Protokoll der Sitzung vom 12.10.2000

Ebenso traurig ist der Schlusslichtplatz bei den rechtsextremistischen Straftaten sowie - unter den neuen Ländern - bei linksextremistischer Gewalt. Ob das Handlungskonzept der Landesregierung gegen Rechtsextremismus der richtige Weg ist, muss bezweifelt werden. Von den im vorigen Jahr zu diesem Zweck eingestellten 1,2 Millionen DM wurde lediglich eine einzige Maßnahme gefördert. Die restlichen Gelder wurden für Personal-, Sach- und Verwaltungskosten verwendet.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Hört, hört!)

Das ist sehr interessant.

Obwohl in keinem anderen neuen Bundesland so viel linksextremistische Straftaten wie in Sachsen-Anhalt begangen werden, hält die Landesregierung ein Konzept zur Eindämmung dieser Straftaten nicht für erforderlich.

(Zustimmung von Herrn Dr. Sobetzko, CDU, bei der DVU-FL und bei der FDVP)

Insgesamt ist es dringend an der Zeit, die falschen Weichenstellungen der Landesregierung bei der Ausstattung der Polizei und bei der Kriminalitätsbekämpfung unverzüglich zu korrigieren. Die Polizei sollte wieder den Stellenwert erhalten, den sie als Garant für die Sicherheit der redlichen Bürger verdient. Unsere Anfrage, Herr Minister, kann dafür eine Grundlage bilden.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der DVU- FL und bei der FDVP)

Danke sehr. - Für die Landesregierung spricht jetzt Innenminister Herr Dr. Püchel. Bitte, Herr Dr. Püchel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Becker, ich glaube, Sie wollten sich eben als Reichssiegelbewahrer der inneren Sicherheit

darstellen. Sie sind es aber nicht. Zu den Gründen kommen wir gleich noch.

(Zuruf von Frau Helmecke, FDVP)

Meine Damen und Herren! Die Beantwortung einer Großen Anfrage ist für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und für mich stets mit viel Arbeit verbunden. So war es auch bei der vorliegenden Großen Anfrage zur Polizei, zumal diese Anfrage ein umfangreiches Paket von Fragen enthielt, mehr als 200 Fragen auf 18 Seiten.

In Verlegenheit - auch wenn Herr Becker das eben so darstellen wollte - haben uns die ausführlichen Nachfragen der CDU-Fraktion zu Polizei und Verfassungsschutz allerdings nicht bringen können. Im Gegenteil, die in der Regel auf den Zeitraum ab dem Jahr 1994 - also seit Beginn meiner Amtszeit - bezogenen Fragen boten mir eine willkommene Gelegenheit zu einer Zwischenbilanz in diesem wichtigen Teilbereich meiner Ressortzuständigkeit.

Dass eine solche Zwischenbilanz nicht nur eitel Sonnenschein bedeuten kann, ist angesichts der Größe und der Aufgaben der Polizei selbstverständlich, insbesondere auch hinsichtlich der Ausgangsbedingungen im Jahr 1990.

Im Rahmen der Beantwortung der Anfrage wird deutlich, dass sich Polizei und Verfassungsschutz in unserem Bundesland in den vergangenen sechs Jahren überaus positiv entwickelt haben und vor allen Dingen gute Arbeitsergebnisse aufweisen können.

(Zustimmung bei der SPD)

Das ist eine Entwicklung, die auch in der Bevölkerung für zunehmende Akzeptanz und Zustimmung sorgt, wie aktuelle Umfragen zeigen.

(Zustimmung von Herrn Kühn, SPD)

Herr Kollege Becker, Sie haben in einer ersten Stellungnahme zur Beantwortung der Großen Anfrage kritisiert, die Situation der Polizei würde gesundgeredet. Angesichts solch pauschaler Unterstellungen kann ich nur empfehlen, in die Betrachtung zur Gesamtsituation der Polizei die bestehenden Rahmenbedingungen einzubeziehen, einschließlich der Ausgangsbedingungen, mit denen wir nach der Gründung des Landes und auch nach dem Jahr 1994 umgehen mussten. Das beste Beispiel - das haben Sie eben versucht darzustellen - ist Ihre Kritik an einer angeblichen Überalterung der Polizei.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Droht! Droht!)

- Warten Sie bitte einen Augenblick. Ich komme noch dazu, Herr Dr. Bergner.

Herr Becker hat ja schon Argumente von mir aufgenommen. Wir hatten vorgestern ein Gespräch zum Haushalt und dabei habe ich Herrn Becker schon einiges erklärt. Er hat auch versucht, das zu verwenden. Das hilft Ihnen aber auch nicht weiter, Herr Kollege Becker.

Zutreffend an dieser Kritik ist lediglich, dass die besonders personalstarken Altersstufen unserer Landespolizei durch die heute 35- bis 50-jährigen Beamten gestellt werden. Wenn man zurückrechnet - das hat Herr Becker vorhin auch erwähnt -, waren dies die Jahrgänge, die in den Jahren vor der Wende in Dienst gestellt worden sind, also zu einer Zeit, in der der Polizeistaat DDR aus bekannten Gründen über weit höhere Personalstärken bei der Polizei verfügte und verfügen wollte.

Zutreffend ist auch, dass diese Beamten im Jahr 2010 46 bis 60 Jahre alt sein werden. Dies wird in der Beantwortung nicht schöngeredet, sondern ist in klaren Zahlen nachzulesen.

(Zuruf von Herrn Becker, CDU)

Nun aber an dieser zugegeben inhomogenen Altersstruktur isoliert Kritik zu üben mit dem lapidaren Hinweis, ein Einstellungskonzept der Landesregierung müsse Abhilfe schaffen, ist mir doch etwas zu vordergründig.

Ich verweise hierzu auf die Vorbemerkungen der Landesregierung zum betreffenden Gliederungspunkt Personalausstattung. Dort sind aus gutem Grund die Ausgangssituation im Personalbereich im Jahr 1990 und die weitere Personalentwicklung der Polizei im Zusammenhang beschrieben.

Kennzeichnend für den rund 12 000 Bedienstete umfassenden Personalkörper war der Abgang de facto aller über 50-Jährigen Ende des Jahres 1990. Mit dem Problem hatten Sie zu tun, mit dem Problem haben wir zu tun.

(Zustimmung von Herrn Dr. Bergner, CDU - Herr Becker, CDU: Ja, das stimmt!)

Die Folge war, dass in den vergangenen zehn Jahren nur eine äußerst geringe Anzahl von Polizeivollzugsbeamten aus Altersgründen aus dem Dienst ausgeschieden ist.

Neueinstellungen junger Beamter führen in einer solchen Situation natürlich zu einem Personalaufwuchs, der im Rahmen eines insgesamt zu konsolidierenden Personalhaushalts nur maßvoll möglich ist.

Wir haben in den vergangenen Jahren ca. 1 600 Polizeibeamte eingestellt, aus Altersgründen sind vielleicht 300 bis 400 ausgeschieden. Es besteht also eine große Diskrepanz, die man auch berücksichtigen muss.

Dass es bei der Polizei in diesem Bereich Grenzen geben muss, hat im Übrigen Herr Professor Böhmer - ich weiß nicht, ob das gut ist, wenn ich Sie jetzt lobe, angesichts der Problematik, die Sie zurzeit in Ihrer Partei haben - zuletzt sehr deutlich benannt.

(Oh! bei der CDU - Herr Prof. Dr. Böhmer, CDU: Kein Problem!)

In einem Zeitungsinterview stellte er zum Stichwort Polizei klar, dass die CDU auf keinen Fall mehr Personal einstellen könne als wir.

(Herr Prof. Dr. Böhmer, CDU: Weil wir nicht mehr Geld haben!)

- Ja, das ist auch richtig. Bei Ihnen, Herr Professor Böhmer, ist offenbar ein stärkerer Blick für die Gesamtverantwortung vorhanden als bei Ihrem Kollegen.

(Zustimmung bei der SPD)

Im Übrigen, Herr Becker, als ich vor einem Jahr im Rahmen der Haushaltsberatungen für das Jahr 2000 auf diese Problematik hinwies und sagte, dass wir Einschränkungen vornehmen müssten, haben Sie mich in der Zeitung noch gelobt. Suchen Sie bitte die alten Artikel heraus. Heute sagen Sie genau das Gegenteil von dem, was Sie damals gesagt haben. Also immer aufpassen bei dem, was man sagt.

(Herr Dr. Rehhahn, SPD: Hört, hört, Herr Becker! - Zuruf von Herrn Becker, CDU)

Nun sei mir die kleine Frage an Sie erlaubt, wie ein Anstieg des Durchschnittsalters bei den Polizeibediensteten bei den genannten Eckdaten ohne Personalaufwuchs vermieden werden soll.

Erst in den kommenden Jahren werden durch natürliche Altersabgänge in nennenswerter Zahl wieder größere Spielräume eröffnet. Es bleibt jedoch dabei, dass aufgrund des inhomogenen Altersaufbaus die zahlenmäßig stärksten Jahrgänge - wie gesagt, vor der Wende eingestellt - noch nicht die Dienstaltersgrenze erreicht haben.

Herr Kollege Becker, ich frage Sie, ob Sie für dieses Problem, welches sich in allen Verwaltungen unseres Landes stellt - Landes- wie Kommunalverwaltungen -, in Ihrer Stadtverwaltung selbst ein überzeugendes Konzept gefunden haben.

(Herr Prof. Dr. Böhmer, CDU: Eine gute Frage!)

Ihr altersbedingtes Ausscheiden im nächsten Jahr reicht dafür bestimmt nicht aus.

(Heiterkeit bei der SPD)

Aber er hat eine junge Pressesprecherin; die stellt den Altersdurchschnitt her.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der SPD: Wir schieben einen jungen Bürgermeister nach!)

Meine Damen und Herren! Hinzu kommt, dass die Bevölkerungszahl in unserem Lande bekanntlich rückläufig ist, und wir müssen auch dieses berücksichtigen.

Zutreffend ist, dass diese schwierige Ausgangssitua- tion nach einem schlüssigen und langfristig angelegten Personalentwicklungskonzept verlangt, ein Konzept, das den besonderen Anforderungen des Polizeibereichs mit einem Einstellungskorridor gerecht wird.

Der Landtag hat dieses Personalentwicklungskonzept „Polizei 2000“ bereits im Jahr 1995 im Zusammenhang mit dem Haushaltsplan beschlossen. Durch die Festlegung einer Polizeidichte von 1 : 340 wurden 8 237 Planstellen festgeschrieben.