinsausgaben in Höhe von 4,8 bis 5,2 Milliarden DM aus der Tilgung von Bundesschulden mit Erlösen aus der Versteigerung von UMTS-Frequenzen dafür zu verwenden, Schülerinnen und Schüler mit Laptops auszustatten.

Stattdessen versucht die Bundesregierung bei dieser Problematik ebenso wie im Rahmen ihrer Steuersenkungspolitik, die Lasten an Länder und Kommunen weiterzugeben. Dass sich zugleich die finanzpolitische Situation der Länder völlig verschieden entwickelt hat, findet dabei ebenso wenig eine angemessene Berücksichtigung.

Auch die Bewertung durch Vertreter der Landesregierung vernachlässigt diesen Umstand. Ministerpräsident Herr Dr. Höppner sprach von einem Sieg der Vernunft und Finanzminister Herr Gerhards sah ein gutes Signal für die Wirtschaft. Aber Sie müssen irgendwie in die falsche Richtung gesehen haben; denn weder gab es einen Schub für die ostdeutsche Wirtschaft, noch schlägt sich ein vergleichbares Signal in unserem Landeshaushalt nieder.

(Herr Dr. Rehhahn, SPD: Das kommt, Frau Sitte, das kommt! Abwarten!)

- Prima! Optimismus ist in der Politik ganz wichtig. Das weiß ich.

Im Gegensatz zu anderen Ländern hat Sachsen-An- halt mit seiner schnellen, sich selbst belastenden Zusage keinerlei Kompensationen für die Zustimmung zum Steuersenkungsgesetz bekommen. Nun mag wohl eine Gegenbemerkung Ihrerseits darin bestehen, dass die PDS im Bundesrat mit ihrer Stimme aus MecklenburgVorpommern auch zugestimmt habe.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Richtig!)

- Herr Bergner, Sie hängen mit Ihren Zwischenrufen hinterher. Das war für Sie gedacht.

(Heiterkeit und Beifall bei der PDS und bei der SPD - Herr Dr. Bergner, CDU: Sie müssen mir ein Zeichen geben! - Herr Gallert, PDS: Auf nichts kann man sich mehr verlassen!)

Dem halte ich entgegen, dass in dem Vorwurf unberücksichtigt bleibt, dass es dort zum einen Kompensationsleistungen gab und zum anderen in die dortige Koalitionsvereinbarung ein paar haushaltspolitische Eckpunkte aufgenommen wurden, die ein Verkraften der Folgen der Steuerreform in der landespolitischen Auseinandersetzung vereinfachen. So wurde vereinbart, dass es keine Absenkung der Arbeitsmarktförderung gibt und dass die Zuweisungen für die kommunale Ebene und den Bildungssektor auf dem Niveau des Jahres 2000 gehalten werden sollen. Das sind Prioritäten, um welche wir uns auch in diesem Entwurf eines Landeshaushaltes entgegen anders lautenden Ankündigungen seitens der SPD-Fraktion mit der Landesregierung streiten müssen.

(Zuruf von Herrn Dr. Rehhahn, SPD)

Eine Vielzahl von Änderungen im Haushaltsentwurf wurde auf Politikfeldern vorgenommen, die in den letzten Jahren stets den Kern der Auseinandersetzung zwischen SPD-Fraktion und PDS-Fraktion bestimmten. Wir fragen uns daher, ob erneut der Versuch gemacht werden soll, eine Richtungsänderung herbeizuführen.

Wir haben unsererseits immer wieder klar gesagt, dass wir Diskussionen um Landeshaushalte nicht punktuell führen können und wollen. Es geht uns um abschätzbare Wirkungen und deren Zeiträume. Auch daher lehnen wir Revisionsversuche dieser Art stets und auch diesmal wieder ab.

Abgesehen von dieser ganz grundsätzlichen Fragestellung drängt sich uns der Eindruck auf, als wolle man Positionen beteiligter und betroffener Partner gleichermaßen ignorieren. Verhandlungskoketterie mangels Verhandlungsmasse sollte sich trotz harter Bedingungen seriöserweise ausschließen lassen.

Einige der eingestellten Kürzungsabsichten müssen nicht nur als schamlos empfunden werden, sondern auch Empörung und Protest hervorrufen. Nicht zuletzt stellt dieses Vorgehen getroffene Entscheidungen der letzten Jahre als nicht belastbar und die Landesregierung demzufolge als nicht verlässlich dar.

(Herr Scharf, CDU: Meinen Sie damit zum Bei- spiel die Krankenhausfinanzierung?)

- Die meine ich gerade nicht; denn diesbezüglich haben wir ohnehin eine andere Position als die CDU-Fraktion. Deshalb kommen Sie mit diesem Zuruf auf kein gutes Feld.

(Herr Scharf, CDU: Aber die Stelle kommt noch!)

- Nein, die Stelle kommt nicht. Aber die kommt vielleicht im Ausschuss.

(Herr Scharf, CDU: Schade!)