Protokoll der Sitzung vom 13.10.2000

(Zustimmung bei der SPD)

Danke, Frau Ministerin. - Herr Jeziorsky hat jetzt für die CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie haben eben von der Frau Justizministerin gehört, wie sich das Land Sachsen-Anhalt im Bundesrat verhalten wird. Ich sage für meine Fraktion: Wir unterstützen einen solchen Antrag nicht.

In der schriftlichen Begründung und auch in den Einführungsworten von Herrn Gärtner ist von typischen Einwanderungsstädten oder Einwanderungsstadtteilen gesprochen worden bzw. zu lesen. Einwanderer, so jedenfalls mein Verständnis, sind doch wohl Menschen, die ihr bisheriges Heimatland verlassen und ein anderes Land aufsuchen mit dem Ziel, Bürger dieses anderen Landes zu werden. Das ist ein Einwanderer.

Wir haben, zugegeben erst seit kurzem, ein sehr vereinfachtes Verfahren zur Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft, und zwar eine Möglichkeit - das sind die §§ 85 ff. - mit dem so genannten Einbürgerungsanspruch. Wer also längere Zeit in Deutschland lebt und sich unter dem Begriff „Einwanderer“ wiederfinden möchte, kann auf einem sehr erleichterten Weg die deutsche Staatsbürgerschaft erlangen. Er erlangt damit automatisch auch alle Rechte eines deutschen Staatsbürgers. Diesen Weg kann jeder gehen.

Wer ihn nicht gehen will, wer Ausländer bleiben möchte, der scheint sich auch nicht integrieren lassen zu wollen. Wenn jemand das nicht will, dann können ihm auch nicht alle Rechte in Deutschland eingeräumt werden. - Herz- lichen Dank.

(Beifall bei der CDU, bei der DVU-FL und bei der FDVP)

Die DVU-FL-Fraktion verzichtet auf einen Redebeitrag. Für die FDVP-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Wolf.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die von der Partei der Schlichtheit begehrte Bundesratsinitiative erinnert an die nicht stilvollen Büttenreden in den billigen karnevalistischen Hochburgen.

Bemerkenswert ist der Hinweis auf Quellen des Bundesverfassungsgerichtes, ohne in Verfolgung des eigenen Ziels die Fundstellen anzugeben. Das soll nunmehr unsererseits geschehen; denn dann ist den Neokommunisten die Möglichkeit eröffnet, nachzulesen, was man schreiben darf, und anzugeben, dass andere für sie die Arbeit getan haben. Es wurde woanders mit Fehlern abgeschrieben. Das ist intellektuelle Schlichtheit am Freitag, dem 13.

(Beifall bei der FDVP)

Dass eine Änderung des Artikels 28 Abs. 1 Satz 44 des Grundgesetzes notwendig sei, überrascht. Auch nach intensiver Suche im Grundgesetz, und zwar neuester Fas

sung, ist es nicht gelungen, Artikel 28 Abs. 1 Satz 44 zu finden. Ausgetauschte Brillen und Feldstecher führten auch nicht zum gewünschten Ergebnis. Satz 44 blieb unauffindbar. Auch unter Zugrundelegung von Rechnern wurden keine 44 Sätze gefunden. Gefunden wurden aber in Artikel 28 Abs. 1 die Sätze 1 bis 4. Artikel 28 Abs. 1 Satz 4 des Grundgesetzes passt aber auch nicht. So recht schlüssig scheint sich die linksradikale PDS auch nicht zu sein, was nun geändert werden soll und was Bestand haben soll.

Meine Damen und Herren! In der Bundesrepublik Deutschland lebten 1987 über 4,5 Millionen Auslän- der. Angesichts dieser Zahlen wurde immer wieder neu die Forderung nach einem kommunalen Ausländerwahlrecht erhoben. Das Kommunalwahlrecht der Bundesländer beschränkt die Wahlberechtigung auf kommunaler Ebene traditionell auf Deutsche im Sinne von Artikel 116 Abs. 1 des Grundgesetzes.

Ob Länder zu solchen Änderungen ihres Kommunalwahlrechts befugt sind, ist in den Rechtswissenschaften seit längerem umstritten. Einer Auffassung zufolge ist das Volk im Sinne von Artikel 28 Abs. 1 dasselbe wie in Artikel 20 Abs. 2 des Grundgesetzes, nämlich das Staatsvolk aller Deutschen. Ausländer sind danach nicht wahlberechtigt.

Die Gegenmeinung sieht die Volksbegriffe in Artikel 28 Abs. 1 und in Artikel 20 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht als identisch an. Das Betroffensein durch Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft - Artikel 28 Abs. 2 des Grundgesetzes - beschränke sich nicht auf deutsche Staatsangehörige, sondern umfasse die gesamte kommunale Bevölkerung. Daher sei eine Erweiterung des Kommunalwahlrechts auf Ausländer durch den Landesgesetzgeber zulässig und bedürfe keiner Änderung des Grundgesetzes.

Aber das Bundesverfassungsgericht hat sich nun einmal die erste Argumentation zu Eigen gemacht, nicht die zweite. Die Entscheidungen sind im Deutschen Verwaltungsblatt des Jahres 1999 auf den Seiten 1397 und 1401 abgedruckt. Eine Einführung des Kommunalwahlrechts für Ausländer ist demzufolge nur durch Verfassungsänderung möglich.

EU-Bürger haben das Kommunalwahlrecht. Damit ist dort die Rechtslage klar. Der Deutsche Bundestag hat in seiner Verfassungsdebatte vom 30. Juni 1994 die Erweiterung des kommunalen Wahlrechts für Ausländer über den EU-Bereich hinaus abgelehnt.

An diesen Mehrheitsverhältnissen hat sich nichts geändert. Damit steht wieder einmal fest, dass die Fraktion der PDS aus ihrer Ideenlosigkeit heraus einen Schaufensterantrag aus anderen Bundesländern benutzte, um der Profilneurose nach dem Gysi-Abgang zu entsprechen.

(Beifall bei der FDVP - Lachen bei der PDS)

Unsinnig und geradezu abenteuerlich ist auch der im Antrag der PDS enthaltene Hinweis auf einen angeblichen Ausschluss von Ausländern von der Inanspruchnahme von Bürgerrechten. Die Grundrechte gelten nach allgemeiner Kenntnis für jedermann, soweit sie nicht ausdrücklich nationalitätsbezogen sind.

Schließlich, meine Damen und Herren von der PDS, gehen Sie sehr flott mit dem Wort um. Diskriminierung beinhaltet eine unterschiedliche Behandlung, eine Herabsetzung. Die nicht wahlberechtigten Ausländer in Deutschland werden als personelle Einheit nicht unter

schiedlich behandelt oder herabgesetzt, sondern gleich behandelt.

Wie viele Deutsche, die ständig im Ausland leben und vom dortigen Wahlrecht ausgeschlossen sind, müssen sich nach dem Befinden der PDS diskriminiert fühlen, ohne diskriminiert zu sein? Reisen Sie doch mit einem Suchauftrag in die ausländischen Staaten, suchen Sie nach angeblich diskriminierten Deutschen und Sie haben endlich wieder eine Aufgabe. Ich versichere Ihnen, den Bürgermeister von Ankara nicht wählen zu wollen, mit oder ohne Befugnis. - Danke.

(Beifall bei der FDVP)

Frau Leppinger, Sie haben für die SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Lassen Sie mich eine kurze Vorbemerkung machen. Ehrlich gesagt habe ich mich über den Antrag ein bisschen geärgert, und zwar deshalb, weil es selbstverständlich ist, dass wir im Bundesrat allen Initiativen für das Kommunalwahlrecht für unsere Mitbürger, die nicht aus der Europäischen Union stammen, zustimmen werden.

Schließlich hat Sachsen-Anhalt gemeinsam mit anderen Ländern einen Gesetzentwurf, von dem hier schon öfter die Rede war, zur Änderung des Grundgesetzes mit der Zielsetzung, denjenigen Mitbürgern, die nicht die Staatsangehörigkeit der Europäischen Union besitzen, das Kommunalwahlrecht einzuräumen, in den Bundesrat eingebracht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der PDS, Sie wissen ganz genau, dass wir als SPD uns seit vielen Jahren dafür einsetzen. So haben wir dieses Problem auch mehrfach auf Antrag im Landtag diskutiert und es immer offensiv vertreten.

Wir wussten allerdings immer, dass für die Einführung des Wahlrechts das Grundgesetz geändert werden muss. Diese Hürde muss übersprungen werden, weil es nicht einzusehen ist, warum eine Ausländerin oder ein Ausländer, der seit vielen Jahren in der Bundesrepublik wohnt und arbeitet, seinen Gemeinderat nicht wählen

darf, nur weil sein Herkunftsland Bulgarien oder Ungarn ist, während sein Kollege, der aus Italien stammt, an die Wahlurne treten darf.

Dieser Ausschluss eines Teils der ständigen Einwohner einer Kommune vom Willensbildungsprozess hat Demokratiedefizite zur Folge und wirkt einer wünschenswerten Integration von Ausländerinnen und Ausländern in der Gesellschaft entgegen.

Herr Jeziorsky, die Begründung, dass die ausländischen Mitbürger die deutsche Staatsangehörigkeit beantragen und damit das Wahlrecht erlangen könnten, kann ich nicht richtig nachvollziehen; wir verlangen das von den Franzosen oder Italienern auch nicht.

(Herr Jeziorsky, CDU: Das ist ein ganz anderer Vergleich!)

Ich erinnere nochmals daran, dass bei der ersten freien und geheimen Kommunalwahl 1990 bereits ausländische Mitbürger in die Gemeinderäte oder als Bürgermeister gewählt worden sind. Jetzt steht ihnen nicht einmal mehr das Recht zu, ihre Stimme abzugeben. Dieses zu ändern ist überfällig. Deshalb wird die SPD-Landesregierung einer entsprechenden Bundesratsinitiative zustimmen. Wir werden daher dem PDSAntrag, obwohl er mir ein bisschen überflüssig erscheint, zustimmen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Herr Gärtner hat für die PDS-Fraktion das Wort. - Er verzichtet. Dann sind wir am Ende der Debatte und kommen zur Abstimmung über die Drs. 3/3688. Wer stimmt zu? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Ohne Enthaltungen und bei zahlreichen Gegenstimmen ist dem Antrag mehrheitlich gefolgt worden.

Meine Damen und Herren! Wir sind am Ende der 24. Sitzungsperiode angelangt. Ich berufe den Landtag zu seiner 25. Sitzungsperiode für den 9. und 10. Novem- ber 2000 ein. Die nächste Sitzung des Ältestenrates findet am 2. November 2000 statt. Die Sitzung des Landtages ist damit geschlossen. Ich wünsche Ihnen allen einen guten Nachhauseweg und ein schönes Wochenende.

Ende der Sitzung: 13.39 Uhr.

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Herausgegeben vom Landtag von Sachsen-Anhalt

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