Protokoll der Sitzung vom 09.11.2000

- Ich bitte, um sicherzugehen, gleich um Überweisung in den Innenausschuss.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Ich hätte mit Gleichstel- lung gerechnet, Herr Minister! - Weitere Zurufe von der CDU)

- Es gibt auch eine ganze Menge Kameradinnen in der Feuerwehr, ohne Frage.

Meine Damen und Herren! Das Thema Feuerwehr gehört zu den wenigen Themen im Landtag, bei denen er wirklich einig und geeint ist. Das ist gut so, und das ist wichtig, weil die Feuerwehren wichtig sind und weil die Kameradinnen und Kameraden großes Engagement im Land zeigen.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der PDS)

Ich habe erst gestern im Finanzausschuss gemerkt, wie einig man sich sein kann bei einem solchen Thema, sogar die Finanzer.

(Heiterkeit bei der SPD und bei der CDU - Zuruf von Herrn Bullerjahn, SPD - Herr Becker, CDU: Die haben Angst! - Weitere Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren! Das Brandschutzgesetz stellt die rechtliche Grundlage für die Arbeit der 1 806 freiwilligen Feuerwehren, vier Berufsfeuerwehren und 13 Werksfeuerwehren in unserem Land dar. In seiner jetzigen Form ist es seit 1994 in Kraft und hat sich im Wesentlichen bewährt. Im Laufe der Jahre hat sich jedoch an einigen Stellen des Gesetzes aus verschiedenen Gründen Anlass zu einer Überarbeitung ergeben. Diesem Änderungsbedarf soll mit dem Entwurf zum Änderungsgesetz, den ich Ihnen heute vorlege, Rechnung getragen werden.

Diejenigen unter Ihnen, die bereits in der vergangenen Wahlperiode dabei waren, werden sich noch an den im Jahr 1997 in den Landtag eingebrachten Änderungsentwurf zum Brandschutzgesetz erinnern. Nachdem deutlich geworden war, dass eine abschließende Beratung vor dem Ende der Wahlperiode kaum möglich sein würde, haben wir uns damals im Innenausschuss verständigt, die Beratungen in der jetzigen Legislaturperiode wieder aufzunehmen.

Der Gesetzentwurf, den ich Ihnen dazu heute als Beratungsgrundlage vorlege, ist um einige relevante Punkte erweitert und insgesamt noch einmal deutlich überarbeitet worden. Im Kabinettsverfahren hat eine eingehende Anhörung der kommunalen Spitzenverbände, des Landesfeuerwehrverbands sowie des Werkfeuerwehrverbandes stattgefunden. Die Ergebnisse dieser Anhörung haben einen entscheidenden Beitrag zur Schlussfassung des Entwurfs geliefert. Im Hinblick auf die Ein

zelheiten kann ich Sie auf die Begründung und die Anlagen zur vorliegenden Drucksache verweisen.

Der Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung stellt somit eine umfassend abgestimmte Beratungsgrundlage für eine zeitgemäße Überarbeitung des Brandschutz- gesetzes dar.

Ich möchte jetzt auf die wesentlichen Punkte kurz eingehen. In die Regelung zur Organisation der gemeindlichen Feuerwehren soll ein Zeitkriterium von zwölf Minuten aufgenommen werden. Die Feuerwehren sollen also so aufgestellt, ausgerüstet und organisiert werden, dass sie den Einsatzort in der Regel zwölf Minuten nach ihrer Alarmierung durch die Einsatzleitstelle erreichen. Diese Vorgabe gilt unter gewöhnlichen Bedingungen und für Orte ihres Zuständigkeitsbereichs, die über öffentliche Verkehrsflächen erreichbar sind, wie es im Entwurfstext weiter heißt.

Der genannte Zeitraum von zwölf Minuten ergibt sich zum einen aus dem Rettungsdienstgesetz des Landes, das in dieser Hinsicht entsprechend ausgestaltet ist. Die Übernahme des Zeitkriteriums in das Brandschutzgesetz trägt daher nicht zuletzt der Tatsache Rechnung, dass der Rettung - denken Sie etwa an schwere Verkehrsunfälle oder an Unfälle bei Gefahrstofftransporten - häufig die Hilfeleistung durch die Polizei vorausgehen muss.

Das Zeitkriterium von zwölf Minuten wurde zum anderen auch deshalb aufgenommen, weil die Zeit bis zum Beginn lebensrettender Maßnahmen häufig über Leben und Tod entscheidet. Nach den Erkenntnissen der Notfallrettung und des abwehrenden Brandschutzes wird zum Beispiel die Überlebensgrenze einer direkt dem Brandrauch ausgesetzten Person nach 17 Minuten erreicht.

Ungeachtet dieses konkreten Zusammenhanges ist zu betonen, dass es sich bei dem Zeitkriterium um eine rein organisatorische Vorgabe handelt. Bereits daraus ergibt sich, dass der einzelne Bürger diesbezüglich keine Ansprüche gegenüber dem Träger der Feuerwehr herleiten kann. Um letzte Zweifel in Bezug auf den Ausschluss etwaiger Haftungsgründe oder -ansprüche gegenüber den Kommunen zu beseitigen, ist eine dahin gehende Klarstellung in den Gesetzestext aufgenommen worden. Wir sind damit dem Vorschlag des Städte- und Gemeindebundes gefolgt und haben den Passus aus dem Gesetz des Landes Baden-Württemberg übernommen.

Meine Damen und Herren! Die Einsatzzeiten der Feuerwehren werden bereits jetzt durch die Leitstellen dokumentiert. Wir wissen daher, dass die Eingreifzeit von zwölf Minuten unter den genannten gewöhnlichen Voraussetzungen von nahezu allen Feuerwehren im Land bereits gewährleistet wird. In vielen Fällen - denken Sie nur an die Großstädte - wird diese Zeit deutlich unterschritten.

Sehr geehrter Herr Becker, mit Blick auf Ihre kritische Anmerkung in diesem Zusammenhang, an die Sie sich hoffentlich noch erinnern - mir kam sie eher wie ein Pawlow‘scher Reflex vor -,

(Heiterkeit bei der SPD)

ist hervorzuheben, dass der flächendeckend gute Leistungsstand der Feuerwehren nicht zuletzt der kontinuierlich hohen Feuerwehrförderung durch das Land zu danken ist.

(Zustimmung bei der SPD - Herr Becker, CDU: Weil wir Sie treiben!)

- Weil Sie uns treiben!

(Herr Dr. Bergner, CDU: Wer hat denn die Anträ- ge gestellt, Herr Minister, im Ausschuss?)

- Wer hat Ihnen denn zugestimmt und wer hat sich denn darüber gefreut?

(Herr Becker, CDU: Alle!)

- Ja, wir alle. - Wenn Sie in diesem Zusammenhang kritisieren, dass im aktuellen Haushaltsentwurf eine Kürzung um 1 Million DM vorgesehen war bzw. vorgesehen ist, dann ist das im Ergebnis schlicht unzutreffend. Wenn Sie die Mittel aus der Feuerschutzsteuer hinzunehmen, die den Kommunen ebenfalls für den Brandschutz zufließen, ergibt sich unter dem Strich keine Verschlechterung; denn der Haushaltstitel für die Feuerschutzsteuer weist einen Aufwuchs von 1,4 Millionen DM gegenüber dem Vorjahr auf. Außerdem haben wir, wie gesagt, im Finanzausschuss den weisen Beschluss gefasst, die Fördermittel wieder aufzustocken.

(Zustimmung von Herrn Rothe, SPD - Zuruf von der CDU)

- Den weisen Beschluss, jawohl.

(Herr Bullerjahn, SPD: Nicht den weißen!)

- Nun gut, es war ein sehr farbiger Beschluss, nach allen Seiten.

Wie bei Gesetzen gilt auch beim Haushaltsplan, lieber Herr Kollege Becker, dass man zum besseren Gesamtverständnis die Bestimmungen bis zum Ende lesen sollte; denn im letzten Satz steht etwas zur Haftungs-frage, was Sie auch kritisiert hatten. Das ist damit abgesichert.

Meine Damen und Herren! Mit der Einführung des Zeitkriteriums ist auch nicht etwa die Aufstellung neuer Feuerwehren beabsichtigt. Es geht neben der genannten Angleichung an das Rettungsdienstgesetz vielmehr darum, den Feuerwehren und vor allem ihren Trä- gern eine gesetzliche Planungsvorgabe in die Hand zu geben.

In Verbindung mit einer örtlichen Risikoanalyse kann so eine gemeindespezifische Bedarfsermittlung für die Feuerwehren an die Stelle starrer Vorgaben in Gesetz und Mindestausrüstungsordnung treten. Den Gemeinden werden dadurch in verstärktem Maße eigenständige Entscheidungen zur Aufstellung und Ausstattung ihrer Feuerwehren ermöglicht, eine Flexibilität, die gerade bei gemeindlichen Zusammenschlüssen, egal in welcher Form diese erfolgen, gefragt sein wird. Dabei wird weniger der Bestand einzelner Feuerwehren, sondern eine sachgerechte und risikoorientierte Differenzierung und Spezialisierung von Feuerwehren im Mittelpunkt stehen. Ich denke, dass sich das anhand konkreter Beispiele in den Ausschusssitzungen sehr gut darstellen lassen wird.

Selbstverständlich, meine Damen und Herren, kenne ich gerade in diesem Zusammenhang nur zu gut die Sorgen kleinerer und kleiner Feuerwehren, allzu unbedacht kühlen Rationalisierungsbestrebungen zum Opfer zu fallen. Ich betone ebenso oft, dass gerade die kleinen freiwilligen Feuerwehren wie die Kirche im Dorf bleiben sollen. Da sind wir uns, glaube ich, im Landtag alle einig.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der PDS - Herr Dr. Bergner, CDU: Keine leichtfertige Gebietsreform! - Herr Hoffmann, Magdeburg, SPD: Das hat nichts damit zu tun!)

- Das hat nichts mit der Gebietsreform zu tun.

(Herr Becker, CDU: Doch!)

Erstens wird sie nicht leichtfertig sein und zweitens gehen wir auch nicht leichtfertig mit den Feuerwehren um. Herr Becker, es ist okay, wir machen hinterher weiter.

Ich betone ebenso oft, dass wir ohne kleine Feuerwehren unser flächendeckendes und gut bewährtes System der Brandbekämpfung und Hilfeleistung nicht gewährleisten könnten. Vor allen Dingen mit Rücksicht auf derartige Existenzsorgen, die es immer wieder gibt, habe ich deshalb einen Zustimmungsvorbehalt in den Gesetzentwurf aufnehmen lassen. Die Entscheidung über die Auflösung einer Feuerwehr bleibt demnach dem Innenministerium vorbehalten.

(Herr Becker, CDU: Sehr gut!)

Damit wird sichergestellt, wenn Herr Becker einmal Innenminister werden sollte, dass es auch zukünftig kleinere Feuerwehren geben wird. Das meinten Sie mit „sehr gut“.

Damit wird sichergestellt, dass einem flächendecken Brandschutz, ständiger Einsatzbereitschaft, gemeindespezifischer Gefährdungsbewertung, aber auch höherer Einsatzbelastung benachbarter Feuerwehren vor einer Auflösung von Feuerwehren sorgfältig Rechnung getragen wird.

Ganz im Sinne der kleinen Feuerwehren soll auch die bisherige Regelungslücke für die Fälle geschlossen werden, in denen die Aufgaben des Brandschutzes und der Hilfeleistung zur Erfüllung - das geschieht ja bereits - auf die Verwaltungsgemeinschaft übertragen werden. Hier ist jetzt klargestellt, dass die freiwilligen Feuerwehren in den Mitgliedsgemeinden als Ortsfeuerwehren der Verwaltungsgemeinschaft weiterbestehen. Der Wehrleiter der Verwaltungsgemeinschaft wird in diesem Fall aus dem Kreis der Ortswehrleiter zu bestimmen sein. Das Gesetz trifft aber hierzu bewusst keine weitergehenden Reglungen, um den Mitgliedsgemeinden in der Sache und im Verfahren einen möglichst großen Gestaltungsspielraum einzuräumen.

Meine Damen und Herren! Eine weitere wichtige Änderung betrifft die gesetzliche Bestimmung zur Unvereinbarkeit von Funktionen. Dieser Punkt war in den vergangenen Jahren in der Praxis häufig Anlass für Kritik und vor allem auch für Unverständnis, denn nach der bisherigen Rechtslage sind praktisch alle hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Feuerwehr, der Polizei und der Bundeswehr von Leitungsfunktionen in freiwilligen Feuerwehren ausgeschlossen. Ich weiß genau, wie wir das 1994 diskutiert hatten. Diese Frage haben wir immer noch auf dem Tisch.

Nach der vorgesehenen Öffnung dieser Vorschrift können alle Funktionen in freiwilligen Feuerwehren auf den genannten Personenkreis übertragen werden. Einschränkungen soll es nur noch für die Führungsfunktionen freiwilliger Feuerwehren in den Aufsichtsbehörden geben, insbesondere für den Kreis- bzw. Bezirksbrandmeister. Auch insoweit können in Härtefällen bei Personalengpässen Ausnahmen zugelassen werden, um verbleibenden praktischen Bedürfnissen in vertretbarem Maß gerecht werden zu können.

Meine Damen und Herren! Mit der Neuregelung der Bestimmungen zu Werkfeuerwehren wird klargestellt, dass es mehreren Unternehmen an einem Standort möglich

ist, eine gemeinsame Werkfeuerwehr aufzustellen. Darüber hinaus können die Betriebe ihre Verpflichtungen durch Private erfüllen lassen. Dadurch werden den Betrieben, die zum Vorhalten einer angeordneten Werkfeuerwehr verpflichtet sind, Kostenvorteile ermöglicht und wird die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen entsprechend verbessert.

Die Anforderungen an die Ausbildung des Personals entsprechen denen der Berufsfeuerwehren. Eine Verringerung der Sicherheit tritt also nicht ein. An entsprechenden Standorten wie Bitterfeld hat sich diese Flexibilisierung durch eine Ausnahmegenehmigung bereits bewährt. Es gilt nun, diese sinnvolle Praxis auch im Gesetz ausdrücklich nachzuvollziehen

Abschließend noch der Hinweis, dass für die ausgelaufene Bestimmung zur Abnahmestelle für Feuerwehrfahrzeuge wieder eine den aktuellen Gegebenheiten entsprechende gesetzliche Grundlage geschaffen werden soll. Die eigenständig organisierte Abnahmestelle wurde bereits Ende 1997 aufgelöst. Die Aufgabe wird jetzt mit deutlich reduziertem Aufwand durch die Brandschutz- und Katastrophenschutzschule in Heyrothsberge wahrgenommen. Die sachgerechte und für die Kommunen vorteilhafte Aufgabenerledigung und -wahrnehmung soll mit einer entsprechenden Zuweisung der Aufgaben durch das Land wieder eine gesetzliche Grundlage erhalten.

Meine Damen und Herren! Ich denke, dass mit der Darstellung der wesentlichen Punkte des vorliegenden Gesetzentwurfes der Änderungsbedarf im bestehenden Gesetz und die Intention der vorgeschlagenen Änderungen deutlich geworden ist. Es geht neben einer Verbesserung der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit vor allem um sachgerechte Flexibilisierungen, die den Gestaltungsspielraum der Gemeinden und der betroffenen Unternehmen erhöhen. Damit kann ein noch zielgerichteterer Einsatz der für den Brandschutz und die Hilfeleistung zur Verfügung stehenden Mittel gewährleistet werden.

Ich freue mich auf eine konstruktive Beratung des vorliegenden Gesetzentwurfs im Innenausschuss, wie ich sie zu den Fragen der freiwilligen Feuerwehren und des Brandschutzes immer erlebt habe. Die Ausschussüberweisung habe ich bereits zu Beginn vorgeschlagen.