Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den abenteuerlichen Rentenplänen der rot-grünen Bundesregierung unter Führung von Herrn Riester müssen wir, die DVU-FL, eine deutliche Abfuhr erteilen. Dass gespart werden muss, ist uns allen klar. Dass aber ein Minister, der sich selbst in einer sozialen Partei wähnt, gerade bei denen zu sparen anfängt, die sich nicht wehren können, ist schon verwunderlich, hat doch gerade die heutige Generation der Rentner in Sachsen-Anhalt teilweise noch den Krieg, aber auf jeden Fall die nicht üppigen Nachkriegsjahre mitgemacht, und zwar ohne Hilfe durch den Marshall-Plan.
Viel wurde von dieser Generation geleistet, im Westen wie im Osten. Nur, unsere Rentner mussten sich in der SED-Mangelwirtschaft durchboxen, was nicht immer leicht war und von vielen gleichaltrigen Rentnern aus der alten Bundesrepublik nicht verstanden werden kann.
Meine Damen und Herren! Eine Rentenanpassung nur auf den Inflationsausgleich zugeschnitten ist unserer Meinung nach Betrug an den Rentnern, haben doch diese Leute auch noch die anderen Segnungen dieser rotgrünen Regierung zu verkraften, nämlich die Ökosteuer, die sich bei den Heizkosten niederschlägt und von den Rentnern nicht steuerlich geltend gemacht werden kann.
Meine Damen und Herren! Das Problem liegt unserer Meinung nach ganz woanders. Unser deutsches Rentensystem, das übrigens das erste staatliche Rentensystem auf dieser Welt war, beruht auf dem so genannten Generationenvertrag, und eben dieser funktioniert nicht mehr. Immer weniger junge Leute stehen einem immer größer werdenden Heer von Rentnern gegenüber. Die Demografie ist auf den Kopf gestellt.
Alle früheren Bundesregierungen haben nicht genug für die Förderung der Familien getan. Den fehlenden eigenen Nachwuchs wusste man mit Fremdarbeitern und deren Kindern zu kompensieren. Fremde Leute müssen für unsere älteren Generationen arbeiten. Für uns stellt das eine neue, andere Form des Neokolonialismus dar.
Dass dieses System von Parteien aus dem linken politischen Spektrum mitgetragen wird, ist an sich ungeheuerlich. Um aber aus diesem Dilemma auf längere Sicht herauszukommen, helfen keine gegenseitigen Schuldzuweisungen, haben doch alle Parteien, wenn sie denn in der Regierungsverantwortung waren, dieses Problem nicht erkannt oder nur vor sich hergeschoben.
Meine Damen und Herren! Alle Beteiligten gehören zur Lösung dieses Problems an einen Tisch, die Regierung, die Opposition, die Rentenverbände sowie auch die Gewerkschaften. Man könnte einmal nachfragen, wie dieses Problem zum Beispiel in Schweden gelöst wurde, einem Land mit ähnlicher demografischer Entwicklung. Eine Amerikanisierung als dauerhafte Lösung des Rentenproblems würde die DVU-FL-Fraktion jedoch nicht für erstrebenswert halten. - Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich das Thema der Aktuellen Debatte gelesen habe, habe ich mich ernsthaft gefragt, welche Partei war das gleich noch, die mit am Tisch der Konsensgespräche gesessen hat? Dann ist mir eingefallen: die CDU.
(Ah! und Lachen bei der CDU - Lachen bei der FDVP - Herr Dr. Bergner, CDU: Sie wollten auch mit ran! - Zuruf von Herrn Becker, CDU)
Ich halte das demografische Szenario für übertrieben. Seit ca. 25 Jahren, seit dem Jahr 1975, sind die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung, und zwar zu all ihren Bestandteilen, mit etwa 11 % der Bruttowertschöpfung relativ konstant, und zwar deshalb, weil die Löhne jeweils langsamer gestiegen sind als die Produktivität. Das hat sich erst geändert, als nach dem Jahr 1990 versucht wurde, die Folgen der Einheit zum großen Teil auf Kosten der Sozialversicherungskassen, zum Beispiel durch die Vorruhestandsregelungen auf Kosten der Rentenkasse, zu lösen. Da ist der Anteil um ein oder zwei Prozentpunkte gestiegen. Ich denke, dass man sich genauer anschauen muss, was man mit dem demogra- fischen Szenario eigentlich will.
Die PDS-Fraktion hat im Hinblick auf die Rentenpläne von Riester eine Reihe von Kritikpunkten aufgezeigt, die ich in der Kürze der Zeit nicht alle nennen kann. Ich möchte nur die wichtigsten nennen.
Erstens. Wir halten die Setzung der Beitragsstabilität und der Entlastung von Unternehmen als oberste Ziele, denen alles unterzuordnen ist, nicht für gerechtfertigt. Wir finden es vor allen Dingen problematisch, dass offensichtlich nur eine wesentliche Schlussfolgerung gezogen wird, nämlich die Leistungen herunter von heute ca. 70 % auf, wie von Riester errechnet, 64 % und, wie Herr Dr. Bergner richtig gesagt hat, nach seriöser Berechnung, die alle Fakten einschließt, letztlich auf 60 oder 61 %. Richtig problematisch wird es an der Stelle, wenn man bedenkt, dass von der Senkung des Rentenniveaus auch die Bestandsrenten betroffen sind. Dazu komme ich noch.
Zweitens. Ab dem Jahr 2002 soll eine neue Rentenanpassungsformel gelten. Die Renten sollen dann nicht mehr den Nettolöhnen folgen, weil die Änderungen bei der Lohnsteuer oder den Sozialversicherungsbeiträgen nicht mehr an Rentnerinnen und Rentner weitergegeben werden sollen. Gleichzeitig soll der Privatvorsorgebeitrag wie ein Abzug vom Lohn wirken - Sie haben das bereits erklärt -, also den Nettolohn noch einmal senken.
Für das Jahr 2001 war die Rückkehr zur nettolohnbezogenen Anpassung angekündigt worden. Aber es soll nicht mehr die alte Formel gelten. Steuererleichterungen sollen also nicht mehr berücksichtigt werden. Für Rentnerinnen und Rentner wird von einer gleichbleibenden fiktiven Steuerbelastung ausgegangen. Die Rentenerhöhung fällt niedriger aus. Das greift in Bestands- renten ein.
Drittens. Die Bundesregierung plant aus unserer Sicht einen faktischen Zwang zur privaten Vorsorge, wenn alle Menschen, die ihr Rentenniveau halbwegs halten wollen, privat vorsorgen müssen, richtig müssen. Es kommt hinzu - das war bereits Thema -, je höher das Einkommen ist, desto höher ist auch die steuerliche Förderung. Es findet also kein Sozialausgleich statt, sondern die soziale Spaltung der Gesellschaft wird vertieft. Ich denke, das ist von einer sozialdemokratischen Partei nicht zu erwarten gewesen.
Und die Sozialversicherungen werden Einnahmeverluste zu verzeichnen haben. Wir haben im Zusammenhang mit den Krankenkassen bereits über Einnahmeverluste geredet. Die Sozialkassen werden noch einmal Einnahmeverluste von ca. 11 Milliarden DM haben, da die Beiträge der privaten Vorsorge sozialabgabenfrei sein werden.
Damit sollen Gelder aus öffentlichen Kassen in die privaten Fonds der Versicherungswirtschaft und der Kapitalanlagegesellschaften umverteilt werden.
Der Hauptkritikpunkt der PDS-Fraktion heißt an dieser Stelle, dass die paritätische Finanzierung der Sozialversicherung, die seit 100 Jahren Bestandteil der Sicherungssysteme war, endgültig ausgehebelt wird.
Die Vorschläge der PDS liegen auf dem Tisch. Wir schlagen vor, sich vor allem die Einnahmenseite anzuschauen und die Einnahmen tatsächlich zu erhöhen, und zwar indem man eine allgemeine Versicherungspflicht einführt, also auch für Beamtinnen, für Selbständige, für Abgeordnete usw., indem die Beitragsbemessungsgrenzen erhöht werden, um Hochverdienende in die gesetzliche Rente einzubeziehen. Gleichzeitig sollen zusätzliche Ansprüche auf die Hälfte reduziert werden.
Es muss flexible Anwartschaften geben, um unterbrochene Erwerbsbiografien besser absichern zu können. Es muss Mindestbeiträge geben, damit beitragslose Zeiten abgeschafft werden können, damit Frauen eigene Anwartschaften erwerben können. Gleichzeitig könnte man auch ein Stück Hinterbliebenenrente einsparen, ohne dass es zu Einkommenseinbußen kommen muss.
Sofort. - Gleichzeitig will die PDS die Diskussion um die Angleichung der Ostrenten in den Prozess der Rentenreform einbeziehen, weil auch in dieser Hinsicht eine politische Lösung erreicht werden muss, wenn das durch Lohnangleichung noch lange nicht erreicht werden kann.
Die Rente für die Zukunft - wir erwarten, dass sie sozial gerecht und solidarisch ist. - Ich danke Ihnen.
Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Uns schauen jetzt Schülerinnen und Schüler des Siemens-Gymnasiums zu. Wir begrüßen diese Schülerinnen und Schüler.
Für die Fraktion der FDVP erteile ich der Abgeordneten Frau Wiechmann das Wort. Bitte, Frau Wiechmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine umfassende Diskussion über die so genannte Rentenreform der Bundesregierung, über Generationengerechtigkeit oder Ungerechtigkeiten ist auch unseres Erachtens zwingend notwendig. Allerdings, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, bezweifeln die Abgeordneten unserer FDVP-Fraktion, dass eine Aktuelle Debatte dafür das geeignete Podium ist; denn die umfassende Sicherung der Altersvorsorge ist insgesamt zu beraten und dafür dürfte der Zeitraum dieser Debatte viel zu eng gesteckt sein.
Nichtsdestotrotz ist das auch für uns ein wichtiges Thema; denn Rentenexperten sind sich einig, dass die Fortsetzung des alten Umlage- und Beitragsverfahrens unseres Rentensystems für die Zukunft nicht mehr trägt. Für uns kann es in fünf Minuten natürlich nur um Grundsätze gegen, die wie hier debattieren.
Durch die Veränderung der Bevölkerungsstruktur mit einem immer höheren Prozentsatz der Rentner im Verhältnis zu den Erwerbstätigen würde bei der Fortsetzung des alten Systems ein Anstieg der Rentenbeiträge unvermeidlich sein. Kein Mensch aber, meine Damen und Herren, glaubt, dass die künftigen Erwerbstätigen doppelt so hohe Rentenbeiträge zahlen würden oder auch nur könnten.
Der so genannte Vertrag der Generationen funktioniert nicht mehr und ist längst zum Betrug der Generationen geworden, weil die Zahler der heutigen Renten gleich hohe Renten künftig selbst nicht mehr erwarten können. Sie sehen das vielleicht anders, Frau Dirlich, ich würde
Ihnen aber empfehlen, die einschlägige Literatur zu studieren und damit auch Ihr Wissen an dieser Stelle zu erweitern.
Wenn also künftig die Kosten und die Renten gekürzt werden müssen, muss eine politische Lösung gesucht werden - darüber sind sich alle einig -, welche aber nicht fiskalisch und nicht willkürlich, sondern unserer Meinung nach sachgerecht sein muss.
SPD und CDU haben bisher die Gerechtigkeit der Rente allein aus der Höhe der Beiträge abgeleitet. Wer hohe Beiträge zahlte, sollte auch entsprechend hohe Renten bekommen. Das hat Sie, meine Damen und Herren, allerdings nicht gehindert, in steigendem Maße auch Fremdrenten an solche Personenkreise zu vergeben, die niemals eingezahlt haben. Damit ist das Beitragssystem bereits zunehmend außer Kraft gesetzt worden.
Herr Riester denkt an eine Besteuerung der Renten und hofft dabei auf höchstrichterliche Unterstützung. Als Gegenleistung würden dann zusätzliche Alterssicherungsbeiträge steuerfrei gestellt werden können. Es würde also langsam das Staatsrentensystem durch ein Privatrentensystem ergänzt oder gar bald ersetzt.
Beide Lösungswege sind aber unseres Erachtens letztlich unbefriedigend, weil sie verkennen, dass unser Rentensystem nicht allein finanzwirtschaftlich gegründet ist und auch nicht nur so funktionieren kann. Neben der Beitragssäule ist nämlich als zweite Rentensäule und zweite Leistungsart der Bevölkerung die Regeneration zu sichern. Wenn also Arbeitsminister Riester nun eingesteht, dass die staatliche Umlagerente nicht mehr sicher ist, dann sollte er Kürzungen zugleich mit mehr sozialer Gerechtigkeit verbinden und beispielsweise dafür sorgen, dass Mütter und Eltern rentenrechtlich nicht diskriminiert bleiben.
Weiterhin muss darüber nachgedacht werden, ob der Generationenvertrag überhaupt noch als solcher bezeichnet werden kann, wenn sich ein großer Teil der Bevölkerung aus diesem so genannten Solidaritätsprinzip verabschiedet.
Dass unser Rentensystem nicht mehr funktioniert, liegt daher nicht an zu geringen Beiträgen, sondern eine wirkliche Reform ist notwendig. Mit seinen Rentenplänen schafft Herr Riester ein Musterbeispiel einer Zweiklassengesellschaft und verhilft seiner Regierung zur wohl kürzesten politischen Amtszeit in der Geschichte Deutschlands.
Die so genannte Rentenreform ist definitiv zu kurz gegriffen. Wir fordern eine grundlegende Änderung des Rentensystems; denn diese ist dringend notwendig. Die Bundesregierung braucht dabei das Fahrrad auch nicht nochmals zu erfinden, denn gut funktionierende Rentensysteme, meine Damen und Herren, gibt es tatsächlich. Man muss sich einfach nur umschauen.
Meine Damen und Herren! Reform ist Neugestaltung, Neuordnung, Wandlung. Von all dem ist bei der so genannten Rentenreform der Bundesregierung nichts zu spüren. Stattdessen wird geflickschustert und weiterhin den Bürgern weisgemacht, die Rente sei sicher - und das, obwohl man weiß, dass das Rentenniveau in 30 Jahren lediglich bei rund 50 % liegen wird und die
geplanten 64 % nicht nur eine sehr blauäugige Fiktion sind, sondern die Unfähigkeit der rot-grünen Regierung in Berlin beweisen, angesichts der dramatischen Pro- bleme eine wirkliche Reform überhaupt anzugehen.
Wie die Arbeit der Bundesregierung an der so genannten Rentenreform vielleicht auch noch zu bewerten ist, das zeigen die folgenden Verlautbarungen, die ich gerade aus dem Ticker genommen habe.
Zur geplanten Vorsorge sagt Herr Riester doch tatsächlich, es handele sich um das größte Vermögensbildungsprojekt für die Altersvorsorge. Es heißt dann weiter: Dabei ist laut Riester die Sparform egal, wenn sie zwei Anforderungen erfüllt: Erstens muss es sich um eine lebenslange ergänzende Rentenzahlung handeln und zweitens dürfen die eingezahlten Beiträge nicht verlustig gehen. - Und jetzt kommt der Hammer: Er hoffe, dass sich die Anbieter von Rentenversicherungen und -fonds genau darauf einstellen würden.
Meine Damen und Herren! Herr Riester hofft das, aber in 30 Jahren, denke ich, wird Herr Riester nicht mehr leben und dann kann er für diese verfehlte Politik nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden. Das tut mir heute schon Leid. - Danke sehr.