Und genau darum geht es mit dem jetzt auf den Weg gebrachten Reformvorhaben. Es soll in einem ersten Schritt im Zivilprozess eine klare funktionelle Dreistufigkeit geschaffen werden.
Wer es sehen kann, bemerkt - das ist der jetzige Zustand -: Kein Mensch, so mancher Jurist auch schon nicht mehr, blickt durch, welche Rechtsmittel in den einzelnen Instanzenzügen möglich und zulässig sind. Das soll die Zukunft sein: eine klare funktionelle Dreistufigkeit. Hier unten stehen die Amts- und Landgerichte noch nebeneinander.
Hier werden die Prozesse in erster Instanz verhandelt. Dann kommt das Oberlandesgericht, das sich darauf beschränken soll, eine Fehlerkontrolle vorzunehmen. Dann bleibt der BGH als Revisionsgericht für Rechtsfortbildung und Herstellung von Rechtseinheitlichkeit.
Es geht also mit diesem Reformvorhaben um eine Begradigung der Instanzenzüge. Dazu zählt eben auch - das ist Kern des Antrages der CDU - eine Erneuerung des Berufungsverfahrens. Auch das ist bitter notwendig, solange es in Deutschland Berufsgerichte gibt - man
Vorgesehen ist, die Berufungsverfahren beim OLG zu konzentrieren. Ich denke, das ist kein gravierender Rückzug aus der Fläche. In Ihrem Antrag, Herr Remmers, ist vergessen worden zu sagen, dass das OLG beispielsweise in Familiensachen auch jetzt schon die einzige Berufungsinstanz ist.
Sie nehmen auf ein Beispiel in Stendal Bezug. Wer sich in Stendal vor dem Amtsgericht scheiden lässt und dagegen in Berufung geht, der muss auch jetzt schon zum OLG.
Wir haben über das Problem der Bürgernähe auch schon im Zusammenhang mit den Amtsgerichten diskutiert. Bürgernähe misst sich eben nicht allein in Kilometern. Es geht darum, dass die Bürger schnell und richtiges Recht bekommen.
Nun ist der Chor der Bedenkenträger unüberhörbar, darauf ist in mehreren Reden hingewiesen worden. Aber gucken wir doch hin, woher die Bedenken kommen. Sie kommen von denjenigen, die gut daran verdienen, dass das System so ist, wie es ist,
bzw. aus der Richterschaft von denjenigen, die befürchten müssen, privilegierte Arbeitsbedingungen könnten sich ändern. Das kann nicht der Maßstab sein.
Im Interesse des Bürgers - um ihn geht es - können wir die Justizministerin nur ermuntern, konsequent für die Umsetzung dieser Reform zu streiten.
Insoweit - das ist mein letzter Satz - könnten wir dem Antrag der CDU glatt unsere Zustimmung versagen. Nun hat die PDS die Überweisung in den Ausschuss gefordert.
Dem können wir folgen. Ich bin gern bereit, im Ausschuss auch die PDS von den Vorzügen dieses Reformvorhabens zu überzeugen. - Vielen Dank.
Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Wir begrüßen jetzt eine Besuchergruppe von Auszubildenden beim Internationalen Bund in Magdeburg sowie Schülerinnen und Schüler der Justizvollzugsschule Klötze.
Die Debatte wird, da die DVU-FL auf einen Redebeitrag verzichtet hat, mit dem Beitrag des Abgeordneten Herrn Remmers fortgesetzt. Bitte, Herr Remmers, Sie haben noch einmal das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin immer wieder überrascht. Man kann hier machen, was man will,
man kann sachlich argumentieren, man kann kritisieren. Aus der Kritik wird dann die Bedenkenträgerei und aus der Bedenkenträgerei wird blitzschnell über Herrn Dr. Brachmann wieder der Klassenkampf ausgerufen;
denn die Anwälte, das sind natürlich diejenigen, die am Gerichtssystem nur deswegen Interesse haben, weil sie Geld damit verdienen.
Wenn Sie sich einmal die Berufsstatistiken angucken und fragen, wie weit die Bürger, die immer wieder zum Anwalt gehen und dort Hilfe in Anspruch nehmen, mit diesen großen Bedenkenträgern einverstanden sind, werden Sie feststellen, dass sich da ein ganz anderes Bild ergibt. Herr Brachmann, ich schätze Sie viel zu sehr, als dass ich Sie damit durchlassen möchte. Ich bitte Sie ganz herzlich: Lassen Sie diesen etwas unqualifizierten Unfug. - Das als Erstes.
Das Zweite, um gleich dabei zu bleiben. Damit sich das nicht festsetzt, damit diese so genannten Bedenkenträger, was sehr ernsthafte, besorgte Stimmen aus der Fachwelt sind, nicht so abqualifiziert werden, will ich doch darauf hinweisen, dass bei einer Umfrage im Oberlandesgerichtsbereich Karlsruhe unter den Zivilrichtern der Amts- und Landgerichte des OLG-Bezirks bei 18 Enthaltungen 64 Richter gesagt haben: Lasst uns um Gottes willen mit dieser Geschichte zufrieden. - Das sind die, die eigentlich durch diese Sache entlastet werden sollen.
- Amts- und Landgerichte. - Die gleiche Frage ist den Zivilrichtern am Oberlandesgericht gestellt worden, denen gesagt worden ist: Ihr kriegt eine Erleichterung durch das einstimmige Zurückweisen einer Berufung ohne Begründungspflicht. - Da war das Ergebnis bei elf Enthaltungen 63-mal Nein.
Das heißt, die weit überwiegende Mehrheit derjenigen, die scheinbar entlastet werden sollen, lehnt diese Reform ab. Das ficht aber die Bundesjustizministerin und einige Landesministerinnen und -minister scheinbar nicht an; denn das sind ja nicht etwa sachlich bedingte Kritiken, sondern es sind ja Bedenkenträger.
Erstens. Ich glaube Ihnen nicht, dass Ihre Berechnung bezüglich der 1,3 Richter mehr im Lande richtig und fundiert ist. Eine Gesetzesfolgenabschätzung hat auf Bundesebene nicht stattgefunden und im Land konnten Sie sie gar nicht leisten.
Zweitens. Wenn es richtig ist, dass Sie sagen - Herr Finanzminister, hören Sie sich das gut an -, die Belastung der Gerichte gehe zurück und deswegen brauchten wir vielleicht bei dieser Reform keine wesentliche Steigerung der Richterzahl, würde vielleicht umgekehrt auch ein Schuh daraus, wenn man sagte: Die Belastung der Gerichte geht zurück; wir können in der Frage des Personalzuwachses oder des Personalbestands dann auch mal zurückfahren.
Was ist das für eine Logik, wenn ich sage, die Belastung der Behörden gehe zurück, und ich erreiche mit der Reform, dass ich nur einen geringen Aufwuchs bei den
Richterzahlen habe, wenn ich doch bei einem allgemeinen Rückgang der Belastung sogar erreichen könnte, dass ich die Bedienstetenzahlen zurückfahre?
Letzte Bemerkung, weil ich mit meiner Zeit nicht noch einmal Ärger haben will, Herr Präsident. Es wird immer über Richterzahlen diskutiert. Ich will jetzt doch noch einmal eine Lanze brechen für das Folgepersonal und für die daraus resultierenden Kosten, aber auch für die Belastungen.
Ich habe Ihnen vorhin vorgerechnet, dass es sich in Oberlandesgerichtsbezirken bisher wie folgt verhält: 100 000 Berufungen beim Landgericht und 70 000 beim Oberlandesgericht, demnächst 170 000 beim Oberlandesgericht. Dann wird uns vorgerechnet, da brauchte ich nur 1,3 Richter mehr, weil die auch schneller erledigen können; sie können sagen: Wir nehmen das einfach nicht an.
Die 170 000 Verfahren müssen aber gerade bei dieser Geschichte vom Folgepersonal ganz anders bearbeitet werden. Ich wüsste dann schon gerne - ich lege Ihnen das wirklich mit ans Herz -, was dies alles für uns, auch für das Folgepersonal und die dort entstehenden Kosten bedeutet.
Ich sage Ihnen: Alles, was wir heute von der Ministerin gehört haben, wird sich später - dann ist es zu spät - in der Weise herausstellen, dass wir in unseren Haushaltsplänen drastisch drauflegen müssen. Davor wollen wir gewarnt haben.
Ich räume ein - da gebe ich Frau Tiedge Recht -: Wir haben natürlich einen Punkt herausgegriffen, weil wir gern die Tür für die Diskussion in diesem Land öffnen und die Sensibilität wecken wollen. Wir wären damit einverstanden, wenn wir den Antrag im Sinne der Vertiefung der Diskussion und der Klarheit in den Rechtsausschuss überweisen würden, wo wir dann allerdings relativ kurzfristig versuchen sollten, uns eine Meinung zu bilden. - Schönen Dank.
Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zum Abstimmungsverfahren zu der Drs. 3/3641. Es ist Überweisung in den Ausschuss für Recht und Verfassung beantragt worden. Wer sich diesem Antrag anschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dann ist das einstimmig so beschlossen.