Protokoll der Sitzung vom 12.10.2000

Dabei ist es den Menschen egal, unter welcher Firmierung oder Tarnung die Gebühren eingezogen werden. MDR-Intendant Professor Reiter begründete in einem Interview die Erhöhung auch damit, dass im Sende-gebiet der Wegzug ständiger Gebührenzahler anhalte.

Meine Damen und Herren! Wir reden die Lage in unserem Lande nicht schlecht, die Lage ist schlecht. Schließen wir uns der ernüchternden Feststellung Professor Reiters an, dann müssen wir uns bewusst sein, dass die Gebührenerhöhungen auch in Zukunft kein Ende finden werden. Schöne Aussichten für die Menschen in Sachsen-Anhalt, die alle Hoffnung auf einen Arbeitsplatz fahren lassen können und nebenbei auch noch als unmotiviert und leistungsschwach beschimpft werden, wenn sie von Dr. Höppners Gnaden in der ABM-Warteschleife ausharren müssen.

(Beifall bei der FDVP)

Herr Dr. Höppner, Sie sollten erster Preisträger für das „erschreckende“ Wort werden.

Hoffen wir, dass die von der Landesregierung vergraulten und vergnatzten Scheichs den arbeitsunwilligen Ministerialbürokraten im Gabriel-Reich mit unendlicher arabischer Geduld und Weisheit verzeihen

(Zustimmung bei der FDVP)

und Arbeitsplätze für die tatsächlich motivierten und leistungsbereiten Anhaltiner bescheren.

(Unruhe und Widerspruch bei der SPD)

- Ich bin froh, dass Sie das so aufregt.

Wenn nicht, dann packen junge Menschen weiterhin geschwind den Kofferraum ihres Autos, ziehen in die alten Bundesländer und werden hier nicht wieder gesichtet.

Dort, meine Damen und Herren, müssen sie zwar auch 3,33 DM Gebühren monatlich mehr bezahlen, aber da sie dort einen gut bezahlten Arbeitsplatz mit 100-prozentigem Tariflohn erhalten, fällt ihnen das leichter.

(Zuruf von Herrn Biener, SPD)

Meine Damen und Herren! Auch wenn sich der Rundfunkänderungsstaatsvertrag natürlich nicht nur auf die

Gebührenerhöhung reduzieren lässt, offenbaren die Begründungen für die Erhöhung doch auch inhaltliche Aspekte, die nicht verdrängt werden dürfen.

Die den öffentlich-rechtlichen Anstalten durch das Bundesverfassungsgericht auferlegte Grundversorgung wird aber in diesen Anstalten durchlöchert oder ausgehöhlt.

Die Diskussionen im Ausschuss für Kultur und Medien und die hochkarätige Anhörung im Ausschuss waren sachlich fundiert, konnten die FDVP-Fraktion aber nicht davon überzeugen, dass die Gebührenerhöhung gerechtfertigt ist. Deshalb vertreten wir auch heute die bereits im Februar dieses Jahres von uns in das Parlament eingebrachte Ablehnung der Gebührenerhöhung und damit die Ablehnung des vorliegenden Gesetzentwurfs.

Meine Damen und Herren! Heute Morgen erhielt ich den Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und der PDS zum Gesetzentwurf. Ich fühlte mich sofort bestätigt in meinem geschriebenen Wort vom gestrigen Tag. Ich musste nicht einmal ein klitzekleines Wort ändern.

(Frau Bull, PDS: Na so etwas!)

Ich schrieb, bei der Abstimmung wird - und ich sage das ohne prophetische Gaben - der PDS-Politzirkus einen Salto mortale hinlegen, dass die Artisten vom Zirkus Roncalli erbleichen würden.

(Zustimmung bei der FDVP)

Meine Damen und Herren! Ich zitiere den medienpolitischen Sprecher der PDS, Herrn Gärtner, aus dem „Neuen Deutschland“ vom 20. Januar 2000. Auf die Frage, wie sich die PDS in Sachsen-Anhalt verhalten wird, antwortete Herr Gärtner:

„Auch wir werden die Gebührenerhöhung ablehnen.“

Und weiter:

„Die KEF-Empfehlung ist ja durchaus von den Ministerpräsidenten nach unten korrigierbar. Diese Möglichkeit sollten sie unserer Meinung nach unbedingt nutzen.“

Herr Gärtner, nun können Sie Aug‘ in Aug‘ mit Herrn Dr. Höppner beweisen, wie Sie zum öffentlich gegebenen Wort stehen.

Meine Damen und Herren! Ich schrieb gestern weiter: Ich bin dessen gewiss, Sie von der PDS fallen um, weil Ihr Wohlverhalten und Ihr Wortbruch mit einem leckeren Mittagsmahl beim Kanzler belohnt wird. Dafür kann man schon mal seine Prinzipien aufgeben.

(Beifall bei der FDVP - Zuruf von der PDS: Aufhö- ren!)

Die Ihrer Klientel zugehörigen Strafrentner werden es zu würdigen wissen, wie Sie mit Gebührenzuschlag die Wähler betrügen und belügen.

Den Wählern im Lande kann ich nur sagen, mit PDS und SPD wächst zusammen, was zusammengehört. Ehrlicher wäre es, den PDS-Parteitag in Cottbus bereits zum Vereinigungsparteitag zu erklären. Das wäre dann endlich kein Wählerbetrug mehr.

(Zustimmung bei der FDVP - Oh! bei der SPD - Zuruf von Herrn Felke, SPD)

Meine Damen und Herren! Wir, die FDVP-Fraktion, stehen zu unserem im Februar 2000 gegebenen Wort

der Ablehnung einer Gebührenerhöhung. Wir lehnen den Gesetzentwurf ab. - Danke sehr.

(Beifall bei der FDVP - Zuruf von Frau Linde- mann, SPD)

Herr Ministerpräsident, Sie haben für die Landesregierung das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst für die zügige Beratung dieses Gesetzentwurfs im Ausschuss bedanken. Ich habe inzwischen von verschiedensten Seiten gehört, dass es profunde Beratungen und Anhörungen gewesen sind. Diese qualitativ gute Beratung hat der Staatsvertrag verdient.

Aber jetzt höre ich insbesondere von Ihnen, Herr Schomburg, dass Sie diesen Gesetzentwurf mehrheitlich ablehnen wollen. Das stimmt mich sehr bedenklich. Das muss ich ganz deutlich sagen.

Sie wissen natürlich, dass dieser Staatsvertrag ein sehr kompliziert ausbalanciertes Geschäft zwischen allen Ministerpräsidenten ist. Das heißt mit anderen Worten, man muss die Frage stellen, inwieweit Sie an dieser Stelle nicht den Kollegen auch Ihrer Partei in den Rücken fallen.

(Zuruf von der CDU: Wir sind unabhängig!)

- Die Unabhängigkeit, die Sie beschwören, hat eine Folge. Darauf will ich hinweisen, weil das langfristig wirklich gefährlich ist. Wir setzen mit solchen Haltungen die Existenz unseres öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems aufs Spiel.

(Zustimmung bei der SPD und von der Regie- rungsbank)

Ich wiederum halte das duale System für eine der entscheidenden Grundsäulen unserer Demokratie.

(Zustimmung bei der SPD - Zuruf von der FDVP: Ach so!)

Hier geht es nicht um irgendetwas. Hier geht es um die Zukunft unserer Demokratie.

(Zustimmung bei der SPD)

Es ist richtig, dass Gebührenerhöhungen schmerzen.

(Frau Feußner, CDU: Ja, das ist wahr!)

Offenbar scheint es aber so zu sein, dass sie nur schmerzen, wenn sie in einem Staatsvertrag festgelegt werden. Wenn Gebührenerhöhungen in der Form erfolgen, dass die Werbekosten der Unternehmen steigen, die wir über die Preise bezahlen und die die privaten Anstalten finanzieren, dann wird nicht darüber geredet. Ich denke, dass es ungerechtfertigt ist, nicht auf diesen Zusammenhang hinzuweisen.

Schließlich muss ich sagen: Sie verweisen in Ihrem Entschließungsantrag darauf, dass der Grundversorgungsauftrag festgeschrieben werden soll. Nichts anderes ist die intensive Arbeit in der Ministerpräsidentenkonferenz, bei der es Schritt für Schritt darum geht, zu sichern, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch in der zukünftigen Medienlandschaft seinen Platz hat; denn genau dann muss danach gefragt werden, welche Entwicklungsmöglichkeiten und Chancen der öffentlich-recht

liche Rundfunk braucht, damit er auch in Zukunft seinen Auftrag der Grundversorgung wahrnehmen kann.

Wir dürfen doch nicht nur an heute denken. Wir wollen das System auch auf längere Zeit stabilisieren. Das heißt mit anderen Worten, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk an diesen zukünftigen Entwicklungen teilhaben können muss.

(Zustimmung bei der SPD)