Protokoll der Sitzung vom 09.11.2000

Ich freue mich auf eine konstruktive Beratung des vorliegenden Gesetzentwurfs im Innenausschuss, wie ich sie zu den Fragen der freiwilligen Feuerwehren und des Brandschutzes immer erlebt habe. Die Ausschussüberweisung habe ich bereits zu Beginn vorgeschlagen.

Abschließend möchte ich noch auf die Ausstellung „Brandschutz in Sachsen-Anhalt“ hinweisen, die zur- zeit im Landtag gezeigt wird. Die Ausstellung gibt einen lebensnahen Eindruck von den Leistungen unserer Feuerwehren im Lande. Ich danke dem Landtagspräsidenten, dass er es ermöglicht hat, diese Ausstellung hier im Landtag aufzustellen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der PDS)

Ich bitte jetzt die Fraktion der PDS um ihren Beitrag. Bitte, Frau Dr. Paschke, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Innenminister, um es vorwegzuschicken: Die PDS ist dafür, dass der Brandschutz in diesem Hause ein Konsensthema bleibt.

Mein erster Satz wäre der, mit dem der Minister geendet hat, nämlich dass wir uns gerade in diesen Tagen durch

die kleine Ausstellung über das Wirken der Feuerwehren in diesem Land informieren können. Wir haben uns einen Eindruck verschafft, was gerade die über 1 800 freiwilligen Feuerwehren wie auch die vergleichsweise doch sehr wichtigen Werks- und Berufsfeuer- wehren leisten.

Mit über 41 000 Menschen im Ehrenamt haben wir es in der Tat mit einer gesellschaftlichen Kraft zu tun, deren Bedeutung weit über die in einem Gesetz festzuschreibenden Aufgaben hinausgeht. Es ist gerade deshalb, weil es um enorme personelle und finanzielle Werte geht, von großer Wichtigkeit, eine Novelle des Gesetzes so abzufassen und zu begründen, dass bei Betroffenen der Zweifel weitgehend ausgeräumt wird, man würde das Wirken der Feuerwehren dadurch erschweren.

In weiten Teilen ist dieser Zweifel mit dem vorliegenden Entwurf ausgeräumt. Gerade auch unter diesem Aspekt war die Diskussion anhand des Referentenentwurfs wichtig und waren die bereits berücksichtigten Anregungen, beispielsweise die Angleichung der Hilfefrist, auf die der Minister schon hingewiesen hat, und die Regelung zur Schadenersatzforderung in § 2 Abs. 2, von Bedeutung.

Im Grundsatz akzeptiert die PDS das Bemühen der Landesregierung zur Novellierung des Gesetzes. Der Minister hat es erwähnt, dieses Bemühen ist keines- falls neu, sondern geht bereits auf die zweite Legislaturperiode zurück. Im Jahr 1997, also bereits vor drei Jahren, wurde eine Novellierung angestrebt, die dann aufgrund des Endes der Legislaturperiode eine unvollendete Novelle blieb. Wir meinen, dass wir jetzt gute Voraussetzungen haben, das zu schaffen, bevor die nächste Legislaturperiode abgeschlossen ist.

Ich möchte in meinem Beitrag von den insgesamt ca. 60 redaktionellen oder inhaltlichen Änderungen nur zwei Schwerpunkte herausgreifen, die nach unserer Auffassung von zentraler Bedeutung sind und die wir auch im Ausschuss noch einmal intensiv miteinander diskutieren sollten.

Erstens. In § 2 Abs. 4 wurde nunmehr eine Hilfefrist von zwölf Minuten als Obergrenze für Einsätze festgeschrieben. Sehr ausführlich hat der Innenminister dazu in seinem Betrag bereits argumentiert. Wohl zu keinem anderen Gebiet wurde im Vorfeld so heftig debattiert: Notwendigkeit ja oder nein, Einheitlichkeit möglich oder nicht, auf welcher Grundlage und mit welchen rechtlichen Konsequenzen.

Insgesamt kann die PDS der Begründung der Landesregierung folgen, dass nunmehr auf rechtlicher Grundlage eine Orientierung gegeben und damit die Planung und Vorhaltung erleichtert wird. Dennoch werden wir auch in der parlamentarischen Beratung sicherlich noch einmal darüber diskutieren müssen, was als Anfang der Zwölfminutenfrist gilt und worauf sich der Ablauf bezieht.

In der Begründung zu dem Gesetz bietet die Landesregierung eine Definition an. Ich weiß aus den Diskussionen, wie umstritten diese Fixpunkte unter den Fachleuten sind, obgleich die Festschreibung einer Frist allgemein für notwendig erachtet wurde.

Mit der Diskussion um die Hilfsfrist wurde aber auch immer nahezu einstimmig eine weitere Forderung verbunden. Gefordert wurde die rechtlich verbindlich vorgeschriebene regional zugeschnittene Gefahrenabwehranalyse, eine Gefahrenanalyse, ein Brandschutzbedarfs

plan oder welche Bezeichnung man auch immer dafür wählt.

Fest steht, dass sie sich dort, wo sie in sehr qualifizierter Form vorliegt und von den Räten beschlossen wurde, in fachlicher und politischer Hinsicht bewährt. Ein Beispiel ist die Stadt Magdeburg. Eine für das Land verbindliche Regelung dafür zu treffen, ist aus unserer Sicht sinnvoll.

Wir hatten die Gelegenheit, uns mit den Empfehlungen und der Umsetzung solcher Brandschutzbedarfsplanungen für die Gemeinden des Landes Nordrhein-Westfalen vertraut zu machen.

In Zusammenarbeit mit der Landesregierung und der Landesfeuerwehrschule wäre unserer Auffassung nach diese Arbeit durch die Landkreise im Zusammenwirken mit den Gemeinden tatsächlich leistbar. Es wäre ein sicheres Fundament, die Hilfsfrist je nach dem Gefahrenpotenzial regional zu untermauern. Wir sollten über diese Frage im Ausschuss noch einmal diskutieren.

Ich komme zu einem zweiten Schwerpunkt. In § 2 Abs. 1 sowie in § 3 Abs. 1 und 4 des Gesetzentwurfs werden Neuregelungen hinsichtlich der Zuständigkeit für den vorbeugenden Brandschutz getroffen. Wir halten dies mit Blick auf die jetzige Praxis tatsächlich für eine Neuregelung und nicht lediglich für eine Klarstellung.

Der vorbeugende Brandschutz soll nunmehr als Aufgabe des eigenen Wirkungskreises den Gemeinden zugeordnet werden. Dagegen gibt es Einwände der beiden Spitzenverbände. Dagegen wendet sich die Sorge der Verantwortlichen vor Ort, dass dies zwar fachlich sicherlich wünschenswert, aber real derzeit von den wenigsten Gemeinden leistbar ist.

Ein entsprechend qualifizierter Personenkreis, der finanzielle und zeitliche Mehraufwand im Ehrenamt - all das kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vorgehalten werden. Darüber ist man sich relativ einig.

Meine Damen und Herren! Wir haben es hier mit einer Frage zu tun, die den Zusammenhang zwischen der Leistungsfähigkeit der Gemeinden und der Aufgabenwahrnehmung und damit den Zusammenhang von Einzelgesetzgebung und Funktional- und Verwaltungsreform berührt. Darauf verwies in seiner Stellungnahme auch der Landkreistag. Diese Frage sollten wir im Ausschuss ebenfalls erörtern.

Insgesamt stimmen wir der Überweisung in den Ausschuss zu. Wir werden dort sicherlich noch weitere offene Fragen klären können. - Danke schön.

(Zustimmung bei allen Fraktionen)

Danke sehr. - Für die SPD-Fraktion erteile ich jetzt dem Abgeordneten Herrn Jüngling das Wort. Bitte, Herr Jüngling.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Brandschutz ist nun wirklich kein banales Thema. Brandschutz geht uns alle an. Jede und jeder kann urplötzlich in eine Situation geraten, in der die Hilfe der Feuerwehr dringend geboten ist. Mit einem modernen Brandschutzgesetz wird den heutigen und den zukünftigen Anforderungen entsprochen, die an effiziente Feuerwehren gestellt werden.

Wir geben damit den Kameradinnen und Kameraden der Berufsfeuerwehren, der Werksfeuerwehren und der freiwilligen Feuerwehren in unserem Lande die notwendige gesetzliche Grundlage für ihre verantwortungsvolle und oft sehr anstrengende Arbeit. An dieser Stelle danke ich allen ehrenamtlich Tätigen für ihr permanentes Engagement zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land.

Meine Damen und Herren! Für den vorliegenden Gesetzentwurf haben der Landkreistag, der Städte- und Gemeindebund, der Landesfeuerwehrverband, der Werksfeuerwehrverband sowie andere Interessenvertretungen, unter anderem die Kollegen der ÖTV, wertvolle und konstruktive Stellungnahmen erarbeitet. Ich bedanke mich namens meiner Fraktion dafür recht herzlich.

Zum Inhalt des Gesetzentwurfes möchte ich an dieser Stelle Folgendes anmerken. Es wurde ganz bewusst das vom Innenminister Püchel bereits erläuterte ZwölfMinuten-Zeitkriterium für die Organisation der Feuerwehr in einer Gemeinde in den Gesetzentwurf aufgenommen. Die Feuerwehr soll demnach in zwölf Minuten vor Ort sein. Es ist nicht zwingend, dass sie nach zwölf Minuten vor Ort sein muss, wie es heute Morgen missverständlich in der „Magdeburger Volksstimme“ stand.

Mit dieser Zeitvorgabe erhält jede für Brandschutzaufgaben verantwortliche Kommune die Möglichkeit, ihre Einsatzkräfte und Mittel gemeindespezifisch und risikoorientiert zu planen. Es wird gemeinhin von einer Risiko- oder einer Gefahrenanalyse gesprochen, die die Grundlage für die Erfüllung der vorgeschriebenen Brandschutzaufgaben ist und die bei sich ändernden Bedingungen auch angepasst werden muss. Bei dieser unbedingt erforderlichen Planung bzw. der Erstellung der Analyse mit anschließenden Empfehlungen wird der Rat unabhängiger Fachleute oftmals hilfreich sein.

Innenminister Püchel hat bereits dargelegt, warum es wichtig ist, dass praktisch gleichzeitig mit dem Rettungsdienst die Feuerwehr am Unfallort eintrifft. Nicht selten müssen verletzte Personen zunächst unter Mithilfe der Feuerwehr und unter Einsatz moderner Technik aus ihrer lebensbedrohlichen Situation befreit werden, bevor die Ärzte einschreiten können.

Bedenken Sie bitte, meine Damen und Herren, dass inzwischen 53 % aller Hilferufe an die Feuerwehr aus Unfällen resultieren und im Verhältnis dazu bei 38 % der Alarmierungen die Feuerwehren zu Bränden gerufen werden. Die übrigen Maßnahmen verteilen sich auf Arbeitseinsätze unterschiedlichster Art, zum Teil auf Tierrettungen. Gelegentlich müssen auch Wespen- oder Hornissennester beseitigt werden.

Die Alarmierung und eine schnelle, hoch motivierte, gut ausgebildete und sicher zum Einsatzort eilende Feuerwehr ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist eine zwar nicht dem Wünschenswerten, aber den gemeindespezifischen Erfordernissen entsprechende technische Ausrüstung. In den Fällen, in denen diese Voraussetzungen noch nicht gegeben sind, soll die Nachrüstung zügig, aber mit Augenmaß erfolgen.

In diesem Zusammenhang freut es mich, dass es auf Anregung der CDU bei den Haushaltsberatungen über den Einzelplan des Innenministeriums für das Jahr 2001 gelungen ist, durch Umschichtungen im eigenen Budget neben den bereits eingestellten Mitteln in Höhe von 13 Millionen DM zusätzlich 800 000 DM für Investitionen bei der Feuerwehr bereitzustellen. Erwartungsgemäß

haben gestern die bei den Beratungen im Finanzausschuss anwesenden Vertreter der SPD, der PDS und der CDU einmütig zugestimmt.

Meine Damen und Herren! Ein weiterer Punkt des Gesetzentwurfs ist von ganz besonderem Interesse. In § 8 sollen die Absätze 3 und 4 eingefügt werden, die zum Inhalt haben, dass freiwillige Feuerwehren in den zukünftigen Verwaltungsgemeinschaften Ortsfeuerwehren bleiben sollen. Mit diesen neuen Bestimmungen ist die Grundlage für einen dauerhaften Erhalt der freiwilligen Feuerwehren in unserem Land geschaffen. Dies ist für meine Fraktion von ganz besonderer Bedeutung.

(Herr Becker, CDU: Auch für uns!)

- Sagen Sie es, Herr Becker; Sie haben nach mir die Gelegenheit dazu.

(Herr Becker, CDU: Nein!)

Bei unseren freiwilligen Feuerwehren ist eine ständig wachsende Zahl von ehrenamtlich Tätigen zu verzeichnen. Wir haben in unserem Land - Stand ist der 31. Dezember des letzten Jahres - insgesamt 1 806 freiwillige Feuerwehren, die ihrerseits 1 038 Jugendfeuerwehren unterhalten.

Die Jugendfeuerwehren allein haben schon insgesamt 15 199 Mitglieder, davon 2 116 Mädchen und junge Frauen. Der gesellschaftspolitische Stellenwert und die sehr wichtige sozialpolitische Komponente dieser Jugendarbeit kann kaum hoch genug geschätzt werden. Die Frauen und Männer, meine Damen und Herren, die sich den Kindern und Jugendlichen in den Feuerwehren widmen, verdienen unser aller Respekt und Anerkennung.

(Zustimmung bei der SPD und von Frau Ferch- land, PDS)

Weil für diese Arbeit auch genügend Geld zur Verfügung stehen muss, freue ich mich auch in diesem Zusammenhang ganz besonders darüber, dass der Finanzausschuss gestern auf Anregung des Innenministers für den Bereich der Jugendfeuerwehr einstimmig zusätzlich 250 000 DM aus einem anderen Titel des Etats des Innenministeriums zur Verfügung gestellt hat.

(Zustimmung von Frau Budde, SPD, und von Herrn Stier, SPD)

Ich habe kein Problem damit, wenn es auch die PDSFraktion initiiert hat. Es ist eine der erfreulichen Gelegenheiten, bei denen PDS-Fraktion und Innenminister einer Meinung sind.

(Frau Theil, PDS: Es gibt noch mehr!)

Meine Damen und Herren! Wir beraten über den Entwurf eines modernen Brandschutzgesetzes für alle Feuerwehren unseres Landes, das die Grundlage für sichere und erfolgreiche Einsätze sein soll. Aber nicht nur bei Einsätzen zeigt die Feuerwehr ihr Können; ein weiterer sehr wichtiger Faktor ist der vorbeugende Brandschutz, bei dem die Experten sowohl notwendige Kontrollen als auch Planungen zur Vorbereitung von Einsätzen durchführen.

Besonders wichtig ist es auch, dass in den Schulen unseres Landes jährlich Brandschutz- und Evakuierungsübungen vorgeschrieben sind und durchgeführt werden. Darüber hinaus betreibt die Feuerwehr dankenswerterweise überall im Land intensive Aufklärung im Hinblick auf brandschutzgerechtes Verhalten seitens der Bevöl

kerung. Sie werden das insbesondere zur Adventszeit bemerken.

Wenn jetzt Kolleginnen oder Kollegen in diesem Hohen Haus oder Mitarbeiter im Landtag noch nicht von der Effizienz und der Qualität unserer Feuerwehren überzeugt sind, empfehle ich die gemeinsame Teilnahme an einer Brandschutz- und Evakuierungsübung, die vorzugsweise während der zweiten Lesung dieses Gesetzes im Landtag stattfinden sollte.