Protokoll der Sitzung vom 12.10.2000

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU - Drs. 3/3706

Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und der PDS - Drs. 3/3710

Die erste Beratung fand in der 42. Sitzung des Landtages am 14. September 2000 statt. Ich bitte jetzt den Abgeordneten Herrn Schomburg, als Berichterstatter das Wort zu nehmen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will es kurz machen, weil auch die Beratung im Ausschuss für Kultur und Medien in der letzten Sitzung recht kurz war.

Nach einer nochmaligen Einführung in die Problematik durch Herrn Staatssekretär Jonas haben Sprecher der einzelnen Fraktionen ihr Stimmverhalten im Ausschuss und im Parlament begründet. Nach diesen Stellungnahmen wurde bei sechs Jastimmen, einer Neinstimme und drei Enthaltungen die Empfehlung abgegeben, diesem Gesetz zum Fünften Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge zuzustimmen. - Vielen Dank.

(Zustimmung von Herrn Ernst, SPD, und von Herrn Kühn, SPD)

Danke für die Berichterstattung. - Meine Damen und Herren! Es ist eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion vereinbart worden in der Reihenfolge DVU-FL, PDS, CDU, SPD, FDVP. Als Erstem erteile ich vor den Abgeordneten Herrn Ministerpräsident Dr. Höppner für die Landesregierung das Wort.

(Ministerpräsident Herr Dr. Höppner: Entschuldi- gung, ich wollte nachher reden!)

- Sie wollten am Ende reden. Das ist mir dann falsch signalisiert worden. - Die DVU-FL hat auf einen Redebeitrag verzichtet. Für die PDS-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Herr Gärtner.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sowohl in der Einbringungsdebatte zum Gesetzentwurf als auch im Ausschuss sind nach meiner Auffassung die Standpunkte der Fraktionen ausführlich zum Ausdruck gebracht worden; deshalb kann ich es kurz machen.

Es hat sich gezeigt, dass die Neufestsetzung der Rundfunkgebühren den Scheidepunkt für die Fraktionen darstellt und auch innerhalb der Fraktionen zu ausführlichen Diskussionen geführt hat.

Bei aller Kritik, die wir an dieser Erhöhung anbringen, sehen wir aus rechtlicher Sicht keine Möglichkeit, diese anzugreifen. Wir legen aber großen Wert darauf, dass die von der KEF, der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs, gegebenen Hinweise für den nächsten Gebührenvertrag in die Tat umgesetzt werden. Dazu gehört die Überprüfung der Outsourcing-Politik des MDR, dazu gehört, dass im Rahmen der Verhandlungen über die künftige Medienordnung das Prinzip der Wirtschaftlichkeit und Effizienz strikt eingehalten wird. Im Entschließungsantrag von SPD und PDS sind weitere Dinge benannt.

Wir werden dies in Vorbereitung des kommenden Gebührenvertrages immer wieder auf die Tagesordnung setzen. Auf der Grundlage dieser Fakten hat die PDSFraktion sich entschlossen, sich bei der Abstimmung über dieses Gesetz der Stimme zu enthalten und dem Entschließungsantrag - weil wir ihn gemeinsam eingebracht haben - die Zustimmung zu geben. - In diesem Sinne, vielen Dank.

(Zustimmung bei der PDS)

Für die CDU-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Herr Schomburg.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU-Fraktion hat sich eingehend mit diesem Thema beschäftigt. Der Fünfte Rundfunkänderungsstaatsvertrag beinhaltet als den eigentlichen Knackpunkt die Gebührenerhöhung. Für die kommende Gebührenperiode soll die monatliche Gebühr um 3,33 DM erhöht werden.

Im Ergebnis der Beratungen, in denen die unterschiedlichen Standpunkte recht heftig aufeinander geprallt sind, haben wir uns - bei einer überwiegend ablehnenden Tendenz der CDU-Fraktion - dafür entschieden, die Abstimmung freizugeben. Diese Tendenz möchte ich im Folgenden erläutern.

Der Automatismus der Gebührenerhöhung wurde vehement kritisiert. In den vergangenen Jahren haben verschiedene öffentlich-rechtliche Sendeanstalten zusätzliche Programme im Hörfunk-, aber auch im Fernsehbereich installiert und haben somit für eine Ausweitung bei den Sendeflächen gesorgt. Das soll der Bürger jetzt bezahlen.

Für uns kann die Schlussfolgerung aus diesem Dilemma nur lauten: Die Politik ist aufgefordert, die Beschreibung des Auftrages des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu überdenken und konkreter zu formulieren. Dies wird, denken wir, auch ein Auftrag sein, den uns eine Protokollnotiz zum EG-Vertrag beschert, die im Rahmen des Amsterdamer Vertrages abgegeben wurde und maßgeblich durch den damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl eingebracht wurde und die auch in die Neufassung der Transparenzrichtlinie vom 26. Juli 2000 eingeflossen ist. Darin heißt es - ich zitiere -:

„... dass die Bestimmungen des EG-Vertrages nicht die Befugnisse der Mitgliedstaaten berühren, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu finanzieren, sofern die Finanzierung der Rundfunkanstalten dem öffentlich-rechtlichen Auftrag, wie er von den Mitgliedstaaten den Anstalten übertragen, festgelegt und ausgestaltet wird, dient und die Handels- und Wettbewerbsbedingungen in der Gemeinschaft nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt, das dem Interesse zuwiderläuft, wobei den Erfordernissen der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags Rechnung zu tragen ist.“

Hiermit wird gefordert, dass der Auftrag festgelegt und ausgestaltet werden muss.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Professor Stolte hat im Sommer dieses Jahres in Frankreich in einem Vortrag versucht, diesen Auftrag öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten zu beschreiben. Ich denke, auf

dieser Basis kann und muss weiter diskutiert werden und man muss zu einem Ergebnis kommen.

Von Staatsrechtlern wird sowohl die Begrenzung der Übertragungsmöglichkeiten als auch die Eingrenzung des inhaltlichen Rahmens für möglich gehalten, ohne dass die Rundfunkfreiheit gefährdet würde.

Ein zweiter Kritikpunkt in der CDU-Fraktion betraf das Gebührenfindungsverfahren. Dazu hatte ich mich schon in der ersten Lesung geäußert. Das Bundesverfassungsgericht hat uns in der Tat nur eine Notarrolle zugewiesen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten melden ihren Finanzbedarf an, die KEF prüft und die Politik möge bitte zustimmen, sich aber ansonsten aus dem Verfahren heraushalten.

Bei diesem gegen null tendierenden Entscheidungsspielraum lehnt es die CDU-Fraktion auch für die Zukunft ab, die politische Verantwortlichkeit für die neu gefundene Gebühr zu übernehmen.

Weitere Punkte hierzu wären der vollständige Einblick der Rechnungshöfe bzw. der KEF in das Finanzgebaren der öffentlich-rechtlichen Anstalten, ebenfalls ein Resultat der neu veröffentlichten Transparenzrichtlinie der EU.

Weiterhin plädieren wir nachhaltig für die Gebührenbefreiung von PCs. Es gibt durchaus alternative Modelle zur Findung der Gebühren, die keine Steuern sind, aber auch nicht mehr an die Geräte gekoppelt sind, weder an ein Fernsehgerät noch an einen PC. Dies ist, denke ich, ein Weg, den wir weiter verfolgen sollten.

Schließlich halten wir die Gebührensteigerung in Sachsen-Anhalt nicht für sozialverträglich. Dabei denken wir insbesondere an Arbeiterinnen in Sachsen-Anhalt, die mit einem Stundenlohn von 10,45 DM auskommen müssen, oder an Lkw-Fahrer, die zwischen 10 DM und 11 DM die Stunde verdienen. Deshalb unsere mehrheitliche Ablehnung dieses Rundfunkänderungsstaatsvertrages.

Meine Damen und Herren! Die Maßnahmen, mit denen wir eine Änderung der jetzigen Situation herbeiführen wollen, haben wir in unserem Entschließungsantrag formuliert. Ich bitte namens der CDU-Fraktion um Zustimmung zu diesem Entschließungsantrag. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Herr Kühn.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Fünfte Rundfunkänderungsstaatsvertrag liegt uns heute zur Verabschiedung vor. Ich denke, dass keine einzige Fraktion in diesem Hause sehr glücklich ist, die privaten Haushalte im Land und in allen anderen 15 Bundesländern mit einer Gebührenerhöhung zu belasten.

Ohne Zweifel ist der vorgesehene Betrag nicht hoch und gerechtfertigt. Dafür bürgt die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk und damit auch unser sehr verehrter Herr Präsident des Landesrechnungshofes Schröder, der selbstverständlich auch an den Kürzungen der Wünsche der Anstalten beteiligt war.

Ich denke auch, dass der Erhalt und die Anpassung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an die technische und gesellschaftliche Weiterentwicklung das Vernünftigste

sind, was wir alle tun können. Machen wir uns nichts vor: Eine Gebührenerhöhung ist eine unangenehme Sache; aber eine Beschränkung und Maßregelung der öffentlich-rechtlichen Anstalten kommt uns alle und vor allem auch die Demokratie am Ende teuer zu stehen.

Freiheitlich-demokratische und damit auch pluralistische Gesellschaften sind auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Forum der freien öffentlichen Meinung und politischen Willensbildung wie auch der individuellen Orientierung angewiesen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist keine Veranstaltung, die ins bloße Belieben irgendeines Mehrheitsgesellschafters oder seines Programmverantwortlichen gestellt ist. Die Tragweite dieses Satzes werden wir erst begreifen, wenn uns der öffentlichrechtliche Rundfunk entglitten ist und nicht mehr weiter finanziert wird.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird durch unterschiedliche gesellschaftlich relevante Gruppen in seinen Gremien beraten und durch sie kontrolliert. Er ist somit, anders als private Rundfunkunternehmen, nicht an den wirtschaftlichen und publizistischen Interessen einzelner Gesellschafter ausgerichtet. Er hat der Gesellschaft im Ganzen zu dienen und wird daher auch dem Solidarprinzip entsprechend finanziert.

In einem Punkt sind wir uns einig, lieber Kollege Schomburg: Solidarität beinhaltet nicht nur das Geldgeben, sondern auch im Dialog Dinge zu verbessern, die es zu verbessern gilt. In diesem Sinne verstehe ich auch den Antrag der CDU-Fraktion, der meines Erachtens etwas radikal, undifferenziert und unsensibel in die Rundfunklandschaft hineinschlägt.

Es wird Sie nicht wundern, wenn ich sage: Besser ist selbstverständlich der Entschließungsantrag von SPD und PDS formuliert, der in seiner Ausrichtung ein ähnliches Anliegen verfolgt, aber wesentlich präziser das zum Ausdruck bringt, was in den nächsten Jahren getan werden muss, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk effizienter, stärker und auch wirksamer zu machen.

Besonders der letzte Punkt Ihres Entschließungsantrages, lieber Kollege Schomburg, ist, denke ich, unter dem Niveau Ihrer Erkenntnisse im Medienbereich. Ich weiß auch nicht, ob er von Ihnen stammt.

Wie Sie selbst wissen, gibt es jetzt schon Fernsehgeräte, die Sie von einem Computer nicht mehr unterscheiden können. Für etwa 300 DM können sie selbst die billigen, veralteten Geräte hier im Landtag aufrüs- ten und fernsehfähig machen. In der letzten „Wirtschaftswoche“ hat ein amerikanisches Unternehmen ein Web-Radio angeboten, selbstverständlich digital, mit 5 000 Sendern. Ist das nun ein Radio und damit gebührenpflichtig oder ist das ein Computer?

Diese Frage werden wir ohnehin in Zukunft nicht mehr beantworten können, sodass sich dieser letzte Punkt, denke ich, erübrigt. Wir können an dieser Stelle nichts festschreiben, was nicht festzuschreiben ist. Sollen wir am Ende sagen: Der Computer, der im Wohnzimmer steht, ist ein Fernsehgerät und der Computer im Büro ist ein Bürogerät und damit gebührenbefreit? Fernsehtauglich und von einem Fernsehgerät nicht mehr zu unterscheiden werden sowieso alle sein.

Ich bitte Sie deshalb, dem Gesetzentwurf zum Fünften Rundfunkänderungsstaatsvertrag und dem Entschließungsantrag von SPD und PDS zuzustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Bevor ich der Abgeordneten Frau Wiechmann für die FDVP-Fraktion das Wort erteile, freue ich mich, Seniorinnen und Senioren aus Bitterfeld in unserem Hohen Hause herzlich begrüßen zu dürfen.

(Beifall im ganzen Hause)

Frau Wiechmann, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Von Anbeginn der parlamentarischen Behandlung dieses Gesetzentwurfes, aber auch im Vorfeld der öffentlichen Diskussion spielte die im Rundfunkänderungsstaatsvertrag vorgesehene Gebührenerhöhung um 3,33 DM auf 31,58 DM monatlich die bestimmende Rolle in den Debatten.

Gewiss: Die mehr als satte Erhöhung um 12,5 % ist ein schwer zu verkraftender Hammer und ruft zu Recht den Unwillen der Gebührenzahler hervor. Denn die Gebührenschraube dreht sich in allen Bereichen der Gesellschaft unvermindert und immer schneller.

Dabei ist es den Menschen egal, unter welcher Firmierung oder Tarnung die Gebühren eingezogen werden. MDR-Intendant Professor Reiter begründete in einem Interview die Erhöhung auch damit, dass im Sende-gebiet der Wegzug ständiger Gebührenzahler anhalte.